Kaschauer Zeitung, April-Juni 1904 (Jahrgang 66, nr. 39-74)

1904-04-02 / nr. 39

Erscheint jedea Dienstag, Donnerstag und Samstag. Redaction und Expeditions Barsau : Kassa, Hauptgasse Nr. 64. Abonnementspreise des Blattes: für loco mit Zustellung in's Haus ganzjährig & 10.—, halbjährig K 5.--, vierteljährig K 2.50 für das Inland mit Postversendungen » st a » 6.60, Man pränumerirt am Besten direkt und mittelst Postanweisung. 4 „ 3.30 Samstag, 2. April 1904. Zeitung. KASSA-EPERJESI ERTESITÖ. EL -<„ Ä---“m“m“mT e nn “-Dm===c““ cn Bei Inseraten wird die sechsmal gespalte Petitzeile oder deren Raum mit 10 h. berschn Inserate werden in ungarischer u. in deutsch: Sprache aufgenommen, und Tausende von Heute noch werden Tausende Sieden die Kunde bringen, daß das große Fest der Schritten­­heit angebrochen ist.. Sie werden von dem Gottmenschen­­ erzählen, der für die Menschen starb, von dem ewig milden Manne, der zuerst sich den Armen in Liebe zumendete und der zuerst die Brüderlichkeit und Gleichheit predigte. Ueber 19 Jahrhunderte sind seit jenem Tage vergangen, da Christus nach seinem Märtyrertode auferstanden, seit seine Lehre die antike Gesellschaftsordnung stürzte, den alten Götterglauben verdrängte. — Und heute? An Stelle der Fundamente der alten sozialen Verhältnisse, der Sklaverei, deren Fesseln der Erlöser sprengte, trat bald die Leibeigenschaft und an deren Statt jetzt die Hörigkeit der Fabriksarbeit, die Abhängigkeit des Armen von dem Reichen Die Knechtschaft hat nur die Bezeichnung geändert, in Wahrheit aber bleibt die Sklaverei immer noch die Basis der menschlichen Gesellschaft troß dem milden Evangelium Christi, an dem auch jetzt noch immer die Armen, Berlassenen mehr hängen, als jene, die sie hilflos dem Elend und ihrer Pain überlassen. Die cristliche Barmherzigkeit hat das Misere aus der Welt nicht zu verbannen vermögt, da so viele Bekenner dieser Lehre die Nächstenliebe nur im Munde führen und so blieb die Religion Christi nur eine Religion der Armen, welche ja auch die Ersten waren, die sich zu derselben „bekannten und heute, wo der Unterschied zwischen Arm und Reich greller als je hervortritt, ist dessen Wirkung nicht zu verkennen und mehr denn je wendet sich der Arme dem Himmel zu, um die Aenderung seines Loses bittend an dem Tage, an welchem Christus der Lehre von Wahrheit, Ord­­nung und Nächstenliebe zum Triumph verhalf. Wie Viele es auch geben mag, die sich des Loses der armen Menschheit annehmen, sie helfen derselben wohl ihr Leben momentan zu fristen, aber die Aussicht auf gründliche Aenderung dieses Loses können sie ihnen nicht bieten. Denn im Verlaufe der Zeiten hat sich bloß das äußere Bild der Welt verändert, nur der menschliche Geist hat Fortschritte gemacht, nicht aber das Gemüth. Wir sind klüger, aber nicht besser geworden. Wir können rascher von Ort zu Ort comme­niziren — persönlich und mit Worten, wir­ können erstaun­­lich schnell Finsterniß in Hölle verwandeln, wir können uns vor Kälte trefflich jwingen, wir vermögen die Luft und die Meere zu durchkreuzen ; der Mensch ist der Herr der Schö­­pfung geworden. Allein im Wesen ist Alles beim Alten ge­­blieben. Das Wichtigste, die Beziehung vom Menschen zu Seinesgleichen, hat sich nicht geändert.­­ | | Einige Classen sind in Folge wirthischaftlicher Verän­­derungen in die Höhe gekommen, andere gesunken; als der | Aderbau aufhörte die Basis der Gesellschaft zu sein, konnte | Leibeigenschaft und Hörigkeit verschwinden, denn Sklave muß­­ nur derjenige sein, von dessen Arbeit die Existenz der mensch­­lichen Gesellschaft abhängt. Heute ist das der Arbeiter in den­­ Bergwerken und Kohlengruben, heute hat die industrielle Feu­­dalität die agrarische verdrängt. Die Knechtschaft ist aber | nach wie vor das Fundament der Ordnung, nach wie vor sind es die Armen, die den Reichen ein Leben der Freude | und des Genußes ermöglichen. | : | | etwas Die evangelische Brüderlichkeit hat daran eben so wenig zu ändern vermocht, wie die vor hundert Jahren pur bligirte­ Gleichheit Und wir, die wir so stolz sind auf die Fortschritte der Cultur und Civilisation, wir, die wir mitleidig auf jene Völker herabbilden, die unbeweglich und stark an dem Un­­terschiede der Arten festhalten, wir haben eigentlich nur die Worte und nicht die Dinge verändert; auch wir haben Paria­s, wie jene zurückgebliebenen Völkerschaften, nur haben­­ wir nicht den Muth, dies frei und offen zu gestehen. Wenn heute Jesus auf Erden wieder erschiene, er fände wenig­­ verändert im Wesen der Dinge; die Freude ist nur Antheil ! Weniger, den Armen verkünden die Osterglo>en noch immer die Auferstehung eines besseren glühlicheren Lebens | Und so mag die Menschheit wenigstens an diesem­­ TESTS der Hoffnung auf Aenderung zum Guten glück­­lich sein Womit wir unseren Lesern recht glü>liche Feiertage wünschen! | | | | | — zu­vor ar TEE WER ITUN Die heutige Nummer Pr 12 Seiten. .. “v­on Neueste Rachrichken. Wie der „Tribuna“ aus Wien gemeldet wird, wäre Oesterreich-Ungarn geneigt, im Vereine mit Italien sich für die Autonomie Albaniens ein­­zusezen, wodurch die Gefahr eines Konfliktes zwischen Oester­­reich-Ungarn und Italien vermieden wäre. Ungarn. Die Aufhebung der Er­ Ier und Steuerzahlung betreffend, hat der Finanzminister eine Verordnung erlassen, welche die Eintreibung der Steuer- und Gebühren-Restanzen regelt; die Hauptsache ist, daß der Restant um Ratenzahlungen ein­­schreiten und auch solche zugesichert erhalten kann. Deutschland. Berlin soll eine päpstl. Nunciatur erhalten und dürfte derselben der beim Kaiser sehr beliebte Abt Kru­g vorstehen, der von ihm eine Einladung auf den Hohenzollern erhielt und vom Kaiser einen Brief an de. Heiligkeit übernahm. Frankreich. Der Ministerrath genehmigte die Hauptbestimmung: einer mit It­alien abzuschließenden Konvention betreffer den Schuß der Arbeit und bewilligte eine Million Franc für die Insel Réunion zur Behebung des dort dur den Cyklon am 21. d. angerichteten Schadens. Finanzminister Rou­vier studirt gegenwärtig die Frau der staatlichen Monopolisirung des Versicherungswesens. Ds Studium dieses Planes sei schon ziemlich weit gediehen um der hierauf bezügliche Gesetentwurf werde der Kammer vie­leicht bereits nach den Osterferien vorgelegt werden. Rouvin glaubt, daß das Versicherungsmonopol die zur Er­richtun von Arbeiter-Pensions­kassen erforderlichen Geld­mittel liefern werde. Aus dem Vatican" „Giornale d'Italia“" reproduzirt eine Meldung de „Daily Chronicle" über einen Anschlag gegen das Lebe des Papstes und bemerkt hiezu: Ber ungefähr 14 Tage wurde ein Kardinal benachrichtigt, daß in Südamerika es Verschwörung angezettelt worden war, um den Papst z­uödten. Der Kardinal fegte den Papst und die italienisch Polizei hievon in Kenntniß. Das Blatt setzt hinzu : Die Re­gierung habe um den Balk­an einen scharfen Wachdienst ei­nerichtet und der Polizei in Genua den Auftrag erthei­ die transatlanischen Ankömmlinge auf das eifrigste zu übe­wachen. Türkei. Die Pforte hat auf das Memorandum der Botschaft der Ententemächte vom 28. d. M. betreffend die Genda­merie-Reorganisation die Antwort ertheilt, da­ sie die Berufung von mehr als 25 Genda­­merie-Offizierem, solche Unteroffiziere ablehne. Am 29. v. M. Mittags hat der Grieche Wassi Christomanos aus Rache auf den bulgarischen Erz­bischof Gerafimos in Strumica im Hofe des bischöfliche Gebäudes zwei Revolverschüsse abgefeuert, um ihn zu treffen. Der Attentäter wurde verhaftet. Serbien. Die Offiziersfrage wird gleich nach der Sanktionirin des Budgets in der nächsten Woche gelöst werden. Zuer werden alle jene Offiziere pensionirt werden, die als Gegen­verschwörer bekannt sind. Hierauf werden alle gegenwärtige Adjutanten und Ordonnanzen, ob sie nun Verschwörer sin oder nicht, von dem Hofe entfernt, aber befördert und­­ wird eine neue Adjutantur zusammengestellt. Gleich nac Entfernung der gegenwärtigen Adjutanten wird Rußlar seinen Gesandten für Belgrad ernennen und die übrige Gesandten kehren zurüc. Dies ist die definitive Entscheidun die keine Aenderung mehr erfahren wird. Der gegenwärtig erste Adjutant Popovics wird zum Kommandanten de­r Donaudivision ernannt an Stelle Marchin’s, der zum Che . Stenilleton. Auf der Jagd nach Sechzigtausend. Von Thorwald Bogsrud. 11. (Nachdrug verboten.) Hell wurde bleich vor Wuth beim Lesen dieses Briefes. Wüthend auf sich selber wegen seiner Unvorsich­­tigkeit und wüthend über den drohenden Ton des Briefes. „Du drohst also, mein Herr,“ rief er laut aus:­­ „Du fühlst Dich also nicht so ganz sicher, wie Du Dir im An­­fang des Briefes das Aussehen zu geben suchst. Diesmal bin ich überlistet, aber warte nur! Wir werden ein Spiel spielen, das Du am wenigsten ahnst. Jett glaubst Du, mir die Lust genommen zu haben, und lebst vermuthlich flott in Hamburg, aber warte nur, ich werde bald hinter Dir her sein.“ Er war jeßt nicht mehr im Zweifel darüber, daß Bühring in den Besich von wenigstens einem Theil des Geldes gekommen war. Der selbstbewußte, übermüthige Ton des Briefes überzeugte ihn davon. Er pachte seinen Koffer, nach Abschied von dem Wirth und reiste weiter nach der nächsten deutschen Station. Auf dem deutschen Postbureau erhielt er nach Vor­weisung seiner Vollmacht und seines Polizeischildes bereit­­willigst die Machrigt, daß ein Herr Olswig vor etwa acht Tagen ein rekommandirtes Paket mit dem Poststem­­pel Christiania abgeholt habe. In dieser Beziehung war er nun also seiner Sache gewiß. Es war kein Zweifel, daß ein größerer Betrag oder vielleicht die ganze Summe wie­­der im Befug Bührings war. Jett aber begannen die Schwierigkeiten erst im Ernst sich vor ihm aufzuthürmen. Jetzt hatte sein Mann günstigen Wind bekommen und Gelegenheit, auf alle mögliche Weise seinen Nachforschungen zu entgehen. Ferner kennte er nun seinen Verfolger persönlich, was es ihm natürlich weit leich­­ter machte als früher,­­demselben auszu­weichen. Auf der­­ Station vernahm er, daß ein Herr, auf den Bührings Sig­­nalement genau paßte, vor acht Tagen mit einem Billet­­ zweiter Klasse nach­ Hamburg gefahren war. Hell hatte vorläufig nichts weiter­ zu thun, als ihm nachzureisen. Am folgenden Tage finden wir ihn in einer kleinen Privatwohnung auf St. Pauli. Mit Absicht mied er die zentralen Stadtviertel, da er sich gehörig vorbereiten wollte, ehe er ein neues Spiel mit seinem Gegner begann, das wie er nun wußte, nicht das leichteste sein würde. Sein Wirth, ein pensionirter Unteroffizier der Marine, der den größten Theil des Tages auf einer Bank drunten am Hafen verbrachte und den Abend bei "Kömn und Beer" in seiner Stammede in der nächsten Kneipe, wurde am folgenden Tage sehr überrascht, als er auf dem Zimmer des Fremden einen ganz anderen Miether fand, als am Tage vorher. Er hatte sein Zimmer an einen dunklen, schönen, bartlosen Herrn vermiethet, der einen modernen Anzug trug, jetzt begegnete er in der Thür einer wunder­­lichen Erscheinung. Er sah einen Mann mit hellblondem ledigen Haar und einem kräftigen Vollbart vor sich. Der Fremde stand im Begriff, das Zimmer zu verlassen und war vom Kopf bis zum Fuß fast ganz in Pelz gekleidet, in Pelzmüße, Pelzhandschuhen und einem kostbaren Bil berpelz.­­ Die gute alte Theerjage war nicht einen Augenblic darüber im Zweifel, daß er einen der vielen russischen Potentaten vor sich hatte, die den Winter an der Riviera, in Berlin oder Paris verbringen und von denen viele geschäftshalber „genöthigt sind, einen kleinen Abstecher nach Hamburg zu machen. „Nam­ — guten Morgen, Herr Schulze!" Der Alte fuhr zusamm­en. „Au H Gott, das ist ja die gleiche Stimme“, brummte er in den Bart und schielte halb mißtrauisch nach dem sonderbaren Herrn. „Richtig getroffen, es ist der Gleiche, anderer Form“, antwortete Hell lachend, „nun, nur in etwas ist die Ver­­­­änderung vollkommen ?" „Sie ist so täuschend, daß ich gerne augenblick­, mit ihnen um Kaviar gehandelt hätte", brummte der Alt „aber ich möchte doch wissen, was diese Maskerade bedeute so­! Ich bin ein ausgedienter kaiserlich deutscher Pensioni und will nichts mit der Polizei zu schaffen haben.“ „Beruhigen Sie si, Herr Schulze, sehen Sie hier — Hell wies ihm sein Poliz­izeichen — „ich bin selb, Polizeibeamter und dem Anstifter eines Anarchistenattentate auf der Spur, das in meiner Heimath geplant worden ist = „Himmelkreuzdonnerwetter!" — — Der alte Unte­offizier feuerte einen Millionenfluch ab. Hell lächelte, nahm Abschied von dem grimmige Graubart und ging in die Stadt. „Ist er in Hamburg, und wenn ja, wo?“ „Zum grünen Kranz,­ eine gemüthliche, alte Bie­halle, war am Vormittag fast leer von Gästen. Hell wurt darum bei seiner Ankunft fast unter die Füße getreten­­e Kellnerinnen, einer Einrichtung, die Dank den deutschen Eh­­barkeitsbestrebungen bald verschwunden ist, ein Umstand der die alten traulichen Kneipen um einen bedeutenden Re­­imer gemacht hat. Hell suchte sich eine einsame Ehe, bestell ein Seidel Bier und die lezten Zeitungen. Daß sein Mann kaum erstklassige Theater aufsucht würde, davon war er, ziemlich überzeugt. Aber welch, der unzähligen Tingeltangel, die Hamburg besitzt, beehr er mit seinem Besuch ? Hell ließ den Bli> mechanisch ab, die Reihe der Ankündigungen derartiger Lokale schweife. Prößlich hielt er inne, er hatte zufällig einen Namen b merkt, der fast aus seiner Erinnerung verwischt war, desse Auffindung hier ihn aber dermaßen überraschte, daß er zurüc­kfallte und sein Seidel umwarf. „Miß Florina“, las er. : „Ah , das ist ein Fund!“ sagte er zu sich selb „Ein Fund zu rechter Zeit! Wollen sehen, wo sie sich an hält, „Orpheum“, Spielbudenplag. „So, jegt hat der Hund wieder Witterung“, füg er lächelnd hinzu und legte die Zeitung von sich. | * * *

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