Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1903 (Jahrgang 65, nr. 113-149)

1903-10-01 / nr. 113

_Fünfundsechzigster Jahrgang. Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Redaction und Expeditions-Bursau : Kassa, Hauptgasse Nr. 64. alchaner "Nr. 113. Zeilung, __Donnerstag, 1. October 1903. KASSA-EPERJESI ERTESITÖ. Abonnementspreise des Blattes: für loco mit Zustellung in's Haus für das Inland mit Postversendungen ganzjährig K 10.—, halbjährig K 5,--, vierteljährig K 2.50 „ > » 3.30 SB 408 „6.60, | / | Man pränumerirt am Besten direkt und mittelst Postanweisung. | | | Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 10 h. berechnet Inserate werden in ungarischer u. in deutscher Sprache aufgenommen, i­ n neuefte Nachrichten. Ungarn.­ ­ Der Ministerpräsident war am 27. in Wien in Audienz und kührte am Abend wieder nach Budapest zurück. Das Cabinet ist noch nicht gebildet und kann dies erst nach der Feststellung des Programmes der liberalen Partei geschehen. Kossuth hat im " Egyetértés" einen an seine Partei gerichteten Artikel erscheinen lassen, in dem er erklärt, Vieles geschehe unter seinen Leuten, was er nicht für gut halte; es sei Besonnenheit und Ruhe, dabei aber Ausdauer nöthig, um jene Richtung zur Geltung zu bringen, die er billigt : passive Resistenz. j . Graf Khuen-Hederväry demissionirte in Folge der vorgestrigen Abstimmung im Reichstage zum zweitenmale. Rußland. Der Petersburger Polizeichef Staatsrath Subatov wurde seines Amtes wegen Mißbräuchen entießt und nach Zambow verbannt. Rußland drängt auf Freigebung der Dardanellen. In Russisch-Armenien fanden ernste Unruhen statt. Der Kriegsminister ordnete die Bildung von zwei neuen ostsibirischen Infanteriebrigaden durch die Heranziehung je eines Bataillons aus den 46 europäischen Divisionen an. Großbritannien. Die Regierung ließ in Sofia erklären, daß weder die Türkei noch Bulgarien auf eine Unterftügung seitens England rechnen dürfen, falls sie sich den Reformen widersetzen. Portugal. Der König amnestirte alle politischen Verbrecher. Aus dem Vatican. 29. v. M. der­ auch der Fürst beiwohnte, hielt ein auf Kosten des Fürsten ausgebildeter Archimandrit die Weihrede. Serbien. Der Vertheidiger der angeklagten Antiverschwörer bes­tont, daß dieselben bloß die Absicht hatten, das Memorandum zu überreichen, es aber de facto nicht überreichten, die Ab­­sicht aber nicht strafbar sei. Die Unterschrift sei ein bloßes Disciplinarvergehen. Die leidenshänderischen Handlungen der Königsmörder werden als böswillige Erfindungen erklärt. Bulgarien. " Bei der Trauerfeier für die gefallenen Macedonier am Se. Heiligkeit that Aeußeringen, aus welchen auf baldiges Aufgeben der „Gefangenschaft“ geschlossen wer­­den kann, in der er sagte: In Berlin ist vor fünfundzwanzig Jahren Bulgarien ans Kreuz geschlagen worden, wir wollen es ab­­nehmen und geführt vom Fürsten, unseren Weg fortschreiten. Den Abends stattfindenden Demonstrationen entzog sich der Fürst durch seine Abreise nach dem Lustschloß Situiakowo bei Zamokow. Die Schärfe der Situation ist dadurch gemildert, daß Natschewitsch dem Drängen des Fürsten nachgebend, sich zur Uebernahme der diplomatischen Vertretung in Con­­stantinopel bereit erklärte, ungarische Gejeggebung, der Reichstag, im Vereine mit dem König. Die Opposition war mit dieser Erklärung nicht ein­­verstanden, denn sie wollte eine Zurückweisung des Ver­­ganges des österr. Premiers und stellte einen diesbezüglichen Antrag, welcher auch von der überrumpelten Majorität ange­­nommen wurde. Der Vorsitzende berief dem­zufolge auf Mittwoch wieder­­ eine Sißung ein, in welcher die Debatte über die Aeußerung des Ministerpräsidenten eröffnet werden soll. Dieß gilt allgemein als Desaveu des Ministerpräsi­­denten, der verlangte, daß das Haus bis zur Cabinets­­bildung nicht tage. Die Consternation im liberalen Lager ist eine große und man ist um die Zukunft sehr besorgt. Se. 4 . RP en Aus dem Reichstage. — Am 29. trat das Abgeordnetenhaus auf Verlangen der Opposition wieder zu einer Sigung zusammen. Beraf Albert Apponyi ertheilte nachträglich den Abg. Desider Perczel, Gjen Tivadar Andrasiy, Stef. Rakovsky und Geza Kubinyi für die während der Reden der Abg. Barabás und Lengyel in der legten­digung gemachten Zwischenrufe den Ordnungsruf. Hierauf entschuldigte B­ar­rabas seinen damaligen Zwischenruf damit, daß er gemeint habe, „er glaube nicht, daß es der König gesagt habe“; den König zu beleidigen sei sein Ungar im Stande.*) Ueber Antrag des Vorsitzenden wurde diese berichtigende Er­lärung zur befriedigenden Kenntniß genommen. Auch Geza Kubinyi bittet, daß sein Zwischenruf als nicht geschehen betrachtet und darüber zur Tagesordnung über­­gegangen werde. Samuel Bakonyi bezeichnet die Zurück­­behaltung der Drittjährigen als ungefeglich . Franz Kraßnay protestirt gegen die Einmischungen des österr. Ministerpräsi­­denten in ungarische Angelegenheiten. Karl Eötvös spricht über den verfassungswidrigen Chlopyer Armeebefehl. Nach ihm steht Graf Andrássy auf, der den Beschluß der libera­­len Partei über den Chlopyer Armeebefehl dem Hause vor­­legt, und welcher den Uebergang zur Tagesordnung darüber enthält, nachdem der König directe erklärte, es sei ihm nicht eingefallen, die Nation zu beleidigen oder die Verfassung zu verlegen. Gf. Albert Apponyi ertnzirt, daß dieser Beschluß in Druck legen zu lassen, den Abgeordneten zu vermitteln und an die Tagesordnung zu stellen sei. Johann Hoch meint, daß man darüber nicht einfach, zur Tagesordnung übergehen könne ; er bittet die Parteien ein Comprom­iß wegen Durchbringung der nationalen Forderungen zu schließen, damit dem Ex­lex endlich ein Ende gemacht werde. Zuletzt sprach der Ministerpräsident, definirte kurz das Ausgleichsgeseß bezügl. der das Heer berührenden Punkte und kam auf den eigentlichen Gegenstand der Debatte zu sprechen und da erklärte er, daß er in Hinsicht auf das Ausgleichsgeseß es sich ebenso wenig, wie der österreichische Ministerpräsident nehmen lassen würde, darein zu reden, wenn Oesterreich solche Forderungen erheben würde, die Ungarn schaden könnten. Speziell ungarische Geseße zu interpretiren ist jedoch: Niemand anderer berufen als die *) In Folge dieser Aeußerung sind all die ritter­­lichen Affairen Barabas’ geschlichtet. Zocal-Nachrichten. — Rosenfranzandachten werden von heute an zu Ehren der hl. Muttergottes im Dom, in der Dominikaner- und in der Nonnenkirche allabendlich um 7, resp. 6 Uhr abgehalten. — Das Abend- und Morgenläuten geschieht von Michäli — den 29. v. — an um 7 Uhr Abends und 5 Uhr Morgens. — Versöhnungsfest. Unsere israelitischen Mitbür­­ger feiern heute — den — den „langen Tag“ — 1. Oktober — das Versöhnungsfest an welchen sie unter Fasten und Beten die Versöhnung mit allen Feinden und Gegnern feiern. — Für die Volksbibliothek spendete der Comitats- Obernotär Herr Dr. Andreas von Puky 18 Bände, wofür demselben vom Bibliothekskomite Dank ausgesprochen wird. — Der Namenstag des Königs wird am 4. b. Montag in üblicher soleiner Weise allenthalben abgehalten. Der offizielle Gottesdienst findet im Dome um 9 Uhr Vorm. statt und wird denselben Hochw. Probstromherr Andreas Kozora zelebriren. Zu demselben erscheinen die Spiten der Zivil- und Militärbehörden, Vester und Anstalten. — Im ist. Tempel hat gestern­­­ Mittwoch — der „Kol-Niddre“ um ,6 Uhr Abends begonnen.­­Wir bitten die geehrte ist. Cultusgemeinde, derlei Nachrichten uns derart zukommen zu lassen, damit dieselben in der einer solchen Feier vorhergehenden Nummer unseres Blattes Aufnahme fin­den können. Am 26. — Räfköczi-Feier in Eperjes und N.­Sáros, und 27. v. wurde, wie bereits gemeldet, vom Eperjeser Szechenyi­kör die Gedenkfeier an Franz Ráköczi IL nach dem bekannten Programme abgehalten; am 26. fand dieselbe mit einer Abendvorstellung im Theater "statt, wo unter gewählten Gesangs- und Musikvorträgen, darunter Eurupen-Lieder von Fräulein Etus Müll­er sehr gut vorge­­tragen, das dramatische Bild „Pro libertate" von Nándor Stephany zur Darstellung gelangte ; am Sonntag war die Festmatinee im Szechenyi­ für in welcher nach und vor verschiedenen Gesangs- und Declamationsvorträgen „ b­eur j­e on Ahr © 4 een A 6 Dun­e Fe­enswege. Roman. von €, Eiben. derblich werden? — Er glaubte es nicht, sagte sich: Man | gelte es. (70.)* Nachdru> verboten. | wird glauben, der Zwerg habe sich freiwillig vergiftet. Ein Mädchen öffnete: „Ich will Dich zur Staatsanwaltschaft begleiten, Gnom," erklärte er: „Deine Aussagen sind so wichtig, daß ss dadurch allein soon villeicht die Unschuld der armen Opfer des Freiherrn von Leo und des Grafen von Mansfeld herausstellen dürfte.“ MS Herr Stein und der Zwerg gegangen waren, vers­toß . Sarah Thränen der Freude und dankte Gott auf den Knieen. 33. Gefangen, Freiherr von Leo befand sich in einer angstvollen Er­­regung, die von Minute zu Minute stieg. Die Droschke fuhr ihm nicht schnell genug, troßdem der Kutscher den armen Gaul auf's Unbarmherzigste peitsche, um das ver­­sprochene Trinkgeld zu verdienen. 7 : H Graf von Mansfeld verhaftet ! Wenn er von ihm verrathen wurde! ; NE Dem Freiherrn began es bei diesem Gedanken vor den Augen zu flimmern.­­ Wenn Anna ihrem Verdachte Worte verlieh, wirklich ein Beweis für die eine schreiliche That gefunden wurde, für eine That, die ihn dem Slude der ganzen Menschheit weihen und ihn aus's Schaffet bringen mußte ! Kalter Angstsc­hweiß feuchtete seine bleiche Stirn. Hatte sich denn Alles wider ihn verschworen, um ihn zu verderben?! — Auch das eine Banknotenpä>dchen war verschwunden und es konnte an ihm zum Verräther werden. Wer hatte es gestohlen ? Der Zwerg ? Es war mög­­lch — was bewiesen dessen Unschuldsbetheuerungen?! — Aber wahrscheinlicher war es, daß Lutetia es ihm heimlich aus der Tasche gezogen hatte. Man kann mich auf keinen Fall des Mordes zeihen. Es wäre ihm eine Beruhigung gewesen, wenn er ge­­wußt hätte, daß der Zwerg schon von dem Wein getrunken habe. Er ahnte nicht, daß in diesem Augenbliche sein Plan schon gescheitert war, daß statt des Zwergs dessen Pudel den Genuß des Weines mit dem Leben bezahlte, „Je länger er darüber nachgrübelte, desto überzeugter wurde er, daß Lutetia die Diebin sei.­­ Wenn sie die Bank­­noten nur nicht schon ausgegeben hatte, er sie ihr wieder abnehmen konnte, dann war wenigstens für ihn die Gefahr beschworen, als ein gemeiner Dieb gebrandmarkt zu werden. Aber fort mußte er, fort — fliehen — die Gefahren wuchsen ihm über den Kopf. Mansfeld! Anna! Lutetia ] Er sah diese Namen in feurigen Buchstaben vor den Augen seines Geistes tanzen, glaubte sie zu hören, als flü­­stere sie ihm ein sc­hadenfroher Dämon in­s Ohr. Als seine Nerven zitterten, seine Pulse flogen, sein Herz schlug wie ein Hammer.­­ Die Haare klebten ihm an den feuchten Schläfen. Der Kopf brannte ihm und war body kalt anzufühlen. Endlich hielt die Droschke. Die Fahrt hatte kaum eine halbe Stunde gedauert und body war sie ihm unsäg­­lich lang vorgekommen. Er glaubte viele, viele Stunden gefahren zu sein. Als er aus der Drostpke stieg, warf er dem am Schlage stehenden Kutscher ein Goldftück in den Hut und eilte in das Haus, wo die Tänzerin wohnte. „Sie, mein Herr?! So ungeduldig ? I” „Fräulein Lutetin da?" fragte er kurz, hastig nach Athen ringend. „gr Sie immer, mein Herr!" antwortete das Mäd­­chen, verschißt lächelnd. Minute befand er sich im Empfangs­­­­­zimmer. Fn der nächsten . Er ging aufgeregt auf und ab. Lutetia ließ ihn nicht lange warten. Sie trat ein, ein verführisches Lächeln auf den schwellenden rothen Lippen. Ihre dunklen Augen begrüßten ihn mit einem strahlenden Bli, der ihn sonst in Flammen gesetzt hätte, sehr aber keine Macht auf ihn ausübte. Sie bemerkte natürlich sofort sein verstörtes, aufges­­egtes Wesen und errieb­ dessen Ursache.­­ Seitdem sie ihm die Banknoten entwendet hatte, war er nicht wieder bei ihr gewesen. Sie hatte sich, im Be­­wußtsein ihrer Schuld, vor seinem Wiederkommen heimlich gefürchtet. Sie wand ihren Arm um seinen Hals, lehnte ihr Köpfchen an seine Schulter und sah schmachtend zu ihm auf. „Wenn Du wüßtest, wie ich mich nach Dir gesehnt habe, Leo," flüsterte sie und schmiegte sich inniger an ihn, während die Flammen der Sinnlichkeit ihr Antlig über­­fluteten. Der Freiherr wehrte unsanft die Liebkosungen der Tänzerin ab, befreite sich von ihrem Arm, drühte sie auf einen Sessel nieder und blieb vor ihr stehen. (Fortsezung folgt.) j Der Zwerg bo durch bli>en lassen, daß er Vieles Der Kutscher, vergnügt über die reiche Belohnung, wisse, daß er ihn in den Dieb der Banknoten halte, die­­ kletterte wieder auf den Bad und fuhr davon. Klara ihrem Chef Stein gestohlen haben sollte, aber’ er Als der Freiherr das lezte Mal die Tänzerin besucht war nicht mehr zu fürchten, vielleicht trank er jehr schon ! Hatte, hatten ihn Flügel der Liebe die Treppe hinaufgetraf den vergifteten Wein und wurde eine Beute des Todes. gen — jeht trugen ihn Flügel der Angst. ‚Konnte diese That dem Freiherrn aber nicht auch ver- Stürmisch riß ex an dem Klingelzuge. - Schrill klin-­gen c . igy | c; 3

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