Kaschauer Zeitung, Juli-September 1897 (Jahrgang 59, nr. 79-112)

1897-07-10 / nr. 79

? Y 8. TIEF = Neunundfünfzigster Jahrgang 1897. Dienstag, Nr. 79. Kaschau, Samstag 10. Juli. Saschauer Zeitung. Erscheint­ jeden KASSA-EPERJIESI ERTESITO. Pränumerationspreis der „Kaschauer Zeitung“: Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. Donnerstag und Samstag. Für Kaschau ... ... .. .... ... ... ganzjährig fl. 5.—, halbjährig fl. 2.50, vierteljährig fl. 1.25 a te Redaction und Expeditions-Bureau : Mit Postversendung ... ... ... ... ganzjährig fl. 6.60, halbjährig fl. 3.30, vierteljährig fl. 1.65­­ Kaschau, Hauptgasse Nr. 64. Man pränumerirt am besten direkt und mittelst Postanweisung. Inserate werden in ungarischer u. in deutscher Sprache aufgenommen. . . m : Neueste Nachrichten. "Die Friedensverhandlungen der Mächte sollen jeden Tag zum Abschluße kommen und sind noch immer nicht be­­endet, trogdem schon jede Macht separat auf deren Beschleu­­nigung gedrungen hat. Am 7. wurden die Verhandlungen aber ganz sistirt, nachdem die Türkei auf der Peneios-Linie besteht. Gegen Baron II . Ungarn. op c 8 a wurde­ die Incompatibilitäts-­erklärung seines Abgeordneten-Mandates mit der National­­eater-Intendantenstelle angeregt. Oesterreich. Es wird schon von einem Nachfolger Bade­­nis gesprochen : Br. Gauts< soll und Politiker-Ministerium zusammenstellen, welches die Sprachen­­verordnung zurückziehen und die Jungczechen, nöthigen Falls auch die Feudalen im Reichsrathe­rfollten si­e gewährt und Hilfeleistung, Lebensmittel und Arbeit ange­­boten wird. Brasilien. Die Regierungstruppen nahmen Canudos ein. Die Auf­­ständischen wurden vollständig geschlagen. Der Gesandte Nelidoff geht Rußland­ In Sto>holm Sinowieff wird als Gesandter zum Quirina!. Belgien. Aus dem Strikegebiete werden große Er­z­esse gemeldet. Zehntausend stiikende Bergarbeiter sammel­­ten sich unter den Rufen : „Gebt uns Brod! Hoc die Re­ „publik !“ an. Priester wurden mißhandelt. Zwischen Striken­­den und Arbeitenden kam es zu einem Zusammenstoße. Die Gendarmerie hieb mit blanker Waffe ein und sprengte die Massen auseinander. szosz Dig, sal endete fortwährend Truppen nach der und eine Eskadre ist zur Fahrt nach Kreta bereit. Siam. Die von Paris verbreitete Nachricht von einem Ein­­dringen siamesischer Truppen in französisches Gebiet, sowie von der Tödtung eines Priesters ist gänzlich unbegründet. Man glaubt, daß dieselbe verbreitet wurde, um zwischen Frankreich und Siam eine Verstimmung hervorzurufen und hiedurch einen unfreundlichen Empfang des Königs von Siam in Paris zu bewirken. Philippinen. General Weyler erließ eine Proklamation, in welcher den sich unterwerfenden Insurgenten Amnestie ein Beamten­­Nachfolger Nelidoff's auf dem Botschafterposten tinopel werden. + EE der in Konstan­­ Aus dem Reichstage . Am 7. Juli meldete der­ Schriftführer im Abgeord­­netenhause drei Interpellationen : M­o­l­na­r's wegen den Erntestunde, Hentaller's wegen den nordamerikanischen Aufschlagszöllen und H­o >'s wegen der Arbeiterbewegung im Alföld. Gegen die Zudervorlage spricht sodann Johann R­e­it­ter, welcher Regierung und Majorität angreift . Eduard Bartha behauptete, daß nicht die Unabhängigkeitspartei den Parlamentarismus verfälsche, sondern die Liberalen. Die jenige Vorlage dürfe nicht mit Berufung auf ein von einer anderen Regierung eingebrachtes Gejek als Verlängerung desselben aufs Tapet kommen; Sturman nimmt die Vorlage nicht an. Mach der Motivirung obiger Interpellationen wurde blos jene Ho>'s vom Minister Daranyi dahin beant­­wortet, daß die Regierung alles thue, um im Alfeld Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. — Am 8. zog Mc 8y gegen das Grossapital zu Felde und nahm die Vorlage vom christlich-socialen Ge­­sichtspunkte aus nicht an. Graf Alexander Kärolyi be­fürchtet wohl nicht, daß der Landwirthschaft ein Schaden daraus erwachsen könnte, wenn diese Vorlage nicht Gesetzes­­kraft erhält, da innerhalb jeg Monate ohne­hin entweder ein Provisorium ges<af­­fen oder das selbstständige Zollgebiet errichtet werden muß; doc bemängelt er, daß dem ein Monopol bildenden Zuderkartell kein Ende gemacht werde, daß der Gelegentwurf nicht "die Kontingentirung der Rübenproduktion bestimme oder das Land sonstwie darüber "beruhige, "daß­ wir­ endlich einmal­ aufhören werden, auf den österreichischen Zudererport aus eigener Tasche draufzuzahlen. Der Redner schloß seine Rede mit dem Wunsche, die Regie­­rung möge diese Vorlage zurückziehen und Redners Ansichten berücksichtigen. Hierauf beantwortete der Unterrichtsminister Marjay's Interpellation wegen dem Zwiste zwischen der Gemeinde und dem kr. k. Pfarrer von Nagy-Leta aufklärend mit dem Be­merken daß der Pfarrer um seine Versezung angesucht haben. Der Minister des Innern antwortet auf Eötvös Interpellation wegen dem polizeilichen Vorgehen gelegentlich der Lustspiel­­theaterexzesse, daß die Polizei gelegmäßig vorgegangen ; die Zeiten der Demonstrationen gegen Fremde seien vorüber, in der Fremde demonstrire man auch nicht gegen Ungarn. x a ee Sum EEE LIB er ge = Zocal-Rachrichten. — Se. Execellenz der hw. Herr Bischof Geheim­­rath Dr. Sigismund Bubics ist am Mittwoch in die Zips abgereist. Personalien. — Herr Reichstagsabgeordneter Edmund Eder ist­ am 7. dss. hier angekommen. Herr Curialrichter Franz von Steer ist zur Auswügung der Gerichtsferien und zum Besuch seiner Fa­­­milie in Kaschau angekommen. — Der Herr technische Rath Michael Bo­ll­a, Chef ist dieser Tage hier anz­ des Landes-Cultur-Ingenieuramtes, gekommen und wird kurze Zeit hier verweilen. Trauungen. — Am 8. 5. fand in unserer Kathedrale die Trauung­ des städtischen Vicenotärs und Redakteurs Herrn Stefan Rößler mit Fräulein Clara Ko 6­8 von LE­va statt. Den feierlichen Act der Trauung vollzog hw. Probst-Dom­­herr Stefan L­e­­­c­k­6, welcher nach demselben eine erhe­­bende Ansprache an das­ Brautpaar hielt, welche auch auf die zahlreichen Anwesenden großen Eindruck machte. Als Trau­­zeugen fungirten städt. Obernotär Vinzenz K­o­z­o­ra und Oberstlieutenant­­ Josef Barth. Hymen. Herr Merander Zalariäs von Tele, Buchhalter der Kaschauer Pennybank hat sich mit Fräulein Irene, Tochter des städt. M­agistratsrathes Herrn Josef 206% und dessen Gattin geb. Wilhelmine Benczur— verlobt. — Die Hajduw­er Volksschullehrer („Gönczi egyle“) sind statt heute am Mittwoch hier eingetroffen, wo man sie einer Verwechslung der Ad­iobriefe zufolge damals in Eperjes erwartete ; deshalb war außer dem zufällig am Bahnhofe anwesenden Herrn Profeßor Albert B­o­gs < nie­­mand zu deren Empfange erschienen, welcher also die Beglei­­tung der als Collegen erkannten Herren in die Stadt auf sich nahm. Die Herren Lehrer besichtigten Mittwoch alle Sehens­­würdigkeiten Kaschaus und waren auch im Csermelythaler­ Kiosk mit ihren hiesigen Begleitern, welche sich alle Mühe gaben, den Gästen ihren Aufenthalt hier rec­ht angenehm zu gestalten. Donnerstag waren dieselben in Rank und hatten Gelegenheit, den Sprudel zu sehen. Gestern haben die Herren ihre­ Reise nach Eperjes u. Bartfeld fortgefegt. Todesfälle. — Am 5. verschied zu Eperjes der penf. Wirthschafts­­beamte Herr Otto Krayzell in 57. Lebensjahre und fand dessen Begräbniß am 7. d. unter großer Theilnahme Die heutige Nummer umfaßt 6 Seiten. Pieuilleton. Ihr Gezielteeich. Riviera-Skizze von J. Haydn. Man hatte in der Gesellschaft von nichts Anderem, als von der Verlobung des Professors Dr. Welden mit der hübschen, aber „unbedeutenden“ Mimi H­o­r­st gesprochen. Dieses einfache Mädchen triumphirte über die geist­­reichen Schönen, — die den stattlichen Mann mit dem blas­­sen, jugendlichen Römerkopf, — durch Koketterie und Posen zu fesseln gesucht hatten ! Er, der überall als Freier hätte anklopfen dürfen, traf solche Wahl! ! Aber gerade Mimi's Natürlichkeit hatte ihn angezogen, fein feines Kennerauge erkannte, daß sich aus diesem heiteren, bescheidenen Mädchen einstens eine milde und gütige Frau entwickeln werde, eine Gattin, wie sie ihm als Ideal vor­­schwebte ! Mochten sie auch über Mimi's Naivität spotten, Wel­­den fühlte, daß ihm sein Liebesglü> in dieser frischen Mäd­­chenblume blühe, und er ließ sie sich nicht entgehen ! In ihrer hellen Heiterkeit wollte der ernste Mann, der sich aus bescheidenen Verhältnissen rasch zu Ruf und Stellung As: emporgearbeitet hatte, Erquidung und Ruhe finden. Hatte er doch als Arzt Einblick in so manche Ehe, in welche launenhafte Frauen einen ewigen Wechsel von Sturm “und Sonnenschein zu bringen im Stande sind, jene Wetter­­wendigkeit, die er fürchtete, und gegen die ihm Mimi’ Her­­zensbildung die beste Gewähr schien ! „Aber dumm, dumm ist fiel" Das hatte er vor seiner Verlobung aus so manchem schönen Frauenmunde hören müssen. Wie gerne hätte er dann geantwortet: „Weil sie nicht ist, wie so viele Dämchen, die kaum in die Gesellschaft eingetreten, auf die Jagd nach einer „guten Parthie“ jede Harmlosigkeit verlieren,­­ weil Mimi zu ehrlich ist, um sich­­ zu verstellen, zu natürlich, um nicht die Dinge beim rechten Namen zu nennen !" Von einer klugen Mutter, die das Herz auf dem rech­­ten led hatte, erzogen, von einem edlen Vater belehrt, im Kreise zahlreicher jüngerer Geschwister groß geworden, hatte sie wenig Zeit für äußerliche Vergnügungen. Auch das In­­teresse an Bücherweisheit mangelte ihr, troß des guten Ge­dächtnisses,­­ dafür besaß sie aber Lebensklugheit, ja eine gewisse Pfiffigkeit, die oftmals nugbringender sind. Hatte sie in der Schule der Lehrer aufgerufen, da war es oft vorgekommen, daß sie anstatt die Jahreszahlen der verschiedenen Kriege herzuplappern, oder einen Vers aus dem Nibelungenlied zu zitiren, stumm blieb, oder so zerstreut ant­­wortete, daß es allgemeine Heiterkeit erregte, ja zum geflü­­gelten Wort wurde und ihr den Namen „dumm“ eintrug. War sie doch mit all’ ihren Gedanken zu Hause bei Mama, die sich wieder einmal mit einem neuen Dienstmäd­­chen abquälte, und der sie so gerne behilflich gewesen wäre | im Rechnen aber, — da war sie am Platz, denn Rechnen, das machte ihr Freude, und am liebsten — das Küchenbuch. Als sie älter wurde, da verblüffte sie oft nur ihr richtiges Urtheil, ja einmal, als in einem „Kränzchen“ eine hochmüthige Dame die Frage aufwarf, ob ihre neue Erzie­­herin als gesellschaftsfähig zu betrachten sei,­­ da beschwor die „unbedeutende“ Mimi einen Sturm herauf, als sie im­ Brustton der Ueberzeugung festzustellen suchte, daß eine gründ­­lich gebildete Erzieherin die volle gesellschaftliche Gleichberech­­tigung mit den Damen der sogenannten Gesellschaft hätte ! Und das „sogenannt' trug ihr wieder so viel Feindin­­nen ein ! Das warme Herz dieses Mädchens war für Welten in heimlicher Liebe erglüht, es hatte höher geschlagen, wenn der vielbeschäftigte Arzt, der erst zu späten Abendstunden Gesell­­schaften besuchen konnte, sie zum Tanze aufforderte, nachdem sie gar oft überstrahlt von „exotischen Pflanzen", neben Mama als Mauerblümchen gesessen hatte. Wie allerliebst sie ihn dann in den Ruhepausen zu un­­terhalten wußte. Bewunderte er dann ihre geschmackvolle Toilette, die ihre mittelgroße, elastische Gestalt, ihre vollen Arme, ihren weißen Nacken zur schönsten Geltung brachte, da stieg pur­­purne Gluth in ihr von blonden gödden umrahmtes Gesicht, mit den feinen Zügen, mit dem lieblichen Munde und den sprühenden dunklen Augen. Und gar , als er eines Tages um ihre kleine Hand angehalten hatte ! Kein sprödes Besinnen gab es bei ihr,­­­ an seine Brust flog sie, die frische Maiblume. Wie wollte sie ihn glücklich machen, ihn, — der von seiner Höhe herab sie von Allen erkoren ! Nun bereute sie doch, ihre Lehrjahre nicht besser ange­­wandt zu haben. Er lachte aber und meinte : „Wer weiß, ob Du mir dann so gut gefallen hättest !" * * In den ersten Märztagen war die Hochzeit ; — dann reisten Dr. Welden und Frau nach der Riviera. „Wie kalt war es noch zu Hause, und hier in Italien wie prächtig !“ rief Mimi, als sie in Nizza angekommen waren. „Aber Mimi ! Wir sind ja in Frankreich“, lachte der junge Arzt. „Siehst Du, Männchen, auch in der Geographie bin ich schwach !“ meinte sie. „Aber groß in der Kunst, mich glüklich zu machen !" jubelte er = — — Von Nizza fuhren sie nach Monte-Carlo. In dieses goldene Räubernest, über das die Natur ein Paradies gegossen ! Wie wenige aber haben dort für die Schönheit dieser südlichen Vegetation, für die Farbenpracht der im Sonnengolde da liegenden Bucht ein Auge. Nach jenem Golde suchen ihre gierigen Blide, das wie ein unver­­siegbarer Strom über die mächtigen Spieltische fließt. An einem herrlichen Frühlingstage gab auch das neu­­vermählte Paar seine Visitenkarte im Kurhause ab , um dafür Eintrittsbillette für die Spielsäle zu erhalten. „Nun Mimi" scherzte Welden, — „hinderte uns nichts mehr, eine Million zu verlieren, wenn wir sie gerade in der Tasche hätten !" . “ Unwillkürlich zog die junge Frau ihr Portemonnaie hervor, um nach ihren paar Goldstiten zu sehen, die ihr Mama noch­ beim Abschiede in die Hand gedrückt hatte. Da lagen sie noch alle ,­ und beruhigt betrat sie am Arme das Garten, das gold- und krystallfunkelnde „Aller­­heiligste“. Eine unheimliche Ruhe herrschte hier, nur unterbrochen von dem Klingen des Goldes, von dem Knistern der Bank­­noten, von dem leisen Rufen der Croupier­s :­­ „Messieuss et Mesdames faites votre jeu! Rien ne va plus ! Le jeu est fait!“ Fester s<hmiegte sich Mimi an des Gatten Arm. |

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