Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1881. März (Jahrgang 8, nr. 2189-2214)

1881-03-01 / nr. 2189

» ReduktionundKdniinistratiom Heltauetgasse23. E­s scheint mit xwznaymeder gsomv und gfseiers tagetäglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährig 2 fl. 50 fl., Halbjährig 5 fl., ganzjährig 10 fl. ohne ee ins Haug, mit Zustellung 1 fl., 3 fl., 6 fl., 12 fl. Abonnement mit Bostversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 = ig 7 fl, ganzjährig Für das Ausland: vierteljährig I9_NAM. oder 12 Fre3., Halbjähri 18 MAR. oder 24 BroB, ganslägeig 36 I. ns TC. Unfransirte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. Siebenbirgisch- Deutsches Tageblatt. Hermannstadt, Dienstag I M­ärz Pränumerationen und Inserate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauergasse Mr. 23, in Kronstadt die Buchhandlungen Heinrich Dresswandt, Fr. Wilhelm Frank, Heinrich Zeidner, Mediasch J. Hedrich’s Erben, Schässburg €. F. Erler’s Buchhandlung, Bistritz Friedrich Wachs­­­mann Nr. 187,­­­Sächsisch-Regen Adolf Dengyel Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, Rotter , C., H. Schalek, Pest A. V. Goldberger, Frankfurt a. M. G. L. Daube & C. Infertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile kostet beim einmaligen Einladen 7 fr., da8 zimeitemal je 6 fr., da8 drittemal je 5 fr. d. W. exclusive der Stempelgebühr von je 30 Er. N= 2180. Brämmmerations-Cinladung auf das Siebenbürgisch - Deutsche Tageblatt. Mit 1. März 1881 beginnt ein neues Abonnement auf das „Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt“, RE Pränumerationen und Inserat3-Aufträge werden entgegen­­­enommen: in Hermannstadt beim Hauptbureau, Heltauergasse 23, in der Buch­­­Bash N Michaelis, und Elisabethgasse Nr. 29 bei Gustav Gürtler, auswärts bei den am Kopfe des Blattes genannten Firmen. Der Berlag des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts“ (Hermannstadt, Heltauergasse Nr. 23.) Ländfiche Städte und ihr Haushalt. A. Die Städte. IV. Der wirthschaftliche Produktionskreis und sein Mittelpunkt sind seines­­­wegs unveränderlich und — um ein über Strahlfund gesprochenes Wort Wallensteins anzuwenden — mit Ketten an den Himmel geschlossen. Die B­eripherie des Produktionskreises erweitert oder verengt sich bald nach der einen, bald nach der andern Seite, und demnach kann sich auch der wirth­­­schaftliche Mittelpunkt verschieben. In neuerer Zeit rufen namentlich die Eisenbahnen eine große Veränderung in dem Verhältnisse zwischen Stadt und Land und zwischen den einzelnen Städten hervor. Das Zuströmen in die großen Städte hat einen riesigen Umfang an­­­genommen. Langsamer und in bedeutend geringerem Maße vermehrt Sie die Wollözahl der kleinern Städte. Einige derselben nehmen sogar ab, da sie Theile ihrer Bevölkerung an größere Zentren abgeben. Siebenbürgen ist noch viel zu kurze Zeit vom Schienenstranges berührt, als daß sie die Ver­­­schiebung der Bevölkerung und Die Richtung derselben mit Sicherheit wahr­­­nehmen ließe. Es ist möglich, daß sich hier, namentlich wenn Siebenbü­rgen in das orientalische Eisenbahnweg einbezogen wurde, größere Verkehrs­­­mittelpunkte bilden. Aber es ist auch möglich, daß Siebenbürgen und seine Städte, da sie die Produktionskreise in Folge des Schnellverkehres der Eisenbahnen erweitern, in die Peripherie großer außersiebenbürgischer B Wirtsch­aftsmittelpunkte fallen, oder insofern sie Ion darin sind, in die­­­selbe feiter eingefügt werden. Der bereits erwähnte Nationalökonom Thünen hat das durch die Thatsachen erhärtete Gejek aufgestellt, daß die Stadt, aus den nach der Mitte drängenden Kräften der Peripherie hervorgegangen, auch wieder ein mächtige Hinwiwirfung auf die Peripherie ausübt und einen maßgebenden Einfluß auf die Vertheilung der landwirthschaftlichen Produktionen und Kulturgattungen nimmt er dem nächsten. Die exste Landwirthschaftliche Zone bildenden Umtreffe der Stadt werden die Gegen-­­stände de3 raschen Konsumes, Gemü­se und andere Gartenfrüchte, angebaut. Die zweite Zone nehmen die Getreidefelder ein, deren Früchte, ohne ü­ber­­­mäßig durch die Sprachtforten verb­euert zu werden, den Transport nach dem M­arkte der Stadt vertragen. Die dritte und meiterte Zone bilden die Viehmeiden, deren Erzeugnisse theil3 durch die geringeren Gestehungsfolien, theil3 durch die größere Konzentrirung der Nährkraft im Mlattvieh die höheren Kosten des Transporte zur Stadt aufl­iegen. Es ist möglich, daß Siebenbürgen in die dritte Zone eines so großen Städtemagens fällt oder sich bereits darin befindet. Seine Städte müssen jedoch, deshalb nicht zu Grunde gehen und ih) in Weideplan verwandeln. Das wirthschaftliche System ist so funftvoll, der Zusammenhang der Städte und ihre Gliederung in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit so geordnet, wie das System der Himmels­­­körper, die zugleich Mittelpunkt des einen und Trabant des andern Him­­­melskörpers sind. Selbst die Figsterne sind ja nur relative Begriffe, da sie si mit ihrem ganzen Planetensysteme ebenfall um andere Mittelpunkte bewegen. ai auch die Wirkung der Eisenbahn auf die Verschiebung der Bevölkerung Siebenbürgens und ihrer wirthschaftlichen M­ittelpunkte noch nicht genau festgestellt werden kann, so ist doch eine Wirkung der Eisenbahn auf die Städte unverkennbar: der forek­te Kampf zwischen Kleingewerbe und Fabrik­industrie. Dieser Kampf war bereits vor dem ersten Pfiff der Lokomotive entbrannt, aber sein Ausgang ist seither jeden­­­falls beschleunigt worden. Durch den erleichterten Verkehr der Eisenbahn ist das große Kapital dem Kleingewerblichen in den sächsischen Städten näher an den Leib gerückt. Das Größengefeb des Kapitals macht sich geltend, vermöge Dessen das größere Kapital das Kleinere im Wettbewerbe bei sonst gleichen Bedingungen aus dem­­­ selde schlägt. Viele, frü­her blühende Gewerbszweige gehen unter, und die durch den Kaufmann eingeführte Sabrisswaare tritt an die Stelle des Handwerkserzeugnisses. Die sächsischen Städte sind nahe daran, ihr Gewerbe zu verlieren, wie sie in frü­heren Jahrhunderten ihren bedeutenden Handel verloren haben, am mit der Auffindung des Seeweges nach Ostindien, der Entdekung Amerikas und dem­ Einbruche der Türken nach Europa, der Handel andere Bahnen ein­­­schlug. Vor dem Eintritte dieser­ welterschitternden Ereignisse unterhielten die sächstschen Städte einen gewinnnreichen Zwischenhandel; ihre Kaufleute durchzogen die untern Donauländer, Dalmatien, besuchten Zara, Venedig und selbst Aegypten und handelten im Norden in Krakau, Prag und Leip­­­zig und anderen deutschen Stapelplagen. Sie handelten im 14. Jahr­­­hundert mit Getreide, Vieh, Fischen, Salz, Wachs, Honig, Wein, Tüchern, Kleidern, Gürteln, Bogen, gegerbten Biegen-, Kalb-, Fuchs- und Marder­­­fellen. Der Druck der amerikanischen Concurrenz auf Europa, die Herstel­­­lung des Suezfanalos und der Untergang der Türkenherrschaft werden wohl dem Mittelmeere und seinen nordafrikanischen und zwestasiatischen Küsten Die frühere Bedeutung zurücgeben; auch die verödeten Landhandels­­­fragen nach dem Oriente, die ü­ber Ungarn und Siebenbürgen gehört, werden sich wieder beleben, und auch die Sachsen können, wenn sie rührig und gewandt sind und aushalten können, einen Theil dieses befruchtenden Stromes sich nugbar machen. Aber bevor die große Wiederherstellung der alten Orientverbindungen Schatjache wird, droht den sächslichen Städten der völlige Verlust ihrer Gewerbe. Das ist eine überaus ernste, die Wurzel des Bestandes der Städte angreifende Gefahr. Die jedoch nicht unbesieglich it. Das Kleingewerbe ist der Großindustrie nicht bedingungs- und nicht ausnahmslos geopfert. Es hat seine sichere Zufluchtsstätte, in welche die Fabrik­waare nicht dringen kan. Die Fabrik­industrie ist dem Handwerfe­­re dort überlegen, wo gleiche Sitten gleiche Bedürfnisse erzeugen. Nur dort vermag die im großen Mensjen erzeugte, uniforme Yabrilswaare das Handwerkserzeugniß aus dem Felde zu schlagen. Ueberall dagegen, wo das individuelle, in jedem einzelnen alle­­in Bedürfniß ob­waltet, vermag nur das Handwerk dieser Verschiedenartigkeit ich anzupassen und der Ueber­­­fluthung der Fabrissindustrie siegreich Stand zu halten. Jebt befinden wir und in der vollständigen U­mwälzung unserer Gewerbsverhältnisse; die Grenz­ [inie in dem wirren Sampfe zwischen der eindringenden Fabrissindustrie und dem weichenden Stleingewerbe ist noch nicht gezogen. Viele Gewerbs­­­weige sehen sich aus ihrem Jahrhunderte langen Befige verdrängt; für je einzelnen, hart betroffenen Ge­werbetreibenden ist es schwer, oft unmög­­­lich, den Uebergang zu einem andern, dem P Verfalle nicht überlieferten Gewerbszweige zu finden oder si zum Kunsthand­werker auszubilden. Aber auch bei, gegen die Konkurrenz der Fabrikswaare gefeiten Ge­­­werbszweigen droht eine schwere Gefahr: das Uebermaß der Steuer. C8 sei hier gestattet, nur einige Ziffern zur Beleuchtung der wachsenden Steuer­­­belastung der sächsischen Städte anzuführen. So zahlte die Bevölkerung von Kronstadt 79.755 Gulden direkte Staatssteuern im Jahre 1858 und 260.335 fl. im Jahre 1880; Hermannstadt 70.471 fl. im Jahre 1858 und 160.488 fl. im Jahre 1880; Schäßburg 16.527 fl. im Jahre 1858 und 41.044 fl. im Jahre 1880; Mediarch 14.908 fl. im Jahre 1858 und 38.707 fl. im Jahre 1880; Biltrng 14.378 fl. im Jahre 1858 und 50.784 fl. im Jahre 1880; Broos 10.618 fl. im Jahre 1858 und 31.419 fl. im Jahre 1880; Mühlbach, 10.192 fl. im Jahre 1858 und 36.216 fl. im Jahre 1880. Die Haussteuer hat sich seit dem Jahre 1858 in Hermannstadt mehr als verdoppelt, in Kronstadt verdreifacht, in Schäß­­­burg verneunfacht, in Mediath und Broos verzehnfacht und in Biltung vervierzehnfacht. Die Kapital bildende Kraft des Hauses ist dich Die Steuer bereits zerstört. Das Erträgniß des Hauses ist nicht so groß, daß der Befiger, der von 100 Gulden Einnahme nach Bestreitung der Staat­­­­srenter und der gewöhnlichen Reparaturen mm 60 Gulden behält, nach Ab­­­tepnung einer fünfperzentigen Kapitalsrente Jahr fir Jahr so viel zurü­d­­­fegen fan, um aus dem Ersparniß nach Jahrzehnten das verfallene Haus wieder aufzubauen und das aufgezehrte Kapital wieder zu erhehen. Ebenso schwer lastet Die Erwerbsteuer, welche seit 1858 sich in den sächsischen Städten bei ziemlich stationären Bevölkerungsverhältnissen verdoppelt und verdreifacht hat. Je höher die Steuern hinaulaer raubt­­­­ werden, desto mehr Schwindet die Zahl der Steuerträger. Und in diesem merkwü­rdigen Kampfe der Steuerschraube und des Steuerträgers Schwindes suchen Die Steuer­­bemessungsorgane den Ausfall in der Zahl der Steuerträger durch eine stetige Me­hrbelastung der übrigbleibenden Steuerträger zu decken, so daß ER bald die Steuererhöhung bald der Schwund der Steuerträger überwiegt. Im ähnlichen Verhältnisse sind die indirekten Steuern, namentlich die Wein -und Fleischverzehru­ngssteuer, gestiegen. Im Jahre 1872 zahlte Hermannstadt ein Abfindungspauschale von 9000 fl. für die Wein- und von 16.000 Fl. für die Fleischverzehrungssteuer, zusammen 25.000 fl. Im Jahre 1881 zahlt Hermannstadt gerade das Doppelte an Wein- und Fleisch­­­verzehrungssteuer, nämlich 50.000 fl. d. W. Dadurch it das Leben in den Städten theueret, der Erwerb kärglicher geworden. Zahlreiche Handwerker verlassen bereit die theuere Stadt und suchen der hohen Steuer zu entfliehen; sie übersiedeln in die Landgemeinden und werden Dorfhandwerker. Angesichts Dieser Erscheinungen­ ist daher die bange Frage wohl begründet, ob unsere Städte unter dem Steuer­­­druck nicht zu veröden beginnen? Die Antwort Hierauf ist schwer. Jeden­­­fall aber wirft der Steuerdruck in den Städten der von der landwirth­ Ichaftlichen Peripherie nach der Stadt treibenden Kraft entgegen. In diesem Kampfe der centripetalen und centrifugalen Kräfte mag jede Stadt, die noch­ steht, zusehen, daß sie nicht falle! Lee un­­d 1881. Politische Mebersicht, Hermannstadt, 28. Februar. Daß in der getreuen Stadt Deva der fläptische „Ausrufer” seine Stimme nur in der Staatssprache erschallen Laffe, die bisher dort gebräuch­­­liche Ausrufssprache, die romanische, depoffedirt werde, bildet sozusagen eine Haupt- und Staatsaktion in magharischen Blättern, zeigt aber zugleich, daß, da das fabrik­mäßige Geschäft der Belehrungen Dank der herabgefegten Stempeltare unter Israel im glänzendsten Gange ist, man sich nun auch dem Kleinbetriebe zuwendet. So drängt und schiebt Alles dem heißersehnten Ziele, ein Hirt und eine Heerve, entgegen, aber zugleich mühern wir und um einen alten Wi anzuwenden, immer mehr „paradieslichen” Zuständen. Vor einigen Tagen beantwortete Finanzminster Szapary eine Interpellation betreffs der in die Hunderte gehenden Zwangsverläufe von Grundstücen für Steuerschulden im Zemefcher Komitate, wobei er mittheilte, daß die Radstände an biverten Steuern 32.680.000 Gulden betrügen. Auf sieben Komitate, das Unter-Albenser Komitat, Zemetsch, Zorontal, Zemplin, Berg, Ung und Szatm­ar, entfielen allein 11 Deisionen. Werden nun behufs Ein­­­treibung der rüdständigen vielen Millionen die zwangsweisen Verkäufe der Grundftüche vorgenommen, so werden abermals Tausende von Steuerzahlern­­­ zu Grunde gerichtet, oder wie eben der alte Börsenweg lautet: ausgezogen. Und das ist das paradiesiiche Moment. Nachdem das österreichische Abgeordnetenhaus das Gefet über die Verkürzung der Schulpflicht angenommen hat, gönnt es si ein paar Zage Ruhe. Die im Reichsrathssaale chen, tumultuöse Verhandlung, hat auf der Straße ein Nachspiel gehabt. Mehrere Hundert Studenten haben deuifleteon. — Crew bis in den Tod. Amerikanischer Roman, frei bearbeitet von M. vd. Weißenthart. Ein Maitag war es,doch hätte man Angesichts der fröstelnden Passa­­­giere,auf dem Landungsplatze glauben können,es sei Mitte März,so trüb, so nebelig,so kalt war dieser Maimorgen.Schampfer wird in einer Stunde abfahren,die kleine Dampffähre stößt schon mächtige weiße Wolken zum Firmament empor,als sei sie ungeduldig,fortzukommen.Es besteht das gewöhnliche Gedränge ams Ufer:Kutscher,die um ihren Fuhrlohn streiten,Träger m­it Koffern,Taschen und Schachteln,Passagiere,welche eilig hin und her gehen oder auf ihr Gepäck achten,schrille Frauen stimmen, tiefere Klänge aus rauher Männerkehle und zeitweise einige jener Kraft­­­ausdrücke,mit welchen die Herren der Schöpfung ihre ungeduldigen Herzen erleichtern.Ueber den Häuptern wölbt sich ein regnerischer Himmel,welcher Alleseher prophezeit als eine angenehme Nacht auf dem Ocean,während die unruhig schäumenden Wellen eben auch nicht dazu angethan sind, ängstliche Herzen zu beruhigen.Starker Wind fegt über die Küste und macht, daß ein jeder sich fröstelnd in den warmen Mantel hüllt. Etwas abseits,so sehr als möglich von dem Gedränge abgesondert, nachlässig an den Schlag eines Wagens gelehnt,steht ein junger Mann, die Hände in den Taschen;ein belustigtes Lächeln spielt um feine Lippen, spricht aus den munteren Augen.Ein großer Koffer,welcher dicht neben ihm steht und auf dessen Deckel in großen,schwarzen Lettern die Buch­­­staben F.D.prangen,ist offenbar hier sein einziges Eigenthum ein großer "Neufundländer"ein einziger Begleiter. « Es ist ein­ kräftig gebauter,breitschulteriger,junger Mann von vielleich­t dreiundzwanzig Jahren,sein bartloses Gesicht kann durchaus nicht hübsch genannt werden,trägt jedoch den Stempel der Gesundheit,großer Gut­­­müthigkeit und beinahe knabenhaften Freimuths.Er ist sonnengebräunt und hat röthliche Haare­ in einen zottigen Ueberrock gehüllt, scheint er des Lebens Yalt und Mühe, im Gegensat zu feiner, mehr oder minder aufge­­­regten Umgebung, mit großem &fleischmuthe hinzunehmen. Abgebrochene Süße aus Gesprächen, welche in seiner Nähe geführt werden, klingen von allen Seiten an sein Ohr, doch er beachtet sie nicht, bis er prößlich eine frische, helle Märchenstimme vernimmt, welche mit unverkennbar betrübtem Anspruch ruft: „Dein Gott, Dearie — jener Mensch Hat wahrlich unser Gepäck Danon getragen — Halt — hierher!" und der Feine Fuß stampft mit großer Energie auf den Boden — „laßt das augenblickisch stehen. Es gehört mir, sag’ ich Euch. Was sollen wir thun, Marie?" Ein leises Lachen ist die einzige Entgegnung. Der S­üngling wendet sich um und sieht zwei junge Mädchen und einen Träger. Die Eine der beiden Damen ist ruhig auf einem schwarzen Koffer, während die Andere in sichtlicher Erregung daneben steht und sich vergeblich bemüht, dem Träger begreiflich zu machen, er möge den zweiten, ebenfalls schwarzen Koffer nicht forttragen. Der Eigenthümer des Hundes kommt mit dem ganzen Ungestüm seiner dreiundzwanzig Jahre der bedrängten Schönheit sofort zu­­­ Hülfe. „Heda! Laßt das stehen, hört Ihr?“ ruft er gebieterisch und der Träger gehorcht sofort dem energischen Ruf der männlichen Stimme, während die heftigen Neu­erungen des ungeduldigen Mädchens spurlos an ihm abge­­­prallt waren. „Wünschen Sie denn nicht, daß Ihr Gepäck an Bord gebracht werde?“ forschte der junge Amerikaner, denn als solchen kennzeichnet ihn seine Sprech­­­weise sofort, indem er höflich vor der Dame von Hut lüftet, welche über das Schiefal ihres Gepäcks so Angstlich besorgt geschienen. „Ich danke, mein Herr," entgegnete sie in vortrefflichem Englisch, doch mit fremdartiger Betonung, „es ist nun schon das zweite Mal, daß jener ungeschidte Mensch unsere Sachen so ohne Weiteres forttragen will. D ja, unser Gepäck soll allerdings auf das Schiff kommen, aber der Kapitän, unser guter Freund, sagte uns, wir sollten hier warten, bis er füme!‘ „Sch­­ehe ihn eben!" vief die zweite Dame mit sanfter, melodischer Stimme; sie hatte eine viel weniger fremdartig klingende Aussprache. „Sieh dort­­hin, Kleine! Ab, er bleibt stehen, um mit jener starren Dame zu­ sprechen, do er hat uns schon gesehen!" „Großer schwarzer Koffer, Kleiner schwarzer Koffer, eine­ Handtasche, ein Mantelrad und eine Hutschachtel" — sagt die Erste, hastig ihre Hab» seligkeiten aufzählend. „Sa — Alles it da! Meiner Treu, wie sehr wünsche ich doch, daß wir schon auf dem Schiffe wären, weit weg von biesem prängenden, rastlosen Menschengewühl!* „da — auch ist es sehr fait!" entgegnet die mit dem Namen Claire angesprochene Dame, und sie hilft sich fester in einen großen Shawl, trops­ « dem leise fröstelnd. Sie sind Beide gleichgekleidet in dunkelgraue Wollkleider und scheinen Schwestern zu sein.Monsieur«F-D.«nimmt seinen bequemen Platz am Wagenschlag wieder ein und betrachtet mit kritischem,zugleich aber be­­­friedigtem Blick die beiden Mädchen,während sie ihres guten Freun­des,des Kapitäns,harrert.Er kann sie mit aller Bequemlichkeit ansehen,denn sie blicken nicht nach ihm hin,haben offenbar seine Mühe,ja­ seine Existenz vollständig vergessen.Marie interessist ih­n ganz besonders,schon aus dem Grunde,weil er ihr Gesicht nicht sehen kann,so dicht ist der schwarze Schleier,welchen sie über ihr Antlitz gespannt hat.Doch ihre Stimme hat einen angenehmen,melodischen Klang,ihr glattgescheiteltes Haar ist goldig blond,ihre Gestalt geschmeidig und schlank,sodaß selbst der dicke Shawl deren vollendetes Ebenmaß nicht zu verbergen im Stande ist.Sie erhebt sich plötzlich—unbergewahrt,daß sie groß sei;vermuthlich dürfte sie auch göttlich schön sein,meint der junge Heißsporn,welcher für große, schöne Frauen sehr eingenommen scheint.Die andere Dame ist klein,bei­­­läufig achtzelhahre alt,von dunklem Colorit und ohne besondere Schön­­­heit,außer einem Paar großer,glänzender,brauner Augen.Selbst wenn er sie nicht sprechen gehört,würde er sie sofort als Französin erkannt habenz sie trägt den Stempel ihrer Nationalität an sich. Der wettergebräunte, wohlwollend aussehende Kapitän bahnt sich einen Weg bis zu der Stelle, an welcher die Mädchen stehen, doch gelingt es ihm nur mühsam, denn von allen Seiten wird er angesprochen. „Nun, meine Damen," ruft er den beiden Mädchen zu, „find Sie bereit, warten Sie auf mich? Träger, hier her!" ruft er einem bienstbe«

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