Kaschauer Zeitung, Januar-März 1897 (Jahrgang 59, nr. 1-37)

1897-01-01 / nr. 1

M ; a FE sé |] D 138] 1894 E Jahrgang 1897. - Kaschau, Freitag _ KASSA-EPERJESI ERTESITO. EE 2 +4NyV. 0.242357 Pränumerationspreis der „Kaschauer Zeitung“ ganzjährig fl. 5.—, halbjährig fl. 2.50, vierteljährig A. 1.25 Postversendung: ganzjährig fl. 6.60, halbjährig fl. 3.30, vierteljährig A. 1.65 Kaschau: berechnet. — Inseratenstempel 30 kr. für jede Einschaltung. Bei Inseraten 7 wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr | Redaktion und Expeditions-Bureau : Kaschau, Hauptgasse Nr. 64. Pränumerationspreis der „Kaschauer Zeitung“ Für Kaschan: Mit Postversendung: ganzjährig fl. 6.60, halbjährig A. 3.30, vierteljährig A. 1.25 Bei Inseraten, welche grösseren Raum einnehmen und öfter eingeschaltet werden wird ein entsprechender Nachlass gewährt, ganzjährig fl. 5.—, halbjährig fl. 2.50, vierteljährig fl. 1.65 Erscheint jeden Di­enstag, Donnerstag u.Samstag. RSS,­­ + T­­­­­­­u RG 7: ös > | X a LJ ZW. Jahr um Jahr ver­­rinnt im Lauf der Zeit, die Erde kommt immer wieder an ihrem Ausgangspunkt regel­­mäßig an, doc nicht immer war der Neuj­ahrstag der Beginn eines Historischen Abschnittes und jedes neue Jahr mußte in den Fußstapfen des alten weiter wandeln — mußte sich in der Bahn bewegen, welche für dasselbe vorge­­arbeitet und leider nicht immer gut vorgearbeitet wurde. So muß das Jahr 1897 das Erbe des geschiedenen Jahres an­­treten, und wir treten mit ihm hinüber in das in diesem und insbesondere im legten Viertel desselben geschaffene Wirr­­niß, in das Chaos widerstreitender In­­teressen und Parteien, in die trostlose­s Gebet sind, „allerorten die Gehässigkeit auf- und dabei die Bosheit nicht ruht, die die Wuth der “Bedrohten schürt. Es wird fest wohl allenthalben auf­­ der Welt ge­kämpft und gestritten, allenthalben herrs­t Sorge und Beunruhigung, überall blikt man mit Bangen in die Zukunft; — hier gilts die Präponderenz zu wahren, dort die Machtstellung zu vergrößern, hier ein poli­­tisches, dort ein Handelsinteresse zu schaben, hier den Frieden im Innern, dort den Respekt beim äußeren Feinde kleinen zu erhalten, hier für die Selbstständigkeit des Staates, dort für die Integrität des großen , auf dem qui vive zu stehen, — hier lauernd und zum Angriff bereit, dort harrend, um die Defensive nicht zu versäumen — überall aber geschieht viel Alles mit der ausgesuchtesten Politesse, mit gleißneri­­sten Machinationen und blendenden Manifestationen von Nachbartreue und Völkerfreundschaft, welche über das Häßliche der, hinter den Coulissen vorbereiteten Ereignisse noch hinwegtäuschen sollen. Aber wo gibt es eine so traurige Situation, wie bei uns, wo weder die Nationalitäten, noch die Con­­fessionen, weder die Bürger der Städte, noch die Leute des flachen Landes, weder Classen no< Racen zusammenhalten in der Pflege der Consolidirung der Verhältnisse, der Festigkeit unseres Staatswesens, der Wohlfahrt jedes Einzelnen ==, sondern Alles zer­­fressen und angenagt ist vom Sceidewasser der Po­­lizist, welche in garstigster Weise Bresche bra< in die auch sonst noch nicht ganz festen Gefüge der Zusam­­mengehörigkeitsgefühle und dadurch diese total vernich­­tete. Die Parteien sind erbitterte Gegner geworden, jede erblicht in der andern die Schädiger der eigenen Interessen, selbst innerhalb eines Stammes haben sich die Meinungen in schroffster Weise entzweit — innerhalb jeder Gesellschaftsschichte sondern si die einzelnen Berufszweige von­einander ab, Vereine aller nur möglichen Nuancen entstehen, welche sich von der Berührung mit den anderen scheu verwahren, sich mit Wall und Graben umgeben, nur den eigenen Vortheil auf Kosten der Allgemeinheit suchend ; jedes Indivi­­duum mißtraut dem anderen, der Mens< sieht im Ne­t the Feind, „den Mitwerber um Gut und Ehren, den Mitesser und Berk­leinerer der­­ täglichen Brodration. Hier predigt man den confessionellen, dort den nationalen, an dritter Stelle den Classenegoismus ; nirgend wird aber Gemeinsinn, Vaterlandsliebe, Men­­schenschäßung und das Gefühl der Zusammengehörig­­keit gepredigt und wie noth thäte dieß bei uns, wo die Theile dem Ganzen und jedes Theilchen dem Theile widerspricht. Am Beginne des neuen Jahres ziemte es sich wohl für Jedermann, im Radschauen auf die überzeugenden Sprache der Thatsachen Gehör zu schenken.­­ Auch für den verbittertsten Parteimann, auch für­­ den verblendetsten Fanatiker sollte dieser Tag zur Einkehr mahnen, zur inneren Einkehr, wo er sich fra­­gen muß: „Was soll daraus werden? Wohin soll dieß führen?“ Und wenn sein Verstand ihm darauf keine Antwort gibt, sein Herz muß doch ein weh­­müthiges Gefühl erfassen, ein Wunsch muß ihn über­­kommen bei Beginn des Jahres, daß dasselbe nicht weiter von den wilden Leidenschaften erfüllt werde, welche am Schluß des mit der Treuga­bei begonnenen Millen­­niumsjahres sich wieder geltend machten ohne Rücksicht auf Heiligkeit des Momentes des 1000jährigen Fest­­jahres, eine Sehnsucht muß in ihm erstehen nach Ruhe, Frieden, Eintracht mit seinen Mitbürgern, nach freundlichem Einvernehmen mit der umgebenden Welt, der Drang muß sich in ihm geltend machen, sich der Gesammtheit dienstbar zu machen, als ein Theil im Ganzen aufzugehen und die politischen und sozialen Gegensätze beheben zu helfen. An der Schwelle des neuen Jahres hoffen wir, also troß aller berechtigten Aussicht auf recht schlimme Zeiten doch, daß sich während seiner Dauer viele der vorhandenen Gegenzüge glätten, die Ansichten sich läutern und einer friedlichen Lösung aller jetzt acuten Fragen ein wohlwollendes Verständniß aller ruhe­­liebenden Elemente entgegengebracht werden möge. Da­mit die Menschheit und speziell unsere Mitbürger in diesem Jahre vor keinem stürmischen Ereignisse sich zu fürchten brauchen und ruhig dem Fortschritte und­­ ver“ Entwicktung--auf- allen..Gebieten.. sich._ erfolgreich widmen können. Den machthabenden Kreisen aber möchten wir den allgemeinen Wunsch des ehrlich patriotisch fühlen­­den Volkes vorbringen, daß sie vom wahren Puls­­schlage desselben gemäß dessen verschiedene Forderun­­gen, insoweit sie mit dem Fortschritte und dem Wohl der Allgemeinheit sich vereinen lassen, einer glücklichen, alle Klassen und Kreise harmonisch befriedigend­en Lösung zuführen mögen. Vergangenheit älteren wie jüngsten Datums der­­­er Die heutige Nummer umfakt 8 Seiten. Senilleton. (Nachdruch verboten). Heujahrswünste einst und fett. Kulturgeschichtliche Skizze. „Ein tiefer Sinn liegt in den alten Bräuchen ; man muß sie ehren.“ Mit diesen Worten hat der Dichter einem Gefühle Ausdruck gegeben, das Groß aller Neuerungen und Fortschritte der Zeit in unserm Volke noch sehr lebendig ist; denn gleich einem duftenden Blumenkranze winden sich seit Jahrhunderten um die Hauptfeste unseres Jahres zahlreiche Sitten und Gebräuche, von denen viele Ueberlieferungen aus altheidnischer Zeit sind. Als nämlich das Christenthum bei unsern Vorfahren Eingang fand, ließ man ihnen, um ihr religiöses Gefühl zu schonen, vielfach ihre alten Sitten und reidete sie in ein cristliches Gewand. So übt also heute das „Volk noch­ unbewußt, was unsere heidnischen Stammväter im sollen Gefühl der Heiligkeit dieser Kultushandlungen b­aten. Auch unser Neujahrsfest vereinigt in sonderbarer Har­­one altheidnische und cristliche Anschauungen. Schon in den Ältesten Zeiten hatte der Tag, mit dem das neue Jahr begann, eine hohe, festliche Bedeutung. Viele Heiden des­­ Alterthums, namentlich die Römer, begrüßten diesen Tag mit Glüh wünschen und Geschenken. „Sanz Rom wünschte an diesem Tage einander Glüh zum angehenden Jahre und erin­­nerte sich durc wechselseitige Geschenke an die goldenen Zei­­ten, in denen Reinheit der Sitten und „herrschten“, sagt Unger in seinen „Sitten wechselseitige Treue und Gebräuche d­er Römer.“ Auch die Versendung der Neujahrskarten an Verwandte de und Bekannte hat wohl­ eine­ ältere Geschichte, als "ten glauben, die davon Gebrauch machen. Die Her­­­ser Karten hat ihren Ursprung in der Erfindung "dja und Holzschukeidekunft. 1439 erschien der erste Holztafeln gedructe Kalender, und bald dar­­nach gab es auch gedruckte Neujahrswähihe. Der älteste be­­kannte Neujahrswunsch ist ein Kupferstich aus dem Jahr 1466. Auf demselben ist das Christuskind abgebildet, das ein Band in den Händen hält, auf dem zu lesen ist : „Ein guot selig jor". Im 16. Jahrhundert wurden die Neu­jahreswäünsche mit den Wan­dkalendern verbunden, eine Sitte, die sich auch feht wieder Eingang zu verschaffen sucht. Als im 17. Jahrhundert an Stelle der verfein­rten Sitte und des frischen Volkslehens­ der vorhergehenden Jahr­­hunderte sowie der Verwilderung während des dreißigjährigen Krieges ein steifes, zeremonielles Weien getreten war, nahmen auch die Neujahrswünsche einen ganz anderen Charakter an. Statt der religiösen Darstellungen kamen die damals so sehr beliebten Allegorien in Mode, und der eigentliche Slä>wuansch wurde in schwulstige, überschwängliche Verse eingekleidet. Erst im 18. Jahrhundert trat ein völliger Umschwung zn den gedruckten Neujahreswünschen ein Buch der Visitenkarten. Letztere waren die Veeanlassung, Einführung daß die Slümwünsche die Form von Karten annahmen. In diesem sowie zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren hauptsächlich in Kupfer gestochene und sodann kolorirte, ferner erhaben­ ge­­preßte und mit Atlas überzogene Karten gebräuchlich. Sie zeigten Blumen spendende Senten, die das Füllhorn auslee­­rende Fortuna und besonders häufig den Altar der Freundsc­haft. Wie mannigfaltig die Karten sind, die heutzutage zum Jahreswechsel zur Versenkung gelangen, ist allbekannt. Die schöne Sitte, Verwandte, Freunde und Bekannte zum neuen Jahr zu begläß wünschen, ist durch den Unfug, der bei dieser Gelegenheit oft getrieben wird, nachgerade zur Unsitte gewor­­den. Aber auch bei den mündlichen Begrü>wü­nschungen geht man oft ins Geschraubte und Frauenhafte. Wie natürlich gratulirt man in Ungarn : Boldog uj évet! (Blütliches Neues Jahr !), in Össterreich und Deutschland „Profit Neu­­jahr !“ Der Engländer wünscht : „A merry new year! A happy new year to you!“ (Ein fröhliches neues Jahr. Ein glückliches neues Jahr wünsche ich Dir !) An dem Rhein und an der Lahn ziehen die jungen Burschen noch hier und da in der Neujahrsnacht, sobald es 12 Eislagen hat, singend und Flintenschüsse abfeuernd vor die befreundeten Häuser und bringen Anderswo thun dies die Nachtwächter ihre Glühwünsche dar, und sammeln dann nach dem Nachmittagsgottesdienst ihre Geschenke ein. Früher war es allgemeiner Beauch und ist noch in vielen Gegenden Deutschlands, Hollands, Frankreichs und der SHw­iz üblich, daß die Kinder am Neujahrstage zu ihren Pathen gehen, um ihnen „das neue Jahr zu bringen,“ d. h. Slüd zu wünsch­n, und dafür ihr „Neujahr“ in Ems­prang zu nehmen. In den Vereinigten Staaten Nordamerikas eilen am Neenjahrstage die Männer den ganzen Tag bei ihren Bekann­­ten umher, um ihre Wünsche darzubringen, während die Da­­men in großer Toilette in ihren Gesellschaftszimmern figen und die Beine empfangen. Bei den zu malenden und ent­­gegen zu nehmenden Besuchen ist daher der Neujahrstag ein für alle Theile mühevoler Tag ohne Vergnügen und Erho­­lung, und alle Welt freut sich, wenn er überstanden ist. Von Friedrich dem Großen ist bekannt, daß er alljähr­­lich eine­ Neujahrsgratulation an das Heer richtete, die mit­­unter rege originell war. Der Armeebefehl vom 31. Dezem­­ber 1781 lautete z. B. : „Ihre“ Majestät der König lassen allen Herren Offizieren zum neuen Jahre gratuliren, und die nicht sind, wie sie sein sollen, möchten sie sich bessern !“ Gegengratulationen waren damals im Berlin verboten. Am Wiener Hof dagegen ist der Neujahrstag seit 1767 der größte Salntag des Jahres. Nach und nach wurde er es an allen deutschen Hofhaltungen und ist es bis heute noch geblieben. In unseren größeren Städten haben die Gratulationen mehr und mehr abgenommen, indem man statt derselben die Neujahrs-Entschuldigungskarten eingeführt hat. Wer nämlich eine solche Starte, deren Erlöss in die Arme­nkasse fließt, kauft, ist aller Gratulationen enthoben. Auch bei uns hat man in manchen Orten den Versuch gemacht, doch diese Einrichtung der zügellosen Uebertreibung des sonst löblichen Braunes der Neujahrsgratulation zu steu­rn. Immer mehr Eingang verschaffen Mögte diese Neuerung sich ! “

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