Kirchliche Blätter, 1911 (Jahrgang 3, nr. 1-52)

1911-07-22 / nr. 29

— 358 — Die Generalkirchenvisitation im Bistritzer Kirchenbezirk. 15. Zielyf. Am Morgen des 21. Juni herrschte vor dem Pfarrhaus in Weißkirch wieder reges, festliches Leben ; es galt, Abschied zu nehmen von dem verehrten Bischof, der mit den übrigen Kommissionsmitgliedern, denen sich nun an Stelle Bf. Daniel Fritich’S wieder Bf. E. CSallner als Schriftführer anschloß, zur Visi­­tation nach Zfelyi fuhr, der einzigen magyarischen Gemeinde des Bistricher Kirchenbezirkes. Nur an der Sprache konnte man merken, daß man in einer magyarischen und nicht in einer sächsischen Gemeinde sich befinde; denn sonst glichen die Empfangsfeierlich­­keiten und Bilitationsarbeiten denen in einer sächsis­­chen Gemeinde vollk­ommen: an der Hattertgrenze Be­­grüßung durch die berittene Jugend, am Eingang des Dorfes durch den Ortsrichter und den dortigen Staats-Elementarschullehrer Balentini, vor dem Pfarrhaus durch den Ortspfarrer Johann Mikola, der dem Bischof die Freude und den Danf der Kirchengemeinde aussprach, daß er auf seiner mühe­­vollen, aber gesegneten A Rundfahrt durch den Bezirk auch dieser Gemeinde nicht vergessen habe. Alle diese Ansprachen und Begrüßungen erwiderte der Bischof in magyarischer Sprache, in der er auch die Predigt hielt und die Verhandlungen mit der Gemeinde leitete. Aus den legieren konnte man er­­sehen, daß auch hier das Leben schwerer geworden ist als früher; nur doch redlichen Fleiß und Sparsam­­keit, die allenthalben hier wahrzunehmen sind, ver­­mögen die Zielufer unter dem Druck der Zeit fi zu behaupten. Die Erschwerung der Lebensbedingungen treibt viele zur Auswanderung nach Amerika; fast 200 Männer und Frauen sind im legten Jahrzehnt bereits drüben gewesen, doch fahren sie nach 2- bis 3jährigem Aufenthalt zumeist mit großen Erspar­­nissen wieder in die alte Heimat zurück. Gegenwärtig leben in Amerika 85 Gemeindeglieder. An ihrer Kirche hängen die Zielufer mit großer Liebe und Treue und bringen willig Opfer für ihre Zr­ede. Im Jahre 1893 wurde das Pfarrhaus mit einem Kostenaufwand von K 10.784 °— neu hergestellt, einige Jahre später wurde für K 3240 °— eine neue Orgel angeschafft, während in den 70­iger­jahren des vorigen Jahrhunderts ein Altar samt Schönem Altarbild für K 2040­— angetauft worden ist; für kirchliche und Schulzwecke bringen die Ge­­meindeglieder jährlich K 626 °— auf; die zweiklassige, früher konfessionelle Schule wird vom Staat erhalten. Das Vereinswesen ist entwickelt, Freilich mehr in wirtschaftlicher Richtung ; zu dem 1897 begründeten Raiffeisenischen Spar- und Borschußverein soll in diesem Jahr ein Konsumverein treten, während vor 2 Jahren ein Viehzuchtverein ins Leben gerufen wurde. Die Bildung eines Frauenvereins, dem Wege und Biere gewiesen wurden, wurde versprochen, ebenso die Abhaltung von Leseabenden und die Ab­­stellung des in der Gemeinde noch üblichen L­eichen­­mahles. Die Bisitation des Pfarramtes und des Rechnungswesens ergab ein vollständig zufrieden­­stellendes Resultat. Am Nachmittag erfolgte die Abfahrt von Zielos. Inmitten der wieder im Pfarh­of versammelten Gemeinde versicherte der Orts-Pfarrer den scheidenden Oberhirten der unentwegten treuen Anhänglichkeit der Gemeinde an die Landeskirche und dankte ihm in bewegten Worten für die wahrhaft apostolische Arbeit, die er auch hier geleistet habe. Er steht zu hoffen, daß durch den Besuch des Bischofs neben dem äußern auch ein starres innerliches, geistiges Band die Gemeinde Zielyt mit unserer Landeskirche verbinden wird für alle Zukunft. 16. Großschogen. Durch die rumänischen Gemeinden Nagyfalu und Berlad, in denen einst auch deutsch-evangelisches Leben geherrscht, aber im 17. Jahrhundert erloschen ist, gings nun nach Großshogen, dem Vorort des früheren Schogener Kapitels, das seit 1893 mit dem Bittinger vereinigt ist. Auch Hier erwartete den Bischof auf der Hattertgrenze die Bruderschaft, am Eingang des Dorfes die Vertreter der politischen Gemeinde, vor dem Pfarrhof die Kirchengemeinde, in deren Namen Ortspfarrer Karl Gaßner den hohen Gast begrüßte, der in seinen Dankesworten betonte, daß er heute mit viel leichterem Herzen ge­­fommten sei, als vor 3 Jahren, weil manche bange Sorge seither durch treue evangelische Arbeit gebannt worden sei. In der Tat beginnen die Verhältnisse in dieser Gemeinde, die noch vor Jahren überaus trostlos waren, sich zu bessern. Viel Ungnade und Unfriede ist Schon über sie gekommen; Parteigeist und Zwiespalt waren an der Tagesordnung, Frei und­­auverlässigkeit geschwunden, das gegenseitige Vertrauen erschüttert und in Mistrauen verwandelt. Armut und Not lag wie ein drücendes Koch auf den Schultern der meisten Gemeindeglieder. Das alles beginnt nun allmählich gefundenen Verhältnissen zu weichen und die Visitation zeigte neben den noch besiegenden Schatten auch manches Licht. Sowohl in seiner Predigt als auch in der Besprechung mit der Gemeinde wußte der Bischof der armen, schwer ringenden Gemeinde manch aufrichtendes Trostwort­­ zuzurufen, damit sie nicht kleinmütig werde und verzage, die Arbeit nicht als eine Last, sondern als eine Luft, nicht als einen Fluch, sondern als Segen ansehe, dann werde sich all an ihr erfüllen jene prophetische Verheißung: „Es s­ollen wohl Berge weichen, und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens sol nicht Hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer“. Mit den in der Gemeinde herrschenden sch­weren Verhältnissen hängt teilweise auch zusammen der Stillstand in der Bevölkerungszunahme (1765: 460; 1851: 703; 1870: 856; 1910: 766), sowie die Auswanderungsluft nach Amerika, wo sich gegen­­wärtig 152 Männer und Frauen befinden. Rühmens­­wert ist, wie sie grade hier die Frauen in den Dienst des Ganzen stellen und doch wöchentliche Sammlung von Eiern jährlich 500—600 Kronen

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