Kirchliche Blätter, 1904. Mai -1905. April (Jahrgang 9, nr. 1-52)

1904-05-04 / nr. 1

M 3 A E­KB Az. 4 . der himmlischen Heerscharen: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen !“ Indem nun die Träger des geistlichen Amtes Haus­­halter über Gottes Geheimnisse sein sollen, müssen sie wissen, daß sie ihrem Haushalteramt in der Weise gerecht werden, daß sie seinen andern Ehrgeiz haben, als die Treue zu halten. Denn „nun suchet man nicht mehr an den Haushaltern, denn daß sie treu erfunden werden.“ Die Treue schenkt ihr Herz seinem andern als dem Gegenstande, an dem sie hängt. Das muß auch von der Treue des geistlichen Berufes gelten. Es mutet ganz merk­­würdig an, wenn man sieht, wie die Wissenschaft zu er­­forschen sich bemüht, was in den Lehren Jesu Neues ge­wesen sei. Sie findet nämlich so viel in der vorhergehenden Entwicklung vorgebildet, daß man fast versucht ist aus­­zurufen: „es gibt nichts Neues unter der Sonne." Und doch ist sein Werk ein einzigartiges: gewesen. In ihm war das Entscheidende eben nicht das Wissen und die Lehre, sondern die Kraft der unvergleichlichen, tiefen Innigkeit, mit welcher er die Erkenntnis von Gott als dem Bater im Himmel erfaßte und zum alleinigen, ausschließlichen Kern seines Evangeliums machte, mit welcher er den darin sich offenbarenden Glauben an die Geheimnisse Gottes, die Schäße des Himmelreichs predigte und an sich selbst im Leben, Leiden, Sterben darstellte. So sollen auch jegt die Diener Christi nicht in der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen der Zeit sich verirrend die s­chriftliche Erkenntnis wie eine der Kulturkräfte neben vielen andern halten. Sie sollen ihr Herz nicht teilen, sondern bis zum Kern durchdringend den Glauben an den Vater im Himmel zur einzigen, alle Erscheinungen der Welt und der Kultur­­entwickung beherrschenden Kraft ihres Lebens und Wirken machen. Grade darum, weil die Welt fest wieder mehr als je um die Macht der irdischen Mittel und der mensch­­lichen Gewalt ringt, zeitlichen Ruhm und Ehre, äußern Stanz und Herrlichkeit verehrt und den Lebensgenuß zu ihrem Abgott macht, dürfen wir das Bewußtsein davon nicht verlieren, daß die Entscheidung über Zukunft und Gedeihen der Völker doch nicht von diesen Ge­walten der Welt, Sondern im tiefsten Grunde von den geistigen Kräften abhängt, die unscheinbar in die Erscheinung tretend, im Stillen, im verborgenen Kämmerlein des Herzens wirfend doch am Ende die Herrschaft behalten. Grade darum müssen die Träger des geistlichen Amtes im Neic­ der geistigen Kräfte, und zwar der Schäße des Himmelreichs mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit ganzem Gemüte und mit allen ihren Kräften, Haushalter über Gottes Geheimnisse sein. Sie sollen nicht Briefter des Genusses und der Kunst des Lebens sein, nicht Menschenweisheit predigen, wenn dieselbe auch noch so köstlich und großartig wäre. Sie sollen allein das Wort Gottes versündigen. Das bezeichnen wir ja al Luthers großes­­ Verdienst, daß er das Evan­­gelium wieder mit einzigartiger Tiefe als den alleinigen Grund der Seligkeit, erfassend dasselbe von den Menschen­­tagungen der auf sich selbst vertrauenden Klugheit der Welt frei gemacht, es in seiner naiven Urwüchsigkeit wieder hergestellt und rein und lauter verkündigt hat, Gott, der ung seine Geheimnisse darin offenbaren will, mehr gehorchend als den Menschen. In seinen Bahnen muß das geistliche Amt in der evangelischen Kirche wandeln. Das muß die Treue desselben sein, daß er das Evangelium allein, das reine, lautere Gotteswort als den Kern seiner Wirksamkeit erfasse und festhalte und von­­­ieser Kraft erfüllt und ge­­tragen die Aufgaben löse und leiste, die ihm zu seiner Zeit in der Welt gestellt sind und an es herantreten. Denn dem Haushalter sind seine Pflichten von seinem Herren vorgeschrieben. So künnen auch die Haushalter über Gottes Geheimnisse nicht machen, was sie wollen, nicht schalten und walten, wie ihre eigene Lust sie heißt oder irgend ein Ehrgeiz sie antreiben möchte. Die Treue ge­­bietet, daß sie die Aufgaben, die ihnen nach Maßgabe der Entwicklung der Zeit und der Verhältnisse, unter denen sie leben, gestellt werden, tief erfassen und dieselben mit all der Kraft, die sie im Neid­ der höchsten Seen und Ideale, der Geheimnisse Gottes empfangen haben, auch in der niedrigen, unvollk­ommenen Welt des prastischen Wirkens durchführen. Das gibt dann die goldene Treue im Kleinen, von der der Segen abhängt, der umjern Werken nachfolget, die auf Erden oft verrannt, doch ihren Sohn Hat bei Gott. Die Treue ist leicht zu halten, wenn es dem Menschen dabei wohl geht und sein Opfer dafür von ihm verlangt wird. Aber die rechte Treue ist doch nur die, die er in der Prüfung bewährt. In dieser Beziehung nun werden die Verhältnisse für das geistliche Amt unter uns in der jenigen Zeit immer ernster und schwerer gemacht. Die soziale Entwicklung des Lebens auferlegt uns innerlich eine immer größere Verantwortung und gestaltet unsere äußere Stellung immer schwieriger, erfordert immer mehr den schlichten, sich bescheidenden Sinn des Entsagens, zwingt zur Entbehrung, was die Güter und Vorzüge und Genüsse der modernen Kulturwelt mit al ihrer Herrlichkeit angeht. Ja, es fühnte sein, daß du in den Konflikten, die sie daraus ergeben, willst du die Treue im Beruf halten, das persönliche Glück deines Lebens dafü­r zum Opfer bringen müßtest. Und was wird dir dafür zu Teil? Bek­ennung, Geringshägung, Undank. Es wird kaum einer sein, der sie nicht erfahren sollte. Nun, da gilt es, nicht zu warnen und zu weichen! Die entscheidungsvolle Zeit, die über uns angebrochen ist, ist grade für unser Bol so fritisch geworden und wird es noch mehr werden, und dabei hängt für uns so viel von der Treue der Haus­­halter über Gottes Geheimnisse ab, daß wir allen Exnites an die Nachfolge Jesu Christi, daran denken müssen, daß auch wir nach seinem Vorbild und Beispiel die unver­­gleichliche, tiefe Liebe zum Amt und dem gottgewollten Beruf in uns tragen, die sich nimmermehr erbittern läßt, die die Treue hält, selbst wenn man nicht hätte, da man !

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