Literarische Berichte aus Ungarn 1. (Budapest, 1877)

2. szám - II. Koloman Szily: Unsere Thätigkeit auf dem Gebiete der Naturwissenschaften im letzten Jahrzehnt

198 UNSERE THATIGKEIT AUF DEM GEBIETE DER wenig orientirt, dass damals von einem Institute noch kaum geträumt werden durfte, das den Anstoss zur Entwicklung eines wirklichen wissenschaftlichen Lebens oder — falls ein solches bereits im Keimen begriffen gewesen wäre, — dem beginnenden Streben die gehörige Kichtung hätte geben können. Die besten Männer der Nation, den Grafen Stefan Széchenyi an der Spitze, betrachteten die Consolidation der nationalen Idee, die definitive Verdrängung der lateinischen und die Einführung der ungarischen Sprache auf dem Gebiete der Justiz und öffentlichen Verwaltung als die erste und höchste Aufgabe. Das Hauptziel war die Pflege der nationalen Sprache und hiedurch die Begründung einer nationalen Literatur. Und dies war ganz richtig. Das Erste, wonach jede Nation streben muss, ist die Sicherung ihrer Individualität. Wir müssen hierin Szé­chenyi selbst dann Beeilt geben, wenn wir die Sache von einem ganz abstracten kosmopolitischen Standpunkte aus beurtheilen wollen. «Denn die Wissenschaft gehört zwar — um die Worte eines grossen Staatsmannes zu gebrauchen — der Welt, der ganzen Menschheit an; aber auf welchem Wege gelangen wir in den Besitz dieses gemeinsamen Schatzes? Wie sich die Quelle und das Bächlein mit dem Bache, dieser mit dem kleineren Flusse vereinigt und so den grossen Strom bildet, welcher die Gewässer ganzer Länder ins Meer führt, damit das grosse Becken nie ver­siege : in derselben Weise entsteht auch die Wissenschaft. Sie ist gemeinsam, universell, aber sie ist nur darum so grossartig, weil sich in ihr die Bestrebungen von Millionen vereinigen, weil jedes Zeitalter, jede Nation, jeder Einzelne, nachdem er zuerst den Kreis seines individuellen Daseins durchlaufen, seine Schätze diesem grossen Ganzen zuführt. Jede Wissenschaft ist das Ergeb­­niss individueller Bestrebungen und die Erfahrung lehrt, dass gleichwie der Strom um so mehr Wasser in das Meer führt, je länger sein eigener Lauf gewesen, ebenso die einzelnen wissen­schaftlichen Bestrebungen die Wissenschaft in demselben Ver­­liältniss fördern, in welchem dieselben die Ergebnisse der Indi­vidualität der einzelnen Völker oder Individuen sind. Wir kennen

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