Neue Zeitung, 1974 (18. évfolyam, 1-52. szám)
1974-01-04 / 1. szám
NEUE ZEITUNG Wochenblatt des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn XVIII. JAHRGANG, NUMMER 1. Preis: 80 Fillér BUDAPEST, 4. JAN. 1974 * Schule der offenen Tore Das Thema, das wir in diesem ersten Leitartikel des neuen Jahres behandeln, nämlich das Weiterlemen der Grundschüler, taucht in Familiengesprächen und in den Stunden des Klassenlehrers in der Schule und auch unter Schulkameraden in <3iesen Wochen immer öfter auf. Als Wochenblatt der deutschen Nationalität in Ungarn möchten wir uns aus der Vielfalt der Möglichkeiten des Weiteriemens — von der Berufsschule bis zu den Gymnasien mit verschiedener Fachrichtung — einen einzigen Schultyp herausgreifen und beleuchten: das deutsche Nationalitätengymnasium. Wenn es ums Weiterlernen ihres Kindes geht, so stellen sich die meisten Eltern — verständlicherweise — in erster Linie die Frage: Welche Möglichkeiten der weiteren Entfaltung eröffnen sich nach Beendigung dieser Schule? Besonders bei Kindern, die noch keine ausgeprägten Vorstellungen von einem künftigen Beruf haben, deren Fähigkeiten und Neigungen sich erst in der Mittelschule entfalten werden, ist diese Fragestellung gerechtfertigt. Auch die zahlreichen Modernisierungsmassnahmen der Schule unserer Tage zielen darauf hin, die individuellen Fähigkeiten, all die Möglichkeiten, die in einem jungen Menschen stecken, „herauszuholen”, neben der Stärkung der „Hauptlinie” der Neigungen, das vielseitige Interesse für Natur, Mensch und Gesellschaft zu wecken. Und wenn dies eine Schule vermag so hat sie gut gearbeitet, dann hat sie die Forderungen unserer sozialistischen Gesellschaft erfüllt und ist den Erwartungen der Eltern gerecht geworden. Wir möchten nun untersuchen, inwieweit auch ein Nationalitätengymnasium diesen Erwartungen der Eltern und der Gesellschaft nachzukommen vermag, ob es geeignet ist, Geist und Interesse der Schüler nach vielen Richtungen zu öffnen und auch die speziellen Fähigkeiten, seien diese nun humaner oder naturwissenschaftlicher Art, voll zur Geltung kommen zu lassen. Lassen wir den Lehrplan sprechen. In den Nationalitätengymnasien werden dieselben Fächer unterrichtet wie in den allgemeinbildenden Gymnasien des ganzen Landes. Das heisst, dass Mathematik, Physik, Chemie, Biologie dem Sprachstudium gegenüber keinesfalls zu kurz kommen. Da aber in den Nationalitätengymnasien die Lehrer die deutsche Sprache gut beherrschen, vermögen sie auch dem — übrigens in ungarischer Sprache erfolgenden Unterricht dieser Fächer — eine sprachfördernde Note zu geben, den Kindern den Fachwortschatz in zwei Sprachen, deutsch und ungarisch, beizubringen. Das naturwissenschaftlich eingestellte ICind wird also bei seiner Aufnahmeprüfung auf einer einschlägigen Universität den dort gestellten Forderungen genauso nachkommen können, als hätte es in einem ungarischen Gymnasium das Abitur abgelegt. Was aber für einen jungen Menschen auf einer technischen Hochschule jenes Plus bedeutet, dass ihm nämlich die Fachliteratur in deutscher Sprache von Anfang an zugängig ist, brauchen wir nicht besonders zu kommentieren. Die Eltern müssen also sehen, auch die Tore der Naturwissenschaften bleiben ihren Kindern in einem Nationalitätengymnasium breit geöffnet, aber nicht nur diese, sondern alle, die in verschiedene Spezialgebiete führen, zum Facharbeiterstudium, zur Jura, zur Ökonomie, zum Lehr erb er tif, zum Künstler. Wobei die Zweisprachigkeit, die dem Absolventen des deutschen Gymnasiums als unabschätzbare Wegzehrung mitgegeben wird, ihm auf allen Gebieten des Lebens Vorteile einräumt. Das Nationalitätengymnasium bildet mit zeitgemässem Wissen ausgerüstete zweisprachige Menschen, die die Kommunikationssprache unserer ganzen Gesellschaft, das Ungarische und ihre deutsche Muttersprache gleicherweise „handhaben” können. Und damit kommt es auch einem wichtigen gesellschaftlichen Anspruch nach, denn unser Land braucht auf allen Fachgebieten immer mehr Menschen mit guten Sprachkenntnissen. Eben deshalb ist im Zuge der steigenden Ansprüche auch in der Sprachbildung in den Nationalitätengymnasien ein Noch-besser, ein Nochintensiver vonnöten. Auf dieses Besser, Intensiver zielen jene Neuerungen ab, die im Schuljahr 1973/74 auch in den Nationalitätengymnasien eingeführt wurden. Vor allem ist da die Durchführung des Prinzips „die Muttersprache soll vollends zur Sprache der schulischen Kommunikation, der schulischen Arbeit werden”, von grosser Bedeutung. Aus diesem Grunde wurde die Anordnung erbracht, dass bei mehr als 22 Schülern in einer Klasse die Sprachübungen in zwei Gruppen durchgeführt werden können, dass ausser deutscher Sprache und Literatur, Geschichte und Geographie die Stunden des Klassenlehrers auch die Grundlagen unserer Weltanschauung, des weiteren Russisch, Turnen, Zeichnen, Gesang und Musik in der Muttersprache unterrichtet werden sollen. Womöglich soll in den Pausen in der schulischen Kommunikation, überhaupt auch zwischen Lehrer und Schülern die Umgangssprache deutsch sein. Im praktischen Unterricht können sich die Schüler auf Fachgebiete ausbilden, die ihre Sprachgewandtheit ebenfalls fördert. Da gibt es Möglichkeiten wie Maschinenschreiben, Dolmetschen oder Fremdenführung. All das bezweckt das „Durchtränken” des schulischen Lebens mit der Sprachatmosphäre. Dasselbe Ziel hat die volksbildnerische Arbeit in diesen Schulen, die Arbeit der deutschen Kulturgruppen, Heimatkundefachzirkel, Folklorezirkel, Literaturbühnen usw., die die geistigen Werte unserer Nationalität als integrenen Teil der gesamtgesellschaftlichen Kultur pflegen und sie, mit dem Geist unseres Heute, mit sozialistischem Inhalt füllend, weiterentwiekeln. Schulen des Internationälismus zu sein, ist eine Forderung, die in unserer Gesellschaft an jede Schule gestellt wird. Doch vielleicht keiner der Schultypen birgt „ab ovo”, im Wesenskeim also, hierzu so viele Möglichkeiten wie die Nationalitätenschulen. Es ist also eine ihrer wichtigen Aufgaben, alle diesbezüglichen Möglichkeiten wahrzunehmen, sie pädagogisch auszuschöpfen, den erzieherischen Wert der Idee des proletarischen Internationalismus bei der Menschenwerdung der Schüler bewusst anzuwenden. Und unsere Schulen kommen dieser Aufgabe nach ihrem besten Vermögen nach. Die Jugend zu vielseitig gebildeten modernen, sozialistischen Menschen zu erziehen, das ist das pädagogische Ziel unserer Gesellschaft, dem auch die Nationalitätenschule nachkommt. Und daher ist auch die Nationalitätenschule eine Schule der offenen Tore, nach deren Absolvierung dem jungen Menschen alle Gebiete des Lebens zugänglich sind. Eine andere Art von Schule wäre dem Erziehungssystem des sozialistischen Staates auch gänzlich wesensfremd. Es ist also wichtig, dass die Klassenlehrer, die die Achtklässler deutscher Muttersprache und ihre Eltern in diesen Wochen in puncto Weiterlernen beraten, ihnen die oben skizzierten Züge der Nationalitätengymnasien eingehend vor Augen führen und auf Grund dessen — die Interessen unserer Gesellschaft, die Nationalitäteninteressen und das individuelle Interesse des Kindes vor Augen haltend — ihnen den Rat geben: Meldet Euch in das deutsche Gymnasium! Erika Ats Sie lesen in unserer heutigen Nummer: Eine Zusammenstellung über den Deutschunterricht: auf Seite 2 und 3 Über das Kulturleben inGyörköny: auf Seite 5 Ein Porträt des Ausgezeichneten Konrad Frey tag: auf Seite 5 Den Bericht über die Sitzung des Sekretariats des Verbandes: auf Seite 2 Aussenpolitik • Aussenpolitik • Aussenpolitik • Aussenpolitik Ein Schritt zum Frieden im Nahen Osten Die Eröffnung der Genfer Nahost- Friedenskonferenz Ende Dezember war ein bedeutendes Ergebnis der im Jahre 1973 unternommenen diplomatischen Bemühungen zur Stabilisierung des Friedens. Die Vorgeschichte und auch der Auftakt zur Konferenz haben gezeigt: es wäre verfehlt, mit schnellen und spektakulären Ergebnissen zu rechnen. Dessen ungeachtet ist das Zustandekommen der Friedenskonferenz an sich von grosser Bedeutung. In der 25- jährigen Geschichte der Nahostkrise wurde jetzt zum ersten Mal erreicht, dass sich die einander gegenüberstehenden Seiten an den Verhandlungstisch setzten. All das hätte ohne die konsequenten Anstrengungen der sowjetischen Friedenspolitik nicht geschehen können, infolge deren durch eine gemeinsame sowjetisch-amerikanische Initiative ermöglicht wurde, die Konferenz unter der Schirmherrschaft der UNO zu organisieren. Bei den Beratungen in Genf kam dies auch darin zum Ausdruck, dass die Konferenz von UNO-Generalsekretär Waldheim eröffnet wurde und dass die Aussenminister der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten, Gromyko und Kissinger, die Co-V or sitzenden waren. Auf der Konferenz in Genf waren von den einander gegenüberstehenden Seiten Ägypten, Jordanien und Israel vertreten. An der bereits abgehaltenen Eröffnungsphase der Konferenz nahmen die Vertreter Syriens und der Palästinensischen Befreiungsorganisation nicht teil. Zunächst ergriffen die beiden Co-V or sitzenden das Wort, sodann sprachen die Aussenminister Ägyptens, Jordaniens und Israels, Fahmi, Rifai und Eban. In den Reden der arabischen Sprecher spiegelte sich die grosse Verantwortung wider. Die Genfer Friedenskonferenz stellt hinsichtlich der Lösung der Nahostkrise, der Beseitigung des gegenwärtig schwersten Krisenherdes der Welt eine Möglichkeit ohnegleichen dar. Dies wurde auch vom sowjetischen Aussenminister Gromyko unterstrichen, indem er betonte, dass die Regelung deshalb zu einer realen Hoffnung werden konnte, weil in der Weltpolitik günstige Veränderungen eintraten. Die Lösung der Nahostfrage besteht — wofür die Sowjetunion auch bisher einen konsequenten Kampf führte — in der Erfüllung der gerechten Forderung der arabischen Staaten, in der Rückgabe der besetzten Gebiete. Die Sowjetunion aber sieht — wie Gromyko darauf hinwies — Israel nicht als feindlichen Staat an, sie verurteilt aber die Annexionspolitik Israels, die zu einer ausserordentlichen Verschärfung der Situation führen kann. In diesem Geiste müssen die territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit und Souveränität aller Staaten in diesem Bereich gewährleistet werden. Die Regelung ist aber nur dann vollwertig, wenn darin auch das Gültigmachen der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes eingeschlossen ist. Der Auftakt zur Friedenskonferenz im Dezember kann selbstverständlich nur der Anfang eines langen Weges sein. Aber auch schon dieser Anfang lenkt die Aufmerksamkeit auf wichtige Aufgaben. Während und auch seit der Konferenz treffen Nachrichten von öfteren Verletzungen des Waffenstillstandes ein. Es muss also eine Lage geschaffen werden, die die Fortsetzung von Zusammenstössen unmöglich macht. Auf der Friedenskonferenz in Genf wurde volle Übereinstimmung darin erzielt, dass die Trennung der einander gegenüberstehenden Truppen als erstrangige Aufgabe betrachtet werden müsse. Deshalb wurde ein Militärausschuss als erste Arbeitskommission der Konferenz gebildet. Nach Meinung Ägyptens ist die erfolgreiche Arbeit des Militärausschusses das erste Zeichen des guten Willens Israels. „Der Erfolg der Friedenskonferenz hängt nun” — wie auch Aussenminister Fahmi erklärte — „von der erfolgreichen Tätigkeit des Militärausschusses ab, der sich mit dem Problem der Truppentrennung befasst.” Die Verzögerungstaktik, die Israel bei den Verhandlungen über Militärfragen an den Tag legte, löste in der ägyptischen Presse eine scharfe Kritik aus. Besonders schlechten Eindruck erweckte jene Tatsache, dass die Vertreter Israels bei den Verhandlungen über Militärfragen erneut den Vorschlag unterbreiteten, die dritte ägyptische Armee, die sich am Ostufer des Suezkanals aufhält, solle mit jenen israelischen Streitkräften den Platz wechseln, die das Westufer des Kanals besetzt halten. Ägypten lehnte diesen Plan eindeutig ab und unterstrich erneut, die Präsenz seiner Kräfte auf der Halbinsel Sinai darf nicht Gegenstand von Debatten sein. Bei der Truppentrennung sind — betont man ägyptischerseits — die Beschlüsse des Sicherheitsrates und die Vorschriften des Waffenstillstandsabkommens ausschlaggebend. Dementsprechend hat Israel seine Truppen unverzüglich auf die Positionen vom 22. Oktober 1973 zurückzuziehen und dann muss mit der Durchführung der Sicherheitsratsresolution 242, das heisst mit der Räumung der besetzten arabischen Gebiete begonnen werden. KriscwtäHaste int Westen Die Wirtschaftsexperten der kapitalistischen Länder sehen dem Jahr 1974 mit Besorgnis entgegen. Im zurückliegenden Jahr steigerte sich die Inflation in der ganzen kapitalistischen Welt und die Teuerung erreichte im Schnitt 9 Prozent. Mit 15 Prozent lag die Preiserhöhung in Japan am höchsten, aber auch in der Schweiz übertraf die Teuerungsrate die 10 Prozent. Infolge des Embargos der ölexportierenden Länder wurde in den westlichen Industrieländern die ohnehin latente Rohstoff- und Energiekrise akut. Die Lage wird darüber hinaus auch dadurch verschärft, dass sich die Auswirkungen der Einschränkungen der Öllieferungen infolge der Manipulationen führender Ölkonzerne vervielfacht haben und unter Berufung auf Rohstoffmangel und Energieknappheit massenhafte Entlassungen vorgenommen wurden. Währenddessen hat sich aber der Profit der Mammutunternehmen und auch der führenden Ölgesellschaften nicht verringert, sondern erhöht. Es ist vollkommen verständlich, dass angesichts dieser Situation das Wochenblatt der westdeutschen sozialdemokratischen Partei seinen Leitartikel zu Weihnachten folgendermassen begann: „Krisenfurcht überschattet den kommenden Jahreswechsel. In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion, im Gespräch von Mann zu Mann oder im Familienkreis beherrschen zwei Themen das Interesse: Bleiben die Arbeitsplätze auch 1974 erhalten? Was wird aus den Preisen (und nicht nur aus den ölpreisen)?” Ähnliche Fragen beschäftigen aber auch die französischen, italienischen, englischen und amerikanischen Arbeiter. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Kongresses in Washington, Senator Proxmire, erklärte, die Vereinigten Staaten haben 1973 eine der schwersten Inflationszeiten ihrer Geschichte erlebt. Der Gebrauch der Vergangenheitsform ist hier aber nicht angebracht, zumal nach Meinung amerikanischer Wirtschaftsexperten weitere Teuerungen zu erwarten seien. Laut Meinung des Wirtschaftsberates Nixons werden sich die Unterhaltungskosten 1974 weiter erhöhen. Senator Edward Kennedy meint, dass die Amerikaner mit der grössten Arbeitslosigkeit des Jahrzehnts konfrontiert werden. Diese Arbeitslosigkeit hängt mit der Inflation und der wirtschaftlichen Rezession zusammen, und es wird eine Fortdauer dieses Prozesses prognostiziert. Noch schlimmer sieht die Lage in Westeuropa aus. ln England bedeutet die Gefahr der Inflation und der Arbeitslosigkeit die grösste Sorge. Das Jahr 1973 wurde mit 850 000 Arbeitslosen begonnen, und in den letzten Tagen des zurückliegenden Jahres wurden — unter Berufung auf Schwierigkeiten infolge der Drosselung der Öllieferungen — 500 000 Bergleute einstweilig entlassen. In Grossbritannien muss man 1974 nach Schätzungen der Experten mit etwa 1,5 Millionen Arbeitslosen rechnen. Die Arbeitslosenquote steigt indes auch in Frankreich. Die führende Branche des Landes, die Autoindustrie mit ihren 600 000 Beschäftigten, führte bereits Arbeitszeitkürzungen ein. Die grossen Autofabriken wollen vorläufig noch keinen Arbeiter endgültig entlassen und deshalb werden diese unter Lohnfortfall zwangsbeurlaubt. 40 000 Arbeiter der Peugeot-Werke mussten am Jahresende 11 Tage unbezahlten Urlaub nehmen und ähnlich „feierten” auch 36 000 Arbeiter der Fabrik Citroen. Die Wirtschaftsexperten der Bundesrepublik sehen 1974 als ein gefahrenträchtiges Jahr an. Finanzminister Helmut Schmidt sprach offen über die Steigerung der Arbeitslosigkeit. Die Experten der Bundesregierung sagten voraus, dass die Zahl der Arbeitslosen die 750 000 erreichen würde, doch nach Schätzungen der Gewerkschaften könnte diese Zahl während des Jahres zeitweilig auch 1,5 Millionen übersteigen. Alle Experten sind sich einig darin, dass 1974 für die Bürger der Bundesrepublik das teuerste Jahr in der Geschichte des Landes sein wird. Spanien nach Blancos Tod Das gegen Carrero Blanco verübte Attentat löschte das Leben von Francos Ministerpräsidenten aus und enthüllte die schweren innenpolitischen Gegensätze, mit denen das faschistische Regime zu kämpfen hat. Die Verantwortung für das Attentat wurde laut einer in Frankreich veröffentlichten Erklärung von der Organisation baskischer Separatisten übernommen. Die angesehene Pariser Zeitung Le Monde hält es jedoch für möglich, dass hinter der Ermordung Blancos eine „alte Garde” extremistischer Faschisten steht, die fürchtete, Blanco hätte nach dem Tod Francos eine Pölitik anstreben wollen, in der diese alte Garde keine bedeutende Rolle spielen würde. Die Polizei gab verschiedene Versionen des Verlaufs und des Hintergrundes des Attentats bekannt, der endgültige Bericht hierüber bleibt jedoch immer noch aus. Die Schwierigkeiten um die Ernennung des Nachfolgers von Blanco haben andererseits gezeigt, dass unter den Machthabern grosse Uneinigkeit herrscht. Unter dem Vorwand des Attentats entfaltete sich jedoch — und in dieser Hinsicht ist das Franco-Regime einheitlich — eine grossangelegte Kampagne gegen die fortschrittlichen Kräfte Spaniens. Von einer Steigerung der Unterdrückung zeugt auch die Verhaftungskampagne der Behörden, im Laufe derer mehrere hundert Menschen in Gewahrsam genommen wurden. Dies bedeutet aber keineswegs, dass es im Leben Blancos keinen grossen Terror gab. Am Tag des Attentats begann der grösste Prozess der letzten Jahre gegen 10 Gewerkschaftsleiter, die der versuchten Neuorganisierung der verbotenen Arbeitskomissionen bezichtigt werden. All das zeigt, dass das faschistische Regime seine Macht nur durch Steigerung des Terrors aufrechterhalten kann. Die Kommunistische Partei Spaniens, die in der Illegalität um eine demokratische Wende im Land kämpft, drängt daher auf einen Zusammenschluss aller antifaschistischen politischen und gesellschaftlichen Gruppen in Interesse einer Veränderung, durch die jedem Bewohner des Landes die politischen Rechte gewährleistet würden. Georg Kertész