Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Dezember (Jahrgang 19, nr. 5770-5795)

1892-12-01 / nr. 5770

Yedakiionundxtdminisiraikoti Heltauergafje 28. Er scheint mit Ausnahme des auf Sonn- und SHeiertage folgenden Wochentages täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährlich 2 fL. 50 fl., Halb­­­jährig 5 fl., ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung in’3 Haus, mit Zustellung 1 L., 3 fl. 6 fl., 12f. Abonnement mit Polversendung: %­­­ Kür das Inland: bierteljährig 3 fl. 50 fl., halbjährig 7 fl., ganz» Jateig jährig d fl. ai Für das Ausland: bierteljährig 7 RM. oder 10 Fred., halbjährig 14 RR. oder 20 Fred., ganzjährig 28 Kar oder 40 res. Eine einzelne Nummer kostet 5 Ir. d. W. Unfrantirte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. Ne. 5779. AIX. Sahrgang Hermannstadt, Donnerstag 1. Dezember Stäm­merationen und Inserate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresswandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz G. Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Zerrer, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danne­­­berg, Budapest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly­­n Liebmann. Insertionspreis: Der­ Nam­ einer einspaltigen Garmonbzeile fortet beim einmaligen Einraden 7 fr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. ö. W. ex­­­clusive der Stempelgebühr von je 30 fr. . 1892: Der F­iberalismus und die Zinilehe. Wer vor Jahresfrist behauptet hätte, die Wintersonnentwende des Jahres 1892 werde Ungarn vor der Frage der Einführung der Zivilehe finden und ein abinet werde gestürzt werden, weil es nicht genügende Garantien biete für die rasche Einführung dieser Form der Eheschließung, den hätte man für einen Narren gehalten. Heute ist die Versuchung nahe, in nicht parlamen­­­tarischen Ausdrücken von der Zugit und der Ehrlichkeit jener zu reden, die die Einführung der Zivilehe im Namen des Liberalismus verlangen und die Dringlichkeit der Einführung mit der Absicht begründen, den Konfessionellen Frieden auf diese Weise in Ungarn wieder zurück zu gewinnen. Es ist notwendig, den Gang der Ereignisse sich kurz zu vergegen­wärtigen. Der $ 12 des 53. Gejegartikels vom Jahre 1868 bestimmt, daß von ven aus gemischten Ehen stammenden Kindern die Knaben der Religion ihres Vaters und die Mädchen jener ihrer Mutter folgen. An die Stelle dieser Bestimmung sol nun die uneingeschränkte Disposition der Eltern treten, die Religion, in welcher ihre Kinder erzogen werden sollen, zu bestimmen. Aber die Verwirklichung dieser Forderung ist abhängig von der Einführung der obligatorischen Zivilehe, welche naturgemäß nicht denkbar ist, ohne daß das gesamte Gebiet des Eherechtes durch die staatliche Autorität kodifiziert wird, ohne daß für alle Staatsbürger ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses gleichmäßig geltende Normen erlassen werden und ohne daß die Jurisdiktion über alle Ehesachen den staatlichen Gerichten übertragen wird. Die Forderung nach Einführung der Bivilehe wird bedingungslos erhoben, wenn aber diese Forderung verwirklicht wird, dann will die Liberale Partei den Wegtaufen- Konflikt beseitigen durch die Revision des von der katholischen Kirche so heftig angefochtenen $ 12 des genannten Gejeges. Der ganze Streit hat sich ergeben, als die katholischen Geistlichen dieses Gefeh nicht achteten, Kinder unt­atholischer Eltern tauften und solche als katholisch betrachteten. Der Versuch des Ministers, dem Gejeg dadurch Geltung zu verschaffen, daß die Geistlichen verpflichtet wurden, die unweggetauften Kinder der anderen Kirche direkt oder durch Vermittelung des Stuhlrichters anzuzeigen, mißlang durch die Weigerung der katholischen Geistlichen, solche Meldungen zu vollziehen. Und dieser ganze Streit soll nun beendigt werden durch­­h Einführung der Zivilehe, der Freigebung der Religion der Kinder an die Entscheidung der Eltern. Wir wollen Hier nicht darauf eingehen, den Nachweis zu liefern, wie ‚die augenblick­he Einführung der obligatorischen Zivilehe einfach unmöglich it . 1 „Kein vernünftiger Mensch — schrieb unlängst der „Peiter Lloyd“ — wird si einbilden, daß man diese Institution vom led weg defreiieren könne, so lange die administrativen Vorauslegungen für sie fehlen; nur zu Schand und Spott im Wolfe und schon in ihren Anfängen mit dem tötlichen Fluch der Läächerlichkeit beladen würde sie sein, wenn sie den heutigen Funktionären der Gemeindeverwaltung anheimgegeben würde. Die Staatsautorität, welche in den jenigen Organen der Verwaltung zum Ausdruc kommen sollte, wäre eine sehr verkrüppelte Existenz, und nun denke man sich die heillose Reaktion, welche sich im olfe gegen die ganze Neuerung erheben­­­­ürde, wenn bei Cheihliegungen das traditionelle Ansehen der Kirchen durch die­­­ Geltsam­­­keiten der gegenwärtig bestehenden Verwaltungsorgane erjegt werden sollte! Unbedingt muß so nach der Einführung der Zivilehe die administrative Reform verangehen. schon deswegen, weil der Staat sonst gar seine Organe hat, denen er die Vertretung seiner Autorität überlassen fann.“ Aber es lohnt die Mühe, der anderen Frage ins Auge zu sehen: man ist also durch die Hivilede für das ursprüngliche Bier, dad man doch im Auge behalten muß und das man auf diesem Weg zu erreichen borgiebt, gewonnen, nämlich für den Konfessionellen Frieden ? Hier zeigt sich nun die Macht des Schlagwortes in ihrer ganzen Größe und Ungeheuerlichkeit. Mit der hohlen Phrase des „Liberalismus“ soll alles abgethan sein. &o ist nicht „liberal — sagen sie — daß man die Eltern zwingt, die Kinder in ihrer Religion zu erziehen, daß man sie zwingt, Die Kinder in die Schule zu flhiden, in ganz bestimmte Schulen, daß man sie zwingt, eine ganz bestimmte Sprache zu lernen, daß man den Erwachsenen zu allem Möglichen, ja auch Unmöglichen zwingt — das bleibt dabei ganz liberal! 3 ist „Liberal” — Sagen sie — den Eltern die Religion ihrer Kinder freizugeben, sie sollen entscheiden, wie sie wollen. Nun, die Leerheit dieses Beinweifes liegt auf der Hand. ES Handelt ich in den seltensten Fällen darum, den Eltern wirklich die Entscheidung zu über­­­lasfen, sondern es handelt sich nur darum: meide Einflüsse werden nun die entscheidenden und maßgebenden sein? Und da darf man doch um die Antwort nicht verlegen sein: der katholische Beichtvater wird der entscheidende Faktor sein! Und ob es da nicht besser ist, die Entscheidung prinzipiell durch das Gefeh ein für alle Mal aussprechen zu lassen, das dürfte denn doch dem wahrhaften, nicht duch Phrasen leblos gewordenen Liberalismus nicht allzu­­­schwer fallen. Im selben Augenblick, wo die hemmenden Schranken des Gewebes weg­­­fallen, entfaltet die katholische Kirche ihre siegreiche Propaganda mit all den Mitteln, die ihr eigen sind, und die gemischten Ehen sind ihr preisgegeben. Vergebens weist man darauf Hin, daß es ein Zeichen der Schwäche für die evangelische Kirche sei, das auch nur einzugestehen. Der eine magd Schwäche nennen, andere können es als Stärke ansehen. Wir sind der Meinung, hier beginnt nun der Liberalismus: die evangelische Kirche wirft durch Ueber­­­zeugung, sie wendet grundmäßlich nicht die Mittel der Katholischen Propaganda an, sie wird also immer im Nachteil gegen die katholische Kirche sein. Der Staat hat aber die Pflicht, jede in gleicher Weise zu zcinigen, insbesondere auch gegen die Z­wangsmittel des Beichtstuhls, der Kirchlichen Unduldsam­keit, des Gewissenzzwangs! Darum war es ein prinzipieller Fehler, als Graf Esaky den Grundtag aufstellte: es dürfe kein­­e Staatsgefe gemacht werden, das dem katholischen Dogma widerspreche. Der ganze moderne Staat fällt unter diesen Gesichtspunkt und wenn jener Grundtag steht, fällt der moderne Staat in nichts zusammen; er müßte heute die Protestanten gefangen fegen und verbrennen, denn daß er sie nur dulde, widerspricht dem katholischen Dogma. Affe das Schlagwort des Liberalismus heißt Hier das genaue Gegen­­­teil: in illiberalster Weise giebt die Aufhebung jenes Gesehes die gemischten Ehen der katholischen Kirche preis, sie vernichtet jede Freiheit und Gleich­­­berechtigung. Und glaubt wirklich ein ernster Mann, jener Schritt werde zum kon­­­fessionellen Frieden führen ?! Der furchtbarste, erbitterteste Krieg wird augenblicklich an allen Ehen und Enden aus dem Boden Schlagen. Denn nun erkennt die katholische Kirche überhaupt seine, gemischten Ehen an, wo eine, ohne ihr Zuthun und ohne ihren Segen, doch geschlosfen wird, da wird sie nicht ruhen, bis der katholische Teil nicht gethan, was sie will, die Kinder alle Katholish zu erklären und erziehen zu lassen, die anderen Kirchen werden sich bemüsfigt jeden, ihre Glieder auch nicht zu verlassen, sondern zu fügen, und der Konfessionelle Hader ist glückich in jede Gemeinde, in jedes Haus hineingetragen ! Der ganze Vorgang ist nichts anderes als Wasser auf die Mühle des Ultramontanismus. Darum verstehen wir, wenn katholisge Staatsmänner den Vorgang empfehlen, denn sie erkennen, daß der Vorteil ausschließlich auf der Seite der katholischen Kirche is. Daß aber die ungarländische evangelische und reformierte Kirche darein je eingehen werde, das ist nicht zu glauben, es sei denn, daß sie untreu gegen ihre Grundprinzipien, blind und taub zugleich­ wäre gegen die Lehren der Vergangenheit. Ungarn hat ja den Kampf vor einem Menschenalter schon durchgemacht, der von der katholischen Kirche stets bekämpfte $ 12 mit seiner jede Kirche zwingenden Bestimmung hat den Kampf beendigt und den Frieden aufrecht­­erhalten. Die völlige Auf­­­hebung entflammt den alten Kampf. Auch die provisorische Hülfe, die bis zur Einführung der Bivilehe vor­­­geschlagen wird, ist der „Liberalismus” würdig. Wo der katholische Geistliche sich wehrt, das unweggetaufte Kind dem zuständigen Seelsorger anzuzeigen, da soll das Kind als der Konfession zugehörig angesehen und eingetragen werden, zu der es nach dem recht bestehenden Gejeß gehört — aber e3 soll nicht der das Geieß mißachtende katholische Priester bestraft werden, sondern­­­ alle dort befindlichen Konfessionen werden bestraft, indem an solchen Orten sofort für alle Konfessionen die Zivilmatrikel eingeführt wird! Der Vorgang it eines Lustspiels würdig. Wahrscheinlich ist­ „illiberal“ einen katholischen Geistlichen zu strafen, der das Geieg nicht hält; aber liberal ist es, andere dafür büßen zu Lassen. Für uns Siebenbürger hat die ganze Frage nur ein theoretisches Interesse. Denn nach den siebenbürgischen Religionargelegen folgen die Kinder nach dem Geschlecht der Konfession der Eltern! Und diese — ein Schuß des konfessionellen Friedens, wenn sie beachtet werden — stehen unter dem Schuß des Unionsgeseßes. Auf diesem Standpunkt muß jeder stehen, demn der konfessionelle Friede höher steht als Tagesschlagworte. Man wende nicht ein, jener $ 12 habe eben den konfessionellen Frieden gestört, — die Nichthaltung desselben hat ihn gestört, die Abschaffung würde den Unfrieden verstärken und veremwigen. Zur Erklärung der unverständlichen Haltung besonders auch der refor­­­mierten Riche fan nur zweierlei dienen: einmal ist die Verstaatlichung des gesamten Ehewesens ein weiterer Fortschritt auf der Bahn der Magyarisierung und dann hofft diese Kirche stark genug zu sein, auch noch so gewaltige W Vor­­­stöße des Ultramontanismus zu ertragen oder gar zurückzumessen. Das erste will ein Unrecht mit einem andern verteidigen, das andere ist ein Irrtum, den die Geschichte s­­chon oft widerlegt hat. Das Schlagwort des Liberalismus in dieser Frage ist ein hohler leerer Schein, der nur Kinder täuschen kann. Neber die zunehmende Enttäuschung, welche sich gegenüber dem Ausgang der jüngsten Ministerkrisis kundgiebt, giebt die nachfolgende Korrespondenz der Münchener „Allgemeinen Zeitung“ aus Budapest vom 22. November Auskunft: Das Programm des Kabinetts Werferle ist heute kein Geheimnis mehr und alle Welt fragt sich nun, welchem Zwecke die jüngste Ministerkrisig gedient hat. Aus den gestern vom Kabinettschef abgegebenen Erklärungen ist e­rsichtlich geworden, daß der Liberalismus, den die Männer der gegenwärtigen Regierung so gerne als die Legende jener Fahne zitieren, unter der sie marschieren, daß — sagen wir — der Liberalismus mit dem Ausscheiden des Grafen Szapary aus dem Kabinet auch nicht das geringste gewonnen hat, daß vielmehr nur die Firmentafel ihre Aufschrift geändert, daß Warenlager aber an Quantität und Dualität dasselbe wie früher geblieben ist. So, wenn man den Dingen näher an den Leib rüd­, wird man gewahr werden, daß sich der moralische Vermögensstand der Nation eher vermindert hat, denn sie it man an der Hoff­­­nung ärmer geworden, daß es gelingen werde, mit Einwilligung der Krone eine der schönsten Früchte des Liberalismus, die obligatorische Zivilehe, am Staatsbaume zur Reife zu bringen. In einem Punkte unterscheidet sich das gestern von Dr. Weierle entwickelte Programm von dem die früheren Mini­­­steriums, in dem hinsichtlic der Zivilehe. Ausdrücklich gesagt ist, daß die­­jenige Regierung die obligatorische Zivilehe ernstlich wolle; aber mit eben solcher Ent­­­schiedenheit ist auch eingestanden worden, daß die Krone vorerst nur ihre Ein­­­willigung erteilte, das zu kodifizierende Familienrecht auf der Basis allgemein staatlicher Grundlage und sämtliche Staatsbürger in gleicher Weise bindender Normen in Angriff zu nehmen. Diese­ prinzipielle Zugeständung der Krone bedeutet im Zusammenhalte mit dem Vorbehalte derselben, der detaillierten Ausarbeitung seinerzeit die Zustimmung versagen zu können, eigentlich mehr eine Verweigerung als eine Zusage, denn nichts hätte schon Heute den Mon­­­archen abhalten können, sein Zugeständnis pur et simple ohne jede Ein­­­schränkung zu machen, wenn er nicht von vornherein die Durchführung und das­­eglebentreten der obligatorischen Zivilehe verweigern wollte. Es handelte sich bei diesem Zugeständnisse für den König einfach nur darum, den Zerfall der liberalen Partei hintanzuhalten, der jeht einzutreten drohte, wenn nicht zur äußeren Beruhigung der Diffirenten eine Zusage hinsichtlich der prinzi­­­piellen Stodifizierung des Familienrechtes auf liberaler Basis erfolgt wäre. Eine Meniliston. Bilder aus der Zeit des Minnesanges. Vortrag gehalten im Hermannstädter Musikvereinssaal von Oskar Wittstod. (3. Sortlegung.) Von prächtiger dramatischer Wirkung ist das Rätsel vom Jäger, welches Wolfram seinem Widersacher stellt. Ich will dir fegt ein Rätsel fielen, beginnt der von Eichenbach, das zu Lösen dir schwerer sein sol, als wenn man di den Rhein verbrennen hieße. Was bedeutet dieses: Ein Jäger, der alles mordet, auf dessen Fährte ihn sein Leithund bringt, jagt einen Affen auf, der auf jedem Arme ein Kind trägt. Das arme gequälte Tier möchte in seiner Todes­­­angst gerne die Zungen abwerfen, um leichter zu fliehen, aber diese flammern sich sehr fest an den Hals der Mutter, bis eines derselben vor Müdigkeit seine Arme Lösen muß und zu Boden fällt, doch wird es nicht eine Beute des Lagers, da es pfeilschnell sich in Sicherheit zu bringen weiß. Die Lösung dieses Rätsels scheint allen Antretenden so schwer, daß Ofter- Dingen seine Sache verzweifelt aufgiebt und nach dem Eisenacher Scharfrichter ruft, dem er sich übergeben wil. Dann wendet er sich zornig flehend an Klingsor: Wegen deiner Weisheit brachte ich dich her aus Siebenbürgen, fünf Hunde stellen mir hier nach und hegen mich zu Tode; nun rette mich. Sein Schüler mahnt ihn zur Ruhe und giebt dann eine glänzende »­ Antwort: Man müßte mich als einen Thoren schelten, wenn ich nicht zu deuten her möchte, wer dieser Jäger it. Der Jäger ist der Tod genannt, der führt die Seuchen als Hunde an seiner Hand, mit denen er die Menschheit liest. Unter dem Affen ist der Mensch zu verstehen, wen die Sünde umklammert , er würfe sie gerne weg, wenn der Jäger ihn mit seinen Hunden hebt. Doch höst sie sich schließlich selber, wenn man sie nicht festhält. So wogt der Kampf durch zehn M­ätsel hindurch, ohne daß einer der Sänger den anderen zu überwinden vermag. Als der heiße Tag nun zu Ende gegangen ist und Wolfram fi in seine Herberge nach Eisenach zurückgezogen hat, sdidt Klingsor, um ihn doc zu überwinden und um sich zu Überzeugen, ob Wolfram bei der Lösung der Nätfel sich nicht magischer Künfte bedient hat, einen bösen Geist zu ihm, der entseglich anzusehen war. Dieser fang ihn an und fragt ihn allerlei verborgene Weisheit aus der Astrologie. Aber Wolfram, erschredt über die gruselige Er­­­scheinung, antwortet ihm gar nicht, sondern schlägt ein Kreuz und ruft Die heilige Gottesmutter an. Darauf verschwindet der Geist, m­it ohne sich über die Zucht und Umissenheit Wolframs lustig gemacht zu haben, indem er an einen Stein der Wand mit feinem Finger die Worte schreibt: Wolfram, du bist ein Laie und ein Schnippschnapp. Dieser Stein sol nach der Sage noch lange in dem Hause des Wirtes Gottschalt zu sehen ge­wesen sein, doch ließ derselbe ihn später ausbrechen und in den Fluß werfen, da die Neugierde der Leute ihn sehr belästigte. Zweifellos ist dieser besprochene Teil des Gedichtes der kühnste und erhabenste, der einen Vergleich mit dem Faust, der oft angestellt worden ist, gar wohl verträgt. Der Grundgedanke ist dieser: Klingsor ist der Hochmütige, sich und der bösen Kunst vertrauende Herausforderer, der bloß seine Meisterschaft über den größten deutschen Dichter beweisen will, der als ein Laie bekannt ist. Er ist also die Einfalt christlicher Weisheit in Gegensah gebracht zur unheimlichen Gelehrtheit, die Welterlegenheit der wahrhaften Kraft des frommen Gläubigen über das betrügerische, in sich selbst nichtige Wesen des Bösen dar­­­gestellt. Unser Rätselspiel ist einer der Brennpunkte poetischer Weltanschauung des Mittelalters und versucht nach den Anschauungen seiner Zeit, nämlich des 13. Jahrhunderts, den Widerstreit zwischen Glauben und Wissen zu lösen. Was weiter noch im Wartburgkrieg enthalten, ist von weniger Belang für uns. Ein aus dem Himmel verbannter Geist wirft dem Klingfor, der ihn beschworen zu haben scheint, vor seinem Verschwinden einen Brief zu, den Klingfor, da er chaldäisch geschrieben ist, mit Mühe hiest, und der Heftige Aus­­­fälle auf die damalige Geistlichkeit enthält. Dann folgen Gedichte an Zeit­­­genosssen, ein erneuerter Wettkampf zwischen Wolfram und Slingjor und s­­chließlich einige Gesänge, die gar nicht zum Ganzen gehören. Aus dieser ver­­­wirrten Fassung, in der die Dichtung uns überliefert ist, sehen wir eben, daß dieselbe ihrerzeit so beliebt war und so oft gesungen wurde, daß sie sich die mannigfaltigsten Umgestaltungen gefallen lassen mußte. Ist es ihr doc in der späteren Zeit auch nicht anders ergangen, so daß sicher die meisten von uns etwas ganz anderes unter dem Namen Wartburgkrieg gekannt oder sich gedacht haben, als das, was, wie Sie soeben gehört haben, die ursprüngliche Dichtung desselben enthält. Biweierlei Fragen sind sicher bei der Besprechung dieses Themas in uns entstanden. Die erste­ hat denn ein solcher Sängerkrieg auf der Wartburg wirklich stattgefunden ? Leider läßt es sich nicht beweisen. Jedenfalls so wie er hier geschildert wurde, Hat er sich­ nicht abgespielt, denn diese Dichtung, wie sie uns vorliegt, ist lange nach dem Tode des Landgrafen Hermann, etwa Mitte bis Ende des 13. Jahrhunderts, entstanden, von einem einzigen Dichter gedichtet worden und hat nur später allerlei ergänzende und entstellende Zufüße erfahren. Aber unwahrscheinlich ist die Thatsache eines solchen Sängerkrieges seineswegs. Es ist uns ein Gedicht Waltherd von der Vogelweide erhalten, a auf seinen Aufenthalt an des Landgrafen Hofe bezieht und in welchem er heißt: Ich bin des milden Grafen Sngefinde, &3 ist mein Brauch, daß man mich immer bei dem besten finde, Die andern Fürsten sind sehr milde, Doch so slätig nicht, er war es stet3 und ist es noch. Da Walther die größte Zeit seines Lebens an den Höfen zu Wien und Eisenach zugebracht hat, so ist in diesem Spruche die Frage, welches der aus­­­gezeichnetste Fürst sei, also die Frage der Wartburgkriegdichtung, zu Gunsten des Landgrafen entschieden. Wie Teicht E konnte ein solches Urteil Widerspruch bei einem anderen Sänger finden, und unser Gedicht fegt dieses eben voraus und nimmt an, dieser andere sei Heinrich dr. Ofterdingen ge­wesen. Auf diese Weise läßt sich vielleicht eine Historische Grundlage für dieses Gedicht retten. Für uns­­peziell ist noch eine Frage von Wichtigkeit: hat es wirklich im 13. Jahrhundert einen großen Dichter und Minnesänger Nikolaus Klingsor von Siebenbürgen gegeben, hat er thatsächlich gelebt und gesungen und können wir ihn, der in der deutschen Litteratur eine ehrenvolle Stelle eimnnimmt, zu den Unserigen zählen? Es wäre der einzige jener Zeit, den unser Volt aufzumeisen hätte, aber gewiß ein wertvolles Zeugnis für den

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