Kaschauer Zeitung, Januar-März 1903 (Jahrgang 65, nr. 1-37)

1903-01-01 / nr. 1

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Die Mens­ch­heit von Heutzutage, ist für solche leider wenig eingenommen. Wir leben zu hastig, wir sind zu nervös geworden. Wir klammern uns an Alles, aber wir haben verlernt natürlich zu sein und geben damit den besseren, den schönsten Theil unseres Lebens auf. Das Leben ist mehr zum Veget­ren geworden , wir lesen die Zeitungen, wir politisiren, wir besuchen Theater und oncerte, wir treiben alle möglichen Arten von Sport, aber Alles mit möglichst wenig Emotion, mit dem allergrößten Indifferentismus. Und die Folgen davon: wir empfinden an Nichts Freude, uns erscheint Alles leer und schal, wir sind blasirt, weil wir es sein wollen, weil wir verlernt haben, das Gute, das Schöne und das Edle zu empfinden und zu genießen, — weil wir verlernt haben, Neujahrsbetrachtungen anzustellen. Die Zeit von Weihnachten bis zum Neujahrstag i­st eine Ruhepause für die Menschheit, denn es fühlt ein jeder von uns das Ruhebedürfniß.» althergebrachten Tradition, ist heute ein Fest für alle geworden ; es ist das Fest der Kindlein, denen das Märchen vom gesdientebringendem Engel, die füßeste Erinnerung bleibt. Und wir Großen, uns ist die Poesie dieses Festes längst in Vergessenheit gerathen; wir kaufen schent es ! Wir nehmen die Zeitung zur Hand und fliegen die Annoncen durch, oder wir gehen die Läden entlang und kaufen, was uns einfällt.­­­ „DW und Kindern zum Geschenk machen wird. Wie sollte er schon lange vorher darüber nachdenken, dibitalität und seinem Alter angepaßt sei, daß gleichzeitig das Angenehme mit dem Näglichen und gründlich darüber nachdenken, was er Fra' was dem Kinde als Geschenk Freude macht und dabei seiner Judi­ziert­­­en verbunden größten Wichtigkeit für die ganze Menschheit. In ihnen läge die einzige Lösung für die soziale Frage der Jetzzeit, würden wir nur den Muth haben, diese Consequenzen zu ziehen. “. Würden wir all die Nebensächlichkeiten des Lebens, an denen wir hängen, denen wir Zeit, Geist, Herz und Gemüth opfern, rat lassen und uns einzig und allein unseren natürlichen Gefühlen hingeben, dann würden wir uns leicht wieder zu dem einzigen Berufe, zu dem die Menschheit von der Natur bestimmt ist, zurüc­­k­finden. Die Natur hat weder Confessionen, noc Nationalitäten geschaffen, die Natur kennt weder eine Politik nach rechts oder nach links, die Natur hat uns zu Menschen­­ geschaffen, um Mensch zu sein. Es gibt nur gute und schlechte Menschen. Das ist der ewige Gegensat, den die Natur geschaffen ; dieser wird kaum jemals schwinden, denn die Begriffe „gut“ und „schlech“ sind variabel und darum schwer auszugleichen. Daß wir Menschen aber einen Unterschied geschaffen Haben zwischen Menschen, die arm und solchen die reich sind, das ist das größte Unrecht, welches sich in „1 seinen Folgen an der ganzen Menschheit rächen muß und rächen wird. In dieser von Menschen geschaffenen Deklassifizirung seines Nebenmenschen, liegt der Grund für alle Auswüchse der Gesellschaft. Je mehr wir uns civilisiren, desto größer Gegentat und kehren wir nicht so rasch als möglich zum natürlichen Zustande zurück, tragen wir nicht Sorge, daß der Mensch dem Menschen gleich sei, daß wir alle Brüder i­d“ der erden, thun treiben wir unrettbar dem Alles verschlingendem Chaos entgegen.­­ ERBE immer wir auch, thun werden, um das geschilderte Uebel zu bannen, es dürfte Alles vergeblich sein. Es giebt nur ein Mittel, und das ist die Nachkehr des Menschen "sich felst Lassen wie all die modernen Probleme so fahren "enschen, die natürlich denken und handeln und natürlich leben. Werden wir us rechtzeitig darüber klar, daß die jetzigen gesellschaftlichen, politisch Wwebia macht von der einzigen, erhabenen, herrlichen und beruhigenden Menschenpflicht: SS 8a =. <<) „Liebe dcheinen? Nächsten, wie dich selbst.“ , hören wir auf, nervöse, haßende Menschen zu sein, hören wir auf Politiker u. s. w. zu sein, werden wir natürliche. Und um zu diesem Resultate zu gelangen, sind die Neujahrsbetrachtungen am Plage. Wenn wir uns in beschauliches Nachdenken vertiefen, werden wir uns ja Alle mehr dex wendet darüber Mal, wie sc­haal und öde das ganze Weltgetriebe ist Oder hat Jemand schon in befriedigtem Ehrgeize, in erfüllten gewinnbringenden Plänen, in gestillten Rach­­lüften Befriebigung und Ruhe geladen ? Nein, ganz gewiß nicht. Aber Jedermann hat schon das beruhigende, beglühende Gefühl einer wohlthätigen Handlung empfunden. Gewiß der von uns hate schon einmal Gelegenheit, die Härten des socialen Gegensaßes zwischen Arm und Reich auszugleichen, gleichviel ob mit Vielem oder Wenigem, und dabei jenes Gefühl empfunden, welches allein Denugthuung und Ruhe verschafft, das Gefühl, seiner Pflicht als Mensch nachgekommen zu sein. EN Dort müssen wir den Lebel ansehen, um die ganze sociale Frage zu lösen. Jun dem Momente, wo sich jeder Einzelne seiner Pflicht als Mensc bewußt wird, in dem Momente, wo jeder von uns, daran denken wird, daß neben uns Mitmenschen leben, die Weniger als wir besigen, in dem Augenblike, wo wir die moralische Kraft gefunden haben erden, unseren­­ lebersfluß dem nothleidenden Mitmenschen abzutreten, im selbem Augenblicke ist die sociale Frage gelöst. Das ist keine Frage, die durch Politiker oder Geiegmacher eröst werden kann, das ist eine Frage, die einzig und allein das Gefühl, der Mensch als Mensch, erledigen kann. „Liebe deinen Nächsten, nie dich selbst.“­­ Das ist die Formel, welche uns den Weg zum allgemeinen Wohle der Menschheit weist ; das ist das Thema, welches unsere Gedanken am Neujahrstage bestimmen sollen. Das Weihnachtsfest, in feiner was Geschenke, wir schenken ; aber die Poesie des Schenkens Dieses Gefühl erweckt in uns dann auch andere die übergroße Anzahl unserer Mitmenschen lebt, BD HEI Wo X : 14 | N “4x 3 AC 64 leider gewisses Glückgefühl, verbunden mit dem Bedanken, durch das Geschenk Jemandem Freude verursacht zu haben, soll da die Freude an dem immer zu leben gezwungen Derartige Neujahrsbetrachtungen sind wohl trauriger Natur, allein 1903, das Schenken herkommen ? Wie sollte body alte Jahr brachte, hoffnungsvoll und ist uns verlustig geworden. Wie wenige Gedanken, jeder Familienvater in ihren Consequenzen von der reiflich voll Wir erinnern uns an das allgemeine menschliche Elend, ist. Vertrauen überdenken heutzutage den Werth und auf die­­ Er die Wichtigkeit des Ge­­ist. Liegt doch im Schenken ein ganz eigenartiger Reiz, an Noth und Armseeligkeit, es in de­­n und moralischen Verhältnisse unhaltbar sind, wenden wir uns ab von al’ Dem, was ,­ ­ En u­­­nd (44) Senilleton. Die tote Ertin. Roman v. J. Pia. 4 Nachdru> verboten. So groß der allgemeine Schrei er und die Bestür­­zung war, als die Kunde von dem furctbaren Mord sich­t. Are traf sie wohl jemanden so ntießlich, wie die anglüiiche Irma. Nach der furchtbaren Urgemißheit, welchen der beiden Männer ds unheilvolle Tod «eilt hatte, empfand sie ein Gefühl tüffter Dankbarkeit, als Dülzens hohe, edle Gestalt in der Tie auftauchte.­­ Klemeltine sprang ihm mit einem Fundenausruf ent­­gegen war gan ás särtlich, mit ihren Armen, der Baronin rolten heiße Thräten über das Gesicht, als sie voll Junigkei seine Hände ergriff, während Frma, die eine und auf den Tisch gestoßt, regungslos stehen blieb und er seinem Erscheinen nur mühsam das Gefühl unendlicher Erleichterung­­ verbergen suchte. Bald aber wich dieses Gefühl der Daltbarkeit demjinigen der tiefsten, bittersten Reue und der s­chwersten Vorwürfe. "* wer, der ich zu ihres Vaters Lebzeiten vergebens um eine Stelle in seinen Diensten ber­worben hatte ? Die nächsten Tage bereiteten ihr wahre Folterqualen. Selbst die Nachricht von des Mörders Festnahme steigerte nur Irmas Jammer — denn in ihrer an Wahnsinn gren­­zenden Erregung machte sie sich den Vorwurf, auch an Mertens Unglück Schuld zu tragen. Der Gedanke, beide Männer, die sie liebten, so unglücklich zu sehen, brachte sie fast von Sinnen Die ganze Nacht hindurc­h lag sie schlaf­­und thränenlos auf ihrem Lager, während die entjeglichsten Qualen ihre Seele marterten. Zwei Tage später trat Graf Turnau in Dülzens Be­­gleitung in Irmas Zimmer. „Mein liebes Kind,“ sprach der alte Graf in freund­­lichem, väterlichem Tone, indem er ihre Hand innig drühte, „wie blaß und angegriffen Sie aussehen ! — Das war zu­­viel für Sie! — Dülzen,” wandte er sich halb zu diesem „ich werde die Arme mit mir nehmen, noch vor dem Ber­gräbniß des Obersten, — sie ist solchen Aufregungen jegt absolut nicht gewachsen. Meinen Sie nicht auch, daß es so das Beste ist." „Es ist das gewiß am besten für sie”, entgegnete Dülzen, „Sie hatten den Grafen aber wohl um noch etwas bitten wollen, Irma,” fuhr er, an diese sich wendend fort. „ach ja,“ erwiderte Irma, seufzend zu dem Grafen aufbchauend, „Sie haben ja so großen Einfluß. Dieser Tage findet das Verhör des Mörders statt. — Sie können ges­wiß dem Armen das Leben retten, wenn Sie wollen! — Ach, ich bitte, ich bes<wöre Sie, thun Sie Alles, Alles was ich in Ihrer Macht steht, ihn zu retten!" Befremdet sah der Graf sie an, und auch Dülzen glaubte seinen Ohren kaum trauen zu dürfen. „So verstehe Sie nicht," erwiderte der Graf in etwas kühlem Tone, „unmöglich können Sie den kaltblütigen Mörder meines armen Freundes von der verdienten Strafe befreit sehen wollen, den Elenden, der ohne jedwede Ver­­anlassung den Vetter Ihres Vaters und ihren eigenen Ver­­­lobten niederschoß ? — Unmöglich können Sie­body wollen, daß man an einen solchen Unmenschen Gnade übt ?* „Es mag seltsam klingen, aber der unglückelige Mer­­tens ist einer meiner ältesten Freunde. Ach, wenden Sie sich nicht von mir ab !“ rief Irma, als der Graf mit fin­­ster zusammengezogener Stirn ihre Hände losließ : „ich wurde in demselben Dorfe erzogen, in dem er lebte, er kannte mich als Kind. Er ist kein guter Mensc, das weiß ich wohl — aber er ist wohl nicht ganz zurechnungsfähig, er ist von einer wahnsinnigen Leidenschaft beherrs<t und ich, o ich bin an all dem Elend Schuld.” „aber nun Gottes willen, Frma !“ rief Dülzen außer sich vor Schred, „wie können Sie so sprechen! — Sie wissen nicht was Sie reden! Wie können Sie sich die Schuld an dieser Unthat beimessen !“ Irma brach in leidensc­haftliche Thränen aus. „Offenbar hat ihr Geist durch die leßten traurigen Ereignisse gelitten," wandte der Graf sich leise zu Dülzen, io würde sie an ihrer Stelle von hier fortbringen; am besten, man übergiebt sie der Pflege eines Arztes.“ Mit einigen kurzen Worten des Abschieds verließ der Graf dann das Zimmer. „D, Irma, was haben Sie gethan ?“ rief Dülzen tief befümmert, sobald er mit dem weinenden Mädchen allein war. „Nun haben Sie sich den einzigen Freund ver­­scherzt, den Sie noch besaßen. Wie unüberlegt von Ihnen! — Wie können Sie aber auch daran denken, diesen unglück­seligen Mann von seinem wohlverdienten Soldsal retten zu wollen ? „Soll ich außer des Obersten Leben aug no< das seine auf mich laden?“ erwiderte sie leidenschaftlich erregt. Dülzen suchte sie zu trösten, wie man ein Kind tröstet ; er streichelte ihr zärtlich die Hände und bat sie, nicht mehr zu weinen. Endlich trocknete sie ihre Thränen und schaute zu ihm auf. (Forts. folgt) => „vv. | ern.

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