Pester Lloyd - Abendblatt, Mai 1872 (Jahrgang 19, nr. 100-123)

1872-05-16 / nr. 112

ABENDBLATT DES PESTER (Die einzelne Nummer Kostet 4 fr. d. W.) & ar TREE MENES: sz a m an ng « vest- 16. Mai. sz Wie man ung aus Konstantinopel schreibt, sol der zeitherige Vertreter des deutschen Reiches bei der Pforte, Herr v. Rabowig, der während der frankheitshalber erfolgten Beurlaubung des Gesandten Grafen Kepferlingk als Geschäftsträger fungirte, demnächst wieder auf seinen früheren Bosten als diplomatischer Agent in Bukarest zurückkehren. Unser Berichterstatter fügt nicht Hinzu, ob Graf Kepferlingk die Leitung der Ge­sandtschaft wieder antritt, was jedoch wahrscheinlich ist. Der Generalfonsul des Deutschen Reiches in Konstantinopel, Dr. D Bufd, habe, so Heißt es in diesem Briefe weiter, gleichfalls seine Berfegung zu gewärtigen und zwar wäre er nach Be tersburg resignirt. Dr. Bujd gilt mit Recht als Einer der vorzüglichsten Kenner orientalischer Verhältnisse und insoferne hätte seine Zumeinung zur Gesandtschaft am russischen Hofe immerhin auch eine gewisse politische Bedeutung. Wir regi­striren an dieser Stelle auch die uns aus Wien zugehende Mittheilung, daß der österreichisch-ungarische Militär-Attache am Petersburger Hofe, Baron Bechtoldsheim, zur Zeit in Wien verweilt.­­ » ; == Ueber das Befinden der schwer erkrankten Erzherzogin Sophie enthält die „Wiener Abendpost” folgendes Bulletin:­­ ‚Ihre taif. Hoheit die burchlauchtigste Erzherzogin Sophie haben die Nacht ziemlich unruhig und schlaflos verbracht. Am Morgen zeigte si mohl einiger Nachlaß des Yiebers, jedoch seine Besserung des ziemlich gefundenen Kräftezustandes. Wien, am 15. Mai 1872, 9 Uhr Morgens. Prof. v. Bamberger m.p. Dr. Biel­a m. p. t. £. Hofarzt. Mie bereits telegraphisch mitgetheilt, wurde die hohe Kranke gestern Morgens über eigenes Verlangen mit den Sterbefak­amenten versehen und hat nach der „Wiener Abendpost” die heilige Handlung mit­ regster Andacht begangen.­­ Die für den 23. b. M. einberufene außerordentliche Gene­­ralversammlung der ungarischen Ostbahn kann nicht statt­­finden, da seitens der Aktionäre die statutenmäßig zur Beschlußfähig­­keit erforderliche Aktienzahl nicht deponirt worden ist. Nach $. 48 der Statuten sind nämlich, wenn es sich um eine „Vermehrung des gesellschaftlichen Anlagekapitals dur Hinausgabe neuer Aktien oder der Aufnahme eines Prioritätsansehens” handelt, mindestens 30.000, aber an für eine gewöhnliche Generalversammlung, damit sie einen giftigen Beschluß fassen könne, mindestens 7500 Aktien zu bepaniren. Run sind aber, obwohl der Anmeldungstermin bis an die äußerste Grenze verlängert wurde, bis gestern Abends hier nur 2450 und in Wien 835, dabei zusammen 3285 Ak­ien deponirt worden, also nicht einmal die Hälfte des für die einfache Beichlaffassung statutenmäßig erforderlichen Minimums. Der Tag der nächsten Generalversamm­­lung, welche mit möglichster Beschleunigung einberufen werden sol, wird noch im Laufe dieser Woche vom Verwaltungsrathe festgestellt werden. sz ‚Aus einem vertraulichen Schreiben, in welches Koloman 664ezy an die Redaktionen des , Hon" und „Ellener” gerichtet hat, reproduzirt erstgenanntes Blatt als Miverlegung der jüngst aufge­­tauchten Gerüchte folgenden Bafjus : „Ich bin Dir sehr dankbar dafür, daß Du die Nachricht von Blättern­ der Rechten , als hätte ich mein weiteres­ Wirken auf öffent­­lichem politischen Terrain vor meinen Wählern an gewisse Bedingung­en geknüpft, in Deinem Blatte zu widerlegen so gütig warst. Ich habe meinen Wählern gegenüber seine andere Be­dingung gestellt, als die eine, daß sie meine politi­­sche Welterzeugung billigen. Ich ermächtige Dich, auch fer­­ner gegen ähnliche Infinuationen zu protestiren.” = In der Angelegenheit der Boncina­-Urkunden, welche­­bon fo­ viele Erklärungen hervorgerufen, it nunmehr auch der „Reform” folgendes Schreiben zugegangen : Beehrte Redaktion ! Grít heute erhielten wir Kenntniß von dem Artikel der­ „Reform“ vom 3. b. M., in welchem­ gesagt wird, daß der Anhalt der von Herrn Voncina veröffentlichten Dokumente wahr sei. Nachdem im ersten dieser Dokumente gemeldet wird, daß in einer Kon­­ferenz der­­ froatischen Nationalpartei ein angeblich von Herrn Skrej­ fddooktb überreichter, von und herrührender Brief verlesen wurde, wel­­cher — in französischer Sprache — die kroatische Nationalpartei zum gemeinsamen Wirken mit der czechischen Opposition auffordert, und Fand erfuhr, im­ Verein mit den Gehen dahin u fteeben, daß KRoffuth in sein Vaterland zurückgerufen werde: so fühlen mit uns bewogen Kategorisch zu erklären, daß dieser Brief oder ein ähnlicher von uns unt­erkft­rt und nie erkjt­rt hat. Wenn aber ein solcher Brief in Wirklichkeit vorgewiesen wurde, so erklären wir denselben hiemit für­ eine Grrichtung und helfen Unterbreitung beim Minis­­terium für eine absichtliche oder unabsichtliche Miortifikation. Wir erfuhen die Löbl. Redaktion um Aufnahme dieser Erklä­­rung u. f. w. Prag, den 13. Mai 1872. Graf Heinrich Elam-Martinig m. p. Dr. Fr. Lad. Rieger m. p. Mat­iIAHKA r­ .. Waflbewegung. , Koloman Szell traf am 14. b. in St.­Gotthard ein, wo ihn eine ungeheure Menge seiner Wähler erwartete. In stweistündiger Rede legte er — in deutscher und ungarischer Sprache — über seine reiche und verdienstliche Thätigkeit auf dem jüngsten Reichstage Re­­denshaft ab. Er betonte namentlich den materiellen Fortschritt und äußerte sich eingehend über die finanziellen Verhältnise, die er als ewesener Referent des S­inanzausschnsses so gründlich nennt. Die äbler hörten die Lehrreiche und interessante Rede mit großer Auf­­merksamkeit an und proklamirten ihn dann von Neuem als Abgeord­­netenkandidaten. Alexander Bujanovich hat an seine Eperjeser Wähler einen Brief gerichtet, der seinen Rechenschaftsbericht enthält. Den ver­­gangenen Reichstag charakterisirt er als solchen, der für die Abgeord­­neten einer der mühsamsten, für das Land einer der produktivsten ge­­wesen sei. Er tabelt indes den Mangel an einem präfizirten System und die in der Gesprächigkeit der Abgeordneten begründete Langmwie­­tigkeit der Verhandlungen als Hindernisse des rascheren Fortschrittes. Er schlieht mit dem Wunsch, das Land möge nach Augen mächtig, im Innern blühend und frei sein. In Szenicz hat — wie man uns von dort schreibt — am 1. b. M. der ge­wesene Abgeordnete Paul von Buzintay seinen Regentschaftsbericht im Beisein mehrerer hundert Wähler erstattet. Der Bericht über sein Verhalten auf dem verfroffenen Reichstage wurde mit Befriedigung aufgenomm­en, und er selbst über Antrag des Avvotaten Emerich v. Kovács aufgefordert, den Szeniczer Wahlbezirk auch auf dem fünfzigen Reichstag zu vertreten. Er erklärte die Kan­­didatur umso bereitwilliger anzunehmen, als sich sämmtliche Schat­­tirungen der hiesigen Wähler — eine Linke im eigentlichen Sinne einftirt hierorte nicht — in seiner Person geeinigt hätten; am Abend veranstaltete der hiesige Advokat Franz v. Roronthály ein Banket, an dem sämmtliche Honoratioren t­eilnahm­en. Man schreibt und aus Galantha : Die Wahlbewegung nimmt in unserem Bezirke immer größere Dimensionen an. Am 9. b. M. 3 Uhr Nachmittags ward die Ankunft des Herrn Koloman Bittó, Vizegespan ,des Preßsburger Komitate, welcher als Kandidat der Denkpartei im Galanthaer Wahlbezirk­ auftritt, angesagt. € 3 versammelten sich die meisten der hiesigen Wähler bereits um 1 Uhr Nachmittags, um dem gefeierten allgemein beliebten Mann mit einem berittenen Banderium Au­ge Punkt 3 Uhr kündigten P­öllershüffe das Eintreffen des Kandidaten in unserer Mitte an; der­­selbe fuhr in offenem Wagen, begleitet von einer zahllosen Menge, in das herrschaftliche Kastell, wo er abstieg und eine kurze Ansprache an seine Wähler richtete, denen er für den festlichen Empfang herzlichen Dant sagte; und indem er auf sein, bei seiner festen An­wesenheit ent­wickeltes Programm hinwies, gab er die Versicherung, sowohl für die Interessen des Landes, als auch für die spezielen Interessen unse­­rer Stadt nach Kräften einzustehen. Nach kurzer Rast machte der Herr Kandidat in Begleitung mehrerer berittenen jungen Leute einen seinen Ausflug nach Farkas:Hida, wo demselben der märkste Em­­pfang zutheil ward. .., 23 der Herr Kandidat um 7 Uhr Abends von Farkas-Hida zurückehrte, war abermals eine zahlreiche Volksmenge im herrschaft­­lichen Parke zu seiner Begrüßung versammelt, worauf der Herr Kan­­didat einige Deputationen aus mehreren Ortschaften empfing. , Herr Adolf aus Werth hatte die großartigsten Anstalten zu einem Seite getroffen. Am Eingange des Schloßgartens wurde ein Triumphbogen errichtet, welcher mit Blumen, Jahren und sinnigen Aufschriften zianier­t war, auch war derselbe von zahlreichen natio­­nalfarbigen Lampions iluminirt Im Schloffe selbst fand ein festliches Bantet statt. Um 9 Uhr veranstaltete die hiesige Bürgerschaft einen ei­ns Fadelzug ; der Führer desselben Herr­n. Braun begrüßte den Herrn Kandidaten mit folgenden Morten : Namens der hiesigen Denkpartei bringe ich Ihnen meinen herzlichen Gruß, ich wurde mit dem ehrenden Auftrage ausgezeichnet, Ihnen die Sympathien der hie­sigen Einwohnerschaft auszuprüden, wir haben das feste Vertrauen, daß nur Sie eg sind, der die A Interessen unseres M­ahlbezirkes am be­­ten zu vertreten vermag, daher rufen wir einstimmig : 6 lebe unser bgeordneter Roloman Bitte. Der Kandidat antwortete darauf in entsprechender Weise. Erst spät gelangte die feitlich erregte Bevölker­­ung zur Ruhe. Ausselas Egetßeg,12.Mai,schreibt man uns:Ministe­­ralrath LadislausCstilagh wurde heute von einer zahlreichen Depu­­tation der Denkpartei am Bahnhofe von Szt.-von-Egerßeg empfan­­gen und von 5(»)—­60 Equipagen und einer groen Reihe anderweiti­­ger Fahrtwerke in den Krein seiner Wähler nach Zala-Egerpeg gelei­­tet, wo derselbe vor einer massenhaften Volfsmenge, in welcher die meisten zum Wa­hlbezirke gehörenden Gemeinden vertreten waren, sein Programm entwickelte. Abends fand gemeinschaftliches Festessen statt, bei d­em­ 13 an passenden Toasten nicht fehlte. Die Ansprache zur Be­­grüßung, am Bahnhofe wurde von Herrn Alois Stod gehalten. “Aus Görbch schreibt man uns, daßs im Pinczehelyer Mahlbezir­k von beiden Parteien Konferenzen abgehalten wurden , und zwar von Seite der Linken in Zamási am 10. o. M., bei welcher der Grbeputicte Herr Janaz Szluha seinen gebruchten Rechenh­afts­­bericht vertheilen ließ, worin für alles Nichtgeschehene oder Schlecht­­gescdebene natürlich die Rechte verantwortlich gemacht wird; alle etwaigen Errungens­aften hingegen, worunter hauptsächlich auch diese, daß durch die Nichtannahme des MWahlgefebentwurfes der größte Theil seiner Wähler noch überhaupt stimmberechtigt ist, werden seiner eige­­nen unermüdlichen Ausdauer und jener seiner Partei als M­erkdienst angerechnet. An der Konferenz nahmen etwa 300 Personen Theil, darunter­ viele Nichtwähler. Am 11. b. hielt die Dealpartei ihre Versammlung in Högnek ab, bei welcher ee 100 Wähler anwesend waren; der Kandidat Baron Alexander Jepengfpy ent­­mwidelte unter lebhaftem Beifall der Hörer sein Programm , welches durchaus liberal gehalten ist. Der Redakteur des „Bupas Pefti Közlöny“, Jan­ Salamon, in der Dealpartei des Toroiner Wahlbezirkes zum Kandidaten gewählt. Ferdinand Eber hat seinen Wählern MSIEL am 29. April N Rechenschaft abgelegt. Der Bericht ist reich an gesunden Gedanken, interessanten Ausführungen und scharfen Urtheilen. Nach einer treff­­lichen Betrachtung über die P Vortheile des 1867er Ausgleichs und NRüdblide auf die Friedenspolitik unserer Regierung angeschts des europäischen Konflikt im Jahre 1870 übergeht er auf die Wehrverh­ältnisse des Landes. Ein glühender Wunsch des Landes war die Rüdverlegung der­­ ungarischen Regimenter in die Heimath. Dieser Wunsch ist größtentheils erfüllt. Von 14 ungarischen Kavallerie­re­­gimenter sind 12 zurückgekommen, von 41 Infanterie-Regimentern 22. Daß von den Iebteren nicht mehr heimgebracht wurden, it dem Man­gel an Kasernen zu ihrer Unterbringung zuzuschreiben, in fernerer Wunsch des Landes war der, daß nicht blos ungarische Infanterie: und Kavallerie:, sondern auch Artillerie-Regimenter und technische Ab­­theilungen bestehen ; nun denn, heute haben wir bereits drei ungarische Artillerie-Regimenter, ein viertes wird eben in Temesvár organisirt, Ehen haben wir je ein ungarisches Genie: und Bionnier: Baz , _Rebner erwähnt der Lubopiceum-Militärakademie und der groß­­artigen Enttwickklung der Honvedarmee und übergeht dann zu der Angelegenheit der­ inneren Organisation. Sehr beherzigenswerth ist, was er von der Vollzerziehung sagt. Hier kann man auf adminis­­trativem Gebiete mehr thun als auf legislativem. Die Bildung steht bei und leidet im Allgemeinen noch auf einem sehr niedrigen Niveau und dem läßt sich, auch mit den größten Geldopfern nicht auf einmal abhelfen. Der Reichstag hat zwar die allgemeine Schulpflicht befreib­t, allein das bleibt geschriebener Segen, so lange wir nicht an andere Mittel der Ausführung denken. Man müßte versuchen, die allgemeine Wehrpflicht zu Volfsbildungssweden zu bewüßen, wie dies Preußen mit so viel Erfolg gethan hat. Dort wird der vieijährige Dienst nicht bloß zur militärischen, sondern auch zur allgemeinen Schulung und Ausbildung benügt und die nächte Delegation hat die Pflicht, in dieser Richtung zu wirken, wenn sie das Heeresbudg­t verhandelt. In ebenso anregender Weise bespricht er noch die Fragen der Religions­­freiheit, der Steuerreform und der Verwaltungsreorganisation. ' w. Wien, 15. Mai. Moriz Hartmann Beerdi­­gung.) Der Dichter 2 Hartmann m wurde heute zu Grabe ge­­tragen, und zwar, einem unshe bes­t Verstorbenen entsprechend, mit größter Einfachheit , desto mehr trug die Leichenfeier den Charakter der aufrichtigen und herzlichen Theilnahme an sich. Eine Biertelstunde vor Beginn der Trauerfeierlichkeit hatten si in und vor dem Sterbehaufe die Dichter Bauernfeld, Dr. Silberstein und Dr. grant­el, der Präsident des Jurnalisten­ und Schriftstellervereins „Concordia“, Wilhelm Wiener, mit vielen Mitgliedern desselben, der Reichsrathsabgeordnete Kuranda, fast sämmtliche deutsch-böhmische Abgeordnete, Edler v. Wertheim:­tein, sowie zahlreiche Vertreter der Kunst und die Freunde und ehemaligen Studienkollegen des Verstorbenen und eine Deputation des deutschen Vereines eingefunden. Um 3 Uhr Nm. wurde der mit Kränzen vollständig bewedte einfache Holzsarg (dem Ritus entsprechend) von Dienern­­ des Leichenvereins „Shewra Kadisha“ unter Rezitiven eines Trauerpsalms durch den Oberkantor Brofefor Sulzer in den vor dem Trauerhause, Rath­­hausgasse Nr. 9, bereitstehenden vierspännigen Leichenwagen gehoben, welcher sich hierauf nach dem israelitischen Friedhofe nächst­e Bábring in Bewegung feste, dalt sämmtliche Theilnehmer an dem Leichen­­begängnisse, sowie die­­ nächsten Angehörigen des V­erstorbenen gaben demselben das lebte Geleite bis zum Grabe. An der Vorhalle des Gottesadels hatte er ebenfalls ein zahl­­reicher Kreis theilnehmen­der Freunde des Verblichenen, sowie Sofrath v, Dingelstedt und der Dichter Mosenthal versammelt. Einen wahrhaft traurigen Eindruck machte das Grsheinen der tiefbe­­trübten Gattin und des einzigen siebenjährigen Söhnchens Hartmann’s, eines bildhübschen Knabens, aus dessen treuherzigen Augen die auf­­richtigste Trauer sprachı­­en Oberlanter Sulzer die üblichen religiösen Zeremo­­nien verrichtet und der Sarg­ in das Grab hinabgesenft war, trat Hartmann’s Augendfreund, Dr. Leopold Kompert, an das offene Grab heran und sprach mit oft von Thränen erftillter Stimme: „Als Dein ältester Kamerad, Mory; Hartmann, ich, der ich derselben Heimath entsprossen, denselben Zielen zuge­wendet, mit Dir das Knaben- und Sünglingsalter durchmachte, stehe ich an Deinem Grabe, um Dir ein lettes Wort nachzurufen. An Deinem Grabe ein fettes fort ! Das Schidsal hat mir das Bittere aufgespart, Dir den Scheide­­gruß sagen zu müssen. Ich sah und stand dabei und konnte es be­­lauschen, wie und als Du ein Poet wurdest. 17 Jahre zähltest Du kaum, da entwand sich den hochgespannten Saiten Deiner Seele ein Gedicht, wie es nur ein gottbegnadigter Genius, nur ein echter Dichter aus den tiefsten Tiefen seiner Seele finden kann. Das Gedicht nannte sich „anoler-König”. Gin Königssohn geht in den Wald und findet unter einem Baume ein Net voll junger Aoler. Cr nimmt sie auf, bewahrt sie in seinem Helme und wohin er nun geht, was sein Sinnen, was sein Trachten it, es umschwirrt, es umflattert ihn die junge Aolerbrut. Cr hat Aolergedanken in fich, auf fi und über fich. Dieser Heldensohn, theuerer Hartmann, warft Du selbst. Deine Fittige Schwangen fich immer höher, Du warst der junge Yar. Als das Vaterland noch im dumpfen Banne gefangen war, da fühltest Du Di in Deiner Atmosphäre beengt, Du flogest auf, im­­mer höher und höher und fechtest, zwar oft gehest, Deinen Flug fort dem Lichte der Sonne, der Freiheit entgegen. Nach 20 Jahren kehrtest Du zur Heimat zurück, die Du zür­­nend verlassen hattest, aber Dein Zürnen war fein Zorn, es war die heilige, feufche Liebe zum Baterlande. Du kehrtest heim, aber ach, Du warst ein kranker, gebrochener Nar, Du wart gesummen, um hier zu sterben! Moriz Hartmann, Du treue Freund, Du bist tot! Lebe wohl für immer.” Diesem innigen Nachrufe folgte der ergreifende, vom Männer: 9.Jang3vereine vorgetragene Choral: „Beendet ist sein Lauf!" . seiner Wiederheb­te Bald bedte die Erde die irdischen Weberreste des Verblichenen und mehmüthig verließen die Anmwesen­den die düstere Stätte der XTodten. N Zur Tagesgesdhcte. Ueber die von uns bereits gemeldete Unterredung, welche am 11. b. zwischen Thiers und dem Grafen Arnim stattgefunden hat, ver­­­öffentlichen sämmtliche offiziöse französische Blätter gleichlautend fol­­gende Notiz: „Here Thier3 hatte eine neue Zusammen­kunft mit dem Grafen v. Arnim betreffs Befreiung des Landes und der Bedingun­­gen, unter welchen sich Deutschland zu einer vollständigen Räumung herbeilasfen würde. Wir können natürlich diese Unterredung nicht mörtlich widergeben, aber wir misfen auf das Bestimmteste, daß Claf v. Arnim, nachdem er Herrn Thiers versichert, daß Deutschland in ihn das größte Vertrauen sett, Befürchtungen hinsichtlich der Haltung der Nationalversammlung gegenüber dem Präsidenten ausgesprochen hat. „Mer weiß,” hat Graf Arnim gesagt, „ob die Versammlung, wenn auch nur um ihnen Opposition zu machen, nicht annulliren wird, was wir beschlossen und wofür wir die Genehmigung des deuts­chen Kaisers erlangt haben werden." Wie dem auch sein möge, sehr ernste Besprechungen sind im Gange, und wenn die Nationalver­­sammlung vernünftig ist, dürfen wir hoffen, daß bald die Stunde klägt, in welcher in Frankreich nur noch Franzosen sein werden." Der mit dem deutschen Botschaftsamte in Verbindung stehende Bariser Korrespondent der „Nat.ätg." will mit Bestimmtheit wissen, daß diese Notiz in der That aus dem Kabinet des Präsidenten der Republik herrühre, wer also damit beabsichtigt, der Nationalversamm­­lung eine 2eftion zu ertheilen. Mebrigeng meint der Korrespondent, die stattgehabte Unterredung sei aller Wahrscheinlichkeit nach nicht derart gewesen, das sie die nunmehr angeknüpften Unterhandlungen weitergebracht hätte.­­ Graf von Arnim war nämlich auf einem Spazierritte nach Versailles gelangt und bei der Residenz des Präsidenten abgestiegen, um Herrn Thierd, den er seit seinem Unmohlsein nicht gesehen, zu jung zu beglückwünschen. Der Präsident war gerade in Begriff, in den Wagen zu steigen und beeilte sich, den deutschen a einzuladen, an seiner Spazierfahrt nach Trianon Theil zu nehmen. Einer unserer Pariser Korrespondenten schreibt uns unterm 13. d.: ZThier ® empfing gestern eine Deputation von Pariser Depus­tirten und Gemeinderäthen (unter ihnen Gambetta, de Blonca, Locdroy u. s. w.), welche über die NRüderstattung der 200 Millionen Kriegs­­kontribution mit ihm unterhandelten. Wie bekannt, zeigt sich die Ne­­gierung bisher nur bereit, die Hälfte zurückzuerstatten und nur unter der Bedingung, das die Stadt diejenigen Eigenthümer entschädige, welche durch die Belagerungen und die Kommune zu Schaden ge­­kommen sind.Diese Eigenthümer haben im Ganzen eine Entschädigung­ von weit über 100 Millionen verlangt,welche Summe von den Ex­­perten auf 77 Millionen reduzirt worden ist.Davon hat der Staat schon 2 Millionen auf sich genommen,die Stadt müßte also für 75 Millionen einstehen. Sie ist in der That bereit sie zu zahlen und zwar in zehn Annuitäten von 8 Millionen, in welche durch eine Steuer auf die Kataster, Cinfünfte und dur eine Vermehrung der Marktabgaben beschafft werden sollen. Aber sie wünscht, daß der Staat eine stärkere Rüczahlung auf die Kriegskontribution Leiste. Endlich hat das englische Ministerium die so lange schon ers­tartete Erklärung in der Madamafrage abgegeben. Im Oberhause sagte Lord Granville, im Unterhause Glapstone Folgendes : „Die Regierung sei von ihrer ursprünglichen, in der Depesche an den Staatssekretär Fish vom 3. Feber d. N. schon hervorgehobenen Stellung, wonach sie aus förmlichem Ausschlusse der indirekten Schaden­­ansprüche von den unter den Washingtoner Vertrag fallenden Schaden­­forderungen­ bestanden, nicht abgewichen, obschon in der A­ntwortknote A vom 20. April amerikanisiertentd? noch an der Ansicht festge­­alten wurde, daß der Alabamahandel mit allen zu demselben nur in Be­­ziehung stehenden Fragen lediglich vom Genfer Schiedsgerichte entschieden werden könne. Die Regierung hatte inzwischen eine Mittheilung er­­halten, in welcher ihr der gegenseitige Austausch von Noten zur Klar­­stellung der Ansichten der beiden Negierungen und der Bedingungen, unter welchen vieselben sich über die Entscheidung der Sache durch ein Schiedsgericht verständigt, vorgeschlagen wurde. Die Regierung ertrog diesen Vorschlag am Donnerstag und zeigte den von ihr gefaßten Ent­­schluß in einer Form, welche als Grundlage zu weiteren Verhand­­lungen geeignet erschien, Freitags der nordamerikanischen Regierung an. Am Sonntag Vormittag erhielt Granville durch General Schend die Mittheilung, daß Präsident Grant geneigt sei, auf Englands Vor­­schlag einzugehen und daß derselbe davon bereits dem Senate ver­­trauliche Mittheilung gemacht habe, was einer Annahme und Geneh­­migung des Vorschlages durch den Präsidenten fast gleichomme; Der Vorschlag wer­de bereits vom Senate in vertraulicher Weise berathen. Ueber die Natur und Bedeutung dieses Vorschlages fügten die Ver­­treter der Regierung noch hinzu, daß in demselben die Stellung, welche die Regierung durch ihre in der ersten Sigung dieser Session abge­­gebene Erklärung näher bezeichnet, genau innegehalten werde. Die Regierung verspreche sich einen günstigen Erfolg und bitte, wenn mög­­lich, von jeder weiteren Debatte fetz­­e .,­­Im Oberhause erklärten darauf Lord Derby und Russell,daß sie bis zum Schlusse des Monats auf jede weitere Verhandlung der Frage verzichteten,während eine gleiche Erklärung im unterhause vo Disraeli abgegeben wurde. Ueber den Karlistenaufstand finden wir in französische­­ Blättern folgende Mittheilung:Mehrere hundert Karlisten haben die französische Grenze überschritten,darunter Recondo und Ugarte,die sofort gegen die deutsche Grenze geführt wurden.Andere karlistische Generäle, darunter Elio,Rada und Lirio,werden in Bourges interniert.Die Blinden Tuento’s,Pippy’s und Portoks haben sich unterworfen,die Führer sindgefallen.Somit scheint es mit dem Aufstande wirklich auf und zu Ende zu sein.­­­­ 3 Chamondrin. Nach dem Französischen von Ernest Daudet. Bon Friedrich KCopmann, Grfter Theil. (25. Fortsehung.) Gourregol stürzte auf Dolores zu und zog sie aus dem­ Saale. Duprat folgte ihnen. Ma sie in dem Gange vor dem Ge­­mache Jourdan ware, holte er sie ein und fagte zu dem jungen Mädchen: „Sie interessiren mich, mein Fräulein; ich würde es tief­­ be­ Hagen, wenn Ihnen ein Unglück begegnete, und ich will Ihnen daher einen guten Rath ertheilen. Stellen Sie alle Schritte dieser Art ein, die Sie gefährden würden. Ihre Freundin kan nicht gerettet werden, weder sie, noch ihr­ Sohn, und die Züchtigung, die sie verdienen, wird ihnen nicht erspart bleiben. Ganz besonders hüten Sie sich, mieder biederzusommen. Der General berauscht sich jeden Abend. Sie haben ihn trinken sehen, und wenn er betrunken ist, ist er zu Allem fähig. Sie sind zu hübsch, um sich in dieses Schloß zu wagen. 3 gibt unter uns junge Männer, die für Mädchen, wie Sie, gefährlich sind. Wenn zum Beispiel mein Freund Mainvielle bei unserer Unterredung zu­­gegen gemesen wäre, wenn er Sie gesehen hätte, so hätte ich mich für nichts verbürgen mögen.” „Genug, mein Herr, genug!” entgegnete ihm Dolores mit er­­sticlter Stimme. „Ich danke Ihnen." Dann fügte sie hinzu: „Könnte ich wohl Madame Niel sehen ?” »Es ist schon spät,«antwortete Duprat,der nach seiner Uhr sah,welche neun Uhr zeigte.»Ich will es m­en jedoch nicht ab­­schlagen.Man wird Sie zu Ihrer Freundin führen.Verlängern Sie­­ Khre Unterredung nicht , gehen Sie so bald wie möglich fort und vor allen Dingen, ih­m wiederhole es Ihnen, kommen Sie nicht wieder hieher.” Nach diesen Morten rief er einen Mann, der in einem Winkel schlief, ertheilte ihm einen Befehl und entfernte sich dann, um zu Jourdan zurückzukehren. Dolores und Courregol folgten ihrem Führer,der,seit einer Laterne versehen,sie durch unzählige Gänge des Palastes der Päpste führte-M an stieg aufwärts,dann wieder abwärts,um von neuem aufwärts zu steigen und ders Weg dauerte lange Zeit.Endlich kam man in den Trouillasthurm,einen der sieben Thürme,die sich über die Mauern erheben, und worin die Gefängnisse gelegen waren, an. Der Mann öffnete eine niedrige Thür, gab Dolores ein Zeichen, da sie eintreten könne, und nachdem er seine Laterne auf den Fußboden gefest hatte, wartete er in Courfegols Gesellshaft den Befehlen ge­­mäß, die er von Duprat erhalten hatte. Das von zwei Kerzen erleuchtete Zimmer,in welches Doloreß eingetreten war, war ziemlich groß, aber niedrig und gewölbt. An den Mauern standen ein Dakenbch für die weiblichen Gefangenen be­­stimmte armselige Betten. Die Einen, die sich­hon niedergelegt hatten, schliefen. Andere unterhielten sich miteinander. Unter diesen Frauen waren einige sehr bübic ; aber mit der Ausnahme von zweien s oder dreien, gehörten sie alle zum Volke. Der Schrecen von Avignon, welcher behauptete, nur unter den Nrihtokraten aufzuräumen, befaßte sich h­auptsächlich mit Leuten niedrigen Standes. Von diesem Gesichts­­punkte aus ist die Liste der Opfer jener traurigen Periode sehr merkwürdig. An dem Augenblicke, wo Dolores eintrat, betete Eine der Ge­­fangenen, die zu Füßen ihres elenden Bettes niedergefniet war. € 3 war Madame Niel. Sie kehrte sich um, erkannte Dolores, erhob si­­c hleunig und eilte ihr entgegen, indem sie rief: „Sie, Sie hier? Wurden Sie verhaftet ?" , ein", erwiederte Dolores, die sich im ihre Arme warf und sie mit Küffen bewed­e, „ich habe um die Erlaubniß gebeten und sie erlangt, Sie sehen zu dürfen.” „Sie haben einge­willigt ? Dann haben Sie viele Menschen sehr bitten müssen !" “ „Ich­­ hatte einen solchen Wunsch, Sie zu sehen!" antwortete Dolores, welche nicht gestehen wollte, daß sie vergebens um die Be­­freiung ihrer Freundin gebeten hatte. Madame Niel zog sie auf ihr Bett; sie fetten sich dort und unterhielten sich lange mit leiser Stimme. Madame Niel war damals beinahe vierzig Jahre alt, aber sie sah viel jünger aus. Sie war groß, gut gebaut, elegant, m­it dem Wesen einer vornehmen Dame. Ihr Gesicht war milchweiß , ihre Haare schwarz und seidenartig, ihre Lippen rosenroth, ihre ausdruchs­­vollen Augen, in denen sich die leidenschaftliche Gluth einer schönen Seele offenbarte, machten sie über jeden Ausbruch verführerisch. In dieser anbetungswerthen Frau zeigte si Alles vollkommen. Er ge­nügte, sie zu sehen, um zu begreifen, daß eine solche Frau nicht für ein dunkles Gefihde geboren worden war. Dolores fand sie indessen verändert. Die Gefangenschaft und die Thränen hatten ihre delikaten Züge abgemagert und sie klar­ge­­macht, ohne ihr indessen den unzähmbaren Muth zu rauben, der sie aufrecht hielt und der sie nicht einmal vor einem schredlichen Tode verlassen sollte. Sie war seit einem Monat im Gefängniß und hatte si nichts arzumerfen ; ihre einzige Schuld bestand darin, daß sie die Terroristen von Avignon hatte entfernen wollen und daß sie sich von denselben hatte besiegen lassen. „Ich fürchte nichts für mich”, sagte sie zu Dolores, die es nicht wagte, ihr Vertrauen zu zerstören und ihr zu erzählen, was sich ereig­­net hatte. „Sie werden es nit wagen, mit kaltem Blute Frauen zu tödten. Wenn sie meinen Tod gewollt hätten, so würden sie mich der Moth des Volkes überlassen haben, das gegen mein Haus aufgehekt war. Sie haben aber meinen Sohn verhaftet. Ich fürchte, dab sie an ihm werden die Verbrechen rächen wollen, die sie seiner Mutter unge­rechter Meise vorwerfen, um mich in seiner Person zu treffen. Ach, wenn das sich ereignete, so würde ich daran Sterben !" Als Madame Riel so sprach, weinte sie bitterlich; denn wenn sie an als Frau starb und ruhig war, war die Mutter doch schwach und ängstlich. Dolores versuchte, sie zu trösten, aber sie mußte si selbst die größte Gewalt antbun, um Worte der Hoffnung auszuspre­­chen, m während sie doch wußte, daß der Tod ihrer Freundin beschlos­­sen war. „Ich habe vergebens darum gebeten, meinen Sohn zu sehen”, fuhr Madame Niel fort. „Die Barbaren haben mir viefes Glück ver­­weigert. Ich weiß, daß er in tiesem Gefängniß ist. Ich habe ihn ein­­mal gesehen, aber nicht mit ihm sprechen können.” Sie schwieg einige Minuten, dann nahm sie wieder das Wort: „Kurz, ich will die Hoffnung noch nicht verlieren. 68 arbeiten Freunde für und. Die Bösen werden nicht immer die Herren sein. Gott wird Mitleid mit und haben. Dann, theures Mädchen, werde ich mich mit Ihrem Glüde beschäftigen können, denn Sie sind ebenfalls sehr grausam geprüft worden." „Denken Sie nicht an mich.” „Wohl. Aber nichts wird mich verhindern, an Sie und Ihr Glüd zu denken, wenn ich frei sein werde. Ich Liebe Sie, Dolores, als wenn Sie meine eigene Täter wären, und mein Sohn liebt Sie auch.“ Dolores senzte die Augen, ohne diese Worte zu begreifen. Mar­dame Niel spielte zum ersten Male auf das an, das­­ ihr Sohn ihr vertraut hatte. Dieser junge Mann hatte seiner Mutter gestanden, daß sein Herz von den Tugenden und der Schönheit Dolores’ tief ergriffen sei, und ‚obwohl sie die Geschichte versehlen und ihre Liebe für Philipp tannte, hatte sie sich doch versprochen, das Glück ihres Sohnes und die Zukunft ihres Schüßlings zu verwirklichen. Die Unterredung dauerte noch lange Zeit. Der Mann aber, der an der Thür mit Bourregol machte, fand sic, ein und erklärte den beiden Frauen, es sei Zeit, sich zu trennen. Sie umarmten sich zärt­­li und nahmen mit einem „Auf Wiedersehen!" von­einander Ab­­schied. Dann schloß sich Dolores Courregol an, der sie weit von die­­sem Orte mit forteiß und sich gelobte, nie wieder zu dulden, daß sie sich noch einmal in dieses Gebäude begebe. Duprat’s Warnung hatte ihm einen großen Schrecen eingejagt. Sie legten den Weg nach ihrer Wohnung schweigend und mit gepreßtem Herzen zurück. Dolores konnte während der Nacht nicht schlafen. Ihre Gedanken zogen sie abwechselnd zu den unglücklichen, dem Tode ge­weihten Gefangenen, und nach dem unbekannten Lande, wo Antoinette und Philipp lebten. Ihre überreiste Einbildungskraft erweckte die Erinnerung an die vergangenen Zeiten, aber ohne sie an vers festhalten zu können, als bei den Unglückstagen, welche alle die Schmerzen hatten entstehen sehen, die ihr Herz zerrissen. VIII. (Die silberne Glocke.) In einer der bescheiden­­sten Straßen Avignons,nicht weit von der Rhone,befand sich das Haus,in dem Dolores und Coursegol wohn­­ten.Es war ein kleines­ Gebäude von nur einem Stockwerke.Ein dunkler Gang führte an die Treppe und er verlängerte sich jenseits dersehben bis in den Garten, der in eben so viele Vierede getheilt war, als es in dem Hause Miether gab. Eine Treppe hoch wohnten Arbeiter; Dolores und Gourregol hatten einen Theil des Erdgeschosses­­­ inne. Der andere Theil war die Wohnung einer faum achtzehn Jahre alten Nätherin Namens Marie Chobert. Dolores führte ein Lebhaftes Interesse für diese junge Arbei­­tin. Waise seit ihrer frühesten St­ndheit, von einer Verwandten erzo­­gen, die ihr nun auch durch den Tod entrissen worden war, galt Marie Chobert für eines der hübschesten Mädchen in Avignon, aber ihre Sittsamkeit und Unbeflohtenheit glichen ihrer Schönheit. Sie war in der Stadt bekannt, wo sie mehr als einen Liebhaber zählte, und sie hatte mehr als einmal unverschämte Anträge mit Entrüstung zurückge­wiesen. Einem Dasein der Schande­ zog sie das einfache Leben vor, das ihre Arbeit ihr verschaffte. Den Grillen ähnlich lebte sie von wenig. Sie überließ sich nicht ehrgeizigen Träumen, dur welche fa­st arme junge Märchen sich ins Unglück stürzen. Ihr ganzer Nunsch beschränkte sich darauf, einen rechtfehaffenen Arbeiter zu finden, der sie zu seiner Frau begehre, um sich an ihrer Seite glücklich zu fühlen und einander gegenseitig zu beglühen. Der Tag kam, wo sie den Gegenstand ihrer Wünsche gefunden zu haben glaubte. Ein junger Mann, dem sie in einem Hause begeg­­nete, wo sie zuweilen Tage lang nähte, bemerkte sie. Er stand in den­­selben bürgerlichen Lebensverhältnissen wie sie, und gefiel ihr. Unter den armen Leuten des Volkes sind die Verhandlungen in einem sol­chen Falle nicht lang. „Sie sind hübsch, mein Fräulein. Man sagt, da; Sie gut und rechtschaffen sind. Ich gewinne mit meiner Arbeit meinen Lebensunter­­halt. Ich liebe Sie. Wollen Sie mich zu Ihrem Manne nehmen ?" „Sie mißfallen mir nicht. Ih­rese Vertrauen in Ihre Ver­­sprechungen und bin gerne bereit, Ihre Frau zu werden.” So ereignen sich die Sachen am häufigsten und so hatten sie sich auch zwischen Marie Chobert und dem jungen Manne, der sie Liebte, zugetragen. Vierzehn Tage später war Alles beschlosssen und verabredet und der Hochzeitstag festgelöst. Wiöslich erfuhr Marie Cho­­bert, ihr Bräutigam habe sich in der Armee von Vaucluse unter je­­nen Soldaten anmerken lassen, welche den Räubern ähnlich die Städte plünderten, die Bewohner derselben bestahlen, die Kinder ermürgten, die Frauen entehrten. Sie schrieb ihm auf der Stelle und versuchte vergebens, ihn zu besti­mmen, diesen unheilvollen einem absehenlichen Morde betheiligt hatte, der von einer Abtheilung Soldaten der Armee von Bauckuse begangen worden war. Sie vergab ihm dieses Verbrechen nicht. Ihre verlorenen Täuschungen bemeinend, b­at sie ihrem zerrifs­enen Herzen Gewalt an, mieder zu sehen, und dem, den­­ Fortsetzxungfeich sie brady mit ihm, vermei? zu machen geglaubt hatte, jest als nichts weiter als einen Banditen betrachtete, die Versprechen zu halten, die sie einem rechtschaffenen Manne .« !­­ '­ben. Er Mädchens, gerte ihn Widerstand ihren Vermögen Kosten der Reih.n Bitten. Er war erwerben und Plünderung dazu zu gelangen. Einige Tage später erfuhr die arm und wollte sich auf­rechnete Troß aller Bitten Entschluß aufzugen und Thränen des er liebte, führte er seinen Vorfall aus der Name ihres Verlobten — fid­­in darauf, burch und reiste ab. Marie Chobert, daß Jacques — das war der Umgebung von Avignon an

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