Der Spiegel, 1843. január-június (16. évfolyam, 1-51. szám)

1843-04-22 / 32. szám

ISO Der Spiegel 1643. zogene Brust keuchte krampfhaft; als das Licht sich ihm näherte, hob er den Kopf und noch einmal sah das kluge dunkle Auge forschend in die Höhe, den Blik seines Herrn suchend, als trollte er sagen: „Kommst du endlich? Wie oft habe ich rufen müssen!" Der Naturforscher sah das gequälte Thier an und in seinen Zügen malte sich Kummer und Schrek. „Also ist es so weit mit dir?" rief er. „Wirft du abgefordert? Ist deine Stunde gekommen, mein ehrlicher alter Knabe? Nun, Muth! nicht verzagt, mach deine Sache gut! ich will dich nicht verlassen, bis du ausgekämpft hast." — Es war, als läge in diesen Worten, die mit dem Athem der reinsten Liebe gesprochen wurden, eine Beruhigung für das Thier. Es stieß jenen qualvollen Schrei nicht mehr aus; dagegen seufzte es sast in menschlicher Weise, indem sich sein Auge schon zu trü­ben begann; er rükte an's Gitter und suchte seinen Kopf der Hand des Herrn näher zu bringen. Ein trüber häutiger Ring zog sich immer dichter um das klare Auge, die Flügel schleppten immer mehr nieder und endlich stürzte der Körper herab, unfähig, sich länger auf der Stange zu halten. Noch ein schwacher Laut, und der Tod hatte sein Werk vollbracht. — Während das Thier im Sterben lag, war in kur­zen Zwischenräumen ein leises Klopfen an der Hausthüre ertönt, unbeachtet vom Haus­herrn, der unbeweglich vor dem Gitter stand und in dessen Hand das Licht heftig zit­terte. Endlich wandte er von bent Sterbelager seines Lieblings seine Aufmerksamkeit wie­der der Außenwelt zu; er eilte, die Thüre zu offnen. Aus der Finsterniß der Nacht trat ihm jedoch nicht die Gestalt entgegen, die er erwartet hatte; ein junges Mädchen, in ihren Shawl gehüllt, der in der Nachtluft flatterte, stand wie eine Erscheinung blendend weiß auf der Schwelle. Der Naturforscher begrüßte seinen Gast mit Lächeln. „Ach, sind Sie es, beste Freundin?" rief er. „Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie in diesem Nachtgewand empfange. Sogleich bin ich wieder da." ■— Er sezte das Licht hin, eilte int Dunkeln in sein Zimmer und kam in der Kleidung zurük, in der er die Gesellschaft auf dem Landhause verlassen hatte. Cölestine sah im kleinen Vorzimmer, die Rükkehr ihres Freundes und Lehrers er­wartend. Sie wagte nicht, die noch halb offene Thür zum kleinen Saal vollends zu öffnen, obgleich die Gespräche dieses Abends eine peinvolle Neugierde gerade in diesem Angenblik in ihr rege machten. Ihre Phantasie schuf tut Dunkel jenes Gemachs ihr allerlei entsezenerregende Gegenstände, und es war in der That nöthig, daß sie die Schritte ihres Freundes hörte, um ihre Vernunft rege zu rufen und den nächtlichen Spuk zu verbannen. „Warum haben Sie jene Kleidung abgelegt," fragte sie den Zu­­rükkehrenden, „und dafür die insipide Tracht angenommen, die wir in unfern Gesell­schaften zum Ekel wiederholt sehen? In jenem Nachgewande erschienen Sie mir, theurer Freund, wie ich mir in den Zanbergeschichten und Mährchen meiner Kindheit die Ma­gier dachte. Ja wahrlich, einst im Traum sah ich Sie, wie Sie in dem gelben, blu­menreichen Tatar in dem Kelche einer rothen Tulpe saßen und einen langen, weißen, dünnen Zauberstab in die Nacht hinaus bewegten. Ein andermal breiteten Sie denselben wunderbaren Mantel gegen die ausgehende Sonne aus, indem Sie riefen: „Weke noch nicht meine Kinder, die Blumen; einige darunter sind krank und bedürfen noch des Schlafs." — „Mein liebes Fräulein," entgegnete der Naturforscher, „ich würde in Ihre heitere Laune eingehen und diese phantastischen Gemälde, in denen mein alter sei­dener Schlafrok zu so hohen Ehren kommt, selbst noch weiter auszumalen versuchen, allein mein Herz ist betrübt. Eben komme ich vom Sterbebette eines treuen Freundes und guten Kameraden." — „Wie?" rief Cölestine heftig crschroken, „Sie hatten hier einen Freund, von dessen Dasein ich nichts wußte?" —• „Und habe ich nicht sehr viele solche Freunde?" entgegnete der Naturforscher, die Hand des Mädchens begütigend drü­­kend. „Verstehen Sie mich recht, Cölestine. Der Sterbende war nur ein Vogel, und zwar ein loser Vogel, der von Raub und Mord lebte ; doch ist er gestorben, als hätte er das beste Gewissen von der Welt. Kommen Sie, sehen Sie meinen armen Freund." ■— Es war das erste Mal, daß der Naturforscher seine Schülerin aufforderte, den ge­weihten Raum seiner verschlossenen Gemächer zu betreten. Er nahm sie bei der Hand und sie folgte ihm nicht ohne Bangigkeit. „Nehmen Sie sich in Acht, liebe Freundin," rief der Führer, „daß Sie mir keinen kleinen Pallast aus der Stelle rükeu, keine Hütte umwerfen. In manchen dieser Häuser werden Wochenbetten gehalten, in andern herrscht Wittwentrauer, wieder in andern leben zwei thörichte junge Leute im Rausch der ersten

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