Kirchliche Blätter, 1902. Mai -1903. April (Jahrgang 7, nr. 1-52)

1902-05-07 / nr. 1

3 » -Zer.1. 4 Dort heißt es: die Erde ist voll der Güte des Herrn. Von Gott, durch Gott, zu Gott sind alle Dinge. Zu uns komme dein Reich. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nicht nach­ Himmel und Erde. Auf dieser Seite steht Fetus und mit ihm das Christen­­tum. Er hat das Reich Gottes als nahe herbeigekommen bezeichnet und als zugänglich für Buße und Glauben, für Wiedergeborne, Wachstum und Ausbreitung desselben sind ihm unbegrenzt ; sein Wert unübertrefflich. Wie die Meenichen­­seele der edelste Diamant, die köstlichste Perle in der ganzen Weltschöpfung, so ist eben derselbe in dieser Dienschen­­seele der Gedanke des Neid­es Gottes. Das wählt aus kleinen Anfängen und wird im Verborgenen. Aber zur rechten Zeit ist es da, wie der Blig unter dem Himmel rasch hinleuchtet, wie der Duell aus verborgenen Tiefen zu Tage springt. 8 sprengt wie die Blüte die Umhüllung und erhebt ss aus herrschsüchtigen Gedanken, aus be­­schränkten Vorstellungen vom göttlichen Wesen und en zur Neinheit und Klarheit. Eine Ahnung von, eine Sehnsucht nach diesem Reiche Gottes ist allgemein, allen Meenschen wesentlich eigen. Meit Recht heißt es: vor Gott sind nicht die gerecht, die das Gejeß hören; sondern die das Gejeß thun, die werden gerechtfertigt; — denn jo die Heiden, die das Gejeß nicht haben, doc von Natur thun des Gejebes Werk, jo sind sie, die das Gejeb nicht haben, sich selbst ein Gejeß; sie bemessen ja, des Gejeßes Werk sei ge­­schrieben in ihrem Herzen, indem auch ihr Gewissen solches bezeugt.­­& ist charakteristisch, daß nach unserem obigen Evan­­gelienbericht auch die Rharifäer nicht gefragt haben, was das Neid­ Gottes sei. . Sie kennen die Vorstellung und willen, daß sie um sie her die Gewissen beschäftigt. In ihrer höhern Weisheit glauben sie aber auch zu wissen, daß das ein Traum sei, der niemals Wirklichkeit werden künne. Im W­olfe mag man damit operieren, wie man ja auch den Kindern Märchen erzählt. Wer aber damit Ernst macht, der ist ein Schwärmer und zwar entweder ein armer, bedauernswerter Mensch, oder ein gefährlicher Karl. Sie fragen darum nur überlegen und spöttisch,wann kommt denn das Reich Gottes,vollz der tiefen Weisheit: Halt nimmermehr! Und wer das nicht weiß, nun­­­ zum mindesten ist das sein Übermensch. Welches Unglück, welcher Unsegen Liegt in solcher Weisheit. Es ist die Schalheit, die Erstarrung, der Tod des Geisteslebens. Findet die Pharisäerweisheit hinter dem Schleier des Bildes zu Sais nur dies, nur das Antlig . dieses Todes, nun so mag es Konsequenz solcher Weis­­heit sein, das höchste Glück darin zu finden, möglichst bald ganz ein Opfer des Todes zu werden. Wie antwortet Jesus? Er sagt weder was, noch wann das Reich Gottes ist. Was das Reic­ Gottes sei, das willen ja auch die Pharisäer. Wann dasselbe kommt, ist schon beantwortet in dem Wort: Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen, und du bist nicht ferne vom Reiche Gottes. Trachtet am ersten nach dem eich Gottes. Das Leben — und ein solches ist das eich Gottes — ist niemals etwas Fertiges, sondern immer nur ein Werdendes. Das Denken, Erkennen und Wollen ist jeder­­zeit ein anderes. Die Erkenntnis späterer Zeiten wird immer eine tiefere, umfassendere, vollkommenere. In dem fortgelegten Trachten nach immer voll­­kommenerer Verwirklichung des Gedankens des Neichs Gottes liegt Die ganze Macht und Herrlichkeit und Seligkeit der Menschenseele. Die Größe einer Zeit besteht in der Kraft und in dem Ernst, welche sie an dieses Trachten wendet. Die Predigt Frefu vom Reich Gottes hat ihre Wahrheit, Bedeutung und Schönheit darin, daß sie das Kind sich- Traumhafte, wie das Alt-V­erzweifelte ablehnte und zur starren Männlichkeit, zur Sicherheit der Tritte im Leben aufrief, weil er selbst männlich­ und stark an eine Auf­­gabe der Menschheit, die Aufgabe, sich zum eich Gottes zu erbauen, glaubte, und hiezu sich zum Grundstein legte. Das Leben all derer, die sich seine Jünger nicht nur nennen, sondern in Wirklichkeit auch zu sein trachten, ist eine Predigt von diesem Reich Gottes in Wort und That. „Das goldene Später verklärt das arme Fett." Wer das nicht rennt, der ist tot und Lasse sich begraben. Auf dieser Seite ist der Tod überwunden; herrscht nicht Blasiertheit, Übersättigung, Todesmüdigkeit. Hier ist Leben und Selig­­keit, eine Fröhlichkeit, ohne die der Mensch kein rechter Mensc sein kann, eine Schönheit, ein Geist der Wonne und Heiterkeit, in dem das Weltall ganz herrlicher erscheint, ein königlicher Zug, rechtes Cdelmenschentum, Gottes­­findschaft. Und dies Leben besteht nicht in äußern Ge­­bärden, nicht im Schein, auf den die Pharisäer so viel, wenn nicht alles geben. Ein Erscheinen, das nicht der Ausdruck einer innern Wahrheit, oder dessen ist, was in­ einem Menschen wirklich ist und lebt, sondern nur gemacht und gesuchter Schein, unwahres Vorgeben ist, in dem kommt nicht das Reich Gottes. Alles Reden, Handeln, Sich- härchen und­­ darstellen, Händefalten, Augenaufschlagen, Gebetezählen, Fasten, Al­­mosengeben aus selbstsüchtigen Rücksichten, um davon wie von einer höchstfrustifizierten Einlage den größten ver­­meinten Seligkeitsgewinn zu ziehen, alles, was nicht reiner, unmittelbarer Ausdruck der Wahrheit, was nicht unwill­­kürliches, notwendiges Ausströmen eines innern Lebens ist, das ist nicht Gottesreich, gehört nicht zum Neid­ Gottes, damit kommt nut das Neid­ Gottes. Er muß sie zwar auf irgend­eine Weise auch äußerlich bemerkbar machen. Alles Geistige Fann ja nur wahrnehm­­bar werden an seinem Heraustreten in einer sinnlichen Erscheinung als Wort oder That. Der Herr selbst mußte ‚ja redend und Handelnd sich gleichsam veräußerlichen, ei­n f .

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