Oedenburger Zeitung, Mai 1921 (Jahrgang 53, nr. 98-120)
1921-05-04 / nr. 100
Be Seite 2. Mt. 100. Für die Inder sorgten. SB. Budapest, 3. Mai. Unter Teilnahme der wirtschaftlichen Ressort -Ministerhatgeistern eine Beratung über die neue Getreideverordnung stattgefunden, wobei nur prinzipielle Beschlüsse gefakt wurden, da die endgültige Entscheidung erst in dem am Freitag zusammentretenden Ministerrate fallen wi, Es ist schon jet bekannt und Ernährungsminister Johann Mayer bestästigt es, daß ein neuer Versorgungss fataster aufgestellt werden soll. Al jene, die aus ihren Einkünften oder Erträgnissen sich selbst viel Getreidemenge beschaffen können, den in die Liste der Unversorgten nicht aufgenommen. Die Negierung wird Darauf bedacht sein, daß ein großer Teil der industriellen Arbeiter, namentlich in den Städt sein in die Liste der Unversorgten aufgenommen werde, wie auch die Staatsbeamten in der Lite bleiben werden. Bezüglich der Privatangestellten wurde noch kein Beschlueß gefaßt .Joshann Mayer wird im Lsau«fch des heutigen Tages mit den Vertretern des Landes = Agrikulturvereines „OmEe“ in Verbindung treten, um sich zu untertreten, ob während” der Uebergangs= ·periode landwirtschaftliche Produkte für die allgemeine Versorgung eingeschafft werden künnen. Aderbauminister Szabo (Nagyatad) teilte mit, daß ji der Preis des ungarischen Getreides den der Weltparität nähere und daß die Beschaffung des erforderlichen Mehrquantums für Die er nicht zu schwer fallen werde. » erforderliche | wert:] : ” ihen Ungarn und Amerie. 03 (Draptbericht der „Oedenburger Zeitung“) NB. Paris, 3. Mai. „New York Herald“ veröffentlicht den Wortlaut der vom amerikanischen Senat angenommenen Refelktion Rave. Sie besteht aus vier Punkten. Die ersten drei behandeln die Wiederherstellung des Friedenszustandes mit Deutschland, während der vierte Punkt besagt, daß die Erklärung des Kongresses vom 7. Dezember 1917, durch die zwischen den Vereinigten Staaten und dem ehemaligen Oesterreich- Ungarn der Kriegszustand eingeleitet wurde, außer Kraft gelegt wird, daß somit der Kriegszustand beendet ist und die Verhandlungen mit den Nachfolgestaaten zur Herstellung freundschaftlicher Beziehungen und zur Wiederaufnahme des Handels zwischen den Bereinigten Staaten und den Regierungen und Völkern Desterreichs und Ungarns einzuleiten seien, ab Einet Einladung Frankreichs. »NB.Wien,3.Mai.Die französische Regierungsrat anOesfterri ercichte Grnladrings gerichtet,nach PIanig Vertreter zur Besprechung übers die KohlenversorigungiOeste rreichg·zu entsenden. Ministerialrat AloE begibt ihmfolgedessen heute nach Paris. Ablieferung von Waffen in Oesterreich. (Stachtbericht der „Debenburger Zeitung”.) SB. Wien, 3. Mai. Eine Pundmachung der Kommission zur Uedernahme der Waffen fordert die Ablieferung bon desige innerhalb vier Wochen. Kriegswaffen und Munition im Privat: Ein Ausstand der Seeleute in Gicht! (Brabiberrät der „Dedenburger Rettung”, SB. Washington, 3. Mai. Die Verhandlungen der Seebehörden mit den Reedern und dem seefahrenden Personal über eine 15prozentige Herablegung der Löhne haben zu seinem Ergebnis geführt. Der Ausstand scheint unabwendbar. Abonnieren Sie die dedenburger Zeitung! - - Enne St ” 2 EN > x SIE En SE EEE Dedenburger Zeitung Mittwoch, 4. Mai 1921. Jahrmarktsfreuden. Seinerzeit war der Oedenburger Jahrmarkt streng geschäftlich. Für Gaufeleien war die Pfarrtwiese da. Heute machen sich Die Mrtiften” — wie sie sich nırt Vorliebe bezeichnen — auch auf der Grabenrunde schon breit. Es ist für unsere Zeit bezeichnend, daß es sich durchwegs um Wahrsager handelt Da steht ein älterer Manır, dem auf den ersten Blied anzuziehen ist, dab er niemals an Ueberanstrengung sterben wird, neben einem Tilche. Am Tilhe ist ein Schwarzer Kasten mit einigen Messingflügelschrauben aufgestelt. Der Befiger dieser Herrlichkeit ruft in die Welt hinaus, daß er im Besiße des achten Weltwunders ist: Nur vier Kronen kostet ein Bli in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft! (M Wahrlich ein Spottpreis!) Noch dazu kann jeder frei wählen, ob er diese Geheimnisse deutsch oder ungarisch erfahren will Der gute Mann schrieft die Kehle Heiler. Alle Marktschreiertrice blieben vergebens. Nicht als ob er zu wenig Zuschauern gehabt hätte Im Gegenteil! Ch war de Wolff über genuug da. Und dennoch wollte niemand anbeißen. Den Grund hierzu erfuhren wir von zwei Naiven, die unweit bonung .aufgestelt waren: „Ich schaum’ mi’ vor d’ Leni! Auch ein ganz moderner Standpunkt. Man darf dumm, abergläubisch, unverschämt, ja sogar unehrlich sein — Er sollen die Seite nichts davon bemerken. Da plöglich tritt ein besonders beherztes Mädchen mit verträumten Augen vor und legt die verlangten vier Kronen hin. Sie darf man an einer Messingschraube drehen und der geheimnisvolle Marktschreier changiert einen eng beschriebenen Zettel hervor. Die Maid ist überglückld. Ihr Beispiel ist anstehend. ALS, echte Nacrontmen ihrer geheimnisvollen Urwaldbrahnen im Sinne der Lehre Darwins, drängen sich nun alle Umstehenden ebenfalls an den ie. Da eine den Diät gefunden hat, sich nicht zu schämen, schämen sich die anderen, auch nicht mehr Müde der Mann mit der heiter geschrieenen Kehle lächelt, befriedigt in Vorahnung des Fühlen Naifes, das ihm seine grünen Zettel für heute sicherzustellen scheinen. „Großes Weltwunder, bitte! Noch niemals das gewesen! . . .“ , " "I Der 4. Mai (Mittwoch). Katholiken: Monika, Florian; Protestanten : Florian. — Gedenktage: 1521 Luther wird auf Veranlassung Friedrichs des Weisen auf die Wartburg gebracht. — 1814 Ankunft Napoleon auf der Insel Elba. — 1915 Italien kündigt den Dreibandvertrag mit Oesterreich-Ungarn. — Sonnenaufgang 4 Uhr 39 Min, Untergang 7 Uhr 15 Min. — Mondaufgang 2 Uhr 55 Min. nachts, Untergang: 3 Uhr 36 Min. nachmittags. Das Fest der goldenen Hochzeit beging Sonntag den 1. Mai i. S. der hiesige angesehene und beliebte Mersmeister Stedvrich Schachinger, der seit dem Jahre 1873 im Dienste der Ziegelei August Friedrich und Trink, Nachfolger Leopol Hader d. Z., steht. Mit seiner Frau, geborenen Marie Strauß, nahm der Jubilar der vier Söhne, zwei Töchter und 17 Entelfinder hat — gerührt Die unzähligen Beweise der Liebe, Verehrung und Anhänglichkeit entgegen, die ihm von allen Seiten in der Form von Glühwünschen und Telegrammen überreichlich zusamen. Dr.Schindler von der Präsidentschaft des hiesigen»Kansz«—zurückgetreten In der gestrssohen Direktion gL Irtzrung des»Kanß«erklärte Vizebürgiermeister Dr. Andreas Schindler als Obmann der Oedenburger Gruppe des „Rang“, da er mit Rücksicht auf seine anderweitige Arbeitsüberbürdung, sein Amt niederlege.. Sein N Rücktritt, der großes Aufsehen erregte und eine Neue konjtituierung des Direftorialausihujies zur Folge haben wird, erfolgte im Zusammenhange mit der seinerzeitigen Stellungnahme des „Rank“-Ausschuses gegen den Presseboykott. Die Direktion der Groproner Sparkaffa _ veritändigt da3 BB. €. Publikum, daß Die neuen Aktien bereits fertig sind und bei dem Institut übernommen werden sönnen. Von der Oedenburger Hauptagentschaft der BVersicherungsgesellschaft „Hungaria“ erhalten wir die Nachricht, daß der bisherige Sekretär Herr Michael Lipinsty mit heutigem Tage — über eigenes Verlangen — aus dem Verbande der Gesellsschaft ausgetreten ist. Pfeifentabal für die Mitglieder des Oedenburger landwirtschaftlichen Vereines. Der Verein erhielt einen größeren Posten Pfeifentabal, der am die Mitglieder zur Verteilung gelangt.‘ Gegen Verweisung der Mitgliedsfarte erhält ein jeder 20 Pädchen Pfeitentabaf. Unser Laubfrosch über das Wetter. ‚Seit dem legten Bericht, der auf veränderliche3 Wetter lautete, Hat sich die Wetterlage leider verschlechtert. Der Barometer zeigte gestern abends nıte mehr 753 (733) ",,. Der Wirtschaftsbürger hat des Hegens über genug, mehr wäre auch für ihn boi großem Schaden. Von jenen, die in Kellerwohnungen oder gar in Häusern mit eingestürzten Dachstühlen wohnen, ist die schlechte Witterungsaussicht eine Katastrophe gleichbedeutend mit dem sieben ägyptischen Strafen. C3* ist vorderhand gar feine andere Aussicht, als auf doch mehr „Regen im Zimmer.“ — Mittagsbericht: Luftbruck 750 (730) ”,, Temperatur 14 °, Taupunkt 8 °. Brognose: noch feine Aussicht, auf wesentliche Besseiung! Außerordentliche Teuerungsbeiträge fallen laut einer im heutigen Amtsblatte verlautbarten Verordnung des Finanzministers nicht unter die Grwerbefteuer A. Klaffe. Die Geldmisere. Seit einiger Zeit haben wir in unserem öffentlichen Leben einen geradezu amerikanisch anmutenden Zug. In Amerika gibt es bekanntlich stets eine Unmenge von falschem Gelde. Wer nicht sehr auf feiner Hut ist, Hat Binnen 24 Stunden lauter falssches Geld bei fi. Ganz ähnlich ergeht es am Jahrmarkte. Mit Nachsicht auf die fonfundierenden Verordnungen über Austausch der „ber>dächtigen“ und „Nichtaustausch“ der wahrhaft falsch gestempelten Noten ist jeder Händler ein wahrer „Stempelspezialist“ geworden. Leder ist im Befige eines geheimen Meerfinales für falssche Abstempelung. „&3 dreht ich einem das Hirn im Kopfe, wenn man den Leuten zuhört. Das Schönste dabei ist, daß gerade die echten Abstempelungen, die infolge der geringen Präzistion ,beim Abstempelungsverfahren, nicht immer ganz genau auf den Millimeter richtig angebracht erscheinen, am dreiste angezweifelt werden. Gigentlieft diried bei gewissen Noten, besonders bei den 59. Fronen-Steinen, gar nicht zu verwundern, denn die „echt” Gestempelten tragen die Marke bald oben am Rande, bald in der Mitte, bald unten. Es wäre recht zu münschen, daß Diese Kalamität bald ein Ende finde. Gänzlich überflüssig! Für den Ton, den sich unsere Wachleute angewöhnen, ist folgender Vorfall außerordentlich bezeichnend. Am Samstag passierten zwei junge Männer die P.Müller-Ede, wo eben der Wachmann Nr. 69 über die öffentliche Ordnung, wachte. Der eine der beiden Leute führte ein Fahrrad an der Senfstange und zwar noch am Rande de Tußsteiges. Dies ist gewiß nicht Sitte und der Wachmann tat nur seine Pflicht, indem er verlangte, dad Nach müsse vom Gehsteig entfernt werden. Der Anordnung wurde auch sofort Folge geleistet. Nun bleibt es unverständlich, warum der Wachmann noch hinzufügen mußte: „Kanäsz!“ (Schweinehirt). Uns scheint dieser Nacjag jedenfalls gänzlich überflüssig: Nachdrud verboten. Fin « Buchengrund. . Originalromanvons.Turms-Mahlen (45, Fortjegung.) . gen, der die Schwestern abholen sollte. Frau von Hohenegg hatte den Wazur Bahn geshikt. Dann hatte sie Tod dann rufen lassen. Nun stand er in ehrerbietiger Haltung vor seiner Gebieterin. — ° Stan Laura stehte in ihrem unschönen, prastischen Neuanzug. Sie saß in einem der hohen Lederstühle in der Halle. Hut und Reitpeitische lagen neben ihr. Sie stüßte Die Arme auf die Seitenlehnen des Sessels und Hatte die Hände verschlungen. Diese Hände pakten so gar nicht zu dem sorstigen Weißemerfwürdig glatt schlanfer Form. Sie waren noch und von schöner. Zwar waren sie nicht mit der wichtigen Sorgfalt „mantfort“, wie eine Modedame, es für nötig hält, aber sie waren da gut gepflegt und kontrastierten in ihrer Reinheit seltsam mit der derben, unterseßten Gestalt dieser seltsamen Frau. Diese Hände waren die einzige Schönheit Frau Lauras, aber sie war ich dessen, nicht bewußt "und hatte niemals Wert Darauf gelegt. Manche Menschen beurteilen den Chazen der alten Dame. Händen derselben. Davon wahte Frau Laura nichts. Aber sicher hätte die Form dieser Frauenhand auf einen edlen Charakter schliegen lassen, wenn ich jemand die Mühe gegeben hätte, ein Urteil darüber abzugeben. Frau Laura sah Johann scharf an.Also, Johann, wie ich Ihnen fon sagte, erwarte ich Besuch. Der Wagen ist bereits zum Bahnhof. Die beiden Damen, meine Nichten, heißen Fräulein Lutta Yallner und Frau von Haller. Die Iektore bringt ihr Kind mit. Für die Dauer des Aufenthaltes der Damen soll Stina als Kindermädchen und zur persönlichen Bedienung sich den Damen zur Verfügung stellen. Ich muk jet aufs Feld hinaus. Sie empfangen die Damen und führen sie in die für sie bestimmten Zimmer im Westflügel.“ „Sehr wohl, gnädige Frau.“ „Ih wünsche, daß die Damen aufmerksam bedient werden und Doak, auf all ihre Wünsche eingegangen wird, so weit Sie in den Rahmen des Hauses rasjen. Verstehen Sie, Johann?“ „Sehr wohl, gnädige Frau.“ „Out. Die Mahlzeiten werden in dem Zimmer, das neben den Räumen liegt, die in den Damen zum Mohnen und Schlafen bestimmt habe, serviert. Sie brauchen dann nicht mit dem Kind durch das Haus laufen, sie haben alles zafter einer Persönlichkeit nach, den bequem beieinander. Und ich werde nit gestört — ich mag kein Kinder: geschrei hören, Johann.“ „Es so alles genau befolgt werden, gnädige ran.“ „Schön, ich verrafe mich auf Sie. Und noch eins — schließen sie die Tür im Westturm auf. Diese Tür liegt den Damen bequem, wenn sie in den Park und den Garten gehen wollen. GLageıt Sie den Damen, daß diese Tür von abends zehn Uhr bis früh sieben Uhr verjehloffen bleibt und die ganze übrige Zeit für sie offen ist. Ich will meinem Besuch nit zu jeder Tageszeit begegnen, deshalb soll er nicht den Haupteingang dur die Halle bewußen. Sie merfen da genau auf alles, was ich Ihnen sage, Johann?“ „Dem wiß, gnädige Frau.“ „Die Damen sollen viel frische Mil und Sahne, Eier und stärfende Meine bekommen, da sie erholungsbedürftig snd. Au soll auf dem Eichenzettel in diesem Sinne Aufmerksamkeit verwendet werden. Mit der Köchin Habe ich bereits NRüdsprache genommen. Ich hoffe, daß wir in den stillen Jahren in Hohenegg nicht ganz verlernt Haben, was Gastfreundschaft heißt. Sagen Sie den Damen, ich hätet geschäftlich draußen zu tun und füge meist sehr müde nach Hause. Ich würde ihnen jagen lassen, wenn ich sie sprechen will.“ „Ic werde alles befreien gnädige Frau.“ Die alte Dame zögerte eine Weile, dann fuhr sie fort: „Sie rennen mich ja nun eine Reihe von Sahren, Sohann. Ich glaube, Sie rennen mich viel besser, als andere Menschen; Sie werden sich schon manchmal über mich gewundert haben .“ „Verzeihung, wenn ich es wage, gnädige Frau zu unterbrechen. Nicht gewundert habe ich mich über meine gütige Herrin — ich habe sie nur bewundert, seit ich Die Ehre habe, Das Vertrauen meiner Herrin zu genießen. Das wollte ich nur sagen“, erwiderte der alte Mann mit vor Bewegung zitternder Stimme. Frau Laura sah ihn eine Weile mit einem stillen Bli in die Augen. „Guter, alter Johann, ich weilt, Sie und mir treu ergeben, und alle meine Schrulfen stören Sie nicht. Aber Lassen wir das. Sie sollten mich nur auch in Dieser Angelegenheit verstehen. Also der Besuch soll mich in feinereise in meinen Gewohnheiten stören. Ich bin etwas menschenscheu geworden. Aber Die jungen Damen sollen nicht denken, daß sie mir lästig fallen. Sorgen Sie dafür, daß Sie jie troß meiner Unliebenswürdigkeit behaglich fühlen. Sie sind ein Mensch, der sich auch in den Schwierigsten Ich verlasse Situationen zurechtfindet. Pmih auf Sie, Sohann.“ (Fortlegung folgt.)