Kaschauer Zeitung, Januar-März 1902 (Jahrgang 64, nr. 1-37)

1902-01-01 / nr. 1

* AR 4 Vierundsechzigster Jahrgang 902. Nr. 1. aschauer Zeitung. JW.< 27299 KASSA-EPERJESI ERTESITO. [ZEIT Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Redaction und Expeditions-Bureau : Kaschau, Hauptgasse Nr. 84. ! | fi Mau pränus werirt am besten direkt und mittelst Postanweisung. Für Kaschau ... észt Mit Postversendung ... ... .....­­4 Kaschau, Mittwoch 1. Januar,­­ 2. 2 ganzjährig fl. 5.—, halbjährig 0 2.50, vierteljährig 0. 1.25 ganzjährig fl. 6.60, halbjährig fl. 3.30, vierteljährig fl. 1.65 | Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. Inserate werden in ungarischer u. in deutscher Sprache aufgenommen. Pränumerationspreis der „Kaschauer Zeitung“: eu ő? Im SÓ = § KN Zum neuen Jahre. Wenn im ewigen Strome dahin der Zeiten wiederum ein Jahr geflossen ist und ein neues, junges Jahr vor unserem geistigen Auge seinen Lauf beginnt, da tritt an jedes Volk und jeden Menschen unwillkürlich die Schichjalsfrage und die verschleierte Zukunft bedeutungs­­voll heran, denn wenn in manchem Jahre als herzlich) wenig oft im­­­ Menschenleben geschieht, so bringen zwölf neue Monde doch auch oft das Schicsal A ins Rollen und dieserhalb wird man nie­­mals ganz sich dem Einflusse des Ge­­heimnißvollen und Wunderbaren am Jah­­reswechsel entziehen können. Bedeutsames, Ungeahntes, Umwälzendes hat sich ja auch schon oft innerhalb Jahresfrist ereignet, und diese Erfahrung steigert die Empfänglich­­keit des Gemüthes für die tief verschleierte Zukunft. Dazu kommt, daß jedes Völker­­leben und jedes Menschendasein schidtalsschere ungelöste Fragen mit sich trägt und daß ge­­rade auch unsere Zeit genug der ungelösten socialen und wirthschaftlichen Probleme besigt, welche die Spannung für die Entwicklung der Dinge im neuen Jahre erhöhen.­­ Aber so viele, schwere ungelöste Fragen auch auf un­­serem öffentlichen Leben lasten und so viele Hoffnungen oder Sorgen auch der Einzelne mit sich trägt, so bleibt doch Allen nur der Trost, den der geniale Dichter in den be­­rühmten Worten giebt: In deiner Brust sind deine Schid­­salssterne! — In unserer Brust wohnt das Vertrauen zu einer höheren Weisheit und Macht, die den Weltenlauf lenkt und stets nach Prüfungen und Schicksalsschlägen eine größere und schönere Entwickklung des mensc­hlichen Geschlechtes her­­vorrief und dieses Vertrauen muß sich gerade auch im Be­­ginne eines neuen bürgerlichen Jahres in unserem Herzen erheben und Sorgen und Trübsinn mildern. In unserer Brust wohnt aber auch das Bewußtsein, daß wir zur Thä­­tigkeit und Mitarbeit am­­ Werke der Cultur und auch am eigenen Schicsale berufen sind, deshalb soll sich in unserem Herzen auch die Thatkraft und Arbeitsfreundlichkeit erheben, um Gutes und immer mehr Gutes­­ zu schaffen und Sorgen und Noth zu lindern. Für die meisten Menschen der Ge­­genwart ist dies in Folge einer unerfreulichen wirtschaftli­­chen Lage und unerquiedlicher Zustände im öffentlichen Leben allerdings­­ eine leider oft vergebliche Sisyphusarbeit. Der Felsblot, welcher mühsam dem Berge hinaufgewälzt wird, rollt vor erreichtem Ziele wieder hinab. Arbeit und Mühe in der Berufsthätigkeit und auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens sind heutzutage leider oft ohne Erfolg. Da mögen in unserer Brust die Himmelsgaben Geduld und Ausdauer uns als treue Scußengel führen und vor dem Ungemach der Muthlosigkeit bewahren, denn Muth braucht der Mensch in jeder neuen Zeitspanne seines Daseins, da der Weisheit legter Schluß heißt: Nur der verdient die Freiheit und das Leben, Der täglich sie erobern muß. Alba N­u ea nn ZNEN 73 >’ x BE Di Neujahr! Bollendet hat nun seine Kreise Das alte Jahr im Lauf der Zeit — Wir singen ihm die Abschiedsweise, Ein letztes Glas ward ihm geweiht — Und was es je An Lust wie Leid in seinen Stunden für uns gebracht, Dies ist mit ihm dahingeschwunden, Versunken in die ew­ge Nacht. Jett wendet sich der Bli> entgegen Des neuen Jahres Rosenschein — Wir hoffen ja von ihm nur Segen Für unser irdi sche3 Pilger sein. Mit frohen Wünschen d­rum begrüßen Wir allzumal das neue Jahr Vertrauend, daß es läßt entsprießen Ein neues Glü> uns immerbar. Wohlan, so sei uns denn willkommen, Du neues Jahr, wir sind getrost — Was du auch bringst, es mög’ uns frommen, Wie auch des Lebens Foge tojt — Wir lassen uns den Muth nicht rauben, Und nicht die echte Zuversicht — Fest stehen wir im Christenglauben Vor deinem jungen Angesicht ! Doch wie uns gleich die Loose fallen In deiner Stunden langen Zahl -­­Der eine Wunst lebt in uns allen, Wir künden ihn dir allzumal : Mag weiterhin auch fröhlich blühen Des Ungarn theures Vaterland, Für dieses jedes Herz stets glühen, Vom Tatrafels zum Adriastrand ! 3. B. Neuendorf. Neueste Rachlichken. Ungarn. Se. Majestät hat den pensionirten zweiten Präsidenten der Kurie Felix Czorda, den Ehrendirektor des ungarischen geologischen Instituts Andor Semsey, den Präsidenten des Landes-Sanitätsrathes Dr. Koloman Müller und den Präsidenten der Budapester Waaren- und Effektenbörse­­ Sigmund Kornfeld auf Lebensdauer zu Mitgliedern des­­ Magnatenhauses ernannt. Oesterreich. Se. Majestät entschied, daß der vom mil. Ehrenrathe gegen den Präsidenten des Vereines­­ pensionirter Offizieren und Beamten, FZM v. Kober gebrachte Urtheil nicht in Kraft zu treten habe. Die Landtage sind zu kurzen Sessionen eröffet worden, werden im Frühjahr wieder einberufen werden. Deutschland. j . Ein nationales Komite der Vertreter von 56 polnischen Adelsfamilien beschloß gestern die Boykottirung sämmtlicher deutsch geführter Geschäfte in Posen und Schlesien für den gesammten polnischen Adel. Belgien. Der Senat stimmte in Texter Lesung der Auf­hebung aller Spielsäle einschließlich Oftendes und Spans zu. Frankreich. & BR­­ Gelegentlich der Aufstellung dreier neuer Batterien in Dijon erklärte der Kriegsminister die französische Armee als die erste der Welt. Der Gesetzentwurf Spanien, betreffend die Zahlung de Zölle in Gold dürfte vor der Vertagung der Corte 8 " 1A “ 1 I. | Die heutige Nummer umfaßt 8 zug: 4 Jieuilleton. Die sowarze Schaar. — Roman, nach dem Französischen von — Ludwig Wechsler. (17. Fortj.) Nachdrug verboten. x Vorher aber sagten sie ihr : „Es ist das kein Abschied für alle Zeiten, gnädiges Fräulein. Wir wissen sehr gut, daß ein Tag kommen wird, da Sie wieder glücklich sein und uns wieder in Ihre Dienste nehmen werden.“ Klara dagegen hatte durchaus nicht von ihr gehen wollen. „Wenn es sein muß, so will ich Ihnen ganz umsonst dienen, mein gnädiges Fräulein“, hatte sie gesc­hluchzt, als ihr Johanna gleichfalls den Abschied geben wollte, „allein verlassen werde ich Sie nicht.“ Das junge Mädchen hatte ihren Bitten nachgeben und sie bei sich behalten müssen. An dem Tage, da Johanna das Haus in der Offremont-Straße verließ, in welchem sie so glücklich ge­­wesen, meinte sie wieder vox Weh vergehen zu müssen. Sie nahm Abschied­ von dem Salon, in welchem sie so viele huldigende Freunde empfangen, die sie seht, bei einer Be­­gegnung auf der Straße, sicherlich nicht einmal grüßen würden. Abschied von dem Arbeitszimmer, in welchem so lange Zeit hindurch ihr Vater mit der ihm eigenen Milde und Liebe gewaltet hatte, Abschied auch von dem mit zart rosafarbenen Seidentapeten versehenen Zimmer, in welchem sie ihre ersten Mädc­henträume geträumt. Als sie ihren Bruder Georg an der Hand führend, das Haus verließ, schien es ihr, als wäre ein Theil ihres eigenen Selbst in diesen Mauern zurückgeblieben, an denen sie mit allen Fasern ihres Herzens gehangen. Und als sie sich in den engen, niedrigen Räumen ihrer „neuen Wohnung sah, zu welcher man über eine schmugige, finstere Treppe gelangte, als sie sich inmitten der noch angeordneten Möbelftäde sah, die sie mit si) genommen und die arm und verlassen gleich ihr zu sein schienen, ver­­mochte sie die Thränen nicht zurückzudrängen, die ihren Augen entstürzten. Sie stand fortan allein, ganz allein in der Welt da, ohne Stüge, auf die sie sich verlassen konnte, ohne einen Menschen, der ihr wenigstens einen Rath ertheilt hätte. Unter den zahlreichen Freunden ihres Vaters kannte sie nur einen einzigen, dessen unerschütterliche Anhänglichkeit sie keinen Augenblick bezweifelte. Dieser würde sie gewiß nicht verrathen, wie es die übrigen get­an und sie war sicher, in ihm den treuesten Freund zu finden. Dies war jener Herr Mer­rentier, der sie an dem Morgen aufgesucht hatte,­da sie das heldenmüthige Wagniß unternahm, den Leichnam ihres Vaters aufzusuchen, und der schon an jenem Morgen seine Thränen mit den ihrigen vermengt hatte. Lacedat Merentier war­ ehedem Schiffskapitän gewesen und mit in Amerika bekannt geworden, wo er sich ihm in unerschütterlicher Treue angeschlossen hatte. Am Tage nach dem Begräbnisse hatte er aber eine Reise ins Ausland antreten müssen, so daß Johanna seiner trostreichen Worte entbehren mußte, die ihr in ihrer gegen­­wärtigen Stimmung von um so, größerem Werthe gewesen wären, als er ja ihren Vater seit langer Zeit kannte und hochsc häßte, und sie mit­­einander über den theuren Todten hätten sprechen können. Diese Schwäche währte indessen nur kurze Zeit. Ihrer starken, energischen Natur mangelte die Geduld und Hinge­­bung, die sich in das Mißgeschiß fügen und die Heimsuchun­­gen des Sc­hids als ruhig und widerstandslos ertragen. “Johanna schreite vor dem Kampf nicht zurück und war der hochherzigsten Anstrengungen fähig. Das Unglück, welches sie sehr in so rascher Folge heimgesucht, hatte sie nicht zu beugen vermocht. Sie fühlte die Kraft und den Muth in sich, den schwe­ren Kampf mit dem Leben aufzunehmen, obschon sie sich so gut wie gar nicht für denselben vorbereitet hatte. Doch heute war die bittere Nothwendigkeit an sie herange­­treten, dem Verhängniß stolz und unerschrocken die Stirne zu bieten.­­ Sie hatte alles, was Eigenthum ihres Vaters gebildet, veräußert und für sich blos den Erlös für die Diamanten behalten, die ihre Mutter ihr hinterlassen. Dieser Betrag mochte sich auf etwa zwanzigtausend Franken belaufen, die ihre einzige Hilfequelle bildeten. Sie würde aber im Vereine mit Klara arbeiten, um dieses bescheidene Einkommen zu vermehren und die Erzie­­hung Georgs vollenden zu können. Sie fühlte sich von dem männlichen Muthe eines Familienoberhauptes erfüllt, auf dem die Sorge für die Zukunft eines geliebten Wesens ruht. Die Enttäuschungen, die ihr Herz in der legten Zeit so grau­­sam heimgesucht, hatten sie gelehrt, daß sie nur auf sich allein zählen dürfe, und sie empfand für die gesammte Mensch­­heit nunmehr jene tiefe Verachtung, die nur eine überlegene, ungerechterweise gequälte Seele zu empfinden vermag. Sie hätte sich irgend­eine geheimnißvolle, schreiliche Kraft ge­­wünscht, um all die Personen züchtigen zu können, die ihr so schweres Leid zugefügt hatten. Die Mörder ihres Vaters, die auf ihren Geldjuden figenden­ Männer, deren Selbstsucht all ihre Anstrengungen scheitern gemacht, der unwürdige Mann, dem sie das­ rückhaltslose Vertrauen ihres Herzens entgegengebracht und der sie so schmählich verrathen, — alle diese Personen waren gleichmäßig mit ihrem Zorn und ihrem Haß bedacht. Sie rechnete mit aller Sicherheit darauf, daß es ihr gelingen werde, ihr großes Werk der Rache und Züchtigung zu vollbringen. Zwei Tage später war sie mit der Einrichtung ihrer kleinen Wohnung zu Stande gekommen. Gewiß, die Woh­­nung war eine sehr einfache und bescheidene, und troßdem merkte man derselben den Geschma> an, den nur eine Bar r­ierin zu entwickeln vermag, die an Eleganz und Schönheit gewöhnt ist. Mit Hilfe der sehr verständigen Klara hatte sie ihr Zimmer mit einer zart rosafarbenen Tapete versehen, wie das auch daheim der Fall gewesen, sich mit den zahllosen Nichtigkeiten umgeben, die dem Dasein Licht und Sonnen­­schein gewähren. Als sie alles beendet und­ sich häuslich niedergelassen hatte, erinnerte sie sich an den merkwürdigen Mann, der ihr in den traurigsten Stunden ihres Lebens erschienen war und dessen Ergebenheit sie so tief gerührt hatte. Jen = Fortan kannte sie nur ein Bier, nur einen Zwei: sie, wollte sie den Nachforschungen nach den Mördern ihres Vaters widmen und das an ihm verübte Verbrechen gebüh­­rend rächen. Eines Morgens saß sie denn auch an ihrem Schreib­­tisch, um einen Brief zu vollenden, den sie mit der Aufschrift : „Herrn Adam Bidache in Clamart“ versehen wollte, als die Thürklingel leise ertönte. | | | : vn

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