Neues Pester Journal, Mai 1878 (Jahrgang 7, nr. 120-150)

1878-05-01 / nr. 120

nn RB SL Tann: m EDEN TER 12T DEE CH TERN KE GERIET SEEN WEITEN Boonmenents Ganzi: fl. 14, Halbj. fl.7, viertefj. fl. 3.50, monatlich fl.. 1.20. — Das „Neue Bester Journal“ erse täglich, aich an Montagen: eine­ ­ jtevattton und Adminiftration: Leopoldit. KRirhenplak Nr. 2. v | Einzelne Nummernd ir Inferate und aufliegendem Carif. Die Bariser W­eltausstellung. Budapest, 30. April. Drei Jahre lang sind­ die Berge und Schluch­­ten der Herzegowina, die Wälder und­ Flußthäler Bosniens von dem Kampfe durchtobt, welcher der friedliebenden Bevölkerung und der türkischen­ Ne­­gierung durch die von Rußland besoldeten Mörder­ handen aufgezwungen worden. Zwei Jahre­ hindurch hat der offene Krieg gewütdet, welcher zunächst zur Züchtigung der­ serbischen Frechheit, dann zur Nie­­derwerfung Montenegro’s zu einer Kette von Trium­­phen der osmanischen Landwehren in Europa und Asien gegen die­ mostomwitischen Bedränger führte, bis im legten Winter der türkische Heldenmuth un­­ter der Wucht der russischen Uebermacht zusammen­­brach. Der Friede wurde geschlossen, doch der Krieg ruht nur auf zu neuen, größeren Verheerungen, und bald wird er seine Brandfadel auf halb Europa und bis hinüber in die Steppenkhanate Mittelasiens und an den Fuß des Hindufusch schleudern. Rußland organisirt den scheußlichsten und grausamsten Raub, den Seeraub, und alle Meere sind bereit, reiche Menschenbeute­­ zu verschlingen. Selbst im jegigen Augenblicke, in der Raufe zwi­­schen zwei Akten des gigantischen M­orgens, färbt der kleine Krieg, zu welchem die Bewohner der Rhodope durch namenlose Schandt­aten der Nuffen und Bulgaren­ getrieben wurden. Die zum ägäischen Meere eilenden Gewässer mit Blut. Seit drei Jah­­ren bringt Woche um Woche, "Tag für Tag zu unseremÖhre die Kunde von Gräueln und Scheuß­­lichkeiten, wie wir sie, schaudernd, in mittelalterl­­ichen Chroniken kaum so entseglich gelesen haben, Und inmitten dieser Jahre voll unsäglichsten Sam­­mers und Elend, in den Triumphtagen der bru­­talen Gewalt und Bestialität wird im­­ Westen des Erdtheiles ein Fest des Friedens gefeiert, ein­el­ zu Ehren menschlicher Erfindungsgabe und mühseli­­gen Fleißes! Dem bluttrunkenen Mordstahle Ruß­­lands gegenüber steht­ der nicht minder scharfe Stahl, der nicht die Vertheidiger ihres Vaterlandes, nicht hilflose Greife, jammernde Weiber, zarte Kinder schlachtet, sondern den Gröborden vieltausendfach verlegt, um ihm, alljährlich neues Leben, neuen Segen zu entladen. Dort im Osten Brand und Rauch der in Arche sinkenden Städte und Dörfer, und an der Seine das reine Licht der Bildung und Gesittung. Der vernichtenden Kraft gegenüber­ die schaffende, im OOsten die Nacht und im Westen der Tag! Niemals ist der Glanz eines Bildes durch eine jordunale Folie gehoben worden, wie es die Pracht der morgen zu eröffnenden Pariser Weltausstellung durch die russischen Raubzüge wird. Niemals it die Lüge, mit welcher Voltaire für die ihm von der buhlerischen Katharina gethenkten Belze dankte: „Dom. Offen kommt das Licht“ — niemals ist­ sie derart, offenbar geworden, wie jeßt, da auf dem Marsfelde und dem Trocadero sich die Pforten der Arena öffnen, in welcher die Völker um den Sieg auf dem­ Felde der Industrie und der Kunst und tausendfältiger Geistesbestrebungen ringen , die alle in dem einen Biele, dem­ Wohle der Menschheit, zusammenlaufen. Die Fahnen, welche in Paris ent­­rollt­ werden, sind nicht mit Blut und Roth ber­uprigt ; die Oloden, welche an der Seine erklingen, läuten nicht Sturm, sondern Frieden ; die Opfer, die in Frankreichs Hauptstadt gebracht werden, sind nicht dem Moloch, sondern dem Frieden geweiht. Heute darf nicht, wie im­­Beginne des Jahrhun­­derts, da gleichfalls ein Eroberer über die Leichen von­­ Wölfern und Ländern dahin ras’te, der Dichter vergeblich fragen: —­— Mo öffnet sich dem Frieden, Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort ? Sie haben vor dem mostomwitischen Wirge­­engel ein Asyl gefunden in jenem Lande, über welches vor sieben Jahren die Fluth der Invasion sich hingemwälzt hatte bis zur normannischen Küste. Und das ist es, was der Pariser Weltaus­­stellung ihre­ weltgeschichtliche Bedeutung gibt, daß sie ein­­ hunderttausendfältiger Protest ist gegen die von Rußland geübte, von Deutschland bejechtigte Mordpolitik; Daß sie der erlogenen Größe der Schlachtensieger das Beispiel wahrer Menschenhoheit entgegen stellt. Biel it über Werth oder Unwerth internationaler Ausstellungen "gestritten worden , namentlich die Wiener Weltausstellung, die umfang­­reichste und glänzendste von allen, hat Anlaß zu wahrer Berjefferwuth, gegen die Weltfeste der In­­dustrie gegeben. Persönliche Rancune, welche alle patriotischen Noüdsichten vergaß, überspannte und darum enttäuschte Geldfiperulation, Neid des Aus­­landes. Alles vereinigte sich zu Hämischer Verun­­glimpfung des glorreichen Wertes. Die Defizit- Gulden wurden zum Anlaß von Standalen ge­­nommen wenige Jahre, „nachdem Milliarden und aber Milliarden in­ der deutsch-französischen Maffen­schlächterei vergeudet waren, und wenige Jahre vor der Vergeudung gleich Eolossale Summen in den panslavistischen Raubzügen. As ob alles Gold der Erde den unermeßbaren Gewinn aufzumwiegen ver­­möchte, welcher aus der Erweiterung des geistigen Gesichtstreifes der Hunderttausende und aus der­­ unberechenbaren Summe der Belehrung hervorge­­gangen, die duch Journalberichte Durch das ganze Erdenmund getragen wurde! Welche Fülle des Wis­­sens, welcher Neichthum der Erkenntniß wird fir die den Ausstellungen gewidmeten Millionen er fauft — gegenüber der Unermeßlichkeit des Um­glücks und des Elends, mit welchen sich die den Kriegsbudgets gewidmeten Milliarden verzinse Und die, gemäß­ der streng­ logischen Denkweise der Franzosen systematisch geordnete Pariser Aus­­stellung wird dem Zweckk der Belehrung in nah weit höherem Grade entsprechen, als es ihre Borz­gängerinen gethan haben. Sie wird­ ein in Niefene­lettern gedrucktes Lehrbuch über die Fortschritte menschlicher Thätigkeit auf fast allen Gebieten sein. Doch diese Bedeutung tritt für den gegenwärtigen Moment zurück hinter die politische, "·sz Freilich,soweit die Pariser Ausstellung po­­litische Bedeutung hat-war sie anders gedacht,a­ss­— sie geworden ist.Ueber die Tendenz,welche,wenig­steng seitens Gottschakoss’g und Bigmarck­’s,’deM­­» Drei-Kaiser-Blinde zugedacht war,konnten sich so zur’ Zeit,da die Einladungsschreiben versandt wurden,— die leitenden Kreise Fran­kreichs«nicht mehr täu.­­fcheit,aber diese Kreise bettelten um die Gunstj« des Czaren,in welchem sie,die Verblen­deten,erne1ts künftigen Alliirten für den Rachezug wider Deutsch-» land zu gewinnen hofften.Die Ausstellung stelltej, ein eklatanter Veweig für die Abwendung vo­n de­­r Politik Europa’s,ein Akt der politischen Entlalsung, ein am Rußland gegebenes Pfand dafür sein, daß die Politik des Krimkrieges­ so nicht wiederholen werde. Es ist anders gekommen. Frankreich hat das Joch der monarchischen Verschwörer und zugleich den großen Irrthum seiner internationalen Be­strebungen abgeschüttelt. Es hat sich selbst und den­ rechten Weg wieder gefunden. Indem es in fit inniger werdende Beziehungen zu England trat, reihte es sich den Bek­ämpfern für die Freiheit des Welttheils an. Kaum sieben Jahre, sind verflossen, da es von Millionen und über Millionen mit Betr­achtung oder achselzudendem Mitleid angesehen wurde. ME Die heutige Nummer umfent wollt Seiten. U Drei Tage vor der Eröffnung. (Original » Feuilleton des „‚Neien Pester Sornal“,) Baris, 27. April. Wenn Pünktlichkeit die Höflichkeit Der Könige ist, To­lt sie gewiß nicht die der Ausstellungen. Mit Aus­­nahme der großen Londoner­­ Exhibition vom Jahre 1862 war noch seine am Tage ihrer Eröffnung fertig. Die Pariser Weltausstellung vom Jahre 1867, die am 1. April feierlich eröffnet wurde, mußte dann wieder erchlossen werden, da man sie in ihrer halben Nacht­ bei­ den Bliden des Bublitums nicht preisgeben konnte. In Wien fand 1873 Die Eröffnungsfeier mitten im Chaos der noch völlig verwilderten Rotunde statt und der erste Rundgang . Der Erzherzoge und fremden Fürsten führte allenthalben zwischen Pyramiden von zugenagelten Kisten und vernähten Südleinwand-Ballen hindurch. Die Ausstellung­ von Philadelphia ahmte in der bequemen Lästigkeit, mit der sie­ ihre Toilette be­­endete, ihre europäischen V­orgängerinen getreulich nach und in Paris wird man sich von der nun schon ab­er­ geheiligten Tradition an nicht lossagen. Die Eröffnung der Exposition wird am 1. Mai stattfinden. Daran ist nicht zu zweifeln. Das Negierungsdeb­et, welches die­ Selbe anordnet, ist erschienen, das ziemlich nüchterne Zeremonies festgestellt, die Einladungen sind versendet, öffentliche Belustigungen und Illuminationen vor­bereitet. Allen in welchem­ Zustande wird die Er­­öffnungsfeier die Ausstellung überraschen? Man kann si diese Frage leicht beantworten, wenn­ man heute. Drei Tage vor dem fatalen Datum, einen Rundgang über das Marsfeld und den Trocadero unternimmt. Der erste Eindruck, den wir erhalten, wenn wir uns vom Innern der Stadt her dem Marsfelde nähern, ist ein recht unbehaglicher. Die mit der östlichen Langseite des Industriepalastes gleichlaufende Straße gleicht einer grundlosen niederungarischen Chaussee nach vierzehntägigem Herbstregenwetter. In ihren tiefausgefahrenen Geleiten rollen ächzend und langsam schwere Laftiwagen entlang, bald im fußtiefen weißen Schlamme stehen bleibend, bald durch die ver­­einigte Anstrengung von vier riesenhaften normänni­­­gen Stoffen flott gemacht; mattes Geschrei und vagst Der­ig und betäubendes Peitschenge­­nalle erfüllt die Luft. Von allen Sesten kommen hochbeladene Zuhrwerfe herangefahren, welche theils in das eingehegte Ausstellungsgebiet eindringen, theils an den verschiedenen Haupt- und Nebenpforten ihrer Fracht von Kisten, Balken, Brettern und Steinen ent­­ledigt werden. Häufig gerathen die Lastwagen mit Achsen und Rädern ineinander und Dolanıı entsteht ein heilloses Geschrei und Getümmel, das oft viertel­­stundenlang währt und den ganzen Verkehr bis weit in die Zufuhrstraßen hinein ins Stoden bringt. Zwischen den Masfen von Lastwagen bewegen sich polternd und stöhnend mächtige Dampfmasch­inen auf und nieder, welche den neugelegten Schotter des Straßendamms mit infernalischem Gem­irshe zermal­­men und glatt rollen. Die hölzerne Einfriedung des Ausstellungsplages entlang endlich wird ein breiter Asphalt-Gehsteig bereitet und aus zahlreichen Kesseln, in welchen die schwarze, zähflüssige Masse des Erd» peda brodelt, strömen erfü­dende Dämpfe, welche über das ganze Bild eine übelriechende, schwere Wolfen­ dede breiten. Nachdem unser Gesichts­, Gehörs- und Geruchs­­sinn diese Probe bestanden haben, können wir, Die Beinkleider hoch aufgeschlagen, in den Zauberpalast ein­­dringen, Den ein mürrischer Sergeant de Bille an jedem Zug ange­hütet. Wir haben übrigens, ehe wir in’­ Innere gelangen, noch verschiedene Kot­laden und Tümpel zu passiren, von denen die einen mit einem Soje hingelegten Brette überbrüht sind, das unter un­­serem Schritte schnappt, während wir Die anderen muthig in einer seichten Zurth burchwaten. An der französischen Maschinenhalle, die wir zunächst betreten, sieht es im höchsten Grade unhold aus. Eine gute Hälfte der Maschinen ist wo­cit aufgestell, auch an denen, die bereits zusammengefügt sind, wird noch ges hämmert und genietet, die fette Hand it noch nirgends angelegt. In den französischen Industriegelerien sind die Dinge schon etwas weiter vorgeschritten und wenn man sich von den vielen Aufschriften: „Hier geht man nicht doch !" „Eintritt verboten!” u. f. w. nit irre machen läßt, so fonn man sich bereit ein ganz hart ale Bild von diesem Theile des In­dustriepalas­tes holen. BR Die französishen Galerien sind von den Aus­stellern in eine lange Reihe kleiner Gemächer zerlegt worden, von denen jedes einzelne blos zusammengehö­­rige Gegenstände enthält. Dieses System der Instal­­lation hat seine Bar- und Nachtheile. E3 gestattet eine­ hübschere, harmonischere Dekoration und erleichtert die­ eingehende Betrachtung der ausgestellten Objekte, alseim andererseits ainterbrächt e2 die weiten Durchsichten, welche Die ganze, grabartige Perspektive der 645 Me­­­er langen Galerien beherrschen könnten und prägt den mächtigen Räumen einen Charakter drühender Klein­­lichkeit auf. In den ausländischen Galerien wurde größtentheil ein anderes Spastallationssystem ange­­nommen. Die gerade Entwicklung der Langi­iffe ist nicht durc Dhermwände unterbrochen.­­ Die ganze Halle bildet einen einzigen Raum, in welchem die Schränke mit den Ausstellungsgegenständen gruppirt sind. Hier hat man einen freien, weiten, viel umfassenden Aus­­blick, man findet sich mit großer Leichtigkeit zurecht, allein die Fülle der verschiedenartigen Dinge, die fi zugleich in unseren Gesichtspreis drängen, zerstreuen unsere Aufmerksamkeit und machen ein methodisches­­ Befragten schwierig. Auch font unterfeiden fi die französischen _ _

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