Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1896. Oktober (Jahrgang 23, nr. 6932-6958)

1896-10-14 / nr. 6943

« « Hermannstadt, Mittwoch 14, Oktober 1896. Nr. 6943 Seite 1070 Tonferenz gefaßten Beschluß der Passivität durchzuführen. Die Vorfrage sei, “ob es überhaupt gut sei, im Angesicht der Wahlen etwas zu thun. Gie, die yZribuna“, halte es nit nur für gut, sondern geradezu für notwendig, etwas zu thun, ds Man müsse anerkennen, daß das romanische Volk in seinen breiten Schichten gar keine Idee davon habe, was das Wahlrecht, eines der heiligsten von den Nechten eines Staatsbürgers, zu bedeuten habe; seine Führer hätten daher die Pflicht, ihm dies Necht zu erklären, ihm seinen Sinn und seine­­ Bedeutung zu zeigen, sie müßten in die Mitte des Volkes treten und ihm in Meetings das Net Har machen, um welches im ganzen Lande jener ge­­räuschvole Feldzug entstanden sei, von dem auch das Volk Höre und dessen Wandlungen und Episoden auch das Volk sehe. so Die romänissche Nationalpartei habe zu wiederholten Malen Passivität,­­also Enthaltung von den Wahlen beschlossen, man könne jedoch nicht behaupten, daß dieser Beichluß in das Bewußtsein des Volkes eingedrungen sei­, man müsse also bei jeder gegebenen Gelegenheit dem Volke zeigen, was die Passivität bedeute, warum man sich entschlossen habe, passiv zu sein, warum man nicht aktiv sein könne. Das sei für die politische Erziehung des Volkes notwendig. Denn schon oft habe die Erfahrung gelehrt, daß die Passivität ein toter Buch» f­abe geblieben und daß jener Beschluß der Nationalkonferenz in verschiedenen Wahlkreisen mit Füßen getreten worden sei und zwar nicht nur ven under­ständigen Menschen oder von solchen, die mit Gewalt zur Wahlurne geschleppt­­ worden seien. Solche Anomalien müßten aufhören, denn sie könnten nur dazu dienen, das Wolt in den Augen der Fremden und die Organisation der Nationalpartei in den Augen der Gegner der romänischen Politik zu kom­­­promittieren. Und so könne die PBafsivität nur dann einen Sinn haben, wenn man sie geltend zu machen wisse, und das könne nur geschehen, wenn man in dem Bolt die Ueberzeugung davon start mache, daß die Passivität gut und not­­wendig sei. Dazu aber sei e8 durchaus nicht ausreichend, wenn die Blätter in einem oder zwei Urtikeln die Beischlüffe der festen Konferenz erwähnen. Vielmehr sei e3 notwendig, diese Beischlüffe in der Mitte des Volkes unwieder­­holt auszusprechen, zu erklären und zu begründen, um sie frü­h im Gedächtnis­­ zu erhalten und im Bolfe ein solches Selbstbewußtsein und einen jod­en Stolz zu erwecken, daß jeder Versuch, es zu verführen, mit Verachtung zurüch­­gewiesen werde. Man müse in dieser Richtung Versäumtes nachholen und darum die möglichste Aktivität entfalten, um die Passivität zu behaupten und geltend zu machen. Mit einem Worte die Passivität des romanischen Volkes müsse von nun an eine aktive Passi­vität sein. Die Sprache der französischen Blätter hat in den legten Tagen eine stark Hervortetende chaupinistische Nücnce angenommen. Selbst gemäßigte­­ Blätter gefallen sich in Andeutungen, aus welchen die Revanche Ideen immer­­ Harer hervortreten. Hieron hält sich sogar der „Temps“ nicht fern, denn er treibt: « Ich »Der Kaiser hat die Worte des Präsidenten,daß beide Länder durch unzerstörbare Freundschaft verbunden sind,wörtlich wiederholt und sogleich die Phrase von der Waffenbru­derschaft beigefügt.Dies giebt der feierlichen Er­­klärung einen besonderen Wert;gewissermaßen werden die beiden Armeen schon im vorau­s um dieselbe Sache sind in demselben Gedanken verschmolzen und vereinigt.” « Der radikale,,Rappel«richtet an Nikolaus I.die Aufforderu­ng,in Europa die Dinge bald ins Reine zu bringen und auf diese Weise dem»ab­­»»»scheinlichen­betwasfcieten Frieden«ein Ende zu­ machen.Wenn der Zar gut ges­tört hat—ruft er aus­—so weiß er,daß die leidenschaftlichen Kund­­gebungen,die ihn drei Tage lang begleiteten,in diesen ku­rzen Satz,der alles sagt,zusammengefaßt werden können und mü­ssen:»Sire,Frankreich ist bereits« Der»Svleil«betrachtet den Toast in Chalons als ein­ großes Ereigni­s. Man könne sagen,seit gestern hat sich etwas in der Welt geändert. Die Tripelallianz ist zerbrochen, nicht Frankreich ist in Europa isoliert, sondern Deutschland. u · Der»Matin«tritt den Mitteilungen deu­tscher und österreichischer Blätter entgegen,daß nur ein einfaches Memorandutti die Grundlage der Allian­z zwischen Frankreich und Rußland bilde und erklärt,daß die Journale im Irrtum seien.Es beständen schriftliche Vereinbarungen­ in aller Form und nicht bloß ein einfaches Memorandum­,wie dies ein Wiener Journal behaupte. Der Au­sdruck»tastbare Bande«,dessen sich der Zar bei dem Toast im Eb­see UHPkienth sei eine direkte Anspielung auf diesen geschriebenen Vertrag. Die eife des Zaren Nikolaus sei die feste und entscheidende Phase einer Epoche, deren Ursprung auf das Jahr 1890 zurückführt. Wir können Hinzufügen, sagt der „Matin“, dass die Initiative zur Annäherung von Alexander III. aus­­ging, welcher nach Erneuerung der Tripelallianz es für notwendig hielt, den Gefahren, denen das europäische Gleichgewicht und der Friede der Welt der die Tripelallianz ausgefegt sein konnten, zu begegnen. In b diesem Sinne habe Alexander der Tripelallianz ein Gegengewicht schaffen wollen. Begonnen unter der Präsidentschaft Carnot3 und unter dem Ministerium Zreheinet-Gibot, ent­­wickelte sich das Werk der Allianz schritt­weise bis zum heutigen Tage unter den folgenden Regimes der Präsidenten und der Minister. Casimir-PBerier war es, welcher 1894, damals noch Minister des Weißern, die Ehre hatte, seine "Unterschrift unter eines der bedeutungsvollsten Dokumente zu feßen, welches „auch die diplomatische Allianz der beiden Länder bekräftigte. In Deu­tschland steht man dem ganzen Warenrumm­el im Lande der Revancheschreierkühn gegenüber­.Klar und ruhig beurteilt man die Auss­­assu­ngen der heißblü­tigen Nachbarn.Es muß hervorgehoben­ werden,schreiben die»Hambu­rger Nachrichten«,daß der Präsident der Nepu­blis in seinem Toasteniir von einer»Union«zwischen Frankreich und Rußland,die dem Weltfrieden zu gute Täme, spricht, was, verglichen mit Allianz, entschieden Minus ist, seinen Revancheanf­ang aufweist, sondern lediglich dasjenige Maß von Zusammengehen ins Auge faßt, was wir stets als vereinbart angenommen haben und das Rußland um so mehr akzeptieren konnte, als er ihm that­sächlich keinerlei Verpflichtungen auferlegt, sowie seiner Politik die Französische Unterftügung unter allen Umständen sichert. In der ferneren Neußerung Faures, daß die Gegenwart des Zaren die Bande besiegle, welche Frankreich und Rußland verknüpften, wird ein Beweis mehr für die Annahme erblich werden können, daß ein unterschriebener und besiegelter formeller Vertrag z­wischen beiden Ländern nicht besteht, denn font würde die Bezeichnung des Verhältnisses zwischen Rußland und Frankreich mit „Union“ durch Sauire und dessen Erklärung, daß nun erst die Bande zwischen beiden Ländern besiegelt seien, seinen Sinn haben. Auch­ der Zar hat nicht von einer Allianz, sondern ebenfalls nur von „wertvollen Banden” gesprochen und dabei ausdrücklich die von Faure hervorgehobene friedliche Bestimmung derselben bestätig. Das Wort „Bündnis” mit seinem Beigeschmach ist bisher in Paris nicht gefallen. Auch in den Redewendungen, die in Chalons gefallen, erblickt das ge­­nannte Blatt kein bedrohliche Symptom. Historisch sei die Waffenbrüderschaft nicht vorhanden, und was die Gegenwart betreffe, so konstatierte der russische Kaiser auch nur, daß in beiden Armeen das betreffende „Gefühl“ bestehe. Er sagte nicht, daß er es selbst feile, und habe auch nicht auf die Waffen« brüderschaft 'getrunfen. Die „unmwandelbare Freundschaft” aber zwischen Rußland und Frankreich bedrohe weder Deutschland noch den europäischen Frieden. Sie sei in Bezug auf Deutschland bisher doch immer platonisch geblieben und weniger das Ergebnis rufsischer Neigung, als das der Gaprivi’schen Politik, welche es seinerzeit dahin gebracht hatte, daß sich der Vorgänger des regigen Bars bei den Feten zu Ehren der französischen Offiziere in Kronstadt die Marseillaise stehend und unbedeckten Hauptes anhörte. Aber trogdem seien Kronstadt und Toulon sans consequence geblieben. Weßhalb sollte es diesmal anders sein? Wenn der „Soleil“ meine, die französischen und rufsischen Soldaten würden nunmehr im Falle eines Krieges Seite an Geite kämpfen, so könne dieser Fall wohl eintreten, aber die „Hamburger Nachrichten” glauben nicht, daß dieser Krieg dann gegen Deutschland gerichtet sei. Deutschland sei nicht der gemeinschaftliche Gegner Frankreichs und Rußlands, sondern England. Sobald der russisch-englische Gegenzag zu einer militärischen Aktion führte, würde Frankreich sich beeilen, sich Rußland zur Verfügung zu stellen, wenn Frankreich bis dahin noch nicht zur Einsicht gelangt sei, daß Rußland nur russische, nicht aber französische Revanche-Politik treibt. Die ungemein warmen Sympathiefundgebungen des Zaren für Frankreich seien zum Erlaß dafür erfolgt, weil die Erwartung der feierlichen Proklamation des Bündnisses nicht erfüllt werden inne Man müsse abwarten, welche Einwirkung der Zarenbesuch auf­­ die innere Entwickklung Frankreichs haben werde. Aus der Begeisterung, mit welcher der Zar von allen republikanischen Saktoren gefeiert wurde, könne man den Eindruck gewinnen, daß man in Frankreich alles darum geben würde, wenn man dem Bar einen eigenen Monarchen gegenüberstellen könnte. Die „Bossische Zeitung” sagt, der warme Ton des Bärentoastes in Ehalong könne über die Dürftigkeit des thatsächlichen politischen Inhaltes nicht­ täuschen. Ihren besonderen Standpunkt nimmt in der Allianzfrage noch immer die „Kölnische Zeitung” ein, indem sie erklärt, die Worte des Zaren in ECHalons ließen nur auf eine Militärkonvention zwischen Ruß­land und Frankreich fließen. Diese Konvention sei undenkbar ohne eine klare diplomatische Verständigung über die Fälle, in denen ein gemeinsames militärisches Vorgehen plaßzugreifen habe. E 8 biete überdies fü­r die vertrag­­sschließenden Zeile einen Vorteil, daß derartige Abmachungen ihres vertraulichen Charakters wegen der Oeffentlichkeit­ vorenthalten worden.­­ Gerade in diesem Schleier des Geheimnisses mit dem man die fünffisch-französische Verständigung umfleide, müsse man eine den Frieden bedrohende Gefahr des Ziweibundes erblidhen, die ihm an sich nicht innewohne, die aber um so stärker werde, je ungestörter Frankreich dieses Geheimnis zur Bildung des Revanche-Gedankend ausbeuten künne.­­ Wie an Paris gemeldet wird, ji Shishfin zum Nachfolger 2obanomw$ ernannt worden. Zum Nachfolger des kürzlich verstorbenen Wolatus im russischen Ministerium des Suwern, Geheimrates Netjudom, hat Nikolaus II. den Senator Baron Alexander Herfäll-Gyllenband ernannt. Er ist nicht nur ein an­­erkannter Freund des Fortschrittes sondern auch stets in den Reihen der Gegner des Bobjedoniszew-Systems der Unterdrückung aller Andersgläubigen gestanden. Neberdieg hat er sich dadurch bemerkbar gemacht, daß er, als Protestant und Deutscher aus den baltischen Provinzen, zur Zeit der Auffi­­figierung de Gebietes sich nicht geschent hat, diese Russifizierung öffentlich zu brandmarten. In einer am 9. d. Mts. in Edinburg gehaltenen Rede hat Lord Rosebery die Motive seines Verzichtes auf die Liberale Führerschaft dargelegt. Die Frage der Mofjakres in der Türkei sei viel ausgedehnter, als man dies vorausseße. Es handle sich um eine wahre orientalische Frage, die schon seit langer Zeit das Alpprüden für Europa bilde, und zu deren Be­­seitigung partielle Hilfsmittel unnüg sind. Bei Besprechung der Gründe seiner Demission als Liberaler Führer erklärte Hoseberg, er könne den Vorschlägen Gladstones nicht zustimmen, und fügte Hinzu, daß Gladstone die indirekte Ursache seiner Demission sei. Wenn man — faut Redner — den englischen Botschafter von Konstantinopel abberiefe, wäre England im europäischen Kon­­zerte nicht vertreten, und könnte ein solcher Schritt einen europäischen Krieg herbeiführen. Mehner erklärt schließlich, er werde hartnädig einer isolierten Intervention im Orient entgegentreten, weil daraus ein europäischer Krieg entstehen könnte. Bon Wrad aus schrieb mein Vater einen Zettel an meine Mutter, sie möchte schnell, ehe er weiter transportiert werde, kommen, welchem Wünsche die in Trauer und Sorgen Harrende selbstverständlich sofort nachsam, Leider zu spät, denn sie mußte in Arad erfahren, daß der geliebte Mann bereits nach Temeshvar abmarkiert sei. Zurücgekehrt nach Arad, brachte ihr ein fremder Sude, der, aus Mitleid mit meinem Vater, einen Umweg von zwei Tagen gemacht hatte, um sich dieses­ Auftrages zu entledigen, von Temeschvar den Bescheid, daß mein Vater einige Tage daselbst verbleibe, sie möge ver­­suchen, ihn dort noch zu finden. Ein ungarischer Edelmann bietet ihr an, sie­ nach Zemejchvar mitzunehmen. Aber auch hierher kommt­ sie zu spät. Boller Verzweiflung, nur zwanzig Kreuzer in der Tasche, als Nest ihres Vers­mögend, welches sie, da er in ungarischem Gelde bestand, bereits in Nadna hatte abliefern müssen, eilt sie zu Haynan, ihn um Auskunft zu bitten, wo sie den Gatten zu finden habe. Doch Haynan läßt sie kurzweg (im mehrsten Sinne des Wortes) doch einen Soldaten zur Thür hinauswerfen. Auf der Gasse trifft sie einen Honvedoffizier, welcher von einem Soldaten den bereits abmarschierten Schiefaldgenossen nachtransportiert wird. Von ihm erfährt sie die Richtung­ des Marsches, handelt mit einem Fraser, daß er sie um 20 Kreuzer nachfahre und im wajen der Fahrt geht es dahin. Nach kurzer Zeit kommt ihnen ein Transport Gefangener entgegen. Man hatte einen falschen Weg eingeschlagen und war nun auf dem Rüdmarsche nach Zemejchvar. Das war­ ein schmerzliches Wiedersehen! Der Vater, zerrissen und beshaußt, sieht sie — mit einem Yubelserei tritt er aus der Reihe auf die kaum ihrer Sinne noch Mächtige zu, um, durch den­ Schlag eines Österreichischen Gewehrfalben. Dem Max Moltke. Ein Lebensbild für die Siebenbürger Sachsen, gezeichnet von Siegfried Moltke (Leipzig) (Sortregung­)­ ­ zurücgeworfen, an seine ohnmächtige Sage sofort erinnert zu werden, heranreitenden Hauptmann trägt nunmehr die Weinende die Witte bot,­­ von ihrem Gatten Abschied nehmen zu dürfen. Dieser erhält einen kurzen Urlaub, der das Paar denn in freundlichster Gesellschaft eines österreichischen Wac­­soldaten und eines zu diesern gehörenden scharf geladenen Gewehres vereint, um Abschied zu nehmen — hier aber weniger „voll Gefaßth­eit auf Pulver und Blei“, sondern ziemlich wenig gefaßt bei der Aussicht auf Haynaus beliebtes Hängesystem. Das war am 2. September 1849, ein Tag des Leidens wie selten einer für meine Eltern, jener Tag im Jahre, der einundzwanzig Jahre später meinem Vater wie jedem Deutschen und jedem Gerechten ein Zug des Jubeln und der Genugthuung wurde, al die Gloden den Sieg von Sedan und Napoleons Gefangennahme verkündeten. Ein Jahr später schrieb der Kriegsgefangene in Dignano : Nun ist ein Jahr darüber Hingegangen;; An diesem Tage war's, in dieser Stunde, Da ist zum legten Mal an deinem Munde Mein nasser Blid, mein dürftend Ohr gehangen. Da hab’ ich dich erihaut nach langem bangen Verzweiflungsvollen Spähen in der Runde Und dir zum lechten Mal das thränenunwunde Antlig geküßt in zärtlichem Umfangen. Wohl tausend Sieges­, ah! nun Schmachgenosfen, B Vorüberziehend an uns beiden, meinten Beim Anblid der im Trennungskampf vereinten ; D Heiße Thränen, die ich selbst vergossen, Da ich von dir mich b­eriß voll Ermannung Und jenen folgt in Knechtschaft und Verbannung ! Man Meidete den Vater und seine Schidjalogenossen im ungarischen Offigierskorps als Gemeine beim Infanterie-Regiment „Bring Leopold beider Sizilien“ ein und fort ging der Marsch durch Slavonien und Steiermark über UjrPBecs, Neufag, Bulovar, Erseg, Walpa, Veröcze, Warddin, Bettau, Graz (mit kurzem Aufenthalt, wo er st unter den Bürgern manchen Duz­­bruder erwarb), Brud a. d. M. nach Eili. Von hier aus sandte er an die ferne Lebens, und Leidensgefährtin den ersten ausführlichen Brief. Er hat die Korrespondenz seiner ganzen Gefangenschaft vor ihrer Absendu­n­g tortgetreu in ein Buch topiert. Leider gebricht es an dieser Stelle an Raum, auch nur die wahrhaft mustergiftigen, Leid und Schmerz, Hoffnung und Freude atmenden Briefe an seine Frau wiederzugeben. Vielleicht findet sich später einmal Gelegenheit, diese reiche Sammlung in Brosgürenform zu veröffentlichen. Hier solen nur einige Auszüge eine Schilderung seiner Gefangenschaft geben, die al­soldche gerade ih­m­ nicht drühend gemacht wurde. Nur einen, jenen en erwähnten ersten Brief gestatte man mir, Hier ungekürzt wieder zu geben: „Billi, den 28. Oktober 1849. Meine liebe, liebe Luis. Erst jegt, nach dem ich vorgestern gleichzeitig und so unnverhofft Deine beiden zärtlichen Schreiben vom 30. September und 11. Oktober empfangen habe, erft jebt gewinne ich so viel innere Ruhe, um Dir mit einiger Umständlichkeit meine legten Erlebnisse zu erzählen und meine dermalige Lage zu schildern. Wohl hatte ich von Bruch aus einen ausführlichen Brief dieses Inhalts binnen kürzerer Srift Dir in Aussicht gestellt ; allein meine täglichen Anfragen auf der Pot, ob denn noch immer kein Briefchen aus Pettau mir nachgesandt sei und mich eingeholt habe, wurden etwig verneint, und so mußte ich von den ab­wechselnden Besorgnissen mich peinigen lassen, mein Qufovarer Brief habe Dich nicht erreicht, oder Du feiest in Temeichvar, vielleicht auch auf der Fahrt von da nach Radna verunglückt, oder Ihr alle hättet Radna bereits verlassen, und ich müßte erst Nachforschungen um Euch anstellen; ja sogar des entjeglichen Gedankens konnte ich mich niet erwehren, Euer Elend sei so hoch gestiegen, daß es Eu irre.an mir, „und davich die Schuld daran trage, Eure Herzen mir abfnwendig gemacht Habe. “Verzeihe mir, Du treue Seele bieten legten Gedanken; er ist mir wie ein finsteres Gespenst flüchtig durch mein Herz gejagt, er hat nicht Raum gefunden, darin sie festzufegen; er konnte ja nir Raum darin finden, nachdem Du durch Dein angstvolles­ Um- Juden nach mir in Arad und Temeschbar mir den rührendsten Beweis einer Liebe gegeben, deren ich Dich nicht fähig, mich m­icht würdig geahnt hatte, Ja, mein Lischen, nicht in Kronstadt, wo unsere Blicke sich zuerst begegneten, unsere Herzen fi fanden und verständigten, nicht in dem Studierzimmer des Pfarrers, der zu festgefegtem ‘Preise unser Verlöbnis vollzog und buchte, nicht in dem menschenleeren Tempel, wo er zu Herabgefegten Preise uns kopulierte und das Gelübde abnahm, Freud’ und Leid, von ihm freilich ungesanntes, ungeahntes Leid miteinander zu‘teilen, nicht hier, nicht da, nicht dort, sondern zwischen den Schutthaufen von Mehala und Hofefstadt, den bombardierten Vorstädten Zemeichvars, hat Gottes Hand uns zusammengeführt, im Augenblick bitterster Trennung uns getraut zu einem herzverbundenen Paare und Ungesicht, von über tausend, wenn auch unbeteiligt vorüberziehenden, dennoch teilnahmvoll mitfühlenden Unglücksgefährten unsere im Himmel bes­chlossene Ehe unter freiem Himmel eingesegnet. « Wir waren unsersöo Offiziere undl Leo Honved sind ein Trans­­porte,der dam­als an dem miriinvergeßlichen 2.September,unter Fü­hrung eines k.k.Hauptmanns Riedl und Bedeckung von 2 Kompagnien von Temeschwar abging,niemand wu­ßte mit Bestimmtheit,wohin.So ku­rz unser letztes Zwiegespräch­» unser letztes Arms in Armwandeln mich gediinkt hatte, m­ir waren die wenigen Minuten unsers Beisammenseins zwischen einer bitter vorausgegangenen und noch bitterer bevorstehenden Trennung wie ein einziger seliger Augenblick verstrichen — so war er doc eine so lange Frist gewesen, daß während derselben der an uns vorübermarschierte Transport einen an­­sehnlichen Vorsprung gewinnen konnte. Ich und der Soldat, der als Be­­dedung bei mir ‚surüdgeblieben und Zeuge unserer schmerzlichen­ Trennung geworden war, wir mußten beide tüchtig zuschreiten, um den Bug wieder ein­­zuholen. Die Hige war groß, und trog meiner innern Bewegtheit, und troß­­dem daß un­willfürliche Thränen sich in mein Auge drängten und nicht zerdrücen lassen wollten, so verzehrte ich doch mit doppeltem­ Genuß die Pfefie und Birne, die Du mir gegeben hattest , mit doppeltem Genusse, sag’ ich, weil sie überaus erfrischend waren und aus meines Lischens Händen kamen. Wi ich den Zug meiner Schidjalsgenossen (ah nein­ meines Schidjald Genossen waren sie nicht, denn ihrer die meisten traten aus leichter zu verwindenden im leichter zu tragende Verhältnisse), genug als ich den eskortierten Bug eingeholt hatte und wieder mit meinen Kameraden ging, unter denen ich kaum Einen von früher her kannte, war ich überrascht vor der ungeheuchelt Herzlichen Teilnahme, welche einzelne mir bewiesen, indem sie auf mich zusammen, mir die Hand drücken, mich um beinet willen und um meinem­ willen Dich bedauerten und im meist gebrochenem Deutsch ihre ganze Berechtsamkeit aufboten, mich zu trösten. Diese Bennweife von Teilnahme dauerten während unseres ganzen vierwöchentlichen Marsches fort ; denn fast an jedem Tage, fast auf jeder Station kam irgend einer der 250 Kameraden seit jener Trennungsszene, deren Augenzeuge er gemesen war, in erste Berührung mit mir, und es fehlte nicht am solchen, die mich versicherten, daß sie damals un­­willkürlich mitgeweint hätten. Wenn nun auch diese fast allgemeine Teilnahme als trauriges Wahr­­zeichen diente, daß mich ein härteres Loos getroffen, als die meisten übrigen, so that sie mir doch innerlich wohl, und ich wünschte, daß Du in Nadna denselben Ballam für Dein mundes junges Herz fändest. In der brennenden Mittagshige hielten wir gegenüber einem Wirts­­haufe, unweit dessen ein Bach floß, ersehnte Rast. Glücklich diejenigen, die wie ich seinen Kreuzer Geld besaßen ; sie brauchten sie wenigstens nicht zu ärgern darüber, daß bei dem Heinen Raum der Schenke, den geringen Vorräten des­­ Wirtes und dem ungestümen Budrange so vieler hunderte, die nach Speise und Trank le­hzten, selbst für Kingende Münze nichts zu bekommen war. In­­dessen erwischte Doch einer der Wenigen, mit denen ich während unseres Auf­­enthalte, oder genauer ; während unserer Gefangenschaft in Zemeichwar wer. « . »Was ist dir denn begegnet Ma machen?« Mrs.Butterfield teilte der gespannt Lauschenden die Verhandlu­ngen mit s Herrn Collas mit. . .,Und wir können der Gräfin nicht helfen?«kam es tonlos von Mauds ii­­ppe »Ich sehe keinen Anstieg.Was ich selber besitze,gebrauchen wir,ich habe leidert wieder etwas viel ausgegeben.« »Das ist sehr traurig,«sagte Maud mehr zu sich selbst,als«zqus. .Eveline,deren Gegenwart beinahe vergessend.Sie sah im Geiste das ver­­­zerrte Gesicht der Gräfin,hörte ihre erregte,gellende Stimm­e und zitterte bei­­ Gedanken, was dieses falsche Weib aus Rache nun gegen sie beginnen würde, „Traurig — dm — das wohl nicht — aber —" murmelte Mrs. Eveline: „Nein, nein, aber sehr unangenehm,” fiel Mand schnell ein, überlegend, was nun wohl anzufangen sei. „Sage es nur der Gräfin.” Mrs. Eveline erhob sich: „Gute Nacht, Be Kind, ich gehe Heute mit den Hühnern zu Bett. Ach, meine armen ieder.* 2­008 fi die Thüre hinter ihr geschlossen Hatte, schlug Maud die Hände verzweifelt vor das Gefich. 93h bin verloren,“ flüsterte sie kaum hörbar. Doch plöglich schoß ihr ein rettender Gedanke durch das Hirn: „Wenn ich meinen Schmuch verlaufte — —?” an. Sie flog an den Koffer, hob aus demselben eine feuerfeste­­ Kassette heraus, stellte sie vor sich auf den Tisch, öffnete sie und entnahm­ derselben mehrere Etwid mit funfelnden Geschmeiden. Sie hielt eine Berlenschnur prüfend in der Hand und lächelte bitter, | (Fortlegung folgt.) Siebenbürgisch-Denisches Tageblatt, |

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