Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1886 (Jahrgang 48, nr. 114-150)

1886-10-02 / nr. 114

Nr. 114. XL VIII. Jahrgang 1886. Kaschau, Samstag, 2.­­ Oktober. Safchauer Zeitung. KASSA-EPERJESI ERTESITO. Im ohne­­ Juiuftr. Unterhaltungsblatt­­ 2.50, vierteljähr. Für Kaschau : ganzjährig fl. 5.--, halbjähr. Es Mit Postversendung: ganzi. fl. 6.60, ha . 3.30,­­ fl. 1.25 fl. 1.65 Bei Jnseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 fr. berechnet. — Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Redaction und Expeditions-Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 69. Mit dem „Illustr. Unterhaltungsblatt“ ganzjährig fl. in: halbjähr. fl. 3.50, vierteljähr. fl. ra . 2.15 " Für Kasc­han ; Mit Postversendung : ganzi. fl. 8 . 1430. Bei Inseraten, welche größeren Raum machen ist und öfter eingeschaltet werden, wird ein entsprechender Nachlaß gewährt. Neueste Nachrichten. Alle Krisengerüchte bezüglich Kalnoky's werden als grundfalst erklärt. Ebenso wenig wie eine Andrassy'sche gäbe es in Oesterreich eine Kalnoky'sche Politik, sondern der Monarch allein treffe alle Be­stimmungen, die der Minister als treuer Diener ausführt. Wie Kalnoky würde auch dessen Nachfolger eine gebundene Marschroute von seinem Vorgänger übernehmen, und selbst wenn es der ungarischen Opposition gelänge, Kalnoky zu stür­­zen, würde nur ein zweiter Kalnoky kommen. Ungarn. Budapest. In der Clubsitung der liberalen Partei sagte Minister-Präsident Tisza bezüglich der abschwebenden Zollverhandlungen, er halte den neuen T­arif für vortheilhaft, doch befinden sich in der Partei Viele, welche die alten Verträge für besser halten. Sei seine Vereinbarung auf Grund der neuen Pro­­positionen zu treffen, so wird es nicht unvorb­eihaft sein, die alten Veiträge beizubehalten. Oesterreich. Wien Man ist im Allgemeinen in nicht allzu rosiger Stimmung anläßlich der Eröffnung des Reichsrathes. Es herrscht Unzufriedenheit auf der Rechten und man glaubt, daß die Regierung viele Schwierigkeiten zu über­­winden haben werde. Die officiiten Organe mahnen zur Vorsicht und Mäßigung. In eingeweihten Kreisen der Rechten erzählt man von einem Conflict zwischen den Ministern Baron Prazak soll sich na­­mentlich über die Entscheidung des­ Unterrichtsministers, betref­­fend das Verbot der Erweiterung des cze­­c His<en Gymnasiums in Kremsier durch eine fünfte Klasse, beschwert ab­: Man hält die Stel­­lung des Baron Prazar für sehr erstüt­­tert und die Lage des Cessy-Klubs überhaupt für sehr ungünstig. Aus Anlaß der Anwesenheit des Kaisers in Galizien sollen zwei polnische Grafenfamilien den Fürstentitel erhal­­ten; auch seien viele Erhebungen in den Freiherr- und Gra­­fenstand zu gewärtigen. Belgien. Brüssel. Der König ist am 29. zum Besuche des Kaisers Wilhelm nach Baden-Baden abgereist. Frankreich. Paris. Hier tritt der Wunsche im­­mer dringender hervor, England daran zu mahnen, daß die Occupation Egyptens begrenzt werden müsse. Minister-Präsident Freycinet konstatirte in seiner Tou­­louser Rede die Weisheit der republikanischen Partei und die Fortschritte seit fünfzehn Jahren. (Siehe Chronik der Zeit.) Spanien. Madrid. Vier Bischöfe von Cata­­lonien und der Erzbischof von Valencia vereinigten sich mit dem Bischof von Madrid, um die Begnadigung der Aufrührer zu erbitten. General Ruiz Dana wurde zum Vert­eidiger des Generals Villacampa bestimmt. Die Königin soll gedrängt worden sein, die Hinrichtung der Verräther­ zu signiren , während derselben all die Kö­­nigin im Excurial wohnen. Italien. Rom. Graf Robilant trifft im Lauf dieser Woche wieder in Rom ein; um dieselbe Zeit wird auch der deutsche Botschafter K­e­u­d­e­l­l von seinem Urlaube zurückerwartet. Die Kammereröffnung­ ist noch nicht festgeseßt, doch glaubt man allgemein, daß dieselbe zwischen dem 15. und 18. November stattfinden werde, um welche Zeit auch der königliche Hof seinen ständigen Aufenthalt wieder in R­o­m nehmen wird. Türkei. Constantinopel. Der angekündigte Besuch des russischen Großfürsten-Thron­­folgers beim Sultan wird als eine Gegen-Demonstration zu dem Besuche des Herzogs von Edinburgh aufgefaßt. Nach den Vorbereitungen für den Empfang des zu schließen, wird sich auch in Aeußerlichkeiten die Großfürsten höhere Bedeutung ausdrücken, die man diesem Besuche beimißt. Der „Tarik“ verzeichnet das Gerücht, daß Bulgarien bis zur Wahl eines neuen Fürsten unter die gemeinsame Ver­­waltung eines russischen und türkischen Commissärs (?) gestellt werden solle. Bulgarien: Sophia. General Kaulbars erklärte, daß, wenn die von ihm im Namen des Czars gestellten Forderungen nicht erfüllt würden, er seinen Instruk­ Bn gemäß gezwungen wäre, Bulgarien zu ver­­assen, worauf dann zweifellos die Okkupation folgen würde. Die Regentschaft ist gleichwohl entschlossen, die Selbstständigkeit des Landes aus allen Kräften zu vertheidigen. (Stimmt ganz gut mit der Erklärung Tipa’, daß in Bul­­garien Niemandem eine Dictatur erlaubt sei.)­­ Gauts<und BPrazak.­­ Aus dem Reichstage. In der Sißung des Abgeordnetenhauses vom 25. wurde die Erhöhung der Subvention für die Seeschifffahrts-Gesell­­schaft „Adria“ von 150.000 fl. auf 307.300 fl. mit Majorität bewilligt. In der Situng vom 29. wurde die Debatte über die Erneuerung des Zoll- und Handelsbündnisses mit Oesterreich nicht beendet. Am Schluß derselben interpetierte Komjaty we­­gen der Affaire Herbert, des Vizenotärs von Fünffkirchen, welcher, da er Reserveoffizier ist und in einem Gespräche den ungarischen Civilistenstandpunkt vertrat, seiner Charge verlustig erklärt wurde ; sodann folgt ne­­­us Die heutige Nummer umfaßt 6 Seiten. a M INSGE DEST MENETET die Interpellation Desider Szilágyi’3 wegen Bulgarien und unseren auswärtigen Verbindungen. Die Maflosigkeit Komjity's veranlaßte eine Unterbre­­hung desselben durch den Präsidenten, und zum Schlusse ei­­nen energischen Brutest des Ministerprä­­sidenten gegen fold" eine Schmähung einer konstitutio­­nellen Institution (Ehrenrath), worauf der Interpellant die Tendenz seines Angriffes einigermaßen modifizirte. In der Sagung vom 30. beantwortete Tipa die bulga­­rische Interpellation und sagte unter Anderen : In erster Linie weise ich die Annahme zurück, daß das Ministerium unserer auswärtigen Angelegenheiten die Absezung des Fürsten von Bulgarien in Aussicht genommen hätte oder gar von dem gegen den Fürsten Alexander verübten Attentate­­n voraus unterrichtet gewesen wäre und dasselbe unter wel­­cher Bedingung immer gutgeheißen hätte. E 3 besteht keinerlei Uebereinkommen unserer Regierung mit Rußland in Betreff eines im westlichen oder östlichen Theile der Balkan-Halbinsel auszuübenden dominirenden Ein­­flusses. Die Regierung hält auch an der wiederholt ausgespro­­chenen Ansicht fest, daß nach den bestehenden Verträgen a­uf der Balkanhalbinsel, falls die Türkei ihr erhalte­­nes Recht nicht in Anspruch nimmt, niemand Ande­­rer zu einem einseitigen bewaffneten E­inschreiten oder zur Aufstellung eines Protektorats berechtigt ist; daß überhaupt jede Renderung in den staatsrechtlichen oder Machtverhältnis­­sen der Balkanländer nur im Einvernehmen der Signatar­­mächte des Berliner Vertrages geschehen darf. Die Antwort wurde nach längerer Debatte mit Mehr­­heit der Stimmen zur Kenntniß genommen. Lokal-Nachrichten. — Des Königs Namensfest wird Montag ge­­feiert, und werden auch hier Vorbereitungen hiezu getroffen. Kirchlicherseits wird Se. Excellenz der hochw. Herr Diözesanbischof Dr. Constantin S .­ust er ein „Te Deum“ in der Franziskanerkirche abhalten. — Moriz Jokai trifft am 10. Oktober hier­­ ein wo er vor seinen Wählern eine politische Rede halten wird ; vorher wird er in einem offenen Schreiben seine Ansicht über­ die Lage aussprechen. — Sitzung des ständigen Ausschusses. Der ständige Ausschuß des Abauj-Tornaer Komitats-Mu­­nicipiums wird am 12. I. Mts. im Comitatshause eine Si­­zung abhalten und die bei der für den 18. [. Mts. einbe­­rufenen General-Congregation zu verhandelnden Gegenstände mit den erforderlichen Beichluß- Anträgen versehen. Der Heiratsvertrag. Erzählung. (Fortsezung.) Das war eine späte Entdeckung. Aber, machen, war beinahe nicht möglich gewesen. „Daß dieser schöne Plan mitglücte, ging dem Herrn Olfen stark im Kopfe herum und allerdings hatte seine Toch­­ter am meisten dabei zu verlieren. Jedoch Olfen ließ sich beruhigen und man zechte brav , doc Ferdinands Gesinnungen wurden nicht besser. Der Vater, bis zur Wuth aufgebracht, schied sich am folgenden Tage mit ihm vom Tische, verwies ihn ganz aus seinen Augen und drohte Enterbung. Das lettere hielt er für das größte Donnerwort, daß sich aussprechen ließe, und er machte zu seinem Erstaunen nicht den geringsten Eindrug auf den Jüngling, der sein­ ge­­liebtes Mädchen um kein Peru und Eldorado vertauscht hätte, sie früher zu Aber der Zwist, in dem er mit einem kindlich verehrten Vater gerathen war, schlug seinem weichen Gemüthe so tiefe Wun­­den, daß er erfranste. „Geht zum Doktor !“ sagte der Zür­­nende kalt, als er davon Nachricht erhielt. Er bekümmerte sich um den Leidenden nicht weiter. Der verständigte Arzt sah bald, daß hier mit der Kunst des Hippokrates nichts auszurichten war. Die kranke Seele mußte geheilt werden. Er, Hausarzt und Hausfreund zugleich, nahm es auf sich, das in diesem Falle einzig wirksame, milde Oel der Verzeihung und des Nachgebens aus dem steinernen Waterbusen zu pressen. Das schwere Geschäft gelang ; nur war das gewonnene Oel von harten Mischtheilen nicht rein. „I< vergebe dem Schwärmer und er heirate, wen er will! Aber er bringe mir nie sein Weib vor die Augen, und ich leb' oder sterbe, so hat er von mir nichts mehr zu hoffen!“ Das war der unab­­änderliche Beschluß. Ferdinand, durch diesen Halbtrost genesen, Vater und dankte ihm dafür. „Du kannst jezt thun, was Du willst“, sagte dieser. „Doch es bleibt dabei, daß ich mein mühsam erworbenes Vermögen sein lasse.“ In einer unbesonnenen Ehewirthschaft nicht zersplit­­„Ich entsage mit Freuden“, antwortete der Sohn. „Das Wiedergeschenk Ihres Vaterherzens macht mich reich !“ eilte zum „Schöne Worte und weiter nichts !" verseßte der Alte. „Du hättest Dich bei der Ehestiftung, die der Notar schon in der Tasche hatte, besser befunden. Geh’ nun,“ — fuhr er bit­­t er fort — „geh' hin zu ihm, mit Deiner holden Braut und schließt einen Vertrag, so gut als ihr könnt! Es wird ver­­dammt kahl ausfallen " „Sie scherzen, mein Vater !“ erwiderte der Sohn in ei­­nem gutmüthigen Tone: „Aber ich werde Ernst daraus machen “ Er verbeugte sich ehrerbietig und trat ab. Der Vater schi>te ihm ein unväterliches Hohngelächter nach. An einem der nächsten Tage kam der Notar Kilian mit ungewöhnlichen Doppelschritten zu ihm. „Herr Asten“, begann er keuchend, „ich halte mich für verpflichtet, Ihnen zu melden, daß der Herr Sohn eben in meiner Behausung war und anfragte, wann er mit seiner Verlobten, einer gewissen Louise Baumgarten, bei mir erschei­­nen könne, um einen Seirathsvertrag zu vollziehen. Ich stußte — und da ich um keinen Preis etwas thum möchte, das Ihnen, mein Hochverehrter, entgegen wäre — — — „Schreiben sie in Gottes Namen, was der Thor be­­gehrt !“ fiel Herr Asten ein. „Er hat mir meine Einwilli­­gung abgetragt; das Mädchen soll übrigens gut und recht­­schaffen sein. Ic begreife nur nicht, was die armseligen Men­­schen einander zusichern wollen, da ich meinem Sohne Enter­­bung angekündigt habe.“ „Enterbung ?“ fragte der Rechtsgelehrte in einem lang­­gezogenen Tone. „Sie haben in die Heirath gewilligt — des Mädchens Ruf ist unbescholten — und dennoch Enterbung ? Dieser Entschluß dürfte wohl bei jenen Umständen von den Gesetzen für ungültig erklärt werden.“ „Bad ! Bad! der Reiche macht sich seine Gesetze selbst.“ „Streiten wir darüber nicht, mein theuerster Gönner !“ sagte der Notar. „Mir ist genug, daß Sie die Abschließung des Heiratsvertrages erlauben. Unter dieser Voraussetung habe ich das junge Paar heute Nachmittags um vier Uhr zu mir beschieden. e „so Gottes Namen !“ rief Herr Asten, und der Notar empfahl sich. Die kurzen Entscheidungsgründe, die der Jurist gegen die vorhabende Enterbung angeführt hatte, versenkten jenen in ein langes Nachdenken. Er ging zu einem anderen Rechts­­­freunde, trug ihm den Fall vor und erhielt gleichen Bescheid: „Hm, hm! Ich habe mich in einer unaufleglichen Schlinge gefangen ! Ich kann als ehrlicher Mann mein Jawort nicht zurücknehmen ; und alles wohl überlegt, möcht’ ich selbst die Närrin Dorothea nicht heiraten. Die Malerstochter hingegen lobt Jeder, der sie kennt.­­­ O, wäre sie nur nicht so arm, wie eine Kirchenmaus! Aber ich bin doch neugierig, sie zu sehen. Man hat ja, wie die Krämer jagen, das Ansehen umsonst.“ Es war Nachmittags gegen vier Uhr, als er auf der Straße dieses Alleingespräch hielt. Schon nahe vor seinem Hause kehrte er plößlich um, schlüpfte durch eine Hinterthür in Kilians Wohnung und überraschte den öffentlichen Notar mit der hastigen Bitte: „Erlauben Sie mir Freund, mich in Ihrem Alkoven einzuquartieren ! Io will hinter dem Vorhang der Glasthüre meines Sohnes Dulcinea belauschen.“ „Thun Sie, als wären Sie hier zu Hause!“ sagte der Notar, und in demselben Augenblicke zog schon Ferdinand die Klinge des Vorsaales. Herr Asten flüchtete geschwind hinter den gläsernen Jagdschirm, wo er die Kommenden mit den Pfeilen seiner neugierigen Blicke beschießen wollte. Wahrlich­­ das Geschäft eines Notars wäre das ange­­nehmste von der Welt, wenn täglich im Streibzimmer so reizende Mädchen erschienen, als sehr eins mit gesenkten Tau­­benaugen hereintrat. Louise, in der schönsten Blühte ihres achtzehnten Jahres, war eine so zarte, wunderliebliche Gestalt, daß bei ihrem Anblic sogar im Busen des greisen Notars die längst erstorbenen Gefühle des Schönen erwachten. Mit ver­­klärtem Gesichte, aus welchem alle finstre Wolken, die sich seit vierzig so wilen Dienstjahren darauf gelagert hatten, plökßlich verschwanden, zwang er seinen steifen Rücken zu zehn behen­­den, wellenförmigen Beugungen, die leider nicht so zierlich ge­­riethen, als er es wünschte. Ungestüm warf er dann einen dien, schlafenden Mops aus dem verjährten Besite des Sofa­s und führte Louisen, wie ein Zeremonienmeister der Vorzeit, mit den äußersten Fingerfeigen an den geräumten Plaß. „Hier sind wir, Herr Notar“, begann Ferdinand, „um Ihnen einen schon entworfenen Heiratsvertrag zur Beglaubi­­gung zu überreichen. Ich fürchte fast, Sie werden uns damit auslachen , denn er gehört in der That, nach seinem Ton und Inhalt, nicht ganz in ihr Amtsfach. (Schluß folgt.)

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