Kirchliche Blätter, 1903. Mai -1904. April (Jahrgang 8, nr. 1-52)

1903-05-06 / nr. 1

. Ist Ar. 1. 6 eine Taube und entließ sie; die Taube flog hin und her, aber da ein Näheort nicht vorhanden war, fehrte sie wieder zurück.“ Darauf wurde eine Schwalbe entlassen, bis zulegt der Rabe nicht wieder zum Schiff zurückkehrte. Darauf verließ Kifuthros das Fahrzeug und brachte auf der Spibe des Berges ein Opfer dar, dessen süßen Geruch die Götter rächen. — In dem babylonischen Gilgameh­- Epos ist neben der Sintfluterzählung auch das Welt- Schöpfungsepos enthalten. Die Weltschöpfung erfolgt durch­ den siegreichen Kampf des Lichtgottes Meardus mit Tiamat, dem finstern chaotischen Urwasser (bildlich als Drache dargestellt). Das klingt auch in der hebräischen Schöpfungs­­sage nach. Je. 51, 9. „Wach auf! Wach auf! Wappne dich mit Kraft, Arm Jahres! Wach auf wie in den Tagen d­er Vorzeit, den Geschlechtern der UÜrzeit.. Warst du es nicht, der den Drachen zerhieb, das Ungeheuer (tamnin) durchbohrte?“ Hiob 26, 12. „In seiner Kraft schlug er das Meer und in seiner Klugheit zerschnitt er den Drachen.“ In noch höhere Gebiete hinauf reicht die Einwirkung­­ babylonischer Kultur auf Israel. Zu Babel wurzelt die Erzählung vom Lündenfall der ersten Menschen, hier als Keim der Vorstellungen von einem jenseitigen Gericht die Unterscheidung zwischen der großen Witte der Unterwelt und einem Raum darinnen, „in welchem sie ruhen auf N­uhelagern und Flares Wasser trinken“. Von Babel aus ist die Vorstellung von Engeln, der Cherubim und Seraphim, der Dämonen und Teufel ausgegangen. a. Babel eröffnet uns einen ungeahnten Ausblic auf das, was die welt­­geschichtliche Bedeutung der Bibel ausmacht, auf den Monotheismus. Das altsemitische Wort für Gott heißt EL und bedeutet das ‚Ziel‘. „Das Wesen, nach welchem wie nach ihrem Biele die Augen des himmelwärts Schauenden Menschen sich richten, .. . zu welchem der Meensch seine Hände ausbreitet, nach welchem das menschliche Herz sich sehnt, Heraus aus der Unbeständigkeit und Unvollkommenheit des irdischen Lebens — dieses Wesen nannten die semitischen Nomadenstämme El oder Gott.“ Und indem ihnen die göttliche Wesenheit als eine einheitliche erschien, finden wir bei jenen alten nordjemitischen Stämmen, die sich um­­ 2500 in Babylonien seßhaft gemacht, Personennamen wie ‚Gott Hat gegeben‘, ‚Gott ist mit mir‘, ‚Gott angehörig‘, ‚Gott wende dich wieder zu‘, ‚Gott ist Gott‘, ‚Wenn Gott nicht ein Gott wäre‘, ja, in Z Tontafeln aus der Beit Hammurabis den Namen eingerißt ‚„Jahwe ist Gott‘, ‚Sahoe, der Seiende‘, der ‚Beständige‘, sollten“. dieser Sahrename „ist geistiges Eigentum eben jener Nomadenstämme, aus welchen nach einem Fahrtausend die Kinder Israels hervorgehn “.­­ Am 12.Januar 1903 hielt Prof. Fr.Delitzsch einen zweiten Vortrag über Babel und Bibel.Der Vortrag bringt zunächst eine Nachlese zum ersten,indem er in einigen weitern Punkten die Bedeutung der assyrisch-babylonischen Nachgrabungen für die Erforschung der Bibel nachweist. Der Gott Nergal, den die in Samarien angesiedelten Assyrer verehren (2. Könige 17, 30), die Landschaft Chalach, wohin ein Teil Nordisraels angesiedelt wurde (2. Könige 17, 6), werden nachgewiesen, die Eroberung und Plün­­derung der Ägyptischen Theben Marium 3, 8) durch eine Siegesinschrift Ajurbanipals bestätigt. Die großen email­­lierten Türreliefs vom Doppeltor und von der Prozessions­­straße Babels, der „Wildochs", „der Löwe, der Drache zu Babel“ geben nicht nur ein Zeugnis babylonischer Kunst, sondern illustrieren zugleich auch bekannte Phantasie­­vorstellungen alttestamentlicher Schriften. Die Erzählung vom wahnsinnigen Nebukadnezar (Daniel 4, 26—34) wird auf ihre richtige chaldäische Duelle zurücgeführt. Es werden sprachlihhe und stilistische­­ Verwandtschaftsbeziehungen zwischen babylonischer und hebräischer Poesie und Rhetorik zusammengestellt. Dann aber wendet si der Vortragende in ralchem Übergange zur geschichtlichen Erörterung »des Begriffes der Offenbarung. „Schon längst steht allen wissenschaftlich gebildeten evangelischen wie katholischen Theologen die Erkenntnis­ unerschütterlich fest, daß es ein schwerer Irrtum gewesen, die im Alten Testament gesammelten unschäßbaren Über­­reste des althebräischen Schrifttums in ihrer Gesamtheit jahrhundertelang für einen religiösen Kanon, für ein vom Anfang bis zu Ende geoffenbartes Religionsbuch zu halten.“ Die Unmenge sich widersprechender Doppelerzählungen, das Wirrsal, das in den fünf Büchern Mufig doch unausgeregtes Über- und­­ Sneinanderarbeiten entstanden ist, hat dazu geführt, fü­r das ganze Alte Testament die­­ Verbalinspiration aufzugeben. Die mosaischen Gelege sind Sügungen und Gebräuche, die teils s­chon altersher in Israel bestanden, teils nach der Seßhaftmachung in Kanaan Sittigkeit erlangt haben, „und dann en bloc auf Wedfes und zwed3 noch höherer Heiligkeit und Unverbrüchlichkeit auf Sahve selbst als den höchsten Seseßgeber zurückgeführt wurden.“ Genau derselbe Vorgang ist bei der babylonischen Geießgebung zu beobachten. Auch den großen vor kurzem gefundenen Dioritbloch, auf dem das große Gejegbuc Hammurabis eingegraben ist, schminct an jener Spibe ein Basrelief, darstellend, wie Hammurabi vom Sonnen­­gott die Geiege empfängt. Ob nun eine direkte oder indirekte Übertragung babylonischer Gejeße auf israelitische nachweisbar ist oder nicht, jedenfalls sind die zehn Gebote inhaltlich in Babel ebenso heilig gehalten worden als in Iirael. Wird aber damit der im den Büchern Mosis ent­haltenen speziellen Offenbarung Gottes an Iirael der Boden entzogen, so kann auch dem „sittlichen Monotheismus Israels“, wie er im P­rophetentum sich zeigt, seine Prä­­rogative nicht gewahrt bleiben. Wenn auch der „kraffe Polytheismus“ Babels nicht geleugnet oder beschimpft werden darf, so bleiben doch die, den alttestamentlichen Sahveglauben um ein Jahrtausend übertreffenden alt­­y *

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