Literarische Berichte aus Ungarn 1. (Budapest, 1877)

2. szám - II. Koloman Szily: Unsere Thätigkeit auf dem Gebiete der Naturwissenschaften im letzten Jahrzehnt

NATURWISSENSCHAFTEN IM LETZTEN JAHRZEHNT. 199 zahlreiche Ursachen, welche diese unzweifelhafte Thatsaclie leicht erklärlich machen. Jede Sprache, in welcher die Wissenschaft cultivirt wird, ist je ein Mittel, um leichter zu einem Ergehniss zu gelangen, welches wir ohne dieses Mittel entweder nie oder nur mit grosser Mühe hätten erreichen können. Die verschiedenen Geistes- und Gemüths-Eigenthümlichkeiten der Völker, welchen ent­sprechend diese die Wissenschaft avffassen, gewährleisten jene All­seitigkeit, ohne welche grosse Wahrheiten nicht entdeckt werden können und das Nationalgefühl ruft auch auf dem Gebiete der Wissenschaften einen edlen Wetteifer hervor, welcher die Vor­bedingung jeder grossen Kraftanspannung und sonach jedes Er­folges ist.»* So geschah es, dass die im Jahre 1830 gegründete ungarische gelehrte Gesellschaft' ursprünglich gar nicht die Bestimmung einer wissenschaftlichen Akademie, sondern blos diejenige einer spraclibildenden Gesellschaft hatte. Dies geht klar aus dem 1831 herausgegebenen Programm- und Statuten-Entwurf hervor. «Die ungarische gelehrte Gesellschaft — so lautetete das Programm — strebt in allen Arten der Wissenschaften und der schönen Künste lediglich die Ausbildung der nationalen Sprache an. . . . Ferner wird sie die Kenntniss der bei den verschiedenen Nationen in älterer und neuerer Zeit gemachten Entdeckungen in der vaterländischen Sprache verbreiten.)) Sie hatte daher eine doppelte Aufgabe: 1. die ungarische Sprache zu pflegen und zu entwickeln und 2. die Kenntnisse in der vaterländischen Sprache zu verbreiten. Man kann nicht in Abrede stellen, dass die ungarische gelehrte Gesellschaft hinsichtlich der Ausbildung der Sprache und ihrer allgemeinen Gebrauchseinführung grosse Verdienste aufzuweisen vermag; aber man muss auch offen eingestehen, dass die Ausschrei­tungen, zu welchen sie sich hei dieser Beschäftigung hinreissen liess, beträchtliche Nachtheile herbeigeführt haben, deren Last die mathematischen und Naturwissenschaften, dann die medicini­­schen Wissenschaften am schwersten empfanden. Es wurde zum * Baron Joseph Eötvös, Präsidentenrede bei der IX. Versammlung der ungarischen Aerzte und Naturforscher, gehalten zu Pest am 19. Sept. 1863.

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