Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Oktober (Jahrgang 19, nr. 5718-5743)

1892-10-01 / nr. 5718

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M. folgendes über einige gerade der jüngsten Zeit angehörige Vorgänge in Ungarn mitteilen: Kaum drei Monate sind verstrichen, seit Ungarn und vor allem dessen Hauptstadt unter rauschender Begeisterung das fünfundzwanzigjährige Krönungs­­­jubiläum Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich als Königs von Ungarn feierte und die Kundgebungen der Loyalität von allen Seiten her den Mon­­­archen auf das lebhafteste begrüßten. Diese Freude- und Dantesbezeugungen wurden von Sr. Majestät in Huldvollster Weise entgegengenommen, und ins­­­besondere auch die Hauptstadt Budapest dadurch ausgezeichnet, daß sie zum Range einer fünf Residenzstadt erhoben, also mit dem deshalb vielbeneideten Wien auf eine Stufe gestellt ward. Das geschah vor drei Monaten, und heute? Heute wählt die Repräsentang derselben königlich ungarischen Haupt- und­­es­­fizenzstadt Budapest den entschiedensten Gegner der dermaligen staatsrechtlichen Bustände in Oesterreich-Ungarn, den geschworensten Feind der Dynastie Habs­­­burg-Lothringen unter dem johlenden Beifall der Gallerie und der Straße zum Ehrenbürger von Budapest und will eine der herborragendsten Straßen dieser Stadt mit dessen Namen auszeichnen. Mit 120 gegen 68 Stimmen wurde Ludwig Kofjuth gelegentlich seines neunzigsten Geburtstages zum Budapester Ehrenbürger gewählt, obgleich der Gegenantragsteller, sowie der vorsiehende Oberbürgermeister die versammelte Stadtrepräsentanz aufmerksam machten, daß Kofjuth den­ staatsrechtlichen Ausgleich vom Jahre 1867 ablehnt (er nannte diesen Ausgleich „den Tod der Nation”); daß er demgemäß alle Institutionen, auf denen das staatliche Leben Ungarns in der Gegenwart aufgebaut ist, per­­­korrenziert, ja diese, wie auch den Ast der Königsk­rönung vom Jahre 1867 für ungejeglich erklärt, daß Kofjuth deshalb zwar „geehrt, aber nicht zum Ehrenbürger der Hauptstadt gemählt werden künne“. Diese Worte wurden niedergezischt, niedergejührt und der Antrag zur Erteilung der Ehrenbürgerschaft an Kofjuth mit Destentation angenommen, die in Minderheit gebliebenen Gegner des Antrages aber insultiert. Das geschah am 14. d. M. Das Resultat der Abstimmung in der hauptstädtischen Nepräs­­­entanz gewinnt jedoch durch mehrere Umstände bezeichnende Bedeutung. Nicht nur daß dem gefaßten Beschluß noch weitere Demonstrationen gefolgt sind und wo in der Gestalt von Aufzügen, Wolfsversammlungen, Wolfsfesten, feierlichen Gottesdiensten 2c. folgen werden, sondern die Agitation zu Gunsten der eifrigsten Pflege des Kossuthkultus wird allenthalben im Lande betrieben, und leider an den meisten Orten mit erheblichem Erfolge. Ein regierungsfreundliches Blatt sucht die Bedeutung dieser Kossuths Agitation damit zu mindern,daß es erklärt,es sei nur eine Anzahl von Leuten,die in Ungarn,in der Hauptstadt wie in der Provinz,mit dem Namen Kossuths auf die unverschämteste Art parteipolitischen Handel treiben.Das ist an sich nicht unrichtig,und auch darin stimmen wir dem Blatte bei,daß viele der aufrichtigen Verehrer Kossuths selbst durch dieses widerliche Gebahren von Strebern und Wählern höchst unangenehm berührt werden,daß sie aber sich dem Terrorismus dieser Hetzer nicht entziehen können.Das ist stets die alte Geschichte:ein Häuflein Wühler beherrscht das Terrain,weil die überwiegende Mehrzahl es nicht wagt,den Agitatoren mutig entgegenzutreten.Wo waren denn am 14.d.Mts.die zahlreichen Anhänger und Freunde der Regierung und ihrer Partei?Die Stadtrepräsentanz zählt ja über 400 Mitglieder,und doch war nicht die Hälfte derselben bei der Abstimm­ung.Wo waren namentlich diejenigen Stadtrepräsentanten,die zugleich Reichstagsabgeordnete und Ange­­­hörige der Regierungspartei sind?Die Herren glänzten hiesmal wie bei anderen,,heiklen«Fragen,z.B.bei der Frage über das deutsche Theater 2c., durch ihre Abwesenheit;für sie ist die Vorsicht stets der Tapferkeit bester Teil Und wie hier,so ist er überall im Lande;denn nur durch die Indolenz oder Furcht einerseits und durch die rücksichtslose Rührigkeit der Oppositionsparteien andererseits ist es insbesondere den Vertretern der Grundsätze von 1848 und 1849 gelungen,draußen im Volke und drinnen im Abgeordnetenhause des Reichstages Jahr um Jahr mehr Boden zu gewinnen.Heute wetteifert mit diesen Acht-und Neunundvierzigern auch die ehemalige,,Gemäßigte Opposition« und nunmehrige „Nationalpartei” des Grafen Albert Apponyi. Hat doch einer der getreuesten und maßgebendsten Anhänger des Grafen in der oben erwähnten Situng der hauptstädtischen Repräsentanz erklärt, daß die Wahl Koffuths zum Ehrenbürger weder mit der Loyalität gegen den König, noch mit den geselisch bestehenden Zuständen und Institutionen des Landes im Widerspruch stehe. Diese Aeußerung steht allerdings im Einklang mit sonstigen Enunziationen anderer Mitglieder dieser „Nationalpartei”, ja mit der jüngsten Kundgebung des Führers der „Nationalen“ selbst. Sieih den Achtundvierzigern, die im Lande al­wärts die „Kossuth- Tage” zu großen P­arteidemonstrationen benüten werden, hat auch Graf Apponyi seine parteipolitischen Apostelfahrten wieder aufgenommen. Diesmal begann er seine Rundreise im Norden Ungarns, wo ihm vor allem in der Bips durch seine opferbereiten Anhänger ein wahrer Triumphzug bereitet wurde. Er vergab­ diese Hu­ldigungen durch glänzende rhetorische Leistungen, von denen insbesondere eine Tischrede in der „Erdbeerenstadt“ (Eperies) den Charakter einer politischen­ Programmkundgebung annahm. Graf Apponyi zeigt sich in dieser Eperieser Rede wieder in neuer Wandlung begriffen. Bisher hatte er seine heftigsten Angriffe unmittelbar gegen die Regierung, vorab gegen die Person des Mi­­­nisterpräsidenten, gerichtet und diese für all die von ihm entdeckten Mängel, Schäden und Gefahren des Landes und der Nation verantwortlich gemacht. Sehr ist ihm die Erkenntnis geworden, daß der schuldtragende Teil eigentlich die Nation selber ei. Sie Schlummere und sei in diesem Schlummer erschlafft, ihre moralische Kraft geschwächt. Es gelte deshalb, die Nation aus ihrem Schlummer und Traum zu weden, sie aufmerksam zu machen auf die Gefahren, welche sie bedrohen, und dieses­ Amt des Erweders habe er, Graf Apponyi, in selbstloser Weise auf fi genommen. von Ort zu Ort wolle er wandern und seinen Wedruf erschalten lassen. Der Urheber dieses geschwächten, ent­­nervten Zustandes der Nation sei aber jener Koloman­­dr. Tipa, der 15 Jahre an der Seite der Regierung Ungarns gestanden und seinem Nachfolger auch in dieser Beziehung eine böse Exrlschaft Hinterlassen habe. Mit Spott und Hohn geißelt Graf Apponyi sodann das angebliche Bestreben Tipas, wieder ans Ruder zu kommen; dagegen berennt er von sich selber offen, daß er nach der Ministerschaft strebe, doch nicht um die Macht zu genießen, sondern „um die Macht der Nation nach deren Wünschen ausüben zu können”. Diese Aeuße­­­rung Apponyis, welche zu früheren bescheidenen Ablehnungen jeder Aspiration nach der Macht im Widerspruch steht, stimmt gleichwohl ganz gut zu dem jüngst vom Abgeordneten Kornel Abranyi, dem Intimus de Grafen, gethanen Aus­­­spruche, daß Apponyi den „Ruf nach der Hofburg“ sich durch das Volk „ers­­zwingen“ w­erde. Sole Bestrebungen sind freilich mit der monarchischen Verfassung des Landes und mit der so oft betonten Loyalität nur schwer vereinbar. Man darf es übrigens bei der „Nationalpartei“ und deren Führern mit der Kons­­­equenz und mit der inneren Harmonie der Parteimitglieder nicht so genau nehmen. Andernfalls wäre es geradezu unfaßbar, wie angesichts des feind­­­seligen Antagonismus zwischen Apponyi und Koloman von Tipa der Vizepräses der „Nationalpartei”, Julius Horvath, jüngst bei den Komorner Festlichkeiten gerade denselben Tipa als den „Führer des Landes“ Lobpreisen und weiter in seinem Rettungsorgane fortgeseßt verherrlichen konnte. E83 gewährt überhaupt ein eigenes Vergnügen, zu beobachten, wie ein Teil der „nationalparteilichen“ Tagespreife die Geschehnisse in Romorn auf das Schärfste verurteilt, der andere Teil aber sic :mit den dortigen Kundgebungen als vollkommen einverstanden erklärt. Das wird aber weder die einen noch die anderen verhindern, in rühren­­­der Eintracht und gemeinsam wieder die Regierung und deren Partei anzu­­­greifen und zu bekämpfen. Das Tann­­um so leichter geschehen, al­­leider von regierungsfreundlicher Seite gar nicht­ zur Gegenwehr und Verteidigung ges­­chieht. Alle Parteien des Landes führen und ralliieren sich; nur die Partei der Regierung, die Majorität, beobachtet ein fast unheimliches Stillsccweigen eine an Apathie grenzende Unthätigkeit.­­­ Es ist ein regierungstreues Organ selbst („Magyar Ujjag“), in dem beklagt wird, daß seit den lechten Neichttagswahlen für die Organisierung der liberalen Partei sehr wenig geschehen sei. Im der Provinz seien die liberalen Parteiauerschüsse nicht organisiert worden; es gebe K­omitate, in denen die Re­­­gierung kaum wife, wer zu ihrer Partei gehöre, und die Regierung feine­­­i auch nicht darum zu befürmern, daß sie die liberale Partei stärke, daß sie in ihr die Kraft des Zusammenhaltes vermehre. Und doch sei die Situa­­­tion ernst. »Die Opposition und ihre Presse setzt alles in Bewegung,um die Un­­­zufriedenheit anzufachen,und alle jene,die aus irgendeiner Ursache mal kontent sind,in ihr Lager zu sammeln.Die oppositionelle Presse benützt alle unzuf­­friedenen Elemente gegen die liberale Partei und gegen die Regierung,nament­ lich befördert sie auch den nationalen und den konfessionellen Chauvinismus« ....Diesen Bestrebungen gegenüber dürfe die Regierung und die liberale Partei nicht länger unthätig verbleiben;sie muß die Fahne des wahren Li­­­beralismus hochhalten und alle um sich scharen,welche Anhänger des Fort­­schrittes,der Gleichberechtigung und des engeren Vaterlandes sind....Um aber ihrer Aufgabe entsprechen zu können,ist eine Organisierung der Partei notwendig.»Die Regierung muß fühlen,daß ihre Kraft in der Partei ruhe, und deshalb muß sie in Eintracht mit ihrer Partei werkthätig sein und diese Empfindung der Solidarität soll Regierung und Partei durchdringen.«Auch haben beide sich mehr unmittelbar um die Bedürfnisse des Volkes zu bekümmern. Budapest sei noch nicht Ungarn und es genüge nicht,die numerische Mehrheit zu besitze,sondern man müsse auch über die Kerzen des Volkes verfügen können.«....Wir verstehen diese Klagen und Vorwürfe des regierungss­­treukndlichen Blattes;sie geben nur dem Ausdruck was bei vielen Mitgliedern der Regierungspartei schon seit geraumer Zeit zur Ueberzeugung geworden ist. Ungarn möchte in den Tagen vom 18.und 19.d.M.von der Kossuths Feier erfüllt sein und die Acht-und Neuundvierziger konnten jubeln und die Gemüter beeinflussen.Am 23.d.M.findet dann zu Jaßbereny die große Demonstra­­­tion zu Ehren des Grafen Albert Apponyi statt,der mittlerweile seine Apostels­­fahrt fortsetzt.Am 24.d.M.hält der Reichstag seine erste Sitzung ab,ohne daß die Mitglieder der Regierungspartei und deren Anhänger und Freunde draußen im Volke unterrichtet sein werden,welche Stellung und Haltung die Regierung und ihre Partei in den schwebenden politischen,konfessionellen und nationalen Tagesfragen einnimmt. Die glänzenden finanziellen Resultate,wie die Schlußrechnungen vom Jahre 1891 nachweisen,sind für die Finanz-und Wirtschaftspolitik der Re­­­gierung unzweifelhaft eine große Genugthuung.Der Kreditbequnder erhält­­­ Benilleten. Unter der Königstanne. Preisgefrönter Roman von Maria Theresia May. (22.Fortsetzung.) »,,Weil ich nicht will,daß ein Hauch von Kummer ihre Stirntrübe,so lange ich es hindern kann,«versetzte der Baron erregt.,,Yella ist mein­­­ einziges Kind,mein Stolz,mein Abgott!Ich begreife,daß Sie mich ver­­­wundert ansehen.Wenn Sie nicht selbst ein Wesen auf der Welt besitzen,das Sie mit Ihrer ganzen Seele lieben,dann können Sie nicht verstehen,wie ich jeden Stein aus dem Wege räumen möchte,an dem sich der kleine Fuß meines Kindes stoßen könnte.O,antworten Sie mir nicht,«fuhr der Baron fort, als Siegfried sprechen wollte,»ich sehe an Ihrem finsteren Gesichte,daß Sie mit mir unzufrieden sind;aber so gern ich Ihren Ratschlägen auch sonst folge, diesmal lasse ich mir nichts sage.Es kann ja sein,daß es unpraktisch ist, meiner Tochter die Sachlage zu verhehlem aber ich ertrüge es nicht,Yella einen Schmerz zuzufügen.«Und Rolf Siegfried verbeugte sich ohne ein Wort des­ Entgegnung. Mehrere Tage nach diesem Gespräche stand in höchst ehrerbietiger Haltung Louis vor der Baronesse v.Rotheim.Der­ Baron war mit dem Direktor in den Wald geritten,und Louis hatte der Baronesse die Posttasche gebracht.Sie entnahm derselben die angekommenen Briefe und Zeitungen und überlas halblaut die Adressen.Mehrere Schreiben waren an den Baron gerichtet,einige an die Baronesse;unter diesen befand sich ein großer und ziemlich umfangreicher Geschäftsbrief,den die Baronesse mit sehr verwunderter Miene betrachtete.An einzelne Schloßbewohner waren ebenfalls Poststücke angekommen,und für Direktor Siegfried lag schon ein ganzer Stoß von Briefen und Journalen vor ihr.Da kam noch ganz zuletzt ein kleines Brief w­e in dessen Adresse in zierlicher, leichter Frauenschrift geschrieben war.Die Baronesse las die Adresse und legte das Schreiben zu den übrigen.Doch nach einigen Sekunden nahm sie es noch einmal zur Hand,um die Schrift zu betrachten.Die Baronesse legte nun den 1 Brief, so bin, daß sich­ die Beschlußseite des Umschlages oben befand. Dann­­­­­­ erteilte Nella dem Diener den Auftrag, die Schriftstüce ihren Adressaten zu überbringen. Louis war ein scharfer Beobachter, Langam und gemächlich padte er die Briefe zusammen, zulegt diejenigen des Direktors. Louis konnte aber die beträchtliche Menge derselben kaum mit der Hand umschliegen, und so wars nicht zu verwundern, daß der rechte Brief, nämlich der mit der Slawenschrift, ihm entglitt und zu Boden fiel. Mit einer demütigen Entschuldigung hob ihn der Diener auf und sah nun auch die Schöne Schrift. Louis bhat, als ob er eine meisterhaft gespielte Betregung Höchster Ueberraschung nicht unterdrücken könnte, während er fast gleichzeitig wie unbedacht ausrief: „Ach, sie schreibt noch an ihn!“ „Was heißt das?" fragte die Baronesse erstaunt, ohne die Respekts­­­verlegung zu rügen, wie sie es wohl sonst unfehlbar gethan haben würde. „D, ich bitte sehr um Verzeihung, gnädige Baronesse,” entgegnete Louis, „daß ich mein Erstaunen nicht beherrschen konnte. Ich kenne Herren Direktor Siegfried Schon seit langer Zeit. Al der Herr Baron Salberg zu Besuch bei den 1. Herrn Grafen dr. Faltenau war, befand sich Herr Siegfried in dienstlicher Stellung — freilich noch nit­­al Forstdirektor — bei dem Herrn Grafen. Damals erwies ich dem Herrn Direktor manchen kameradschaftlichen Dienst, an welchen er Heute freilich nicht mehr denkt. Er ist der technische Leiter der Holzkäufe eines großen Hauses geworden und führt den Titel „Direktor“, während ich ein simpler Kammerdiener geblieben bin.” Louis schien in der Erinnerung jeher gefranst, er schiwieg: „Und was Hat das mit diesem Briefe zu thun?” fragte die Baronesse. Ihre zusammengezogenen Brauen ließen ebensosehr auf gesteigertes Interesse wie auf Unnwillen gegen den Sprecher deuten. Louis zupfte verlegen an seiner Manschette, dann sagte er zögernd: „Die Gouvernante der Enkelin des Grafen Faltenau war ein sehr hübisches Mädchen, sie vertraute meiner Besorgung öfters Briefe an Heren Siegfried, weil sie damals .“ „Genug, ich wollte nur unwissen, woher Sie die Handschrift kennen,“ unterbrach die Baronesse den Sprecher. „Geben Sie die Briefe sehr ab,“ fuhr die Baronesse fort und entließ dann den Diener. Unruhig ging Yella,als sie allein war,in ihrem Voudoir auf und ab. Sie dachte nicht einmal daran,daß sie,die Stolze,Unnahbare,sich von einem Diener über eine dritte Person hatte etwas berichten lassen,was sie doch eigentlich gar nicht interessieren konnte.»Ob Louis sich­ wohl nicht getäuscht hat?«sprach sie vor sich...Und warum sollte es nicht dieselbe Handschrift sein?Es ist ja möglich,daß die Schreiberin seine Braut ist.Verheiratet ist der Direktor noch nicht.Das sagte er der Tante selbst,deren wohlwollende Neugier sich um die Privatverhältnisse des ganzen Schloßpersonales kümmert.“ Die Baronesse ging wieder auf und ab. „Wie zierlich diese Schriftzüge waren­­­ die Schreiberin sol schön sein, sagte Louis, aber es that so, als ob die Be­­­kanntschaft des Direktor mit dem Mädchen eine vergangene Sache sei. Vielleicht hat er in seiner jegigen Stellung auch die arme Gouvernante vergessen. Ich möchte eigentlich wissen, warum er mir eine so große Genugthuung gewähren würde, diesem Manne eine Pflichtverlegung nachzumeisen.” Wie um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen, wandte sich die Baronesse zu den für sie selbst gekommenen Briefen. Es waren ihrer nicht viele. Eine Einladung, einem wohlthätigen Vereine beizutreten, ein zärtlich überschwänglicher Brief von einer P­ensionsfreundin, welche der schönen, stolzen Yella dr. Rotheim eine schwärmerische Anhänglichkeit bewahrt hatte — Baronesse Yella las die Ergüfse stets mit einem mitleidenden Achsel zuden —, ferner die Verlobungsanzeige einer Bekannten und endlich der Geschäftsbrief, den Die Baronesse von vorher so verwundert betrachtet hatte. Die junge Dame verstand im ersten Augendliche diese sehr höfliche Ges­­chäftssprache des Briefes nicht ganz, welcher von dem Inhaber eines großen Modegeschäftes in der Residenz unterfertigt war. Der Man bat um Ents­­chuldigung, daß er das gnädige Fräulein belästige, aber er sehe sich genötigt, die sehr gefräßte Rundin um Auskunft zu ersuchen, an wen fernerhin die Konti gesandt werden sollten, da mehrere Schreiben an die Gutsverwaltung gänzlich unbeant­wortet geblieben seien. Zugleich erlaube man sich, das Konto des sechten Jahres beizulegen. „Das fehlt wahrhaftig no, daß ich mich um solche Dinge kümmern sol,“ rief die junge Dame nach der Lektüre dieser Epistel sehr indigniert aug und mit einer raschen Bewegung war der Brief in zwei Hälften zerrissen.

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