Neue Zeitung, 1987 (31. évfolyam, 1-52. szám)

1987-01-03 / 1. szám

Neue Zeitung WOCHENBLATT BES DEMOKRATISCHEN TERBANBES DER ÜNCARNDEÜTSCHEN 31. Mnl«(1, Nr. 1 Preis: 1,8(1 Ft Budapestt. 3I.Jannar IE187 Generationskontakte gleich Generationskonflikte? Es hat seine Reize, und es ist zu­gleich ein Abenteuer, zwischen den Altersgruppen hin und her zu pen­deln. Wenn es um nationalitäten­politische Arbeit geht, so sind Kon­frontationen dieser Art unvermeid­lich, ja, sie entscheiden über Erfolg und Wirksamkeit des eigentlichen Tuns. Das besondere Sein (das Leben und Wirken im Nationalitätensta­tus) ergibt ein Gebot, sich differen­ziert an die Sache selbst zu begeben. Die Generation der Alten ist in Sprache und Kultur ohne — oder genauer gesagt: im wesentlichen ohne —- Kontakte und daher eine lange Zeit hindurch auch ohne Kon­flikte mit der Sprache und Kultur der Mehrheitsbevölkerung aufge­wachsen. Sie ist in eine Sprachge­meinschaft hineingeboren, die ihre eigenen und selbständigen Wertvor­stellungen hatte und die sich seit altersher damit abgefunden hatte, daß sie ihre soziale Rolle in der Ge­sellschaft gestern, heute und mor­gen unverändert zu erfüllen hat und dafür relative Selbständigkeit und Selbstbestimmung praktizieren kann. Erst im Erwachsenenalter ge­riet sie (diese Generation) in Konflikt mit der Umgebung. Da hieß es plötzlich: bekenne dich zu dem einen oder zu dem anderen. Das Dilemma des Bekenntnisses wurde künstlich erschwert, denn es ging nicht mehr um die soziale Rolle, sondern es ging um Herkunft, Sprache, Kultur auf der einen und um staatsbürgerliche, politische wie ideologische Zugehö­rigkeit auf der anderen Seite. Her­kunft, Sprache und Kultur waren evidente Größen, solche, die dem einzelnen wie der Gemeinschaft voll­kommen selbstverständlich waren, denn man lebte in ihnen mit einer Natürlichkeit, die es nicht nötig machte, nach ihrer Gültigkeit, nach ihrem Wert und nach ihrem Fort­bestehen zu fragen. Die ersten Kon­flikte entstanden erst, als es hieß, die engere Gemeinschaft zu verlassen und sich den aus der Staatsbürger­schaft ergebenden Anforderungen zu stellen: in der Schule und im öffent­lichen Leben außerhalb des Wohn­ortes. In dieser Sphäre genügten die zur gesellschaftlichen Praxis nötigen und in der engeren Gemeinschaft er­worbenen Kenntnisse in Sprache und Kultur nicht. Erst jetzt er­wuchs das Gebot zum Bekenntnis. Und da es sich nicht bloß um ge­läufige und auch vom Alltag gefor­derte Größen wie Sprache und Kul­tur sowie Staatsbürgerschaft, son­dern auch um bis dahin unbekannte, denn in der Praxis nicht erlebte Größen, wie Zugehörigkeit zu einem in anderen Staaten existenten Volks­tum und zu einer fremden Ideologie, ging, war freilich das Bekenntnis zu einem schweren Konflikt geworden. Was dann diese Irrungen und Wir­rungen ergaben, steckt bis heute tief in dieser Generation. Wer sie heute für die Teilnahme an der Verwirk­lichung nationalitätenpolitischer Vorhaben gewinnen will, muß sie und ihre Vorgeschichte genau ken­nen. Es gibt die Generation, für die Herkunft, Staatsbürgerschaft und soziale Rolle unproblematisch sind, da sie in den bestimmenden Jugend­jahren eindeutige Impulse für die Gestaltung ihres Werdegangs be­kommen haben. Unsicher werden sie, wenn sie sich bei Sprache und Kultur zum Bekenntnis aufgefordert sehen. Den Konflikt zwischen Her­kunft und Staatsbürgerschaft ver­kraften sie leicht, den jedoch zwi­schen Herkunft, Sprache und Kultur schon schwieriger, denn ihr Aufstieg fand einsprachig ungarisch statt, alles, was sie erreichten — und dies ist nicht wenig —, verdanken sie eben dieser Einsprachigkeit. Den Umgang mit ihnen erschwert die Tatsache, daß sie sich schuldig füh­len für etwas, was nicht sie ver­schuldet haben. Und ihre Kinder? Die Generation der Kinder erhält Impulse, Herkunft, Sprache und Kultur mit der gleichen Selbstver­ständlichkeit zu erleben, wie dies im Falle der erstgenannten Generation gang und gäbe war. Es fehlen jedoch die positiven Umstände, wie Sprach­gemeinschaft, Sprachgebrauch und Schulung in der Muttersprache, aber auch solche negativen, wie festge­legte und unveränderliche soziale Rolle und beschrän te Aufstiegs­möglichkeiten, die bei * er Generation der Groß- und Urgroß' Item die eth­­nisch-sprachlich-kultu: )lle Homoge­nität ergaben. Niemar 1 will jedoch im Ernst dieser Generation so helfen, daß man die negativen Umstände herbei wünscht. Es geht vielmehr darum, die positiven in den Sphären, wo es machbar ist, zu stärken und zu intensivieren. Wenn nämlich die erstgenannte Generation die Zwei­sprachigkeit auf einem spontanen Wege erreichte, die zweitgenannte diese Zweisprachigkeit des Aufstiegs wegen instinktiv aufgab, so gilt es für die drittgenannte, daß ihre Mo­bilität (sprich: ihr Aufstieg) erst wieder durch die Zweisprachigkeit garantiert werden kann. Dies geht jedoch nicht mehr auf einem spontanen Weg, dies muß in harter und langwieriger Arbeit ge­leistet werden. Die Begegnungen in Volkshoch­schulen, Lese- und Jugendlagern und im beruflichen Alltag sind oft abenteuerlich wegen dieser Fäche­rung, vor allem freilich, wenn man von nationalitätenpolitischen Aspek­ten ausgehend an die Sache heran­geht. Gehört man zu einer der „älteren“ Generationen, so handelt man sich leicht eine Reaktion ein, die Arnfrid Astei in seinem Zweizeiler „Berech­tigte Frage eines lernwilligen Schü­lers an seinen Lehrer“ beschreibt: „Wie kann ich lernen, was Sie wissen, ohne zu werden, wie Sie sind?“ Wohl spielen hier unterschiedliche Werthaltungen eine bestimmende Rolle. Sie ergeben sich aus der Dif­ferenz des Erlebten, Erfahrenen, nicht weniger des Anerzogenen und Angeeigneten. Und „Lehrer“ sollte man hier nicht wortwörtlich neh­men und denken, daß nämlich be­rechtigte Fragen nur an die Vertreter dieser einen Berufsgruppe gestellt werden könnten. Beulen kann ein jeder sich bei Begegnungen holen. Die Frage ist, wie man diese Beulen loswerden kann ? Man kann nämlich die zitierte Frage auch leicht ab­wandeln : „Wie kann ich Ihnen beibringen, was ich weiß, ohne sein zu müssen, wie Sie sind ? ‘ ‘ Selbstverständlich geht das eine genau so wenig wie das andere. Zu hoffen ist auf eine Langzeit­wirkung. Das scheint der einzige Trost zu sein. Jugendliche, die vor 10 Jahren in Leselagern eine ge­wisse generationsbedingte Begeiste­rung belächelten, gehören heute zu einem aktiven Kern, der sich für die gleichen Werte heute bereits ein­setzt. Nicht für die Erfahrungen der Alten, sondern für die Erhaltung der Nationalitätenspezifik. Es steht fest, worin die besteht. Den Weg zu ihr müssen jedoch die Generationen im­mer selbst bestimmen und gehen. Das Abenteuer, sich auf Genera­tionskonflikte einzulassen, erhält ge­rade auf diese Weise einen Reiz­wert. Auch das jetzt anlaufende neue Jahr wird uns so manche Abenteuer und Konflikte nicht ersparen. Viel­leicht gelingt es in manchen Fällen, Erfahrungen und Wissen so weiter­zureichen, daß dabei auch die skep­tisch fragenden Zuhörer Impulse aufnehmen, die sie später zur schöp­ferischen Mitarbeit motivieren. Béla Szende Verbandsvorstand beriet Langsamer Fortschritt Aus einer Ende Dezember in Buda­pest abgehaltenen Sitzung zog der Vorstand des deutschen Verbandes Bilanz über die Verwirklichung der Beschlüsse des 1983 stattgefundenen 6. Kongresses der Ungarndeutschen. Der Vorstand stellte fest, daß die öffentliche Tätigkeit der Ungarn­­deutschen in den vergangenen drei Jahren zunahm und ihr Nationali­tätenbewußtsein stärker wurde. Die Prinzipien der ungarländischen Na­tionalitätenpolitik wurden in breite­ren Kreisen bekannt, bei ihrer Durch­führung gibt es aber auf den ver­schiedenen Ebenen und bei den Or­ganen, Behörden und Institutionen große Unterschiede. Die Verwirk­lichung der Nationalitätenpolitik ist oft Frage des Engagements, und es herrscht Mange an Kontrolle. Die zur Befriedigung der Nationalitäten­ansprüche nötigen finanziellen, ma­teriellen, personellen und institutio­nellen Voraussetzungen haben sich seit 1983 nicht wesentlich geändert, und auch die Ungarndeutschen ha­ben nicht alles für ihre Nationalität getan. Die Beziehungen des Verbandes, seiner gewählten Körperschaften, des Sekretariats und der Aktivisten zu den verschiedenen Organen, Be­hörden und Institutionen haben sich erweitert und sind regelmäßiger ge­worden. In allen auch von Ungarn­deutschen bewohnten Komitaten sind Nationalitätenausschüsse tätig, deren Arbeit — trotz unterschied­licher Effektivität — wervoll ist. Die Bestrebungen zur Einbezie­hung der Intelligenz und der Jugend in die Nationalitätenarbeit haben nur Teilerfolge gebracht. Von den Intellektuellen übernehmen solche Aufgaben fast ausschließlich nur die Pädagogen. Betreffs der Jugend hält es der Vorstand für wichtig, daß in den auch von Ungarndeutschen be­wohnten Siedlungen in der Arbeit der KISZ-Grundorganisationen der Nationalitätencharakter stärker zur Geltung komme. Der Vorstand stellt fest, daß die heutigen Lehrbücher das Kennenlernen der Vergangen­heit, des politischen, wirtschaftli­chen, kulturellen und geistigen Er­bes der Nationalitäten nicht er­möglichen. Im Muttersprachunterricht ist man viel langsamer als erwünscht vorangekommen. Die personellen Voraussetzungen in Kindergarten und Schule sowie die Umstände der Pädagogenausbildung haben sich kaum verbessert. Auch der zwei­sprachige Unterricht hat die Er­wartungen nur in geringem Maße er­füllt, da weder seine personellen noch die materiellen Voraussetzun­gen geschaffen wurden. Der Vor­stand äußerte Besorgnis darüber, daß mit dem Bau der geplanten zweisprachigen Schulen und Schü­lerheime nicht begonnen wurde und nicht einmal die dazu nötigen Finan­zen eindeutig geklärt sind. Die Pflege und Bereicherung der ungarndeutschen Kultur hat in den vergangenen Jahren einen weiteren Aufschwung erlebt. Die Zahl der Veranstaltungen und ihrer Besucher ist gestiegen und in den einzelnen Gattungen ist auch eine qualitative Entwicklung wahrzunehmen. Die finanzielle Unterstützung der Kul­turgruppe, die Sicherung des Nach­wuchses und neuer Auftrittsmög­lichkeiten wird aber immer schwie­riger. Die Muttersprache kommt noch immer in zu wenig Veranstal­tungen zu ihrem Recht. Der Vorstand behandelte auch den Arbeitsplanentwurf des Ver­bandes für 1987. Den Arbeitsplan veröffentlichen wir, nachdem er auch vom Landesrat diskutiert und ge­billigt wurde. Neues Programm in Kindergärten Freudestrahlende Kindergesichter, eine freundliche Kindergärtnerin — so machen die Beschäftigungen schon Spaß. Denn spielend lernen, dem Stand der Spraehkenntnisse der jeweiligen Kin­dergruppe angepaßte Beschäftigungen sind auch das Grundprinzip des neuen Sprachprogramms, das ab 1. September in den Kindergärten, in denen deutsche Beschäftigungen laufen, eingeführt wurde. Der Entwurf für dieses Programm wurde ab 1981/82 in neun Kindergärten der Baranya getestet. Durch die ver­schiedenen Beschäftigungen in der Mut­tersprache (Gesang-Musik, Märchen-Ge­dichte und Umweltkunde) soll bei den Kindern die Sprechaktivität und -fertig­­keit entwickelt werden und sie gleichzei­tig auf den Muttersprachunterricht in der Schule entsprechend vorbereiten, Das Programm, ein ßahmenplan, der den Kindergärtnerinnen weitgehende indivi­duelle Freiheiten einräumt, enthält drei Kapitel: Das erste behandelt Spielen, Arbeiten und Lernen. Das zweite bringt einen Arbeitsplan für den Tagesablauf, und der dritte Teil ähnelt einer Antholo­gie mit einer Zusammenstellung von Liedern, Reimen, Sprüchen, Märchen und Gedichten und gibt gleichzeitig An­leitung zur Aufarbeitung des Wortschat­zes. (Eine Zusammenstellung über den Muttersprachunterricht auf verschiede­nen Stufen finden Sie auf Seite 3!)

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