Kirchliche Blätter, 1908. Mai -1909. April (Jahrgang 13, nr. 1-52)

1908-05-07 / nr. 1

( er. 1, Eriheint jeden Donnerstag. Hermannitadt, den 7. Mai 1908. Firchliche - - Evang. Wochenschrift für Die Glaubensgenossen aller Stände. Für das Juland: halbjährlich K. 3.- - Mai— Ost. Nov. — April. EEE EEE e Jubalt: Pränumerationseinladung. — Überzeugung und Begeisterung. — Ei XI. Zahrg.­­ Administration: W. Krafft, Hermannstadt. lätter Sa aus der ev. Landeskirche A. B. in den siebenb. Landesteilen Ungarns. % V­olkslebens. — Nachrichten aus Schule und Kirche. — Bücerschau Für das Ausland: Halbjährlich ME. 3.— Mai—Oft., Nov. — April Untecht. — Innerkirchliche Fragen. — Etwas über religiöse Bedürfnisse unserer Pränumerationseinladung. Mit dieser Nummer beginnt der XII. Jahrgang der „Kirchlichen Blätter”. Wir bitten um rechtzeitige Er­­neuerung des Abonnements und um freundliche Mithilfe ur Gewinnung neuer Abonnenten, damit unser Blatt immer mehr seiner wichtigen Bestimmung gerecht werden­ann. Probenummern stehen jederzeit zur Verfügung. · Achtungsvoll« Schriftleitung und Verlag der,,KirüJl. Blätter«. En Überzeugung und Vegeisterung. Apostelgeschichte 4., 19. 20. „Wichtet ihr selbst, obs vor Gott recht sei, daß wir euch mehr gehorchen denn Gott. Wir können’s ja nicht lassen, daß wir nicht reden sollten, was wir gesehen­­ und gehört haben.“ In den beiden Worten der Überschrift liegt das Ge­­heimnis jedes menschlichen Erfolges. Auch das Christentum hat die Welt erobert, weil es getragen wurde von allem Anfang von überzeugten und begeisterten Jüngern, die auf ihren „Hauptmann“ Jesus Christus bis zum legten Atemzug eingeschworen waren. Einfache Leute, aus der gewöhn­­lichsten Schic­hte des Volkes hervorgegangen, nach unseren Begriffen auch ungebildet, — aber vielleicht gerade durch ihre unverfälschte Natur der absterbenden Kultur ihres Zeitalters überlegen — waren sie durch seinerlei Eigen­­schaften ausgezeichnet, die von vorneherein eine außerordent­­liche Wirkung verbürgen. Da, die guten Apostel mußten sie zu Zeiten den scharfen Tadel des Meisters gefallen lassen, und ob sein Abschied vom Leben nicht auch ver­­bittert wurde durch die Erwägung, daß sein geistiges Erbe doch ziemlich schwachen Händen anvertraut sei? Aber sie besaßen ettrag, was un­widerstehlich macht und was gerade die harte Not, den grausamen Zwang, auf eigenen Füßen “zu stehen, von allen Erdenflehen gereinigt hatte: die Über­­zeugung und die Begeisterung. Wohl wächst der Mensch mit seinen hohen Zielen und das Bewußtsein der großen Verantwortung kann die Lebenskräfte unendlich steigern. Aber dieser Umschlag der Stimmung aus philiströser Bef­­zagtheit in todesverachtenden Heldenmut ist nur zu erklären aus der echten Überzeugung, die sich als Werkzeug Gottes in einen und großen Dingen berufen fühlt, und aus der warmen Begeisterung, die frei von Menschenfurcht, über­­quillt von der göttlichen Eingebung. Lieber wären sie ge­­storben, als daß sie ihre innerste Überzeugung verleugnet hätten, indem sie den Menschen mehr gehorchten als Gott. Lieber hätten sie die ärgste Schmach erduldet, als daß sie geschwiegen hätten, wo eine göttliche Stimme so deutlich aus­ ihnen sprach. Waru­m hören wir heute so viele Klagen über die Laune des Glückes, über gescheiterte Hoffnungen? Weil die Über­­zeugungen im Kurse erschredend gejungen sind und weil man sie heute lieber durch Surrogate erregt, die auf große Entfernungen blenden, aber doch nur­ auf eitel Täuschung berechnet sind. Überzeugungen in Ehren,­­ aber es läßt sie doch viel mehr erreichen, wenn man sie zeitweise an den Nagel hängt, man kann sie ja im gegebenen Augen­briefe leicht wieder herunterholen. Und wieviel Niedertracht und Gesinnungstosigkeit si oft hinter diesem Schlagwort verbirgt! Weit welcher Biedermeiermiene wird heute von mancher Seite geheuchelt: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen! Und die Folge davon? Ein Klaffen­­und Ratjenkampf, der das innerste Heiligtum der Familie nicht schont, der die dunkelsten Sustiakte des Menschen aufpeitscht, weil die Selbstsucht am Steuer figt und das arme, geheßte Individuum nun nicht mehr zur Ruhe kommen kann. Und für eine schlechte Sache, die „den Göttern nicht gefällt“, kann man sich schwer begeistern. Das Ende vom Liede bleibt halbe Arbeit und erschüttertes Selbstvertrauen. Die Begeisterung ist Rausch, nur ohne Trunkenheit, die Zünger konnten mit gutem Gewissen lachen über den Vorwurf: „Sie sind voll jürgen Weines.“ Aber du, Sohn des zwangzigsten Jahrhunderts, mußt du nicht mit allerlei Reizmitteln deine erschlafften Nerven zur Tätigkeit zwingen und wenn du nach mühsam vollendetem Tagemerk Feierabend machsst, dann ® wie;

Next