Pester Lloyd, April 1854 (Jahrgang 1, nr. 77-104)

1854-04-22 / nr. 97

Pest,21.April. Die ganz ungewöhnlichen Witterungsverhältnisse des verflossenen Jahres,das mit überschwenglichen Ernzeloffnungen begonnen,und mit Getreidetheuerung geendet,hat überzeugender als alle Theorien nachgewie­­sen,welch’schlimmes Gebrechen der Man­gel einer landwirthschaftlichen­­——— eigentlich Ernte-—Statistik für gau Europa ist.In England hat man die Angelegenheits in neuester Zeit der Regierun­g in dringenden­ Worten vorgetragen,eben weil England in diesem Jahre großes Zufu­hren vom Auslandebedarf,und der Handel au­ßer Stande ist für Vorräthe zu sorgen, wenn nicht einmal annähernd errathen werden kann,ob die vorhandenen Vorräthe für die Deckung des Bedarfes zu reichen oder nicht.In einer ähn­lichen Lage befindet sich selbst ein Theil der österreichischen Monarchie,ohne daß die scharfsinnigste Schätzung den Bedarf dieser Kronländer mit den Vorräthen­ vergleichen könnte,welche andere Kronländer als Produktions­­überschu­ß ausführen können.Man weiß weder,wie viel die Monarchie an­ Gew­eide jährlich produzirt,noch auch welche Zufuhren aus einem Theil des Reiches in den anderen durch den Ausfall der Ernte nöthig werden,und es läßt sich daher ebenso wenig eriabhen,ob die Getreidemassen,welche das Ausland in gegebenen Fällen von uns bezieht,die zur Ernährung der Be­­völkerun­g der Monarchie nöthigen Getreidemengen nicht erschöpfen. Als Anhaltspunkte für alle ähnlichen Berechnungen besitzen­ wir die Produktionsangaben der allgemeinen Statistik,und die amtlichen Erhebun­­­gen,welche jährlich vorgen­ommen werden.Die Angaben der Statistik haben nur Werth für den allgemeinen Gesichtspunkt,für die Kenntniß der Pro­­duktionsfähigkeit des Reiches ü­berhaupt,nicht für die einzelnen Fälle des Uebei«flusses oder S­tangels.Seit dem Jahre 1844 sind die statistischen An­­gaben unserer Erträgnisse unverändert geblieben,und doch hat die Produk­­tion seitdem eine Stufenleiter durchlaufen,welche viele Millionen Metzen über oder unter der Schätzung war,un­d nach den landwirthschaftlichen Ren­­derungen,welche seitdem in Ungarn vorgekommen,für uns,vielleicht selbst als Durchschnittsschätzung den Werth verloren. Die amtlichen Erhebungen,welche sich jährlich mit dem Gegenstande beschäftigen­,sind nicht in Ziffern ausgedrückt und müssen sic­h darum begnü­­gen,das Resultat der Untersuchung mit einzelnen Schlagworten zu bezeich­­nen,die dem hier bezeich­neten Zwecke nur unvollkommen entsprechen. Es ist unlängbar,daß die Darstellung einer genauen Agrikulturstatistik zu den schwierigsten Aufgaben gezählt wer­den muß.Durch die unabsehbare Mannigfaltigkeit und Ausdehnung entzieht sich die Produktion sehr leicht selbst angestrengten mü­hsamen Forschun­gen,und steigert die falsche Angabe eines halben oder viertel Perzentes,in der Progression bis zu vielen Millio­­nen Metzen Es wird deswegen auf­ vollkommen genaue Darstellung der Produktion von vornherein verzichtet werden müssen,aber Darstellungen, welche die Quantitäten annähernd geben,mü­ssen wir sie möglich und aus­­führbar halten. Von größter Bedeutung für den Erfolg der Erhebungen erscheint uns die Wahl der Organe, welche damit zu beauftragen sind. Die Behörden dürfen uns dazu weniger geeignet, weil ihre Forschungen beim ungebildeten Landmanne leicht Mittrauen erregen, und zu falschen Angaben veranlassen, welche leicht die Sache nur mehr verwirren, die sie aufklären sollen. „Keine Statistik ist ungleich besser als eine falsche, die zu Str­ohbümern verleitet," sagt ein geachtetes norddeutisches Blatt bei Ber­­prechung dieses Gegenstandes. Webervies fehlt es den Behörden in den meisten Fällen sowohl an Zeit wie an spezieller Kenntniß der Agrikulturver­­hältnisse, die bei dieser Aufgabe unerläßlich ist. Es erscheint uns darum am pasfendften, die ganze Angelegenheit verständigen Lan­olmwirthen anzuvertrauen, wenen es leicht sein wird, die ihnen bekannten Totalverhältnisse zu unter­suchen und darüber zu berichten. Hoffentlich wird der schmerzliche Mangel an landwirthschaftlichen Zentralorganen, sei es nun durch Kreizung von Bereinen oder Kam­mern, bald beseitigt werden; an diesen wäre es aber dann, der in Rede stehenden, in ihr Refsort fallenden und von ihnen zu lösenden Aufgabe abzuliegen. Die Mitglieder solcher, über die ganze Monarchie ver­­breiteten landwirthschaftlichen Organe könnten in den kleinen Kreisen ihres M Wohnorted mit ziemlicher Genauigkeit, ohne irgend­ein Mißtrauen zu erzei­gen , oder durch Betrug getäuscht zu werden, die einzelnen Daten sammeln, ir das Tanpwirthschaftliche Zentralorgan zu prüfen und zu gruppie­ren hätte. Damit das statistische Bild, welches auf diese Weise geschaffen wird, solständig sei, müßten alle Erhebungen in der ganzen Monarchie zu glei­­cher Zeit vorgenommen werden. Die Wahl dieses Zeitpunktes ist sehr wich­­tig und nur ensscheinend sehmwierig. Es ist darüber mit Necht geltend ge­macht worden, daß wenn die Untersuchungen früh vorgenommen werden, sie noch sein Resultat versprechen künnen, da der Landwirt­ selbst noch nicht von Umfang des Ertrages fennt; werden sie dagegen spät vorgenommen, so dürften sie leicht auch zu spät kommen für Diaßregeln, die durch ungün­­stige Resultate zu ergreifen nöthig befunden würden. Der Streit über Dies­se8 „Früh oder Spät” kann nur da stattfinden, wo man sich die Untersu­­chungen als durch eine nothwendig sehr große Anzahl beamteter Personen ausführbar vorstellt, welche sie eben­so kortspielig wie schwerfällig machen , werden sie hingegen landwirthschaftlien Instituten anvertraut, deren Mit­­glieder über­ die Dörfer und Höfe der Monarchie zerstreut wohnen, und ohne alle Kosten und Zeitaufwand den Umweg erfüllen, so ist nicht abzuse­­ben, warum nicht die Untersuchungen früher und später vorgenom­­men werden sollten. Vom 1. bis 15. August kann jeder Landwirth bereits so viel urtheilen, ob die Ernte gut, schlecht oder mittelmäßig ausgefallen. Diese Aussagen genügen vorläufig, weil sie im Falle einer Mißernte bereits hinlängliche Warnung enthalten, und im Falle einer reichen oder mittleren Ernte vollkommen beruhigen. Dieser ersten Untersuchung über die Quali­­tät der Ernte hätte später, etwa im November, wenn der bei Weitem größte Theil des Getreides bereits gebroschen ist, eine Untersuchung der Duantität zu folgen, welche im Zusammenhange mit dem bekannten Konsumtion­s­bedarf jedes Theiles der Monarchie, eine klare, ziffermäßige Darstellung hefsen gäbe, wie sich das Verhältniß der Produktion und Konsumtion im Inlande, wie dem Auslande gegenüber, zu­einander stelle. Diese für die Staatswirthschaft unschälbaren Resultate scheinen und durch die leichten Mittel aneinander gegliederter landwirthschaftlicher Zentralorgane auf die zuvchlässigste Weise erreichbar. D Berlin, 20. April. Wir freuten uns vor wenigen Tagen, als der Prinz von Preußen zu den Verhandlungen mit dem Freiherrn von Heß hinzutrat; wir freuten uns heute um so mehr, nachdem es als sicher vert lautet, was die Generale Grochen und Gerlach von den Unterhandlungen in Zukunft wegbleiben. Man hätte sonst kaum zu einem entscheidenden Beschluffe gelangen können. Und doch prängt Alles zu einem solchen. Unser König hat zwar von den ihm liebgewordenen Friedensviten noch nicht völlig Abichten genommen , allein nirgends scheint mehr ein Ohr für sie offen. Aus England soll geradezu die Nachricht eingelaufen sein : neue Friedensanträge dürften nunmehr auf seinen besseren Erfolg zählen als die früheren. Ihrer­­seits fordern dagegen die Westmächte eine entschiedene Erklärung, in welcher Weise Oesterreich und Preußen den im Wiener Protofol ausgesprocenen Grundlagen Anspruch geben wollen. Wir errathen natürlich die Antwort der deutschen Mächte nicht, so viel aber dürfte gewiß sein, daß die Forderung die noch immer fewebenden Unterhandlungen mit dem Freiheren von Heß wesentlich beschleunigen helfen. Die vielfach vernommene Mittheilung, daß in das am 9. b. M. zu Wien unterzeichnete Protofol die Bestimmung aufgenommen worden sei, daß die vier Mächte in seine Separatverhandlungen, weder unter sie, noch mit anderen Regierungen, über die vorliegende Angelegenheit eingehen wollen, sol sich nicht bestätigen, wohl aber soll man in Wien die Hoff­­nung festhalten, daß Oesterreich und Preußen dem zwischen der Pforte und 4 pen Westmächten abgeschlossenen Bertrage beitreten, in welchem bekanntlich­ter Punkt aufgenommen ist, daß seine Separatverhandlungen stattfinden offen. Von unterrichteter Seite hören wir die Mittheilung, da zwischen Rußland und Frankreich unter der Hand, wenn auch nicht durch offizielle Bevollmächtigte, Besprechungen wegen des Friedens stattgefunden haben, und bat vor Kurzem ein Kourier aus Brüssel, wo sie befam­tlich ver früz­here russische Gesandte für Frankreich aufhält, hier durchsam, um das Er­­gebniß dieser vertraulichen Besprechungen nach St. Petersburg zu bringen. Unter dem Titel : „Rußland, eine historische geographische Neberficht seiner Eroberungen seit dem 18. Jahrhundert“ ist hier so eben eine Schrift erschienen, welche eine anschauliche Nebersicht von dem rastlosen Umsichgreifen des Nierenstaates in Schweden, Polen, der Türkei, Persien u. s. w. verbietet. Eine solche chronologische statistische Darstellung der Gebietsvergrößerungen Maflanos ist eine handgreifliche Warnung für Europa. Einen noch größeren Einpruch macht hier die von Wolfgang Mengel herausgegebene Schrift gegen die russischen Bestrebungen. Je entschiedener eine Schrift gegen Ruß­­land auftritt, auf um so größeren Anklang kann sie unter der hiesigen Bevöl­­kerung im großen Ganzen rechnen. Die Rechtfertigung N Rußlands. Man mochte das Schweigen Rußlands gegenüber den Anfragen von Europa befremdend finden ; nun es zur Rechtfertigung schreitet,, wird die­­selbe wohl Nieman­den überraschen. Wir haben zwei Aftenftüde vor uns : eine Erklärung (déclaration), in welcher Rußland den Vorwurf von sich weist, als wäre seine Politik eine Vergrößerungs- und Eroberungspolitik,­­ einen offiziellen Artikel des „I. de St. Petersbourg" ferner, der den Folgerungen entgegentritt, die man aus der „vertraulichen Korrespon­­denz“ gezogen. Beide Aftenstücke find an sich gar genug, und bewürfen dem wenfenden Politiker gegenüber seines Kommentars, — es wäre denn der Bemerkung, daß die , déclaration" in der V­orausfegung befangen it, als wären es die M Westmächte allein, welche eine Störung des europäischen Gleichgewichtes von Seite Rußlands befürchten. Die , déclaration" wendet sich zuerst an die Vorgänge in der orienta­­lischen Frage und sucht die Verantwortlichkeit des nun hereinbrechenden Krieges auf die Westmächte zu wälzen. Wir werden diesen Theil des Mer­morandums nachholen. D. R.­ Dann fährt sie fort : „Die Rußland seit 1815 zugeschriebene Vergrößerungs- und Eroberungs­­politik wird dur­ alle Alten desselben widerlegt. Hat sich wohl von seinen deut­­schen und nördlichen Nachbarn einer über eine Verlegung oder auch nur über ei­nen Bersuch­ zur Verlegung der Integrität seiner Befibungen betlagen künnen? Was die Türkei anbelangt, so ist, troßdem wir mit ihr Krieg geführt haben, Der Triede von Adrianopel da, um Zeugniß abzulegen für den gemäßigten Gebrauch, den wir von unseren Erfolgen gemacht haben. MWederdies ist das ottomanische Reich Durch ung zweimal von drohendem Ruin gerettet worden, Wir haben von Wunsch, Konstantinopel zu befiben,, falls dieses Reich stürzen sollte, die Absicht, ung dort permanent feilzufegen, zu laut, in zu solerner Weise in Abrede gestellt, als das in dieser Hinsicht, abgesehen von unheilbarem Mißtrauen, noch irgend ein Zweifel bestehen künfte. Die Ereignisse werden bald dorthin, wer, ob die Mächte oder Rußland, nicht der Unabhängigkeit, sondern der Existenz selbst der Türfei den unheilvolften Schlag beigebracht hat. Als Preis für den ihr verlie­­henen eigennügigen Beistand entsagt die Türfei bereits vertragsmäßig dem chas­­akteristischen Vorrechte jeder unabhängigen Macht, nach ihrem Gutpünfen näm­­lich Krieg zu führen oder Frieden in einem Augenblicke zu schließen,­ der ihr als der geeignetste erscheint. Sie wird genütdigt sein, sich einer Verpflichtung zu un­terziehen. Die allen ihren Unterthanen gleiche bürgerliche und politische Rechte verleihen sol. Rußland würde gemäß eine so wichtige, zu Gunsten aller Christen in der Türkei erhaltene Garantie beifällig begrüßen, wenn es nur gelingen würde, sie ihnen in wahrhaft wirksamer Weise zuzusichern. Rußland aber hat Angesichts einer U­­wälzung, durch welche alle konstitutiven Basen der ottomanischen Regie­­rung auf’s Tiefte umgestaltet würden, das Recht Darüber zu erstaunen, daß man eine Verpflichtung, fraft welcher der Sultan blos bereits einftirende und aus un­­seren Verträgen mit ihm hervorgehende religiöse Privilegien bekräftigt hätte, als verlebend für seine Souveränetät und Unabhängigkeit erklärt hat. Europa, und nicht die beiden Mächte, hat darüber zu entscheiden, ob das allgemeine Gleichgewicht wirklich den Gefahren ausgelöst ist, die aus der über­mäßigen, Rußland zugeschriebenen Niederlegenheit angeblich hervorgehen sollen. Europa muß erwägen, wer fehtwerer auf der Sreithätigkeit der Staaten Iaftet, ob das sich selbst überlassene Rußland, oder eine furchtbare (redoutable) Allianz, deren Wucht alle neutralen Staaten beunruhigt, die sie abwechselnd gütlich oder durch Drohungen mit fi fortzureißen sucht. Europa wird auch­ entscheiden, ob es während der setten Jahre Rußland war, das die feindseligsten Anmaßungen auf die Souveränitäts- und Unabhängigkeitsrechte der schwachen Staaten fundgab — 96 eg in Griechenland, Sizilien, Neapel, Toskana für oder gegen diese Rechte der Hamirt hat — ob es in Deutschland unter den Großmächten Zwietracht zu taen oder Einigkeit herzustellen bemüht war ; ob es in der Lombardie nicht seine mora­­lischen, in Ungarn nicht seine materiellen Anstrengungen der Aufrechthaltung des Sleichge­wichtes widmete und ob die Streiche, Die man gegen Dasselbe vorbereitet, die Stolk­ung, in die man es drängen will, indem die politische Welt fortan einer ganz anderen Uiederlegenheit preisgegeben werden soll nicht die Vernichtung dies­­es Gleichgewichtes sein würden. Man sieht, worauf sich die sagen, gegen Rußland vorgebrachten Allge­­meinheiten zurückführen lassen. Namentlich aber genügt der Seßte dieser Aufrage­­punkte, um gehöriges Licht zu werfen auf den eigentlichen Grund eines Krie­­ges , der aus den anscheinenden Beschwerden gar nicht motivirt werden könnte, da er den moralischen,, industrielen und Handelsinteressen der ganzen Welt so sehr zuwiderläuft und nur dazu dienen kann , in Wirklichkeit den Ruin desselben Reiches zu beschleunigen, den er angeblich aus Gefahren, die imaginär sind, retten soss. Dieser eigentliche Beweggrund ist laut von den englischen Ministern ausgesprochen worden, als sie vor dem Parlamente sagten , der Augenblick sei endlich gekommen, um Rußlands Einfluß zu Boden zu werfen. Um nun diesen Einfluß zu vertheidigen, der für die russische Nation nicht weniger nöthig ist, als unwesentlich für die Aufrechthaltung der Dronung und für die Sicherheit der andern Staaten, um die Grundlagen derselben, Unabhängig­­keit und Territorialintegrität ungeschmälert zu erhalten, wird der Kaiser, der figg genöthigt sieht, wider seinen Willen in die Schranken zu treten, alle Wider­­standskräfte aufbieten, welche ihm Die Ergebenheit und der Patriotismus seines Bolfes zu Gebote stellt. Er hofft, daß Gott, der Rußland so oft in den Tagen der Prüfung beigestanden hat, ihm auch in diesem furchtbaren Kampfe seinen Beistand verleihen wird. Aufrichtig beklagt er Die unsäglichen Uebel, welche die­­ser Krieg über die Menschheit bringen wird. Gleichzeitig aber glaubt er in feier­­licher Weise gegen die willkürlich von den beiden Mächten in den Vordergrund gestellte Behauptung protestiren zu müssen, welche ihm allein die ganze Verant­­wortlichkeit aufbürdet. Ohne Zweifel steht es den Mächten frei, gegen Rußland die ihnen angemessen scheinenden Ma­ßregeln in Anwendung zu bringen, aber nicht von ihnen kann es abhängen, ihm allein Die Konsequenzen zur Last zu le­­gen. Die Verantwortlichkeit für das Unglück, das aus einem Kriege hervorgeht, steht dem zu, der den Krieg erklärt und nicht dem, der sich auf Dessen Annahme beschränkt.“‘ Das zweite Affenftüd lautet : „unter der Zahl jener Dokumente, welche das englische Ministerium zu verlautbaren für gut befand, sind nicht nur solche einbegriffen, welche sich aus­­schließlich auf den amtlichen Austausch des Taifers, Hofes und der englischen Re­gierung beziehen, sondern auch die geheimen Berichte, in welchen Sir, H. Sey­­mour von seinen Privatgesprächen mit dem Kaiser der englischen Pregierung Rege­nung trug. Es ist natürlich, daß Die Öffentliche Neugierde sich Verzugsmette mit Vebteren beschäftigte, Ohne zu untersuchen,, in­wie­weit Der englische Gesandte si unwissentlich von den ihn beherrschernden Cinprüden und Vorurtheilen hin­­reißen ließ, verfehlten nicht Parteigeist und Unreplicheit aus seinen Relationen die gewagtesten und fälschlichsten Schlußfolgerungen zu ziehen. Indem man sich solcher Ansprüde bemächtigte, bezüglich deren genauen Erfassung der Berichter­­statter sich selbstgeständig nicht immer vollkommen bemußt war, und flüchtig hingeworfene Ideen, welche in der Wärme einer zwang­­losen Unterredung zufällig entglitten, mißbrauchte, glaubte man in den Worten des Kaisers, so wie sie gesprochen wurden, von Beweis von im vorhinein bestimmten Plänen Hinsichtlich territorialer Veränderungen der­­ürfei, mit einem Worte einen Theilungsplan zu erhliden, welchen Se. Maj. ohne Betheiligung und mit Nusshluß der anderen Höfe der engl. Regierung vor­­­geschlagen haben sollte. Und dennoch hatte der Kaiser zu wiederholten Malen im Laufe seiner Gespräche mit dem Gesandten Englands beständig Darauf hinge­­deutet, daß er keineswegs gefonnen sei, einen Vertrag oder ein Protokoll mit England abzuschließen, was es sich nicht um einen Plan handle, laut welchem die beiden Kabinete ohne Der Beihilfe anderer Mächte über die vom Sultan regierten Länder verfügen sollen, daß sein Gedanke sich blos dahin wende, über­ Haupt nur ein gemisses Einverständnis Hinsichtlich jener Eventualitäten zu erziel­­en, welche zu beseitigen beide Theile sich nach Möglichkeit bestreben werden , daß es sie endlich blos um einen einfachen Sdeen austausch, um das Wort eines Gentlemen handle, sich gegenseitig zu unterttüben , um jenen politischen Kombi­­nationen auszumeichen, welche ihren gemeinschaftlichen Interessen widerstreben. Diese Bereicherungen wurden in nicht minder bestimmter Form und Ans­prüchen in jenem Memorandum niedergelegt, welches als Antwort auf die shhrift­­lichen Mittheilungen diente, welche die Berichte des Sir H. Seymour Seitens der engl. Regierung provozirten. Es ist daher im höchsten Grad ungerecht, wenn nicht unredlich , in jenem Motiv, welches den Kaiser bemog, mit England ein Einverständniß gesprächs­­weise anzubahnen, die Absicht zu suchen, jene Macht anzugehen in Gemeinschaft­­lichkeit mit ihm über die türkischen Befisungen zu verfügen. Nichte stand dem Gedanken des Kaisers so fern, als Die Idee einer Theilung, noch Dazu einer Teilung im Borhinein. Des Kaisers Elise waren auf die Zukunft und nicht auf die Gegenwart gerichtet. Seine Absichten gingen nur dahin, möglichen Fällen vorzubeugen. Der Ted des Kaisers bestand dlos darin, sich offen auszusprechen, um jeden Zwischen­­fall zu beschwören, welcher geartet wäre, jene Vertraulichkeit zu beeinträchtigen, welche der Kaiser in seinen Beziehungen zu England aufrecht halten wollte, um ferner jedem Berwürfniß, jedem Mißverständniß, jeder Divergenz endlich vorzu­­beugen, welche ungemeiste, jedoch mögliche Ereignisse zwischen Großbritannien und dem Kaiser herbeiführen könnten, wenn man sie gänzlich außer der gegenseitigen Anschauung gelassen hätte. Zwischen den beiden Höfen konnte eine Meinungsversch­iedenheit ü­ber die größere oder geringere Dringlichkeit der voraussichtlichen Katastrophe bestehen ; welche waren jedoch die für den Fall dieser Katastrophe Fundgegebenen Ansichten des Kaisers? Er hat für seine Person jeden Wunsch oder Absicht, Konstantinopel zu befiten , (auf in Abrede gestellt. Er hat von Vornherein die Verbindlichkeit über­nommen, sich daselbst in seiner dauernden Weise niederzulassen. Diese Verleug­­nung, diese Verbindlichkeit bestätigen die Arte seines Kabinets. Begreift man sos dann, wie Die englischen Minister angesichts derartig formeller, derartig binden­­der, mündlicher und schriftlicher Erklärungen den Muth hatten, Seine Majestät im offenen Parlamente ehrgeiziger Gelüste und Eroberungspläne auf die Haupt­­stadt des türkischen Reiches anzuklagen ? Ein derartiges Vergessen des vom Kaiser gegebenen Wortes im Vereine mit dem Vergessen aller Rücksichten in der Sprache,welche sie gegen seine erhabene Person gebrauchten,ist sicherlich geschaffen um die kaiserliche Regierung zu er­­mächtigen,mit Bezug auf die vertraulichen Mittheilungen,welche die Uneigen­­­nützigkeit und Reinheit der politischen Ansichten Sr.Majestät so klar bezeugen­, einen direkten Aufruf an ihr Gewissen zu richten. Nicht nur der Charakter und das Motiv ihrer Eröffnungen wurden frei­­willig verkannt und vergiftet,man suchte sogar sich ihrer als eine Waffe zu be­­dienen,um die andern Mächte glauben zu machen,daß,wenn der Kaiser sich bei dieser Gelegenheit absonderlicher Weise an England wandte,es blos darum ge­­schehe,weil er weder ihre Meinungen n­och Interessen in Betracht zu ziehen brauche. Wirbel gnügen uns mit der Bemerkung,daß die fraglichen Unterredungen auf vertrauliche Weise zur Wissenschaft der Souveräne Oesterreichs und Preußens gelangten. Was Frankreich betrifft,so ist es wichtig daran zu erinnern,daß eben in jener Periode,wo dieselben stattgefunden,jen­e Macht uns in Konstantinopel wegen dem Besitz der hohen Orte feindlich entgegentrat und deren Gesandter alle Mittel in Bewegung setzte,um­ unsern Einfluß zu lähmen. Bei so gestalteten Verhältnissen,und später,als Frankreich Alles angewen­­det,um England für seine gegen uns feindliche Handlungsweise zu gewinnen, war es erklärlich,daß der Kaiser es nicht für nöthig hielt,seine mit England­ ge­­pflogenen vertraulichen Ergießungen zur Hälfte mit dem Kabinet der Tuilerien zu theilen,ohne daß man deshalb voraussetzen kann,»daß er die Absicht hegte,Frank­­reich Von einer relativen Einigung hinsichtlich des eventuellen Schicksales des Orientes auszuschließen. Diese kurzen Bemerkungen werden genügen,um auf das rechte Maß zurück­zuführen,was Böswilligkeit in der Sprache Sr.Maj.gefunden.Vor den Augen Unparteiischer wird obige Veröffentlichung nur eine Thatsache ersichtlich machen, n­ämlich:den Mißbrauch eines edlen Vertrauens,welchem nicht gebührende Wür­­digung geworden,und die Ungerechtigkeit der Verdächtigungen,welcher man sich als Vorwand eines traurigen Krieges bedient,der ohn­e dieselben keinen weiteren Grund hätte." v G.L. von der unteren Donau, 16. April, Den in der Wal­lachei bestehenden, bisher bLoß vom walachischen Militär befesten Kordongs­posten längs der Donau gegen Serbien sind in den feitverfroffenen Tagen von Vgora die Gura-Moji — einem Orte, der zunächst unter dem eisernen Thor, zwei Meilen unter Orfova liegt — je drei Mann Kosafen beigegeben worden, und zwar aus dem Grunde, weil man dem walachischen Grenzer den Willen nicht zutraut, jede Kommunikation mit dem rechten Donauufer, wie es russischer­seits anbefohlen ist, zu verhindern. Der diese Posten über­­wachende Kojarenoffizier kam gestern mit zehn Mann seiner heute nach vom der österreichischen Grenze zunächst gelegenen walachischen Orte Met fd­es roma, von wo er sich jedoch Abends nach eingenommenen Erfrischungen wieder entfernte. Die Ankunft der Kosaken in Werscherowa wurde aus der oberhalb gelegenen türkischen Festung Neuorfowa beobachtet, ihre Ent­fernung scheint jedoch unbemerkt geblieben zu sein, auch sdhien man in der Festung viele Kosaken als eine Streifpatrouille oder gar als Borboten eines Anmarsches russischer Truppen zur Befegung der noch heute am trockenen Kordonsposten Drenek sichtbaren, von von Ruffen im Jahre 1829 aufgeführten Schangen (durch deren Bewegung damals von Tarz­ien in Neuorfova jede Kommunikation mit der Walachei abgesperrt wurde) genommen zu haben; wenn heute Morgens 5 Uhr und wiederholt um 10 Uhr, wurde der bloß aus den Zollbeamtenwohnungen und 20 elenden Häusern bestehende Ort Wetscherowa aus der türflichen Lettung mit schwerem Ge­­füge beschaffen. Dies geschah wahrscheinlich, um über die Vermuthung sich zu vergewissern, und die etwa über Nacht angelangten rufsischen Truppen zu allarmiren; da jedoch­ nach dem zweimaligen Beschießen sich seine rufsis­­chen Truppen zeigten, wurde er eingestellt. Der walachische Offizier und die dortigen Beamten flüchteten während dieser unliebsamen Thätigkeit der Festungsbejagung auf österreichischen Bo­­den, die Bevölkerung in das nahe Gebirg. Leute, die seither durch Wetsche­­rowa angelangt sind, berichten, daß das Beschießen seinen Schaden wieder an Menschen noch an den Wohnungen angerichtet hat, unter der indessen rücgeführten Bevölkerung jedoch bange Furcht und Rathlosigkeit herrsche. — Jedenfalls hat ver Festungskommandant Oberst Osman gezeigt, daß er auf seiner Hut­fel;­t­brigend fann diese Festung,, deren strategische Wichtigkeit nach heutiger Taktik eine unbedeutende ist, nach dem Salle ver Festungen an der unteren Donau sich nimmer halten, und muß von selbst fallen, sobald die andern genommen sind. Militärische G­undschau. Trot­zer Erfindung des elektrischen Telegraphen pflegt man in kriegeris­chen Tagen, namentlich bei so schlechten Wegen wie in den Donaufürstenthiü­­mern, viele Kouriere auf dem leichtesten Fuhrmwerfe der Welt, auf dem Bier­­gespann politischer Gerüchte nach allen Weltgegenden zu befördern. Schön ist es noch, wenn man später Derlei Bulletins selbst reumüthig berichtigt. So demen­­tirt Die legte Nummer des „Satellit“ jene offenbar mit Tinte aus Bezier Dmers Detailkanzlei geschriebenen Angaben über die Bedrängniß des Generals Lüders in der Dobrudscha und den Türkenmarsch auf Bulurest, Turz alle jene militärischen Sesams, welche so viele Blätter noch gestern mit so viel orientalis­cher Zärtlichkeit nachprudten. Dagegen will dasselbe Blatt nachträglich erfahren

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