Kaschauer Zeitung, April-Juni 1888 (Jahrgang 50, nr. 39-74)

1888-04-05 / nr. 39

rmemmenete Fünfzigster Jahrgang 1888. Nr. 39. Erscheint Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder, deren Raum mit . 260 kr. berechnet. — Inseratenstempel 30 Kr. für jede Anzeige. Redaction und Expeditions-Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 60. Kaschau, Donnerstag S. April. ganzjährig fl. 7.--, halbjähr. fl. 3.50, vierteljähr. fl. 1.75 Mit Postversendung : ganzi.. fl. 8.69 4 4.30 , fl. 215 , „ x . " Bei Inseraten, welche größeren Raum einneh­men und öfter feingeschaltet werden wird ein entsprechender Nachlaß gewährt. Kaschauer Beitung, KASSA-EPERJESI ERTESITO. -Pränumerationspreis ohne „Jllustr. Unterhaltungsblatt“ ganzjährig fl. 5.--, halbjähr. fl. er vierteljähr. 4 H „Für Kaschau : "Mit Postversendung : ganzfj. fl. 660, „ fl. 3.30, “ jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Für Kasc­han : Mit dem „Jilustr. Unterhaltungsblatt“ Heweite Nachrichten. Ungarn. Budapest. Der Minister des Innern erließ ein Circular an die Munizipien, Sammlungen für die­­ Webers<wemmten einzuleiten. Deutschland. Berlin. Der Kaiser hat am 31. v. M. eine Amnestie erlassen für G Sträflinge, welche wegen Majestätsbeleidigung, Mißbrauch des bürgerlichen Rechte, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beleidigungen durch die Presse, Versammlungs- und Vereinigungs - Rechtsübertre­­tungen 2c. verurtheilt sind. Dänemark. Kopenhagen. Der Neid­dtag wurde am 1. b. auf­ Befehl des Königs geschlossen, da eine Einigung der beiden Kammern über das Budget nicht zu erreichen war und das laufende Finanzjahr mit dem Tage abgelaufen ist. Das provisorische Budget wurde selben Tages ver­­öffentlich. Frankreich. Paris. Das Cabinet Tirard ist nach viermonatlichen Bestände gefallen und Floquet stellte folgende Ministerliste zusammen : Floquet Inneres, Goblet Aeußeres, Freycinet Krieg, Cranz Marine, Ricard Justiz, Peytral Finanzen, Lodroy Unterricht, Loubet Arbeiten, Viette Aderbau und Siegfried­­ oder Legrand Handel. Serbien. Belgrad. Die Skupstina wurde am 2. b. Vormittags vom König in der Hofburg in corpore empfangen (Thronrede siehe Heimath und Fre­ude ) Rumänien Bukarest. Es beringt Ruhe. “Bratianu gab seine Demission, weil die Kammer seinen Antrag auf raschere Erledigung des Budgets ablehnte. Die Äußere Politik bleibt troß des Ministermechsels unverändert. Das Parlament hat seine Sißungen bis zur Bildung des neuen Kabinett vertagt. Carp, der frühere Gesandte in Wien, wurde zum König berufen, was als Symptom für das Zustandekommen des angestrebten R Koalitions- Ministeriums mit jungkonservativer Färbung ge­­deutet wird. ­­— u M ------­­­­ s. 28 - Zur Auswanderungsfrage. Die Auswanderungssucht steigt von Jahr zu Jahr : „unser edelherzige Bischof hat seine Macht über die Herzen der „Gläubigen seiner Diözese in Anwendung gebracht, um sie von dem Taumel des Auswanderungsfieber durch Predigten von “der Canzel u. s. w. zu bewahren; bei dem Drange der­­ Bevölkerung jedoch, die einmal Drüben k ihr Heil zu finden hofft, bei dem zur Zügellosigkeit ausartenden Charakter der Auswanderung scheint aber weder ein bisher versucht es, noch­­ ein neues Mittel mehr zu verlangen. neuen Unzweifelhaft sind die Ursachen der Sehnsucht nach der Welt in der durch verschiedene Ursachen bewirkten Loderung der Wurzeln zu suchen, die den unga­­rischen Bauer an seine Scholle fesselten, dann in dem Mangel oft der geringsten Ernftenzy­garantie, welcher die Arbeiterbevölkerung der Unzufrie­­denheit in die Arme trieb. — Wo anders revoltiren die Arbeitslosen, bei uns kehren sie dem Vaterlande, das sie nicht ernähren kann, den Rüden. Einmal schon so weit gekommen, daß die durch Mangel, oft Noth, Arbeiterentlassungen, Lohnherablegungen u. s. w. mißmuthig gewordene Bevölkerung in denkbar größten Massen der neuen Welt zuströmt, bedarf es großer staatlicher Um­­wälzungen, um diesem Fluße einen anhaltenden Damm ent­­gegenzuießen Angesichts dieser Anstrengungen verlohnt es sich aber wohl auch der Frage, ob denn die Auswanderung dem Mutterlande effektiven Schaden oder Nuten bringt?! Ob die Präventiv-Maßregeln dem entsprechen ? . Von manchen Seiten betrachtet, scheint die Auswanderung an und für sich sein so großes Uebel, keine solche Krankheit zu sein, gegen welche man mit allen zu Gebote stehenden Mit­­teln ankämpfen müsse . Die Blutentziehung, welche die Auswanderung für den sozialen Körper bildet, kann nicht nur auf Einzelne heilsam wirken, sondern durch ihre guten Konsequenzen zeigen sich oft wohlthätige Wirkungen in ihrem Gefolge für die ganze Gesellschaft,­­ was ein Blik in die Geschichte jeden Zeitalters fast zur Genüge beweist. Die Lücken im Erwerbsleben z. B., die durch das Scheiden der Auswanderer entstehen, gaben dem Andern ver­­mehrte und besser belohnte Arbeitsgelegenheit,­­­ die E­x­i­­stenzgarantie wird vermehrt, die Lösung so vieler sozialer Verhältnisse gestattet das Eingehen Anderer unter den Verbliebenen, was jedenfalls einen erfrischenden Einfluß auf Bolts­ und Familienleben ausübt. Zudem erstrebt sich die Aus­wanderung, sowie ein Krieg, namentlich auf das männliche Geschlecht; nun ist aber eine anerkannte Thatsache, daß nach einem großen Kriege, selbst wenn er mit einer Niederlage endete, die Be­­völkerung intensiver denn vorher wächst und das Erwerb3­­rieben kräftiger als früher emporblüht. Und dieselben Wirkungen muß, wenn auch hier die Bedingungen für scharfe Beobachtung nicht so günstig liegen, eine vermehrte Auswanderung hervorbringen ; dieselbe darf aber nicht von der Regierung verfolgt und gehindert werden (denn den Bauer reizt das Verbot natürlich noch mehr), was meist ohnedies ohne Erfolg geschieht, sondern dieselbe sollte eher mit Unterstüßung der Regierung oder patriotischer Vereine ziel- und planbewußt geschehen, damit unsere Aus­­wanderer im fernen Westen nicht verschwinden, sondern deren Kapitalkraft wenigstens dem Mutterlande möglichst erhalten werde. Dies kann nur geschehen, wenn die Auswanderung gehörig geleitet und geführt, wenn ganze Staaten mit den­­selben slavischen Ansiedlern bevölkert werden, die dort vor unseren ausländischen Vertretern unterstüßt werden, damit sie in fortwährenden staatlichen und commerziellen Beziehungen zur Heimat bleiben, die sie jadoc früher oder später wieder gerne aufsuchen! Dann wird die Auswanderung von Segen für die Zurückleiben­den, wie für die Fortziehenden sein. Wenn aber die Folgen der Auswanderung überhaupt wohlthätige sein können, (wir weisen auf die schweren Tau­­sende Gulden hin, welche Jahr aus Jahrein in die Zipser und Savoser Magura von Amerika gesendet werden, welche die Zurückgebliebenen erhalten, welche sonst sammt den Ausgewanderten hier schon verhungert wären), so weisen die Urfjachen derselben meist auf große Schäden in unserem heimatlichen sozialen Leben hin und unsere Staatslen*er sollten früher heilenden Einfluß auf jene Wunden im Volkskörper ausüben, ehe sie scheinheiliger Weise durch Verbot der Aus­­wanderung dem darbenden Volke die Gelegenheit nehmen, sich durch ehrliche Arbeit fern von hier Geld zu verdienen. Nicht die Gefahren einer naturgemäßen Auswanderung, welche wie gesagt, meist von keiner schlechten Wirkung ist, gilt es hier zu bekämpfen, aber den bereits epide­­misch gewordenen Character, den die Aus­­wanderung bei uns angenommen, durch welchen die Arbeiter- Bevölkerung ganzer Distrikte dezimirt und der Erwerb in selben lahm gelegt wird, auch Grund und Boden der Sterilität verfallen, ganze Familien dem Lande verloren gehen, dabei der christliche Charakter mancher Gegend ganz verschwindet, um den Förderern der Auswanderung die Wahl statt zu lassen. Da muß es Sache der Regierung sein, den Leuten das Leben Hier leichter zu machen ; denn wie sie nicht freizu­­sprechen ist von der Schuld an den jebigen Zuständen in manchen Gegenden (wir erinnern nur an die von der Re­­gierung bewilligten Ankäufe von Waldungen durch ohnehin verschuldete Gemeinden, dann die Bewilligung zur Abhol­­zung derselben für irgend­welche Holzfirma, sodann die ein­­getretene Execution des Gemeindebesiges und die nothge­­drungene Auswanderung­, in desto größerem Maße ist sie verpflichtet, sich endlich rationell mit der­ Besserung der Lage unserer Landbevölkerung zu befassen. Sie muß dies können , denn so wie sie den Arbeitgeber verpflichtet, für seine Arbeiter zu sorgen, so muß der Staat für die Erhaltung jener Kräfte­­ sorgen, die seinen Bestand garantiren. Kann man dies aber nicht, dann störe man den Kreislauf der Be­­ziehungen zwischen dem Vaterland und der neuen Welt nicht, der wie der Kreislauf des Blutes in unserem Körper im normalen Zustande nur von Nuten für das Ganze sein kann. nn­­­­­­­ ­­ d Die heutige Nummer umfaßt 6 Seiten. Der Schubgeist. Roman von Carl Zastrow. (33. Fortjegung.) Helmstedt leuchtete mit dem Licht nach der Wand hin­­„über, und ein triumphierendes Lächeln zuchte über sein Ant­eil, als er das bläulich schwarze Gestein des Grauwaceschie­­fers gewahrte, welches den wesentlichen Bestandtheil der Felsen- Jette bildete, an welcher sein Weg ihn entlang geführt hatte. „Was haben Sie, gnäd'ger Herr?“ fragte Wachholda. „Ich dachte nur, ob Du Dich nicht fürchtest, so dicht Neben der harten, kalten Felswand zu schlafen ?“ „Warum sollt' ich mich den fürchten, gnädiger Herr ?“ „Vor den Berggeistern, die in dem Felsgestein ihr­­ Wesen treiben“, verlegte er lächelnd, „und die den gold- und silberhaltigen Bleiglanz, den Kupferkies, das Nickel und Ko­­balterz bereiten. So etwas kann nicht ohne einen kleinen Tu­­mult geschehen.“ Wachholda sah ihn ernsthaft an, schüttelte dann den­­ Kopf und meinte treuherzig : „Davon hab' ich nie etwas gemerkt, gnädiger Herr !“ „Nun“, rief er lachend, „solltest Du einmal derartiges "merten, Wachholda, dann fürchte dich nicht. Willst Du mir das versprechen ?" „Ja gnäd'ger Herr !" Sie traten in die Wohnstube zurück. Der Rat warf einen Blic auf seine Taschenuhr und sagte, indem er den Mantel fester um sich zog : „Ich muß Dich jezt verlassen, Wachholda. Aber ich kehre bald zurück. Nun zeige mir den nächsten Weg nach dem Bahnhofe.“ Das Mädchen warf ein wollenes Tuch um die Schultern, bedecte die blonden Läden mit einer Kappe und schritt hinaus. Hurtig den Pfad hinabgleitend, geleitete sie den langsam Nachfolgenden Rat auf die Straße, von wo aus er nicht fehlen konnte. Mit scharfem Blie prüfte der nächtliche Wanderer die ‚gewaltige Felsenmauer, an welche sich das Häuschen des Wei­­­chenstellers lehnte und die sich in kühnen Bogen zur Rechten seines Weges hinzog, und endlich steil und schroff gegen den Bahnkörper abfiel. Noch in schwierige mathematische Berechnungen versunken, stieg er die Terasse empor und bemerkte auf den ersten Blik, daß die Gesellschaft nicht mer so vollzählig, wie vorher, bei­­samen saß. Auch lag nicht mehr die frühere Heiterkeit auf den vornehmen Gesichtern, viel mehr geben sich hier und dort ernste Zurückhaltung und Abspannung kund. Der Herzog schritt an der Seite des Ministers von Zettriß auf und ab. Als er den Rat gewährte, runzelte er leicht die Stirn. „Sie ließen uns lange ohne Führer in dieser Wildnis, Herr von Helmstedt !“ sagte er ziemlich kühl. Der Rat suchte sich zu fassen. „Ich glaubte es meiner Pflicht gegen Eure Durchlaucht schuldig zu sein, an diesem wegen der absonderlichen Terrain­­verhältnisse außerordentlich gefährlichen Punkte persönlich einige Controlle zu üben,“ gab er zur Antwort. Er war eine Lüge, vielleicht die erste in seinem Leben, und sie fiel ihm schwer genug. Seine lezten Worte klangen stotternd. Der Herzog glaubte aber dem angesehenen kenntnisreichen Manne. Er nichte gnädig mit dem Kopfe und fragte nur, leichthin, ob die Weiterfahrt erfolgen könnte. Auf die bejahende Antwort­­ des Direktors stieß der Leibjäger des Herzogs dreimal in's Horn. Es war dies das Signal für diejenigen Herrschaften, die sich lustwandelnd in den erleuchteten Gartenanlagen zerstreut hatten. Nach wenigen Minuten war alles zur Stelle. Als Helmstedts Bli> auf die Gattin fiel, welche langsam mit der ganz eigentümlicher Grazie ihres Wesens an der Seite der Herzogin heranschwebte, war es ihm, als zöge sein Herz sich unter dem eisernen Griffe einer kalten Riesenfaust zusammen. Das war die Frau, mit welcher er durch das Leben schreiten sollte und von der eine kräftige Scheidewand ihn zu trennen schien. Und als nun diese blendend schöne Frau eine feine, wenig Aufsehen erregende Weise an seine Seite auf zu kommen suchte, als sie das dunkle Auge mit einem unge­­wissen Blide zu ihm aufschlug und in leisem Ton sagte : „Wir waren bereits in Sorge um Sie, mein Gemahl, glaubten es könne ihnen ein Unglück geschehen sein,“ da war es als, riefe er eine innere Stimme ihm zu : „Es gibt Mittel und Wege, diese Scheidewand zu durchbrechen. Versuche es, es ist Deine Pflicht, die Du übernommen hast, eine heilige uner­läßliche Pflicht.“ AH! die Scheidewand war bereits zu einer Welt ge­wachsen. Lag nicht schon ein anderes Frauenherz zwischen diesen beiden Menschen, die einander suchend umhergeirrt waren und sich nicht gefunden hatten ? Wie der beflügelte Cherub des Schidjald war das blonde, blauäugige Mädchen aus dem Volke ihm in den Weg gesprungen, hatte siegreich die Fahne geschwungen und gerufen : „Zu mir! . . . zu mir! mein bist Du, und mir gehörst Du an. Wir entstammen beide einem Boden, und in unseren Adern brennt eine Leidenschaft, die keine hofmeisterliche Schule unterdrücken kann.“ Der Rat gab eine zerstreute Antwort, er achtete auch nicht mehr auf den Zug, der sich gleich darauf in Bewegung sezze und endlich wohlbehalten an der Endstation einlies. Die Nacht, welche er verbrachte, war die fürchterlichste seines Lebens. „Was willst Du thun ?" raunte der Wächter in der Siedenstube seines Herzens ihm unaufhörlich zu. „Vergebens beschönigst Du Deine Absicht mit dem Vorwande des Lehrers. Du bist zum spielenden Sophisten geworden Du willst ein Unrecht begehen, das Dich über kurz oder lang selbst strafen wird !" „Ich habe keine Häuslichkeit," erwiderte er: „Mein im Sturm-Drang gereiftes Herz sehnt sich nach heißer, leiden­­schaftlicher Liebe. Das Weib, mit welchem das Geschi> mich ver­­bunden, geht auf derartige Empfindungen nicht ein. Es bewegt si in überspannten Ideenkreisen, wie sie einer genialen Mannes-Ratur, aber keiner Frau ziemen. Mit dieser Frau kann ich nicht glücklich sein !“ „Vielleicht doch. Er harre die Zeit. Das Ineinander­­schmelzen der Herzen findet sich, wenn die Geister keine Frage mehr zu erledigen haben. Eheleute finden sich durch das Be­­wußtsein der Zusammengehörigkeit.“ „Nein, bis dieser Zeitpunkt eintrifft, bin ich ein alter Mann, ist der lezte Rest der Jugend in mir ohne jede Empfindung von Freude und Glück verzehrt. So lange kann ich nicht warten. Und dann — Eheleute, wie ich und Irma leben sich mit den Jahren mehr aus­, als ineinander .“ (Fortsezung folgt.)

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