Kaschauer Zeitung, Juli-September 1912 (Jahrgang 74, nr. 74-111)

1912-07-02 / nr. 74

gr Dienstag, 2. Juli 1912. Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag Redaktion und Expeditions-Bureau: Kassa, Fö-utca No. 64. Nr. 74. auer 3 fung KASSA-EPERJESI ERTESITO NYC. 371272 Chefredakteur: Dr. BELA KEMENY Abonnementspreise für loco mit Zustellung in­s K­aos + Ganzjährig K. 10.—, Ysjährig K.­5.—, 1/qjährig K. 2.50 Für­ das Inland mit Postvergendung . Ganzjährig K. 13.20, Ysjährig K. 6.60, 1/jährig 8.3.30 Die Taktik der Opposition, Dr. Oskar Jäßi herr der Truppen, ist der oberste Kriegs, die um ein demokra­­tisches Ungarn kämpfen. Ein Führer der Soziologen, die seit Jahr und Tag in der Zeitschrift „Huszadik Szazad“ das geistige Rüstzeug zu diesem Kampfe zu­­sammentragen. Und man mag über diese Gruppe der Soziologen welch Urteil immer haben - - ihre Arbeit ist dennoch eine dauernde, ein rühriges Schaffen um Prinzipien, die man bekämpfen kann oder nicht. Aber immerhin hat die Jäßische Soziologie Recht, daß Ungarns Zukunft in der Demokratie liegt. Jahrelang schritt er einher, verachtet und unbekannt, weit weg von der Landstraße der Berufspolitiker. (Ein Inte­­view mit Dr. Dälar Jäßi.) noch überhaupt des allgemeinen, auf die Verwirklichung gleichen und geheimen Wahlrechtes zu denken sei, erwiderte er: „Graf Stefan Tifas Parlamentsstreich hat beileibe noch keinen Sieg errungen. Insgesamt peitschte Mehrreformen durch, er mit Gewalt jene die die Taktik der kämpfenden Opposition sehr erschwerten. Aber das eigentliche Ziel des Parlaments­­streiches, die Ausspielung des demokra­­tischen Wahlrechtes, ist ihm nicht nur nicht gelungen, sondern brachte den Ver­­band der oppositionellen Parteien zustande, der ohne die brutale Umdrehung parlamentarischen Ordnung niemals der er­­folgt wäre. Nach meiner Ansicht, hängt jet alles von der Opposition ab. — Wenn sie ehrlich bei ihrem prinzipiellen Standpunkte verbleibt, ist sie unbesiegbar. Dann kreuzte sein Weg mit den Staats­­| Schließlich kann Wien den ständigen Interessen einer Regierung. Und wieder entzweite sich der Weg. Jäßi wurde belacht, bekritzelt, mit Hohn und Schimpf überhäuft. Und eben die Männer, die ihn in Bann taten, sehen die Berech­­tigung seiner Gesinnung durch politischen Ereignisse bestätigt. die letzten Ein Journalist hatte Gelegenheit mit Dr. Oskar Jäßi eine Unterredung zu pflegen über laufende politische Fragen. Auf die Frage, ob nach dem gelungenen Parlamentsstreiche Graf Stefan Tipas Belagerungszustand nicht dulden, weil Tipa die Verwirklichung der Wahlreform verhindern will, die von der Krone wiederholt feierlich versprochen wurde. Wenn die Opposition ehrlich wird Graf Stefan Tipa in seine verharrt, eigene Falle geraten. Die Wehrreform lieferte er deshalb, damit er in der Wahlreform freie Hand gewinne. Wenn aber die Opposition aushält, dann wird Wien gerne den Kopf Tipas für die Herstellung der Ordnung auf Basis des allgemeinen | M Wahlrechtes opfern, denn es ist ganz | unmöglich — ohne Unterminierung des | Prestiges der Monarchie -- diese asiatische Schreckensherrschaft für längere Zeit­­ aufrecht zu erhalten.“ Ueber den schwarz-roten Blog äußerte­­ sich Jäßi folgendermaßen: „Dor keinem politischen Blo> braucht­e man sich zu fürchten, der auf Basis­­ eines streng begrenzten Programmes zu­­stande kam. Den österreichischen Sozial­­­­demokraten schadete es nicht, daß sie sich mit Karl Lueger, verbündeten oder dem deutschen Zentrum, als es einmal ein Wahlpaktum mit den Sozialdemokraten schloß. Nur diese Koalition ist gefährlich und ehrlos, die keinen prinzipiellen Inhalt hat. Zum Beispiel wie die Nationale Arbeitspartei. Die Majorität hat wenigstens so viele heterogene Elemente als unser Verband. Dort figt der vom Antimilita­­rismus nur so triefende Uladar Szekely mit dem Honvedminister. Dort ist der Feind der Geistlichkeit, Sigmund Várady mit dem Tipaparteier Hochklerus. Dort spielt der schneidige Merkantilist Paul Sándor eine Rolle­ mit dem exzentrischsten Agrarier Robert Zielensky.­ Dort lärmt die antisemitische Junkerjugend mit reich gewordenen jüdischen Bankiers und Ad­­vokaten. Es gibt keine gemischtere Ge­­sellschaft als diese. — Der Unterschied ! Feuilleton.­­ Wunder von Krasnahorka. Von M. Schrimpf. Kraßnahorka, der uralte Familiensitz der gräfl. Andrässi­schen Familie, ist eine der uralten stolzen Burgen Ungarns, die teilweise noch in ganz bewohnbarem Zustande erhalten blieben. Viele wertvolle Familienreliquien beherrschten dieses alte, berühmte Familiennest; aber die wertvollste und merkwürdigste aller dieser Religion ist ein Glassarg der sich in einem separaten Zimmer des ersten Sto>werkes befindet. In dem durchsichtigen Sarge sc­hläft die Ahnfrau der Familie Andrassi, Frau Gräfin Sophie Andrassi, geborene Sophie von Ser6dy die Gattin des heldenmütigen Feldherrn weiland Grafen Stefan Andrassi. Wirklich sie scheint nur zu schlafen ! 205 Jahre sind es her, daß man ihren ent­­seelten Kör­per in diesen Glassarg legte; die Zeit ist spurlos an ihr vorübergegangen. Der Körper ist noch so wohl erhalten, als ob er höchstens einige Tage in diesem Glaskerker läge. Sie ist nicht einbalsamiert, ihr Gesicht trägt nicht die abschreende, fahlgelbe Farbe der Mumien, die Züge sind nicht verzerrt, die Haut ist blendend weiß, das Haar sowarz wie Evenholz, der Ge­­sichtsausdru> sanft und lieblich. — Die dunklen seidenweichen Wimpern beschatten nur zur Hälfte die Augensterne, die Lippen­ sind wie zärtlich lächelnd geöffnet, und die kleinen weißen Zähne schimmern wie kostbare Perlen zwischendurch. Nichts erinnert an Verwesung. Das kostbare Leichengewand fraßen schon Moder und Motten ; Seiden und Sammt nagten die Zähne der Zeit an, sie selbst aber nicht. Man kleidete sie auf's neue. Wer weiß, das wievielte Kleid sie schon trägt ? Eisen ward vom Rost zerfressen ; Marmor und Holz sind zu Staub geworden; und sie wacht noch­­ ihr rechter Arm und ihre rechte Hand sind leicht erhoben und ruhen nicht ineinander verschlungen, wie bei anderen Verstorbenen. Sie scheint umarmen, winken und rufen zu wollen, eine unerklärliche Pose nach dem Tode. Die erhobene Hand ist so fein, so durchsichtig, die Fingernägel rusig, man kommt unwillkürlich in Versuchung, diese schöne Hand zu küssen. Das Bolk verehrt sie als Heilige, man wallfahrtet­­ zu ihr, ihr Name und ihre Verehrung erhält sich beim Bolke ebenso unverwüstlich, wie das Wunder ihren Schönen Körper erhalten hat. Im Leben war sie der gute Schußengel ihrer Um­­gebung, ihres Volkes und all ihrer Lieben. Was hat sie getan, gelitten, diese ewige Schläferin ? Es bleibt unergründbar. Auf wen wartet sie? Wem winkt sie? Warum hat die Verwesung keine Macht über diesen schönen Körper ? Wer weiß es? Aber die Sage erzählt folgendes : Vor 205 Jahren lebten zwei Brüder der gräfl. Andrassischen Familie, Graf Stefan Andrassi, der Held und sein jüngerer Bruder Georg, der Mönch. Während Graf Stefan fern von seiner Gattin und seiner Burg die uneinnehm­­bare Stadt Löcge verteidigte, befehligte in seiner Ab­­wesenheit sein Bruder Georg ben Ahnenfisch Kraß­­nahorka und war der Beschüßer und Erzieher seiner beiden Neffen, den Söhnen des Grafen Stefan, die damals neun und elf Jahre alt waren. Vier Jahre waren es her, das Stefan fern von Gattin und Kindern weilte, nur hie und da drang die Kunde von seinen Heldentaten bis hierher. Da kam eines Tages die schreliche Bot­­schaft, daß die Stadt Löcse infolge eines Verrates in Feindeshand gelangte und ganz vers­wüstet wurde. Groß waren Schred und Jammer in ganz Ungarn, noch größer die Empörung, die figy gegen Graf Stefan richtete , denn es hieß , Graf Stefans Geliebte, Juliana Karponay, sei mit seiner Mitwissenschaft die Verräterin gewe­­sen. Zugleich mit dieser Schredensbotschaft kam ein Kurier von Löchse mit der Nachricht, Graf Stefan selbst sei auf dem­ giege nach seiner Heimat Kroßnahorka. Sein Bruder Georg war der Eimpörteste. „Ein Verräter in der Familie Andrassi!“ Rot flimmerte es vor seinen Augen,­ als er das erste­­mal diese Nachricht hörte und schwor bei dem Andenken an seine Ahnen, sich an dem Verräter zu rächen, und dem, der Frau, Kinder und Locse verraten hatte, einen würdigen Empfang zu bereiten! Er wollte ihn durch seinen eigenen Sohn von der Rampe seiner Burg aus — er­schießen lassen, wenn er si mit seinem Gefolg­­nahte. — Tie ohnedies, so wach he Sosie wae Kränkungen und Aufregungen nicht gewachsen, si

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