Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1893. Juni (Jahrgang 20, nr. 5919-5943)

1893-06-01 / nr. 5919

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Nach dem bald darauf erfolgten ungarischen Aus­­gleich trugen si die Deutschen eine kurze Zeit hindurch mit der Hoffnung, daß, wie die Magyaren in der östlichen, so sie in der unweitlichen Reichshälfte die Führerschaft übernehmen würden. Aber nie bitter sollten sie enttäuscht werden, als auch das Kabinet Hohenwart offen mit der Absicht hervortrat, Die flavischen Stämme zur Basis des zigleithanischen Staates zu machen! Das Schickal der Deutschen in Oesterreich war damit besiegelt. Allerdings sah sich die Regierung angesichts des maßlosen Uebermutes der Tichechen geszwungen, ihr Projekt fallen zu lassen, doch seitdem wollen die tschechischen Hegereien und Wühlereien sein Ende nehmen, sie werden auch allem Unscheine nach nicht eher aufhören, als biß die Tschechen am Ziele ihrer Wünsche angelangt sind. Und dieses Ziel ist sein geringeres, als die Verlegung des Schwerpunktes der österreichischen Monarchie von der Donau an die Moldau. Das Slaventum in Oesterreich, das bereits im vorigen Jahrhundert durch die Einverleibung früherer polnischer Landesteile und der Bukowina und in den vierziger Jahren durch die Difsupation von Krakau einen bedeutenden Bumadis erhalten hatte, wurde noch verstärkt, als das Haus Habsburg nach Beendigung des russische türkischen­­ Krieges die ehemals türftigen Provinzen Bosnien und Herzegowina mit ihren Millionen slavischer Bevölkerung belegte. So erfreuen sich denn die österreichischen Slawen, thatkräftig unterstütt vom Feudalismus und vom­ Kleritalismus, seit dem Jahre 1879 einer Glanz­­periode, in der sie die Deutschen den ganzen Druck ihrer Uebermacht fühlen lassen und ihnen jede politische Zukunft rundweg abschneiden. „Vae victis!“ Selbst in der Reichshauptstadt Wien macht si das Slaventum von Tag zu Tag mehr geltend, und nicht unbegründet ist die Befürchtung, die E­ dr. Hart­­mann (zwei Jahrzehnte deutscher Politik”) als Behauptung aufstellt: „Was *) Siehe Nr. 5917 des "S.-D. Tageblattes", die Reichshauptstadt Wien betrifft, so ist es ihr unvermeidliches Schicsal, im zwanzigsten Jahrhundert eine überwiegend flavische Physiognomie anzunehmen, wie die Moldaustadt Prag es im neunzehnten gethan hat.“ Jedenfalls würde das anfällige Wiener Bürgertum, das Heute noch,­ im Gefühle der Sicherheit sich wiegend, die tschechischen Anschläge belächelt, besser daran t­un, an das Schidsal der Städte Prag und Kralau zu denken, in denen heute nur noch­ herrliche Baudenkmäler von den vergangenen glanzvollen Tagen deutscher Größe rehen. Schon läßt sich das Tschechentum nicht nur vor den Thoren der öster­­reichischen Reichshauptstadt Häuslich nieder — in Niederösterreich hat es in den lesten zehn Jahren beinahe um 53 Prozent zugenommen , sondern auch in Wien selbst, two in den unteren Schichten der Bevölkerung die Arbeit zwischen Deutschen und Tschechen geteilt ist. Und es ist nicht ohne Bedeutung, daß selbst in der Wiener Hofburg und in den Palästen der Erzherzöge man bereit tschechischer Dienerschaft begegnet. Auch der präsumtive Thronfolger von Oesterreich Ungarn, Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-Este, hat nur böhmische Lafaien. Man darf sich daher nicht wundern, wenn die Tschechen bereit3 Davon träumen, daß Wien über kurz oder lang die größte tschechische Stadt sein werde. Wie sehr in Böhmen selbst das Deutschtum von dem Tschechentum be­­drängt und verdrängt wird, ist statistisch nachge­wiesen. Während in einem Zeitraum von zehn Jahren (1880 bis 1890) die Vermehrung der Deutschen um 2,06 Prozent Hinter dem Gesam­tprozent nach der Bevölkerungszunahme in Oesterreich zurücgeblieben ist, dringen in den Sudetenländern die flavischen Massen unaufhaltsam vorwärts. So hatten sie nach der verlegten Volkszählung, um nur ein Beispiel anzuführen, in dem deutschen Bezirk Brüz in Böhmen 1000 Tschechen niedergelassen; nach zehn Jahren bezifferte es ihre Zahl bereits auf 9000. Der nämliche Bezirk besaß vor wenigen Jahren nur eine einzige flavische Schule, heute giebt es dort nur einen einzigen Ort, der seine flaviiche Schule aufzuweisen hat. Noch trauriger sieht es in Mähren aus, wo­­ in der Zeit von 1880 bis 1890 zehn deutsche Städte dem Slawentum ver­­fielen, während den übrigen nur eine Gnadenfrist gegönnt wurde. Ebenso schwindet das Deutschtum allmählich im Süden Steiermarks, in Krain und in Kärnten. Sollte den Deutschen Oesterreics der nationale Mittelpunkt an der Donau genommen werden, dann wäre ihr Schicsal besiegelt, denn ihr Ver­­teidigungskampf müßte sich in kleine Einzelgefechte auflösen, in welchen sie ohne Frage unterliegen würden. BDahin aber steuert leider die ganze En­­­­wicklung. Einen erbitterten Feind hat das Deutschtum in Oesterreich, besonders in den Gudetenländern, in dem römisch-katholischen Klerus. Die Bischöfe in Böhmen, Mähren und Krain haben sich in schroffster Weise als slavische P­artei­­männer bekannt und sein Bedenken getragen, geradezu gegen Die Deutschen Stellung zu nehmen — Bischöfe, deren Hirtenfolge Millionen von deutschen Seelen anvertraut sind. Die Briesterseminare werden angefüllt mit Slavischen Alumnen. Im Seminar der Diözese Budweis, welche 126 deutsche Kirchspiele besißt, finden jährlich höchstens z­wei Deutsche Aufnahme und auch das offenbar nur, um den Schein zu wahren. Von Jahr zu Jahr wählt daher in ganz Oesterreich die Zahl der deutschen Pfarreien, in denen Priester fremder Na­­tionalität wirken. Die Deutschen gaben ehemals der österreichigen Beamtenwelt den ein­­heitlichen Charakter. Und wie sieht es heute aus? Gegenwärtig werden die Deutschen aus sämtlichen großen Gebieten des Staatsdienstes systematisch hinaus­ gedrängt. 1890 betrug in Böhmen die Zahl der tschechischen Bewohner 3.644.000 und die der deutschen 2.159.000, obwohl also die Deutschen ungefähr zwei Fünftel der Gesam­tevölkerung des Königreichs Böhmen ausmachen, befanden sich unter den 257 Gerichtsausfultanten des Landes nur 31, und unter den 46 Beamten der Staatsanwaltschaft nur 2 Deutsche. Und ist es etwa in Wien anders?­m obersten Gerichtshof der österreicschen Reichshauptstadt saßen im Jahre 1890 unter 44 Hofräten bloß 10 Deutsche. Selbst in den rein deutschen Kronländern, an der Donau, wie in den Alpen, muß der Deutsche überall mit dem Slawen konfurrieren. Ob aber das Ministerium Taaffe Hug daran thut, gerade dasjenige Bevölkerungselement zu Schwächen, durch dessen sprachliches Verständigungsmittel der Staat zusammengehalten wird? Wie lange wird es dauern, dann muß die Einheit der Heeressprache aufgehoben werden, und ist dieser­ folgenschwere Schritt geschehen, dann hat das einheitliche Heer aufgehört zu ex­ftieren! Treffend bemerkt Dumreicher: „Die flavische Ueberschwem­mungs­­wut hat die Schule überströmt, sie ist von da zur Verwaltung und von dieser zur Rechtspflege gedrungen. Schon rauscht sie heran, das Heer zu unterwaschen. Wenn ihr noch eine Spanne Zeit gegönnt bleibt, so ist es für immer zu spät getworden, ihrer reißenden Stromge­walt zu wehren.“­­Für den beklagenswerten Niedergang des Deutschtums in Oesterreich fällt allerdings der Umstand ins Gewicht,daß der Wechsel der Fürsten­ und der Regierungssysteme dem deutschen Element nur so viel Spielraum einräumte, als den Herrschenden gerade bequem und ratsam schien.Als weitere Ursachen traten dazu öfters Uneinigkeit und Vertrauensseligkeit der Deutschen­ ihr namentlich in ‚dem konstitutionellen Leben oft hervorgetretener Mangel an echt nationalem Seist, an festem Willen und an politischem Takt, die ihnen entgegengeseßte starre, zähe Widerstandsfähigkeit und die agressiven Tendenzen des Slaventums und seine thatkräftige systematische Unterftügung seitens des antideutschen römisch­­katholischen Klerus und seitens eines Adels, dessen germanisches Blut in römischer Kirchenluft entartet ist. Während in Rußland, Deutschland und Italien der Nationalstaat sich immer mehr fortbildet und kräftigt, bietet Oesterreich ein trauriges Bild innerer Betriffenheit und Unsicherheit dar. Indem er sein Deutschtum, die feiteste und treueste Stube des Hauses Habsburg, der Bedrängnis, dem Nachgang überläßt, zerstört er das Werk früherer einsichtiger und thatkräftiger Negierungen. Der tief angelegte Plan der flavischen Führer geht dahin, die Deutschen durch Majorisierung im Norden und Süden auf das­ geschlosfene Sprachgebiet im Donauthal und den angrenzenden Alpenländern zu beschränken. Aber selbst dahin folgt ihnen der Feind. „Denn von Mitternacht her macht sie das Eindringen tschechischer Ansiedler in die Gemarkungen Niederösterreichs bemerkbar; Wien wird von flavischer Zuwanderung durchfegt, und von Mittag herauf lebt die windische Flut, die Grenzstädte unterwaicend, in das deutsche Erdreich... . So erscheinen dem Beobachter, der die Ereignisse seit der Mitte unseres Jahr­­hunderts unbefangen betrachtet und welcher mit der älteren Vergangenheit ver­­traut ist, die kommenden Schicsale des österreichischen Deutschtums!” Diesen Schweren Gefahren, die Freiherr dr. Dumreicher­ mit unerbittlichem Scharfblide vorlegt, mögen einzelne mildernde Umstände gegenüberstehen. Der Berfaffer verkennt sie nicht. Auch die tschechische Arbeiterschaft empfindet die zerfegende Kraft der sozialistischen Lehren; auch bei den Tschechen besteht ein tiefer Widerstreit zwischen Hussitischen Anwandlungen und gehorsamer Heeres­­folge gegenüber dem Ultramontanismus; auc die Slaven und insbesondere Die Tschechen als die vorgeschrittensten unter ihnen sind nicht so verhärtet und blind, daß sie nicht die Vorzüge der deutschen Weltsprache und des freien Weltverkehrs in hellen Augenblicken vollauf zu würdigen wüßten. Aber zunächst schweigen diese Motive, und es sind daher die Deutschen muhr auf die eigene Kraft anges­wiesen: „Sieht man den Thatsachen mutig ins Gesicht, so erkennt man, daß es allerdings in Oesterreich so weit gekommen ist, daß der einfache Selbst­­erhaltungstrieb die Deutschen zur äußerten Anspannung ihrer Kräfte auf­fordert; man erkennt dann aber auch, wo und inwieweit noch ein Stampffeld für verteidigende Anstrengungen (Schulverein­) frei geblieben ist; vor allem jedoch erkennt man, daß die deutschen V­erluste auf österreichischem Boden während der rechten Jahrzehnte nicht einem Verwerfen deutscher Nationalkraft, sondern meist Ursachen äußerer Natur entspringen. Nicht ein deutscher Stamm ist zu den alternden Völkern hinabgestiegen, aber eine Anzahl zeitgenössischer Ent­­twicklungen hat sich gegen ihn gewendet. Dies zu wissen, ist Beruhigung und Ansporn zugleich.“ Aus Neuirland kommen ungünstige Berichte über die Ernteaussichten im Reiche.­­ Benil­ston. Brandkäthe. Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters von U. Linden. (24. Fortseßung.) Als ich über den Hof ging, war mir’s, als dr ernähme ich wieder einen Hilferuf, diesmal von einer weiblichen Stimme; aus dem Sallertischen Garten bek­­am’s. Ich ging der Stelle zu. Da hörte ich’s deutlicher: „Hilfe! Hilfe Helft dem Bernhard!” tönte er angstvoll herauf von dem Ufer des nicht sehr großen, aber tiefen Teiches, der an den Garten stieß. Und als ich näher eilte und den Uferabhang hinab­pähte, sah ich eine meibliche Gestalt, die, halb im Wasser stehend, mit dem einem Arm einen Weidenstumpf umflammierte, während die andere frampfhaft den Oberkörper eines anscheinend leblosen Mannes hielt und ihn dadurch vor dem gänzlichen Unterfinfen bewahrte. „Sind Sie 03, Marie und Bernhard? Beim Himmel, wie fommen Sie hierher 9" rief ich erstaunt, indes ich so schnell als möglich Hilfe leistete. „D, Herr Lehrer, es ist ein Glück, daß Sie fommen, ich fan ihn nicht mehr halten!“ „Er ist doch nicht tot?“ „Ich weiß es nicht, Helfen Sie nur, ihn heraufbringen. “ Untern vereinten Anstrengungen gelang es, den Leblosen über die ge­­mauerten Treppenstufen in den Garten zu bringen. „Bernhard ist nicht tot, er ist nur ohnmächtig," sagte ich, indes wir ihn auf den Rasen niederließen. Unterdessen waren auch andere herzugeeilt, die gleich mir den Hilferuf vernommen haben mochten. Bernhard kam wieder zu sich, war jedoch zu erschöpft, um reden zu fünnen. An seinem Hintertopfe fand er eine tiefe, blutende Wunde.­­­­ „Aber twie ist’S­ genommen?” fragte ich. Marie erzählte: „Grade vorher, als das Dach, zusammenbrach, war er herabgestiegen, und weil er si arg verbrannt hatte, wollte er hier ans Wasser umstreifte Frau Reinberg wie irr die von glimmendem Schutt bededte Stätte, sie hätte sich hinein gestürzt, wären nicht die Umstehenden Herzugesprungen, gehen und sie ein wenig fühlen. Ich traf ihm hinter dem Hause und ging mit ihm, weil ich ihm Helfen wollte. Wie wir hier in den Garten kamen, be­­gegnete uns ein Mensch, der kam so schnell gelaufen, daß wir sein Gesicht nicht recht erkennen konnten, er sah aber aus wie einer, der was Böses gethan hat, so verdächtig und s­chen. Bernhard wollte ihn genauer ansehen, da stieß der Mensch ihn mit der Faust vor die Brust, so sehr, das Bernhard rüdlings hinunter fiel und mit dem Kopfe auf die harten, gemauerten Stufen schlug. Ehe ich Hinunter kam, war er schon ins Wasser geglitten, ich wollte ihn heraus­­holen, war aber nicht stark genug und konnte nur seinen Kopf und seine Brust in die Höhe halten. Mit dem einem Arm hielt ich mich an der Weide fest, weil der Boden so schlüpfrig war.“ Borchmann, der zuerst in seiner Verzweiflung nicht Hatte glauben wollen, daß sein Sohn wirklich gerettet sei, eilte herzu und umarmte Bernhard und uns nach der Reihe, sogar Marie, als ich ihm sagte, daß er nur dieser das Leben seines Sohnes zu danken habe, der aber hatte sich in der frischen Luft bald wieder erholt. Die Verlegungen, die er davon getragen, erwiesen sich als ungefährlich. Er dankte ung und drücte innig Marieng beide Hände. Das Mädchen sah ihn glückelig an, nichte ihm lächelnd zu und wandte sie dann errötend ab. Sie wollte sich entfernen, als sie des alten Borbmanns Bird mit seltsamem Ausdruch auf si) gerichtet sah. „Geh’ nicht fort, Marie, braucht dich nicht zu schämen!” sagte der Bauer. „Was du dem Bernhard gethan Hast, vergesj’ ich dir nicht, du gehörst jest zu uns!“ Es gelang inzwischen, des Feuers Herr zu werden. Das Gallertische Wohnhaus, die Hintergebäude und Lagerräume Reinbergs waren niedergebrannt, das Schöne Wohnhaus dagegen fast ganz verschont geblieben. Mit aller Gewalt, in höchster Aufregung wie unsinnig verlangte Frau Reinberg immer­­wieder, daß man sie an die Brandstätte Lafse, sie habe dort e­tras verloren, was sie suchen müsse, beteuerte sie stets von neuem. „Die Frau ist übergeschnappt, der Schweden hat ihr die Sinne benommen,“­­ sagte Frau Bell kopfschüttelnd. Und es fehlen wirklich so. AS man endlich ihrem Verlangen nachgab, Korrespondenzen aus Kasan besagen, daß die Landwirte mit großer Besorgnis in die Zukunft bliden. Die Wintersaat sei in Gefahr, voll­­ständig zugrunde zu gehen und an die Sommeraussaat sei vor einem Monate nicht zu deuken. In Bessarabien falle das Vieh massenweise aus Mangel an um sie abzuhalten, endlich brach sie ohnmächtig zusammen und mußte hinnweg­­getragen werden. „Wie ist das Feuer entstanden?” fragte ich. „Wissen Sie’s denn noch nicht, die Brandfäthe Hat’s angelegt, eben ist sie geholt worden.“ „Geholt worden, wohin?“ fragte ich tötlich entschieden. „Ei nun ins Gefängnis,” antwortete einer aus der Menge, „haben Sie denn nicht eben den Auflauf gesehen und gehört ?“ Wohl Hatte ich ein plögliches Gemurmel, ein Rufen und Schreien ver­­nommen, doch war meine Aufmerksamkeit von den Vorgängen während des Brandes zu ehr in Anspruch genommen, als daß ich Weiter darauf ges achtet hätte. „So sie hat’s gethan. Der Zerg vom Buchenhof hat's gesehen, wie sie einen Feuerbrand in der Hand gehabt. Sie Hat ihn schnell austreten wollen, aber es ist doch zu Spät gemesen !” So konnt’ es nicht faffen und nicht glauben, Käthe eine Brandstifterin Und Hoch, konnte es nicht eine That der Nache sein? Wieder erhob sich ein Thärmen des Gefchres zorniger Stimmen und ein Haufe von Weibern, Männern und Kindern drängte herzu, in ihrer Mitte Käthe. Des Mädchens Gesicht war weiß und falt, die Augen leuchteten und glühten, doch sie blieb stumm auf all’ die Anklagen und Verwünschungen, die gegen sie geschleudert wurden. Eine seltsame, starre Ruhe fehien über sie ge­­kommen zu sein; war’s Verzweiflung? Hatte sie vieleicht in überquellendem Schmerze, einem wild­leidenschaftlichen Zug folgend, die That verübt und, da sie jeit seinen Ausweg zur Rettung mehr sah, in stumpfer Ergebung ihr %es auf sich genommen? Ich eilte Hinzu: „Käthe, um Gottes willen, reden Sie, „sagen Sie doch nur ein einzig Wort, haben Sie’s gethan?“ Sie schaute zu mir auf, und eine heiße, tiefe Angst lag in dem brennenden. Bli ihrer großen, dunkleln Augen. &3 war, als ob sie erbebe in innerem Kampfe, sie ihnen sprechen zu wollen, ihre Lippen öffneten sich und ein er- Lösendes Wort wollte sich über dieselben drängen, doch sie zwang er zurück, preßte die Lippen zusammen und wandte sich schnell ab, - !

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