Neues Pester Journal, Mai 1877 (Jahrgang 6, nr. 120-149)

1877-05-04 / nr. 123

PRIN­sTJMgauer­"123. Neues Pester Journal,­ ­ viertelj.fl.3.50,monatlich fl.1.20. Freitag, den 4. Mai, assza Abonnement: Ganzi. fl.14, halbj. fl.7. | Das „Neue täglich, auch an Montagen. Bester Journal“ erscheint Redaktion und Administration: Leopoldft. Kirdhenplat Nr. 2. e Ginzeline Nummern 41 Inferate und aufliegendem Carif. Die S­ehrfeife des Bildes. Budapest, 3. Mai. Einen tiefen Schrei bes Unwillend hat das Verhalten Rumäniens gegenüber seinem Suzerän, die Türkei, hervorgerufen. Wenn Rechte und Ver­­träge ganz außer Acht gelassen, wenn Zasallen­­treue so gewillenlos gebrochen wird, wenn der Ber­rath so frei und triumphirend sein Gorgonenhaupt erhebt , dann schwanzen alle­­ Verhältnissse, dann drohen alle Abmachungen, alle Sicherheiten, alle Nadendedungen sich in Schwerter und Spieße und meuchlerische Fallen zu verwandeln. Dieses Gefühl, wie natürlich, berechtigt und wahr, darf jedoch­ unser Urtheil über den Drang der Umstände, unter welchem ich Rumänien befand, nicht beirren. Von Stand­­punkte der bloßen Klugheit ist die Politik Rumä­­niens nicht zu verurtheilen. Die eigenen Unt­ressen hat es mit der Konvention nicht preisgegeben. Nn Gegentheil, es folgte nur seinem Vorteile, wenn es sich in die Arme Rußlands warf. Die Handlungsweise Nınmäniend könnte man als die Detheiligung an einem Spiele mit verhältnißmäßig kleinem Ginfas auf einen hohen Treffer charakterisiren. Der Hohe Treffer it der von Nußland verheißene goldene Reif der staatlichen Selbstständigkeit und Un­­abhängigkeit. Und welches Nisito geht N Rumä­­nien für diesen Preis ein? Hat es zu besor­­gen, daß es Vorrechte oder Land und Leute vers­lieren könnte? Gott bewahre! Nehmen wir die ärgste Wendung für Rumänien "an. Nehmen wir an, daß es den Türken gelingen sollte, die Ruffen aus der Moldau und Walachei zu vertreiben und Bufureft und selbst Jay zu befegen. In diesem äußersten und gewiß nicht sehr wahrscheinlichen Falle wird Rumäniens Wohlstand allerdings mancherlei Einbuße erleiden. Allein weiter geht das Nifitd Numänien­ nit. Sollte die Türkei ihre Siege ausbeuten wollen, sollte sie die rumänischen Borz­rechte beschränken wollen, sollte sie Ansprüche auf Land und Leute erheben, dann wird das gesammte Europa — und Oesterreich = Ungarn wird in dem Konzert nicht fehlen — den Muslim3 in die Arme fallen und dieseiben in ihre Schranken zurückweisen. Das Beispiel und Vorbild Liegt ja vor Augen. Hat nicht Serbien unter dem wichtigsten Vorwande den Krieg gegen die Türkei begonnen? Haben die rus­­sischen Freiwilligen nicht wider alles Bölterrecht an demselben theilgenommen? Mas haben die Ga­­rantiemächte und das benachbarte Oesterreich U­ngarn gegenüber dieser Konflagration gethan? Sie haben mit weiser Mäßigung sie jeder Einmischung ent­­halten. Als dann die Türken Siege auf Siege er­­fochten, die Serben und Nuflen förmlich­ in eben schlugen und der Star plöglich mit einem Ultimatum von Livadia aus Einhalt den Siegern gebot: was thaten da die Mächte? Nun, man muß gestehen, die Regierungsorgane in Oesterreich-Ungarn rafften sich damals auf, aber nur­­ zu gediegenen Abhand­­lungen, inwieweit der Drei Kaiserbund durch­ diessen Vorgang tangirt sei. Eine wirkliche Aktion Europa’3 erfolgte erst, als die Türkei auf Grund ihrer Siege Ansprüche an Serbien zu stellen sich vermaß. Das gaben die Mächte fammt Oesterreichh Ungarn nicht zu. Solchem Ansinnen stemmten sie sich mit Energie entgegen. Ihre eifrigen Bemühungen wurden na­­türlich von Erfolg gekrönt. Serbien verlor seine Handbreit Erde und seinen Schatten seiner Borz­regte. Und Rumänien hat AngesichiS dieses Beiz­spiels wohl gegründete Ursahhe, darauf zu rechnen und zu bauen, daß, fall die siegreichen Türken ihm an den Leib wollten, die Mächte flammt Oesterreich- Ungarn ebenfalls ihre jringende Hand über seine Suveränetät und seinen Territorialbestand aus­streben werden. Kann es Wunder nehmen, daß Rumänien unter solchen Chancen mit Rußland „in die Lande geht"? Hätte es vielleicht auf die Einmischung der Mächte rennen sollen, welche nicht einmal seinen, allerdings kaum ernst gemeinten Hilferuf einer Antwort würdigten? Oder hätte es, wie weiland Nitter Toggenburg, unverwandten Blides nach den dden Suppen der transylvanischen Alpen shhauen sollen, Bis eine Schwenfung der österreichisch­­ungarischen Politik eintreten würde? Dazıı waren doc die Verheißungen Auslands zu verlobend und die mögliche Strafe Nußlands zu gefährlich­. , „Nederhaupt finden wir es natürlich, wenn die türkischen Vasallenstaaten und die Rajah nur auf Rußlande Wort und Verheißung Gewicht legen. Denn wenn man den Gang der Ereignisse auf der Balkanhalbinsel in den Iekten zwei Jahren verfolgt, so nimmt man wahr, daß Rußland nur handelte, daß Rußland nur Opfer brachte, um seine Verheißungen einzulösen. Nußland hat den bosnischen und bulgarischen Aufstand organisirt, hat Montenegro die Mittel und Waffe gegeben, Krieg zu führen, hat Serbien mit Geld und Leuten in dem­ Kampfe unterfrügt, hat dasselbe durch sein Machtgebot vor totaler Niederwerfung bewahrt; Rußland rückt endlich selbst mit gewaltigen Heeresaufgebote gegen die Türkei zu Felde. Die anderen Garantiemächte — Oesterreich-Ungarn nicht­ ausgenommen — haben es allerdings auch nicht an vielfacher Geschäftigkeit fehlen lassen; ihre ganze Diplomatie war fortwährend in Bewegung, ihre Minister, Botschafter, Hofräthe haben mit stupender Weisheit Noten, Entwürfe, Brotofolle abgefaßt, weitgehende Missionen vollbracht und eine Menge ehr feiner und gescjeidter Schadzüge alt geführt. Man kann auch nicht behaupten, daß diese Zhätigkeit den Garantiemächten seine Opfer auf­erlegt hätte; denn es ist bekannt, daß die Herren Diplomaten, sowie ihre Missionen, Noten und Konferenzen den betreffenden Staaten sehr be­­deutende Summen hoften. Dad Malheur war nur, daß Diese Geschäftigkeit und diese Opfer einzig Rußland zugute kamen, daß die diplomatischen Operationen den Heeren Rußlands förmlich den Weg bahnten und überhaupt eine solche Situation schufen, in welcher die Handlungsweise Rumäniens, obschon einen offenbaren Treubruch enthaltend, 009 als ein Gebot der Nothwendigkeit er­­scheinen muß. ·» Freilich haben die meisten Garantiemachte einen guten Vorwand,fern vom Schusse zu blei­­ben.Die Verletzung der Neutralität Rumäniens be­­rührt sie nur indirekt.Sie haben Ursache,den Vor­­tritt an Oesterreich-Ungarn zu überlassem das­ di­­rekt bei der russische Invasion interessirt ist Die russischeneberschreitung der Grenze eines­ Ländchens, das eine neutrale Mauer zwischen Oesterreich-Un­­garn und Russland bilden soll,schädigt zunächst das Ansehen­ Oesterreich-Ungarns u­nd die Machtver­­änderung,welche daraus­ hervorgehen könnte,bedroht zunächst die Stellung Oesterreich-Ungarns.Nun ist es allerdings ein erhebendes Gefühl für die Be­­völkerung,wenn die Regierungsorgane fortwäh­­rend versichern daß das Armeebudget,welches wahr­­lich keine leichte Last für das Reich bildet,die beste Sprachen gefeiert wird.»Hoch Budapest dieser Vorge­schmack des Paradieses!­«ruft Essad Bey mit dem galan­­ten Hintergedanken auf die iht­ umgebenden Houris aus, und leert sein Glas auf einen Zug;die sechste Groß­­macht aus dem Morgenlande zerbricht sich an einem n­och galanteren,aber ungarischen Toafte die Zunge.Feleki, dessen Gattin in einer tüttischen Haube die meiste Propa­­ganda für den nationalen Tanz gemacht,trinkt auf das Glück der türkischen Waffen,worauf der feueräugige Ros­bespierre vom Bosporusstrand wünscht,dieselben mögen so unwiderstehlich sein,wie die ungarischen Frauen;dann ruft jemand»Quadrille!­«und wieder geht es in den Tanzsaal,wo die friedteiligsten Kolonnen von der Welt gebildet werden sollen Die erste Tanzlektion. Original e Feuilleton bes „Neuen Pefter Journal") Budapeft, 3. Mai. Mas die guten Jungen in der Mekteb Arbije (Mil­­itärakademie) und in der Mekteb Sultanije (Galatar Serail) wohl für Augen machen werden, wenn ihnen ihre aus dem Abendlande Heimkehrenden Gefährten von der Nacht erzählen werden. Die dieselben gestern bei den ungarischen Schriftstellern und Künstlern zugebracht, von den türkischen Liedern, die sie daheim nie so schön singen gehört, von den schönen Frauen und Mädchen, die zu Schauen ihnen daheim nie und nimmer vergönnt it und von den sinnverwirrenden Tänzen, in denen sie sich — halb zwang man sie, Halb zog sie!3 Hin — verjus­chen mußten! Wenn es ein seltener Obhrenichmaus sein muß, junge Mädchen zu belauschen, die die frischen Einz drüde der ersten durchtanzten Ballnagt einander zurau­­nen, so müßte es nicht minder interessant sein, Obhren­­­zeuge des Berichtes sein zu können, den die jungen Leute von den südlichen­­ Gestaden ihren Freunden daheim über ihre erste Tanzsektion erstatten werden. Der schüchterne „Prinz von Trapezunt" — derselbe ist zwar sein Prinz, sondern nur Notabler von Trapezunt, doch hat ihn seine erste rehäugige Tänzerin seines prinzlichen Aussehens wegen so benannt — der slüchterne „Prinz von Trape­­sant" wird gewiß über die Ohren erreihen, wenn er der douce violence Erwähnung thun wird, die seine Lehrmei­­sterin angewendet, um seinen Widerstand zu besiegen und wir würden ihm,­­ beriefe er sich auf uns,­­ das Zeugniß ausstellen müssen, daß er den füßesten Worten und den Flehendsten Bliden Ohr und Aug so lange verschloß, als man eben so fühen Worten und so flehenden Blicden widerstehen kann. Und den rechten Rest von Widerstand besiegten die Fleinen behandschuhten Hände, die ihn nicht mehr losfießen und plöglich, ehe er sich dessen versehen, stand er­­chon inmitten der Tanzenden und ob er nun­ wollte oder nicht, bewegten sich seine Fühe nach den tol­­len Cimbaltönen, die in der Luft herumtanzten und ende­lich legte sich seine Hand um die Hüfte der unerbittlichen Tänzerin, mit der er sich drehen mußte im Schwindel er­­regenden Wirbel. Dann aber machte er seine Hände frei und wilchte sich mit dem Taschentuche den Angstsehweiß von der glänzenden Stirne. Aber schon hatte ein anderes Mädchen seine Hand gefaßt und fort geht es in den Strudel hinein, aus dem ihn nur der Cymbalist befreien kann, der es endlich genug sein Läßt des freventlichen Spieles. Der eine Trost ist dem ersten Adepten der Tanzkunst geblieben, er hat alle seine Landsleute zu Mitschuldigen. Alle haben sie die erste „Aufforderung zum Tanze“ mit dem energischerten „Mafallah’3" (Gott bewahre) zurückgemiesen, aber der rothe Wein und die rothen Lippen, der süße Champagner (derselbe war, im Vertrauen gejagt, Hö­llifch íollegt) und die süßen Blice, das folgredhe Beispiel, das Türr Pascha gegeben, der sich mit Frau Soldos im Kreise ges­chwun­­gen: bei des Propheten Bart, ich weiß nicht, ob der Schik selbst solchen Lodungen nit zum Opfer gefallen wäre, hätte ihn jammt seinen bejahrteren Begleitern ein grausames Geschied nicht fon vor Mitternacht diese Lodun­­gen fliehen geheißen. Mehemed Terftt Effendi, der Stam­­buler Journalist, könnte sogar um einen mildernden Um­­stand mehr in’s Treffen führen ; ihn hatten arabische Laute aus purpurnem Frauenmunde zu dem Wagniß verleitet ; eine schöne Juristenfrau, die von einer weitgereisten Freun­­din die Anfangsgründe der stolzklingenden semitischen Sprache erlernt, hatte ihm ein einschmeichelndes „Salem Ab­ifum“ zugeflüstert und endlich muß ja auch ein Türke galant sein ! Die erste schweißtreibende Tanzlektion ist vorüber und im Triumphe marsch­en Decident und Orient Arm in Arm zum Buffet, wo die kulturelle Bedeutung des eben stattgehabten Ereignisses in einem halben Duten. Man stelle sich nur eine Quadrille vor,in der sechs Tänzer keine Ahnung von ihren eventuellen Agenden haben und man wird die schriftliche Geduld des Armageuts und der Tänzerinen würdigen können.Der«Prinz von Trapezunt« ist auch Anfangs nicht zu bewegen,m­itzuthun;endlich gibt er nach, aber unter einer Bedingung, deren, Allah weiß es, unbeabsichtigter Doppelsinn seiner kleinen blonden Tyrant nun das Blut in die Wangen treibt ; er sagt nämlich nichts alö: „Eh bien, si vous voulez étre ma maitresse...” Bafi Bey versucht es, seine Tänzerin von der Ungerechtigkeit ihres Ansinnens zu überzeugen. „Aber, wenn ich Gie verz­eichere, daß ich Schon seit zwanzig Jahren seine Tour getanzt habe." Der Schalf hat nämlich nicht mehr als zwei Dezent nien hinter sich. Ein Dritter murmelt was von Kismet zwischen den Zähnen, das hier eine verzweifelte Aehnlichkeit mit dem V­erhängniß der „Schönen Helene“ hat und der Journalist wälzt rund alle Verantwortlichkeit von fid­­ad, indem er mit der Resignation des Yatalisten sein „Seid Allah" sagt, was so viel heißt, ala: „Wenn es Allah je haben will, mir kann es recht rein !” Kurz und gut, die Quadrille wurde zu Ende ge­­­tanzt und selbstverständlich gab es in derselben nicht mehr Bien ? Seiten Beilane, enthaltend die Noman-Zeitung, sowie das „herter­ und Vergnügungsbrett.”­­­­­­

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