Neue Zeitung, 1962 (6. évfolyam, 1-52. szám)

1962-01-05 / 1. szám

2 Johann Christian Bach, das jüngste und seinerzeit erfolg­reichste Mitglied seiner Familie, starb vor hundertundachtzig Jah­ren, am 1. Januar 1782. im Alter von siebenundvierzig Jahren. Er war der Erschaffer einer neuen Musikrichtung, ein begeisterter Musiker, der viel zu jung das Le­ben verhess, das ihm noch viele Erfolge und Ehren versprach. Er ist tot. Vielleicht auch im wahren Sinne des Wortes, — denn ein Künstler stirbt den wah­ren Tod, wenn er vergessen wird. Johann Christian Bach aber ist ein solcher fast vergessener Mu­sikdichter. Er lebte im Zeitalter der Musikriesen, das war sein Missgeschick, doch vielleicht auch sein Glück. Sein Missgeschick, weil er im Schatten sol­cher mächtigen Künstler leben musste, wie es sein Vater, Johann Sebastian Bach, oder Händel, Vi­valdi, Mozart waren. Er hatte wohl Erfolg, doch der, sowie sei­ne Musik verschwinden neben dem Erfolg und den Werken der Grossen. Vergegenwärtigen wir uns die Musik des 18. Jahrhun­derts, so assoziieren wir nicht Christian Bachs Klavierkonzerte, Trios und Kirchenmusik, sondern die Fugen Sebastian Bachs, Die Symphonien Haydns, Mozarts Re­quiem und die Melodien aus der Entführung . . . Die Werke Johann Christian Bachs werden Wenig gespielt, man hört sie selten im Radio oder in den Konzertsälen. Und doch ist sein Leben nicht spurlos vergessen, seine Kunst nicht vergebens gewesen. Er hat Bedeutendes geschaffen: seine Musik weist in eine neue Rich­tung. Schon sein Bruder, Carl Philipp Emanuel Bach, begann in dieser Richtung zu komponieren mit seiner „melodiösen” Musik. Er war der erste in seiner Zeit und in der Familie Bach, der vom traditionellen Weg abwich, doch diese Richtung ward erst ganz von seinem jüngeren Bruder, Jo­hann Christian, verwirklicht. Die Musik Johann Christian Bachs ist eine „galante Musik” voll bieg­samer Melodien, spielerisch schil­lernder Akkorde. Er brach aus der Bahn der polyphonischen Mu­sik und erschuf etwas Neues, in Europa bisher Niegekanntes. In Europa kannte man zu jener Zeit nur zweierlei Musik. Im Norden die schwergefügte, „auf­gebaute” Musik des späten Ba­­rokks, im Süden die italienische, überhitzte, sinnliche Musik, die ge­rade deshalb Gefahr lief, ihr mu­sikalisches Gleichgewicht einzu­­büssen. Dies verhinderte Johann Christian Bach, als er mit sicherer Hand eingriff und die europäische Oper erschuf. In seiner Musik verschmilzt die schwere nordische und die sinnliche südliche Musik und ergibt eine Synthese, die allen Nationen verständlich ward. Sie riss seine Zeitgenossen mit sich und stahl sich in das Gehör und das Herz durch ihren leichten, galanten Stil. Er musste einen schweren Kampf kämpfen, in dem er Sieger blieb. Er erntete Erfolg, doch im Kreise der Familie Bach musste er für seine Musik weiterkämp­fen. Vater Johann Sebastian er­kannte diese Musik nicht als Musik und für lebensfähig an. Seine Söhne, die sich von der polyphoni­schen Musik lossagten, bereiteten ihm eine Enttäuschung. Da gab es Bitterkeiten einerseits, — und ei­ne Reihe von grossen Erfolgen (grössere, als die seinem Vater zu­teil wurden) andererseits. Ich schrieb, dass es sein Missge­schick und auch sein Glück war, im Schatten der Riesen zu leben. Ein Missgeschick, denn wie hätte er den Vergleich mit Haydn, Mo­zart und J. S. Bach vertragen? Es war jedoch auch sein Glück, denn er schuf die neue europäische Musik im Schatten der Grossen und wurde dadurch der Katali­­sator weiterer Musikschöpfungen, die sein Zeichen tragen. So wurde sein Name — als Ka­talysator und Lehrmeister des Neuen — unsterblich. Er war der Lehrmeister Wolfgang Amadeus Mozarts, der ihn in London traf. Der junge geniale Musiker über­nahm den neuen Opernstil Jo­hann Christian Bachs. Mozart hat sich Zeit seines Lebens als Schü­ler J. Ch. Bachs bekannt, schuf „Die Entführung aus dem Serail” unter seinem Einfluss ... Die Musik J. Ch. Bachs ist ein Katalysator, schon an sich bedeu­tend, aber auch dadurch, dass sie eine Reihe grosser Werke zum Leben verhalf. Der wahre Tod des Künstlers ist die Wirkungslosigkeit. In die­sem iSinne ist J. Ch. Bach nicht tot, trotzdem er seit hundertundacht­zig Jahren begraben ist, denn die von ihm erschaffene neue euro­päische Musik macht seinen Na­men unsterblich. Tamás Joób Johann Christian Bach (1735-1782) Der Vorstand des Unterhaltungs- und Wohltätigkeitsvereins „Der wahre Wohl­täter” stellte Anfang Dezember fest, dass do.s Vereinsvermögen 120 Kronen be­trug. Sofort machten sich die Vorstands­mitglieder daran, in ihrem Vereinslokal eine Beratung durchzuführen, wie das Vereinsvermögen iw. Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsfest zu wohltä­tigen Zwecken verwendet werden könnte. Der Vereinsvorsitzende wurde unter dem Einfluss des reichlich genossenen Bieres sentimental und begann mit bib­bernder Stimme von Witwen und Wai­sen zu sprechen. In düsteren Farben schilderte er den etwas unklaren Fall einer armen Witwe, die sich am Weih­nachtsbaum erhängte. Dann begann er zu schluchzen und bestellte sich einen Sli­wowitz. Der Schriftführer Hess drei Flaschen Wein auffahren, und wieder stellte der Vorstand Überlegungen an. wie das Ver­einsvermögen am besten zu wohltätigen Zwecken verwendet werden könnte. Schliesslich machte der Vorsitzende, der seinen Sliwowitz in den Wein kippte, den Vorschlag, man solle es an fünf Wit­­wen verteilen. Die könne man auf Grund eines Zeitungsinserates auswählen, durch das arme, unbescholtene, in Not geratene Witwen und Mütter aufgefordert werden, an einem der nächsten Tage zivischen fünf und sechs Uhr nachmittags ihre Gesuche um eine Unterstützung im Ver­einslokal abzugeben. Jede dieser fünf Witwen solle 20 Kronen erhalten, das seien zusammen 100 Kronen. Weil aber das Vereinsvermögen 120 Kronen betra­ge, blieben 20 Kronen übrig. Was solle man damit machen? Man fand eine Lö­sung, die von grosser Weisheit zeugt. Bis Mitternacht vertrank man solidarisch den Betrag, mit dem man zunächst nichts anzufangen gewusst hatte, und rundete so das Vereinsvermögen auf rechtschaffene Weise ab. * Das Inserat im Lokalanzeiger begann zu wirken. Der Vorsitzende sass von fünf bis sechs Uhr im Vereinslokal, trank ein Bier und nahm mit immer grösserem Entsetzen die Gesuche der ar­men Witwen entgegen. Am ersten Tag kamen zwanzig Gesuche mit der Post, und sechzig wurden persönlich abgege­ben. Der Vorsitzende wurde nervös und be­merkte voll Schrecken, dass er nicht mehr weinen konnte. Die Witwen und Waisen, die sich in breitem Strom ins Vereinslokal ergossen, ergriffen ihn tief. Sie küssten ihm die Hände, jammerten und klagten. Eine Witwe brachte zwölf Kinder mit. Der Arme sah mit vorquellenden Augen, wie diese schmutzigen Kinder auf ein verabredetes Zeichen einen fürchterlichen Klagegesang anstimmten und ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Hände zu lecken begannen. Die verschmierten und schmutzigen Mäulchen wirkten auf ihn so ergreifend, dass er um ein Haar in die Tasche gelangt hätte, um von seinem eigenen Geld den Waisenkindern je einen Kreuzer zu schenken, als plötzlich, ohne anzuklopfen, eine neue Gruppe in den Kaum stürzte. Diesmal waren es nur fünf Kinder, die i'on einer traurig dreinblickenden Frau geführt wurden. Ihr Gesichtsausdruck aber veränderte sich augenblicklich, als die arme Frau die erste ergreifende Grup­pe bemerkte. Mit einem Satz war sie bei ihr und traktierte die Mutter der zwölf Weisen mit Ohrfeigen. „Ich bin eine Witwe’”, schrie sie, „aber du hast einen Mann, und ihr esst Gänsebraten! Aus dem ganzen Haus borgst du Aas dir die Kin­der zusammen und gehst mit ihnen von Tür zu Tür betteln.” Der Vorsitzende beobachtete voll Schrecken die Wendung, die der Kampf nahm. Die Angefallene erwischte seinen Regenschirm und schlug ihn der neuen Bittstellerin um den Kopf, während sich die Kinder auf einander stürzten und da­bei die Glasscheibe des Bücherschrankes zertrümmerten. Da wurde der Vorsitzende wütend. Er hieb mit der Faust dazwischen. Der Kell­ner warf die falsche Mutter hinaus, der Gastwirt entfernte die zweite, ein Wai­senkind nach dem andern flog auf die Strasse, dann war es endlich ruhig. Nur die Stimme des Vorsitzenden war zu ver­nehmen. Er rief zum Schanktisch: „Rasch einen Kognak!” Kurz vor sechs Uhr sank der Vorsit­zende vom Stuhl. Er hatte zwanzig Ko­gnaks getrunken. Im Fallen riss er das Tischtuch mit und begrub unter sich alle Gesuche um, eine Weihnachtsunterstüt­zung. Als sich die Vorstandsmitglieder ein­fanden, schlief der Vorsitzende im Ne benzimmer auf einem Sofa, und sie hat ten den Eindruck einer Tragödie, dv sich hier abgespielt haben musste. An diesem Tage tranken sie sehr mä ssig und machten nur eine Zeche von 1 Kronen. So verblieb denn, nachdem auc\ der Bücherschrank wieder verglast wor den war, noch ein Vereinsvermögen vo 80 Kronen, und damit entfiel eine Witw für die Bescherung. Es sollten also nu vier noch je 20 Kronen erhalten. * An nächsten Tag sass der Schriftfül rer im Vereinslokal und nahm die Gt suche entgegen. Er war ein sehr nervöser Mensch. £ wurde fürchterlich wütend, als eine d< Bittstellerinnen seine Knie umfing. „Hi.i aus!” brüllte er. „Hinaus, das ist ; schrecklich!” Dann erschien eine junge hübsche Wi Nein, ich will nichts hören!” rief er. ?n Sie das Gesuch her, und da­­msta! Haben Sie verstanden? Ich och kein junger Bursche! Zum Don­­etter!” mach kamen die Vorstandsmitglie­­md sprachen wieder mit Ernst und le über den wohltätigen Zweck des ns. Der Vorsitzende forderte Ersatz für n zerbrochenen Regenschirm und lie mit seiner gestrigen Amtshand­verbundene Mühewaltung. Man ite ihm den Vorwurf, er wolle den in aussaugen, weil er dem Alkohol illen sei. r Schriftführer schrie jetzt: Wenn Vorsitzende 20 Kronen bekommen müssten überhaupt allen amtieren- Vorstandsmitgliedern die Spesen ütet werden. Schliesslich verlangte Kronen, weil er sich während seiner sstunden ein Beefsteak und drei Glas ler geleistet hatte. Die Debatte wur­­mmer hitziger. Endlich einigte man in folgender Weise: Es sei besser, zwei ordentlichen Witwen je 20 ftro­­zu geben, als dass ein Betrag von 20 .ten in falsche Hände komme. .s sie sich trennten, war das Vereins­­,lögen abermals zusammenge­­umpft. * rr Heilige Abend kam heran, und in '.Vereinskasse befanden sich noch 68 er. Auf dem Tisch aber lagen 220 Ge­­•e armer Witwen, deine Herren!” sagte der Vorsitzende, olge verschiedener Umstände, die nicht voraussehen konnten, müssen in diesem Jahr von einer Weih­­itsbescherung Abstand nehmen. Es leibt uns nur noch, einen Beschluss ässen, was mit dem restlichen Ver­­vermögen von 58 Hellern geschehen Ich mache den Vorschlag, diesen ag als Grundstock der Vermögens­­mmlung zu wohltätigen Zwecken im sten Jahr zu verwenden, und bringe diese wohltätigen Zwecke ein kräfti- Nazdar’ aus.” Die gute Absicht wahrer Wohltäter Von Jaroslaw Hasek A/eMíféitŰ BRECHT AUF DER UNIVERSITÄTS­BÜHNE VON VESZPRÉM Albert Szilágyi, Direktor des ' Petöfi-Theaters, hat das Publikum mit der Kunst Brechts bekannt gemacht. Die erste Hälfte des Programms bestand aus Brechts Gedichten, dann wurde ein Mono­log aus dem Drama Galilei vor­getragen und zuletzt das Spiel „Lucullus vor den Richtern”. Die Regie führte Tibor Pintér, zwi­schen den einzelnen Nummern wurden Musikstücke von Bartók und Hatschaturjan gespielt. Der Sopronbánfalvaer Jugend klub hat im Kulturhaus der Ge­meinde ein eigenes Heim erhal­ten, es wurde entsprechend möbliert und mit Gesellschafts­spielen versehen. Der Besuch ist ziemlich rege. In den Wintermo­naten wird hier ein Näh- und Zu­schneidekurs veranstaltet. Es ha­ben sich hiefür bereits viele Mäd­chen und Frauen gemeldet. Budapest, 5. Januar 1962. József Kiss vor 40 Jahren gestorben Vor der Jahrhundertwende, in jener Zeit, da es schien, als ob nicht nur die technische Ent> Wicklung, sondern auch die gei­stige ins Grenzenlose wüchse, war József Kiss der grösste Dichter eines Landes, wo sich die dama ligen Spitzen des geistigen, ge sellschaftlichen und politische: Lebens in der seidenglänzendet Toga des Liberalismus gefielet Die zur Mitherrschaft aufgestie gene bürgerliche Schicht liebä­­gelte mit den liberalen Ideu, deren Geist auch schon durch (e Türspalten mancher aristokrä­­schen Paläste drang József Kiss, der traurig blicki­­de Sohn des armen Dorfkränvs, wurde damals, in der Zeit es Lossagens von der Vfergangi­­heit, der gefeierte Dichter es Landes, und seine Pcpularitätst heute, vierzig Jahre nach seiim Tode, schon kaum ermessbar.Es genügt wohl za sagen, dasier rach dem Tode Jáncs Aranyiis zum Erscheinen Endre Adysje­­le Jahrzehnte lang der anerkn­­te Dichter Ungarns war nd kaum einen Rivalen hatteJin Beweis seiner Popularitätist, dass seine gesammelten GeOte in 23 000 Exemplaren veiuft wurden, Wo doch die Bändler anderen damals modischen rh­­ter in höchstens 5—600 Exela­­ren kursierten. Alle seine Zeitgenossen -nd deren hatte er sehr viele, er schon das ABC lernte, als öfi in der Schlacht von Segesvser­­schwand, und auch nodas Auftreten Adys erlebte — sei­hen in den Tönen des hören Entzückens von ihm. Gergely Csiky hat schoi875 über „den eigenen Liebreisei­­ner Gedichte geschrieben i im selben Jahr las Ferenc Tol.*W später so berühmte Ballad n> Kiss, „Simon Judit”, in detK faludy-Gesellschalt vor. le: Poetenlaufbahn schwang sii doch erst sieben Jahre sä 1882, in ungeahnte Höhen, ts nes seiner Gedichte in deute Übersetzung in Budapest tr tragen wurde. Joseph Lewi vom Wiener Burgtheater,' damals in Budapest gast v»*-»V-»V»-» Hoc Affnta ki szony” in sein Repertoire auf. Der Vortrag hatte einen stürmi­schen Erfolg und József Kiss zählte von dem Moment an zu den meistbeachteten Dichtern Ungarns. Seine Erzählungskunst kleidete sich in die gewinnendsten Formen und seine Gedichte kennzeichnet eine gewisse Tneatralität, die sie besonders geeignet macht, vorge­­tragen zu werden. Seine Poesie zeigt den Weg seiner Entwick­lung von einer fast alttestamenta­rischen Gesinnung zu einer urba­­nen, modernen Mentalität. Hat doch sein grosser Zeitgenosse, der bekanntlich nicht allzu frei­giebig mit seinem Lob war. Mi­hály Babits, folgendermassen von ihm geschrieben: „József Kiss war das Geisteskind jener grossen Sänger, die im Westen zuerst das Erzittern des Gemütes der neuen Zeit erfassten und eine neue Saite an ihre Harfe spannten, um diese Gefühle zu vermitteln”. Jetzt, da ich in der neuen Aus­gabe seiner Gedichte blättere und sein Bild heraufbeschwöre, auch an seine fast unglaubliche Po­pularität denke, finde ich deren Erklärung darin, dass seine poe­tische und menschliche Indivi­dualität eine Kraft ausstrahlten, die sich aus zwei Quellen er­nährte: aus seinem unerschütter­lichen Glauben an seine poetische Berufung und aus dem Glauben an die alles überragende Bedeu­tung der Poesie István Lengyel

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