Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1896. Juli (Jahrgang 23, nr. 6854-6880)

1896-07-22 / nr. 6872

Zedastion und A Administration Heltauergasse 23. Fr scheint mit Ausnahme des auf Sonn- und Steiertage folgenden Wochentages täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährlich 2 fl. 50 kr., Halb­­jährig 5 fl, ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung in’ Ygans, mit Zustellung 1 fl. 3 fl., 6 fl. 12. Abonnement mit Polversendung: Kür das Inland: bierteljährig 3 fl. 50 Er., Hetsjäbeig Tl, ganz­­jährig 14 fl. Kür das Ausland: bierteljährig 7 AM. oder 10 Fre3., halbjährig 14 RM. oder 20 er ganzjänrig 23 AM. oder cs. Eine einzelne Nummer kostet 5 fl. d. W. Siebenbürgisch-Deutsches Unfransirte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgesteht. a $ blatt. Ne 6872, XXI. Jahrgang Herm­annst­adt, Mittwoch, 22. Sub­ Wröm­merciionen und Inserate .­­Uberschinen außerdem­ hauptbireaiy seltener­­Waffe Nr. 23: in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresswandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz G. Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Lehrer, Wien Otto Mass (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Dannen­berg, Budapest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co., Hamburg Adolf­ Steiner, Karoly­n Liebmann. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmonbgeile Tostet beim einmaligen Einraden 7 Er., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30­ fr. 1896 Unsere Genoffenschaften und der Fährische Handel. Bon Julius Teutsch. &3 sei gestattet, eine Angelegenheit zu erörtern, von der man wohl hoffen darf, daß sie für unsere Genofsenschaften und Vereine, für unser Volk, für unsere Heimat, ja ich ersühne mich zu sagen, für unser Vaterland Ber­deutung erhalten kann. Aber er ließe Seifenbchaum für luftige Seifenblasen bereiten, wollte ich dies nach allen Richtungen ausführlich versuchen; ich will es nur in Kürze thun, um doch wenigstens einzelne Linien zu zeichnen und es der Zukunft überlafsen, ob sie innerhalb derselben ein allgemach fester und sicherer werdendes Bild gestaltet. Gh gehe von der Beobachtung aus, die kaum haltbaren Widerspruch finden wird, daß unser Volk bei den rasch ent­­wickelten Verkehrsmitteln wirtschaftlich das nicht leistet, maß es seinen Rasisverhältnissen nach und gemäß seiner geistigen Entwickklung leisten könnte und zu leisten berufen ist. Zwar hat man oft genug den äußeren Eindruck, als ob alles in schönster Ordnung vorwärts gehe und nichts in der Welt im ftande sei, und von einer ansehnlichen Stufe abzubringen. Indessen sei hiebei ein leiser Zweifel gestattet. Wir Haben die traurigen Wandlungen unseres Gewerbes wahrgenommen, wir sehen heute ein Stadtleben vor unsreren Augen wandeln, welches oft geigert wie äußerlicher Schein und nicht mehr altes, festes sächsisches Kernbürgertum bedeutet. Man hat an frohen Festtagen hie und da den Eindruck, als höre man altes Rüstzeug raffeln, aber es wird doch bei näherem Hinsehen darauf hinaus kommen, daß unser Volk alle Ursache hat, in seinem Wirtschaftsleben ernste, zielbemußte Fortschritte zu machen, wenn es im ftande bleiben sol, sein Bürgertum, sein Deutschtum zu wahren! Der Starke allein ist im ftande, Widerstand zu leisten, der Schwache ist hinfällig, so gewaltig er sie geberden möge. Dieser Grundlag ist es gemesen, der unseren verehrten Anwalt zur Begründung unserer Genossenschaften brachte, dieser Grundlag ist es, der seither unausgeregt dahin drängte, unseren Ge­­nossenschaften die unwirtschaftliche Kräftigung unseres Bauernstandes zur Haupte­aufgabe zu machen und selbstsüchtige, engherzige Gedank­enrichtung aus ihrem Bereiche streng fern zu halten. Und in der That, das Betonen solcher Grunde säße, wie sie in den Sagungen unserer Raiffeisenvereine niedergelegt sind, Hat gewiß seinen Wert gehabt, aber er wird sicherer zum Ziele führen, wenn ver­­sucht wird, den­ arbeitenden Alltagsmenschen in diesem Sinne die täglichen Wege zu bereiten, die sie im gesunden, gestatteten und­­ gestaltenden Eigennuß gerne gehen möchten. Man künnte nun allerdings mit Recht­ erwarten, daß die Einrichtungen unserer verfehrem untern Zeit, die und von allen Seiten näher und näher rüden, von selbst auf diese Wege drängen und das thun, sie auch gewiß, aber mit einigem Befremden reiben wir und bieber die Augen und nehmen wahr, daß und auf diesen Wegen der Jude herumführt. Wir wollen nit in das trübe Fahrwasser ungezügelten Barteianti­­semitismus lernen, aber es wird doch gestattet sein, dafür einzustehen, daß es für unser Volk fi ziemt, eines kraftvoll-selbständigen Wirtschafts­­lebens sich zu befleißigen und so wollen wir den Versuch machen, zu unter­­suchen, ob uns Sacsen solches möglich werden könnte zu Nuß und From­­men unserer Eigenart, zu Nuß und Frommen unsrerer Heimat und des Baterlandes. Die Geschichte weiß von sächsischem Handel und sächsischen Kaufleuten zu erzählen,­­ den ausgebreitetsten Handel und Verkehr haben aber ehedem da die Produzenten selbst, Bauer und Handwerker getrieben. Der sächsische Bauer hat feine Weinläffer in die Nachbarländer geführt, fein Vieh auf feine Jahrmärkte getrieben, der sächsische Handwerker ist mit feinen Truhen aus dem Lande weit hinausgefahren und diese Versehreinweise gewahren wir troß Eisenbahn und Telegraphen auch heute noch in großer Verbreitung. Diejenigen Handelsgeschäfte, die mit Ziel und Kraft begannen, die Erzeugnisse der eigenen Heimat anzulaufen und im Auslande zu verkaufen, sind zumeist der neuen Beit vorbehalten geblieben. Aber in dem Mafe, die die Verkehrsmittel auch in unsere Berge eindrangen, haben sich in unserem Volke die sächsischen Kauf­­leute gemehrt und sind unternehmender und nüßlicher für Landwirtschaft und Gewerbe geworden. Wir dürfen bei näherem Hinsehen getroft sagen, daß wir in allen unseren Städten und Märkten fleißige, verläßliche, fachtüchtige fächsiiche Kaufe­leute haben, denen wir auch eine größere Aufgabe für die Zukunft zumuten dürfen. Allerdings finden wir leider einen Hiebei wenig trösflichen recht joderen Zusammenschluß unserer kaufmännischen Kräfte. Wir sehen jeden in seinem Bereiche thätig und wenn er in demselben mittelbar gewiß auch — bewußt und unbewußt — fürs Ganze wirkt, so hätte doch diese Wirksamkeit sofort eine ganz andere Bedeutung für unser Volk und auch für unsere Kaufmannschaft selbst, wenn sie unter einem gesunden, entwicklungsfähigen Gesichtspunkte un­­beichadet der engeren bisherigen Geschäfte Zusammenhang fände und mit voller Erkenntnis, mit zielsicherem Bewußtsein geichssermaßen im Namen und Auf­trage unserer Bauernschaft und unseres Bürgertums Handel triebe und so thatkräftigen Einfluß gewänne auf die Mehrung und Vervielfältigung, auf die Berbesserung der Erzeugnisse unseres Volkes und unserer Heimat. Wir sehen unsere sächsische Kaufmannschaft vielfach im Rahmen der städtischen Gewerbevereine fürdersamen Anteil nehmen an der Arbeit unseres Handwerks und Gewerbes, in vielen Fällen sind gerade die Kaufleute Die leitenden, führenden Kräfte im Rahmen der Gemwerbevereine; es würde schon einen belangreichen Schritt nach vorwärts bedeuten, wenn sich die Gemwerbe­­vereine unserer Städte, die das anderen Ortes bereits ausführlich vorgeschlagen worden ist­), zu einem Verbande sächsischer Gewerbevereine vereinigen wollten. Denn abgesehen davon, daß daraus dem Gewerbe selbst wichtige Vorteile er­­wachen, hätten wir es auf diesem Wege zugleich auch erreicht, die engere Thätigkeit unseres sächsischen Kaufmannes und weitere zu Iensen, indem er gemäß seiner Stellung im städtischen Gewerbevereine geradezu gezwungen wäre, immer auch aufs Ganze zu schauen und seine Erfahrungen und Willenskräfte immer auch dem Ganzen zu gute kommen zu lassen. Von dieser vorbauenden Stufe ausgehend aber möchte ich’s wagen, den Zusammenschluß der jählishen Kaufleute selbst zu einer gemeinsamen „jäce fiigen Handelsgesellschaft” zu denken. Ich meine darunter die Bereinigung jählicher Kaufleute zum Betriebe eines auß­­giebigen Ausfuhrhandels von Erzeugnissen jählishen Bauern- und Bürgerfleißes, gegebenen Falles zur Einfuhr notwendiger Rohwaren und andere Waren gemeinsamen Bes­charfen, ferner zur Anbahnung möglicherweise auch zum sebständigen Betriebe größerer Unternehmungen, alles das ohne Behinderung und Beeinträchtigung ihrer jegigen Ge­­schäfte und Unternehmungen. Die jährlichen Kaufleute würden zunächst in solcher Vereinigung die treibenden Kräfte finden und sich geben, die seinem unter ihnen ohne solche Vereinigung gegeben sein künnen. Das große Kapital zu umfassenden Unter­­nehmungen wird auf diesem Wege zu beschaffen sein, dann aber sind durch solche Vereinigung die intellektuellen Kräfte erreichbar in einem Umfange, wie sie den einzelnen unerreichbar bleiben. IH will die Angelegenheit durch Bezug auf unsere wirklichen Wirtschafts­­verhältnisse des Näheren zu erklären versuchen. Durch je einen oder mehrere Anteile wird der einzelne Kaufmann Mitglied der sächsischen Handelsgesellschaft, die selbstverständlich auf außerordentlich strengen Sagungen begründet gedacht wird. Die so vereinigten Kräfte werden, damit die bisherigen Unternehmungen ihren uneingeschränkten Fortgang nehmen künnen, zum eigentlichen Geschäfts­­betrieb der sächsischen Handelsgesellschaft eine durch die Sagungen vorbestimmte Anzahl kaufmännischer und industrieller Fachmänner zu wählen haben, welche im Rahmen der Sagungen und unter der geleitenden Aufsicht der zur Aufsicht besonderd Ermählten namens der Handelsgesellshaft zu handeln haben. Da es sich nun Hiebei in erster Richtung um die Ausfuhr fordmirtspaftischer Erzeugnisse zu handeln hat, so wird die Handelsgesellschaft vor alem anderen Zwischenglieder nötig haben, die die Betriebskörperschaft der Handelsgesellschaft — das „Romptoir“ — fortgereist bei Auffindung, Sammlung, Beförderung der gerade in der Ausfuhrfrage stehenden Stoffe und Mengen unter­­frügen. Sofort tritt uns wiebei eine schon zu Recht bestehende Einm­ätung entgegen, die dazu wie geschaffen erscheint, einerseits dem wirtschaftlichen Eigenbedarf, andererseits der sächsischen Handelsgesellscaft näglich zu sein. Das sind unsere Raiffeisengenofseniaften im „Verbande“. Wir haben es genugsam gehört, wie bieten Genossenschaften wirtiaft« die Ziele nicht in legter Reihe vor Augen gestellt werden, und wenn heute gerade die Notwendigkeit der Begründung von Sruditgenossenschaften u. dgl. besonders betont wurde, so erbliden wir darin gerade eben auch eine Art vor­­bereitender Einrichtung für die Wege der sächsischen Handelsgesellschaft. Unsere Genossenschaften — augenblicklich 64 an der Zahl — sind fast über das ganze Land verstreut, deren Mitglieder, deren Leitungen feinen ganz genau die Wirtschaftsverhältnisse ihres Dorfes und dessen Umgebung, die Zeitung selbst Hat gemäß ihrer nächstliegenden Vereinsaufgaben schon mit besonderer Achtsamkeit gewählt werden müssen, und es ist sein Zweifel, daß wir in den Mitgliedern der Ausschüsse und Aufsichtsräte durchaus zuverlässigste Männer unseres Volkes in Thätigkeit sehen. Die fächsiche Handelsgesellschaft hat also in ihnen einerseits verläßliche Kunds­after auf der Suche nach Erzeugnisen unserer Landwirtschaft, anderer­­seits verläßliche Mitbesteller geschlossener Lieferungen. BVenn zum Beispiel die fächsiche Handelsgesellschaft eine größere Obst­­lieferung einzugehen beabsichtigt, so wird sie zunäcst an die Raiffeisen-Vereine sich zu menden haben, die ihnen sofort über die Obstverhältnisse des Jahres in ihrer Umgebung Aufschlüsse erteilen werden. Kann auf Grund bdieser Aus­­künfte die Obstlieferung eingegangen werden, so darf man doch gewiß an­­nehmen, daß die Ausschüsse der fi an der Lieferung mitbeteiligenden Vereine es als Ehrenfache betrachten werden, ihre eigene Teillieferung nach bestem Gewissen einzusanmeln und in den gemeinsamen Strom der Lieferung einzu­­leiten. &8 sind also vielfache Vorteile mit Lieferungen in dieser Art und auf diesem Wege verbunden, die ich wenigstens andeutungsweise berühren will. Die sächsische Handelsgesellschaft verfügt dadurch fortdauernd und gleich­mäßig über verläßliche Kundschafter und Betriebshelfer. Das Vort hat dadurch eine gleichmäßig bleibende und wirksemsvorteilhafte Ableitungsquelle für seine Erzeugnisse gefunden. Der sächsischen Handelsgesellhaft ist der verzögernde, unverläßliche Verkehr mit dem Einzelnen erspart, dem einzelnen Landwirten die lästige Suche nach dem Abnehmer, der mitunter zudem an Berrrhlichkeit und Ehrenhaftigkeit einiges zu­mwünschen übrig läßt, ebenfalls. In beider­seitigem Vorteile liegt eine durchaus ge­wissenhafte Geschäftsgebarung, die an sich schon erfahrungsgemäß die allseitig nägliche Fortdauer geschlossener Handels­­beziehungen sichert. Die sächsische Handelsgesellschaft zahlt nicht einzelnen Mit­­lieferern in Gulden aus, das besorgt der Raiffeisenloffier. Das Volk hat durch einen Verkehr in diesem Sinne, der voraussichtlich Stetigkeit und Dauer verspricht, die denkbar beste Anregung zur Vermehrung und Verfeinerung der bezüglichen Handelsgüter gefunden und dadurch wird ihm eine ergiebige, sich erweiternde Nährquele für die „Familie“ erschlossen. Der landwirtschaftliche Verein kann sich nun des eigentlichen Genusses seiner langjährigen Thätigkeit erfreuen und wird diese seine Arbeit in leben­­digen Verkehr umregende Handelsbestrebung emsig und umsichtig mit Rat und That zu geleiten haben. Wederdies aber ist es Mar, daß in Dörfern, die feine Raiffeisen-Vereine haben oder haben können, der landwirtschaftlich Ortsverein für derartige Handelsbemühungen zum Vorteile des Dorfes und seiner Ber­a Rundschafter und Helfer sein wird, wie eben sein Bruder, der Raiffeisen­­erein. Dieses Beispiel wird wohl genügen, um den gleichen gelegentlichen Gang im Vertriebe mit Feldfrüchten aller Art, mit Rindern, Schweinen, Schafen, Pferden, mit Erzeugnissen bäuerlichen Hausfleißes zugleich auch zu erläutern, und es ist nur nötig, besonders hervorzuheben, daß im ganz gleichen Sinne uns die städtischen Gewerbevereine entgegentreten, sobald es sich um Bezug oder Lieferung einschlägiger Waren handeln wird. ) ‚Vergleiche die Artikefreihe: „Setzklänge und Widerhall" in Nr. 6559, 6561, 6564, 6566, 6571, 657% des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblattes.” 3 Henilleton. Bornedme Froletarier. Roman von Arthur Happ. (13. Fortjegung.) Herr von Schlieben lächelte diskret. Unruhig von peinigender Un­­entschlossenheit gequält rüc­e er in seinem Fauteuil Hin und Her. Eine solche Gelegenheit würde sich ihm nicht zum zweiten Male bieten. Und doc, wenn er in dies ordinäre, grobe Gesicht blicke. Die vierschrötige Gestalt betrachtete mit den plumpen Manieren, wenn er die Vergangenheit des Nentierd, das, was man ihm nachfragte und was ihm selbst bei seinem Eintritt widerfahren, bedachte, dann fühlte er sich von einer un­willkürlichen, heftigen Abneigung erfaßt. Herr Grunzfe unterbrach die Grübeleien des Majors. „Run, Herr Major, schlagen Sie ein”, rief er und strebte ihm mit einladender Geberde die breite Nechte entgegen. „Was kann da sein? Wir wollen und ja nicht mit­einander verheiraten — Hahaha! Habe ich recht? Wenn wir und gegenseitig nicht gefallen, sind wir ja nicht gebunden. Kommen Sie,­­ sol Ihr Schade nicht fein. IH will mich nicht Iumpen lassen. Meinem früheren Sekretär habe ich Hundertfünfzig Mark monatlich gezahlt, Ihnen gebe ich hundertachtzig, — na ?* Dem Major gab es ordentlich einen Rud. Hundertachtzig Mark monatlich! Das war ja viel — viel mehr als er zu Hoffen gewagt. Da kam er ja mit seiner Pension beinahe auf sein früheres Einkommen. In wenigen Monaten waren alle Schulden bezahlt, und dann konnte er mit den Seinen in behaglicher Sorglosigkeit leben. Ja, einen V­ersuch war er den Seinen wenigstens schuldig. Dle Unentschlossenheit wich von ihm und freudig schlug er ein. Der Rentier schmunzelte vergnügt und drücte dann auf eine auf seinem Schreibtisch stehende Glocke. „Sagen Sie den Kerld da draußen“, rief er dem eintretenden Diener zu, „ie mögen si zum Teufel federen, die Stelle ist bejegt.“ Und zu seinem neuen Sekretär, den die Furzangebundene, derbe Art Heren Grunzies schon wieder anfing nervös zu machen, sagte er, ihm eine Bigarrentiste präsentierend, machend : „Ra, Herr Major, wie wär’s, wenn wir und jebt eine Habannah ins Gesicht stecken. Langen Sie nur zul So was feines fliegen Sie nicht alle Tage. Hundertundzwanzig Marl dag Mille. Unter dem rauche ich nicht.“ + * + Herr von Schlieben trat seine Stellung an. Nur Frau von Schlieben, Marie und Ada mußten darum, Vor den anderen wurde die Sache ängstlich geheim gehalten, besonders vor Hubert, was wenig Schwierigkeiten hatte; denn den Vormittag war der Lieutenant in der Kriegsakademie beschäftigt, wa er gelegentlich des Nachmittags nach dem Vater fragte, so hieß es stets: „Papa ist ausgegangen.” Nichts war unwahrscheinlicher, als daß der unbeschäftigte, pensionierte Offizier, der an starre, körperliche Bewegung gewöhnt war, täglich regelmäßige, größere Spaziergänge unternahm. Die Erfüllung der neuen Pflichten bereiteten dem Major nur anfangs zuweilen Schwierigkeiten; nach und nach arbeitete er sich in die ihm ungewohnte, aber nicht unangenehme Beschäftigung volständig hinein, und er hätte sich mit seinem Beruf mit der Zeit wohl ausgesöhnt, wenn nicht die persönliche Berührung mit deren Grunzfe für ihn eine Duelle unaufhörlicher, peinlicher Empfindungen ge­wesen wäre. Die brutale, grobe Manier, die dem reichen Rentier und Bezirksvorsteher in­ seinem Verkehr mit armen Bittsteiern aller Art beliebte, verlegte sein Gerechtigkeitsgefühl und seinen Humanen Sinn aufs empfindlichste. Gelegentliche höfliche Vorstellungen, die der ehemalige Major versuchte, fruchteten nicht im geringsten. „Bas? Mit dem Pal auch noch viel Federlesens machen”, äußerte der Rentier, „na, da würde ich weit kommen! So dumm! Die Sorte renn’ ich besser all Sie, Herr Major, die muß man scharf anfassen.“ Noch unangenehmer war dem alten Offizier der vertrauliche Ton, den der Rentier zuweilen, wenn er in guter Laune war, seinem Sekretär gegen­­über anzuschlagen für gut fand. „Na, Majorchen, nun legen Sie ’mal Ihre Schreiberei bei­seite und steden Sie sie eine Zigarre in die Physiognomie und Spriedrich (der Diener) sol uns einen guten Droppen aus dem Keller ’raufholen, was? Sie danken? — Na, hören Sie­­ mal, Grüneberger führe ich nicht, Nun machen sie seine Bifimatenten. Zugelangt ! Proft, Majorchen !* Wollte Herr von Sch­eben seinen Brotherrn nicht ernstlich erzürnen, so mußte er sich schon den Zwang anthun und mit dem Ex-Destillateur anstoßen. „Sagen Sie ’mal, Majorchen“, fuhr dieser fort, nachdem er die Teeren Stäfer wieder gefüllt hatte, si wohlgefällig in seinen Sessel zurücklehnend und dem auf seinem Stuhl unbehaglich Hin- und herrücenden Offizier mit plumper Neugier und Gesicht starrend: „Tagen Sie ’mal, wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, si um die Stellung bei mir zu bewerben? Offen gestanden, als ehemaliger Major —* Herr von Schlieben errötete lebhaft und stotterte:­­ „Ic — ich Hatte viel freie Zeit — und da ich nicht gerne müßig gehe —“ Herr Gruntte lachte Taut auf und zwinferte dann mit feinen Hennen, fast immer ein wenig geröteten Augen verschmißt: „Aha! Also bloß aus Langeweile I“ Er Hopfte dem alten Offizier, dem die Zornes aber anschwoll, mit un­­verschämter Vertraulichkeit auf die Schulter: „Ra, Majorchen, mir brauchen Sie kein & für ein U zu machen. Bin doc nicht aus Dummsdorf! E8 geht ’n bisschen knapp zu Hause zu, nicht? Die Pension langt nicht, was? Ist wohl bloß ’ne Pumperei, was sie Ihnen geben, wie?“ Der Major kämpfte ein paar Sekunden einen stillen, schweren Kampf mit fi. Die Versuchung, den brutalen, proßigen Gesellen einmal nach Gebühr zurechtzumeisen, drängte sie ihm­ mit­ voller Macht auf. Aber noch zu rechter Zeit trat das Bild seiner leidenden, besserer Pflege dringend benötigenden

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