Oedenburger Zeitung, 1922. September (Jahrgang 54, nr. 197-221)

1922-09-01 / nr. 197

Seite 2. — Wr. 187. Italien und Oesterreich. Belgrad, 31. August. Amtlic wird verlautbart: Der hiesige italieni­­­­sche Geschäftsträger erschien gestern mit­tags im Ministerium des Aeukern bei dem Gehilfen des Ministers, dem be­vollmächtigten Minister Nefdi, um im Namen der italienischen Regierung bee­züglich der italienischen Politik gegen­­über Desterreich folgendes zu erklären: Die italienische Politik­a ge­nüber Desterreich it von der strengen Dardy - Führung des Vertrages von Saint Ger­main inspiriert, den Italien strifte ach­ten wird, was sie auf von den andern verlangen wird. Demnach wird sich Italien jeder Aenderung des Status quo widerrehen. Aus viesen Gründen wird es sich vor erzieltem Einverneh­­men­ mit seinen Verbündeten und den interessierten Nachbarstaaten jeder Ent­­smeidung bezüglich der Frage der Re­konsteuftion Desterreichs enthalten. Die in Verona geführten Verhandlungen“ waren­ rein ökonomischen Charakters. „ IM “ou dementi Der Truppenzusammenziehungen. SB. Rom, 31. August. „Iribuna” meldet, daß die Nachricht über Zusammen­­ziehung jugoslamischer Truppen an der österreichischen Grenze der Wahrheit nicht entspricht. Mobilisierung in Serbien, Wien, 31. August. Das „Neue Wiener Tagblatt“ meldet nach der „Baltischen Zeitung“ aus Rom, das die italienisch österreichischen Besprechun­­gen im Finanzministerium nur die drohende jugoslawische M­obilisie­­rung beeinflußt erscheinen. Die Dro­­hung, glaubt man, set neh­m­t er mit, Italien wolle jedoch seine Heberraschung riskieren. Der heutige Ministerrat soll hierauf bezügliche Entschlüsse fassen. Der Kriegsminister ist nach Rom zurück­gekührt. Die Unruhen in Irland. London,­­31. August. In der­­ tatholischen Kirche zu Westport fand ein­­ Gottesdienst für das Geelenheil Col­lins statt. Wo das Publikum die Kirche verlieh, wurde es vom jenseitigen Ufer vom­ Feuer der Autfständiigen empfangen. Fünf Leute wurden getö­­tet, mehrere­­ verwundet.­ Als sogleich Militär anrückte, zogen sich die Aufständ vilhen zurück. « L­ondon,31.August.Edwar­d Liherwood, der Chauffeur des Generals Collins, wurde um zwei Uhr in der Nacht durch sechs bewaffnete und massierte Aufständische von zu Hause verschleppt. Man wollte ihn ju­­stifizieren, aber die Schüjse trafen ihn nicht tödlich.­­ Er­ stellte ih tot und es gelang ihm so, zu entkommen. Die Auf­ständischen haben wiederholt erklärt, no sechs andere Chauffeure ermorden zu wollen. « Muhme-Reim- Frankreich nad dies separationem­ ­­ Drahtbericht der­ Oedenburger Zeitungs'.1 DB. Berlin, 3. August. In Bezug auf das Reparationsproblem steht man in Paris vor unmittelbaren Entscheidungen. An maßgebender deut­­scher Stelle gibt man fi hierüber sei­­ner optimistischen Hoffnung hin. 1 SB. Paris, 31. August. Die Re­parationskommission nahm gestern die Ausführungen des deutschen Staats­­sekretärs Dr. Schröder entgegen. „temps“ meldet, daßs Dr. Schröder er Kommilition zwei Vorschläge unter­breitete: 1. Das ein Goldmarsdepot ge­schaffen werde, um die Kohlen und Holzlieferungen sicherzustellen. 2. Dak Kontraste abzuscliehen seien, dür die die deutschen I­ndustrien für die Ein­haltung der Lieferungen verantwortlich gemacht werden künnen. « . .« « d DEN s, 31. Yunufl., Ben der nachmittänigen Situng der Repara­­tionskommission ergänzte Dr. Schrö­­der seine vormittags gemachten Aus­führungen. Um halb 6 Uhr abends ver­­liehen die deutschen Delegierten die Sit­­zung. Wie die „Agence Havas“ meldet, wird die Reparationskommission unwahr­­scheinlich Donnerstag eine Entscheidung treffen. Im Falle Die Pfänder ange­­nommen werden, glaubt man, da seine Schwierigkeiten mehr eintreten würden. Wäre dies nicht der Fall, so wäre das einzig mögliche die Ablehnung des Memotandums und die Feststchung einer Beriehlung Deutschlands. Wie die meisten MEHR germanischen Zünglinge hatte auch ich im meiner Jugendzeit dichterische Anwandlungen. Ich schrieb die schönsten Gedichte, die sich auf „Liebe“ und „Triebe“ reinen, worauf mir ein Redakteur, dem ich biete meine Gedichte hartnädig zur Veröffentlichung vorlegte, erklärte, es gäbe auch noch einen Reim mit „Hiebe“. Ic verstand und verschwand. Mehr Entgegenkommen fand ich bei den Verwaltungsbeamten der Zeitung; diese nahm­en meine Herzensergüsse gegen Abstattung der tarifmäßigen Gebühr ohne jede k­ritische Ber­merkung an und veröffentlichten sie ganz hinten im Inseratenteil zwischen den Anpreisungen Schub­­wichte und Wagenfette. Da mir jedoch­ die Sache auf die Dauer zu Lustspielig war, gab ich das weitere Besteigen des P­egasus auf. Über mein damaliges dichterisches Mißgeic­d wurmt au­ch heute noch. Ich bildete mir bißher ein, daß ich die Sache falsch angepackt habe, weil ich die holde Weiblichkeit besang, statt gefühlvolle Gedichte auf die Nüßlichkeit eines Düngerhaufens oder auf den Altrorismus eines Kriegsmillionärs zu schreiben. Doch sehe ich munmehr ein, daß ich mich in einem Irrtum befand, denn um in die moderne Literatur Eingang Halten zu künnen, braucht man nichts anderes, als im Gehirn eine Affenspalte zu haben. Jawohl! und diese Tatsache i­ durch den Berliner Frauenmörder Großmann „bei­ieien worden! Dieser Mensch, hat sich mit Memoirenschreiben beschäftigt und nebenbei eine ganze Reihe von Frauenzimmern um­gebract. Al­­s sich sodann bei der Sektion der Leiche Großmanns, der im Gefängnisse Selbstmord verübt hatte, herausstellte, daß dessen Gehden eine Affen»­spalte aufweise, rauften sich die Verleger förmlich um das Berlagerecht seiner hinterlassenen Memoiren und die Welt wird alsbald den auserlesenen Genuß haben, die Geistesproduste eines Mannes seien zu können, der die zweifellos seltene Eigenschaft befah, in seinem Gehirn die Affenspalte zu besigen. So muß zu meiner Schande gestehen, haß ich nicht weiß, was eine Affenspalte im Gehirne ist; daß sie aber mit der modernen Literatur in irgend­­einem Zusammenhange stehen muß, beweist die Haltung der Verleger, die ihr Geschäft doch jeden­­falls versiehen. Mich pacht jedoch der bloße Neid. Denn wenn man auch in meinem Gehirne eine Freitag, 1. September 1922, solche Affenspalte entbeden könnte. Dann wäre ich ein gemachter Mann und die Verleger würden sich um meine Gedichte, die sich so gefühlvol auf „Liebe“ und „Triebe“ reimen, ebenfalls reißen... .3 fällt mir aber nachträglich ein, daß ich auch ein mehrfacher Frauenmörder, obendrein ein Gelbitmörder sein und seziert werden müßte. Na­s dann lieber nicht ! UND. Monatskalender für September. ‚Der Monat September zählt 30 Tage. Auf Freitag, den 8. September, fällt das Fest Maria Geburt; ein weiterer Feiertag kommt im Monate nit vor. — Am 1. der Tag 13 Stunden 23 Min. lang und nimmt bis Ende d,3 Monats um 1 Stunde 38 Minuten ab. = Am 23. abends 9 Uhr 10 Minuten Herbstanfang; Tag­ und Nacht­­gleiche. — Mondesphasen: Vollmond am 6. um 8 Uhr 47 Min. vormittags; Seite Viertel am 14. um 11 Uhr 20 Min. vormittags; Neumond am 21. um 5 Uhr 38. Min. vormittags. Erftes Viertel am 37. um 11­hr 40 Min. nachts. A­rd­­nähe am 1. um 8 Uhr vormittags, Erdferne auf 13. um 9 Uhr abends und Erdk­ähe am 29. um 3 hr nachmitttags. Bauernregeln für den Monat September. Nach Septembergewitter wird man im Hornung (Februar) vor Schnee und Kälte zittern. — Am­ Septemberregen ist den Bauern viel gelegen. — Auf warmen Herbst folgt meist langer Winter. — Sanft-Michaelis:Wein wird Herrenwein sein; Sanlt- Gallus: Wein ist Bauern­wein. Der 1. September (Freitag). Sath.: Negidius; Prot.: Lazarus. — Hisito­­rischer Kalender: 1776 der Lichifer Ludwig Hölty in Hannover geb. — 1870 Sieg der Deut­­schen über die Franzosen bei Sedan. — 1909 Graf Beppelins Triumphfahrt. — 1914 Sieg der Oester­­reicher über die Russen bei Zamok-Samarom. — 1916 Bulgarien erklärt Rumänien den Krieg,­ ­­ Weshalb wir Sie nochmals daran erinnern, ir Abonnement auf die „Oedenburger Zeitung“ für September sofort zu erneuern, Dam­it der Enstellung des Blattes Unterbrechung eintritt! — Dedenburg, 31. August. Todesfall. Wir stellen Die in unserer Blattfolge vom . d. M. veröffentlichte Meldung über das Ableben des Deden­­burger Elektrotechnikers Karl Shi Ling. dahin richtig, Daß dieser in der Koranyischen Klinik in Budapest am 28.2. M. mittags infolge eines inneren Reichens gestorben ist. Die ob des Ver­­lustes ihres Sohnes untröstlichen Eltern lassen die Leiche nach Oedenburg über­führen, wo die Bestattung Samstag den 2.n.M. nachmittags 5 Uhr im evangel­­ischen Friedhofe stattfindet. An dem Reichenbegängnisse werden sowohl­­ der­­ Deydenburger Turn, als auch der Deden­­burger Schwimmverein korporativ teil­nehmen. Personalnagrichten. Der französi­­sche Obast Gothie weilte gester« im unserer Stadt. — Wie wir erfahren, hat der hiesige evangelische Lehrer Johann Schäd, der bei verschiedenen hiesigen Vereinen eine führende Rolle spielt, von seiner Lehrerstelle abgekauft, da er in eier Nagytetenyer M Weinbaumwirtschaft­ die ein­­träglichere Stelle eines­ Suspektors­­ über­­nimmt. Den arbeitseifrigen Mann­ sehen wir nur ungerne aus unserer Mitte scheiden. Spertverteilung. Freitag den 1. Sep­tember 3 Uhr nachmittags erhalten in der städtischen Fleischbant jene Unver­­folgten ihre Spedration, die am­­ 5. August leer ausgingen. Das Mehl­buch ist mitzubringen. « Nachdruch verboten, Drei Singerabdrücke. Kriminalroman aus der Gegenwart von Erich Ebensteim säspetsemma In Rehbach stiejnen Selbsvorw­ürfe »aus War er nicht doch zuschasrt ge­­wesen?Wie­ konnte er nur so grausam mit­ dem arm­en Mädchen verfa­hren, dass­ keinen Beschützer­ auf Erden hatte sie ihn,und dem i doch sein­ ganzes Herz gehörte? &s war ja undenkbar, daß ihr­ Ge­heimnis etwas enthielt, ‘Das einen Schatten auf sie selbst warf. Dafür würde er sofort beide Hände ins Feuer gelegt haben. Seine Unru­he wur­de endlich so stark, daß­ er siehinter­ dem Vormand,»d­aheim etwas verg­essen zu habem dasse er Dortbring­ets mü­sse für eine Viertel­­stunde entschuldigt. Diesmal eilte er einfach durch den Parsk«l hinauf z­um Winzerhlau als dämm­erte scho­nsstark.Aber der Rolls­mond, der eben hinter der Höhe vor­­am, übergor alles mit seinen silbernen Lichtfluten. Als Rebbach ih­rem Winzerhaus näherte, hörte er piöklich Stimmen, die weinerliche einer Frau und die begüti­­­­gende eines Mannes. No verbarg eine Ehe des Meingartens die Sprechervden in die tiefe Verzweiflung, die ihn erfakte, mischte sich­­ ebenso tiefe Scham, und den Plat vor dem Winzerhaus, wo sie offenbar standen. Aber nun hatte Rehbad die Ehe erreicht. Er blieb wie angemwurzelt stehen. Die Frau war Sela, die, beide Hände vor dem Gesicht, bitterlich weinte, der Mann aber — ein noch junger, ele­­gant gefleiveter Herr — den Rehbad­ nie zuvor gesehen hatte, obwohl er nur seine Gestalt, die Haltung und das üp­­pige, dunkle Haar erblickte, denn er stand mit dem Rüden gegen ihn, hatte dem­ Arm um Selas Taille geschlungen und sprach eifrig auf sie ein. Sie erwiderte heftig und fe­ttelte verneinend den Kopf. Offenbar stritten beide über irgend etwas, denn des Mannes Stimme nahm einen drohenden Klang an. Mehr sah Rehbahh nit. Wie von Furien gejagt, stürzte er Danon. Also Hatte sein Feingefühl ihn da nicht betrogen! Mas Sela ihm so ängst li verbarg — was sie von ihm trennte — was sie nicht wagen liek, si öffent­ich mit ihm zu verloben, das war Dieser Mann, der offenbar Rechte an sie besah und Diese nicht aufgeben wollte. . Und Die ganze Zeit über hatte sie ihm dies verschwiegen! Sie, die ihm hundertmal geschworen hatte, er wäre ihre erste Liebe! ER Mie lächerlich, gedemütigt und entehrt fam er fi­ jet vor in seiner blind ver­­trauenden Liebe! Und er hatte dieses Mädchen anger betet wie eine Heilige! Er liebte sie auch jeßt noch troß dieses Verrates! Er würde sie immer lieben... immer...! Denn sie war­ ja wirklich seine erste und einzige Liebe. Wie lange er jo im Bart umherge­irrt war, wußte er selbst nicht. Er war wie von Sinnen. Dann fhredte ihn irgendein Dumpfer Qaut plößlich auf. Mar das nicht ein Shuk gewesen?, Kam ver Klang nicht vom Minzerhaus her? P Verwirit starrte Rehbadh­­um­id. Er befand sich tief unten im Part zwis­chen den Mierweiden » eines verstecten Meihters,­­ wo er si auf eine Bank ge­worfen hatte. Der ganze Park ringsum schien wie ausgestorben. Aber gerade Diese beängstigende Stille im Verein mit den hellen, mondbeglänzten Flächen und den Schwarzen Schlagschatten der Bäume schien ihm jei etwas unheimlich Dro­­hendes auszuatmen. Eine jähe Angst raubte ihm fast den Atem. Hatte die Stimme des fremden Mannes vorhin nicht Drohend geflun­­gen? And Fela war mutterseelen allein mit dem Menschen da oben. Rehbach sprang auf und eilte mit groben Schritten wieder der Höhe zu. Meldye Torheit von ihm, vorhin über Haupt zu fliehen, anstatt zu den beiden zu treten und einfach Aufklärung zu verlangen! Mer weih, ob Sela jenem Mann wirklich Rechte gegeben, ob er sie ji nicht nur eigenmächtig nahm und Das arme Mädchen doch Drohungen ein­­zusschüchtern versuchte?... Eigentlich sprach die ganze Haltung der­ beiden für diese Annahme. Fast Tausend erreichte er die Ehe des Meingartens, wo er vorhin gestan­­den hatte und den Kiesplat vor dem Minzerhaus übersehen konnte. « Atemlog starrte er hinüber.Diebe­­dien waren fott.Daten stillen such hier oben. Rlöglich stiek Nehbach einen d­umpfen Schrei aus und eilte, an allen Gliedern zitternd, nach dem Winzerhaus. Denn dort, hart an der Mauer, im Schatten des breiten Vordachs, Tag etwas Dunktes lang wausgestrebt am Boden, der Körper eines Menschen! Nein — es war nit Jela — gott ob!... Rehbach beugte si nieder und scharrte in das ihm gänzlich­ fremde Ge­sicht eines jungen Mannes,­­dessen dunkle Augen weit offen standen und mit gebrochenem Blick zu ihm aufsahen. (Fortlegung folgt]

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