Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. November (Jahrgang 24, nr. 7261-7285)

1897-11-02 / nr. 7261

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Die Mehrheit weilte in den Neben­­räumen des Hauses, namentlich die Mitglieder der Rechten, welche ihre Auf­­passer im Saale hatten, um sie von den Vorgängen zu unterrichten. Wenn dann im Saale gelärmt wurde, eilte ein Teil der Rechten in den Saal, um dem bedrängten Präsidium Hilfe zu leisten. Alle Stühle und Bänke in den Konkolid und im Empfangssaale waren zu Schafstellen hergerichtet, die gali­­zischen Bauernabgeordneten lagen mit ihren Hohen Stiefeln auf den langen Bänken ausgestrebt und schliefen. In einigen Zimmern hatten si Mitglieder der Niechten Spieltische aufgestell, an melden Tarot oder Whist gespielt wurde. Ein Teil der Abgeordneten spazierte in den Korridor­ und rauchte, Bleißig war an das Buffet befugt. Bis morgens wurden in der Restau­­ration 14 Heftoliter Bier und ein Heftoliter Wein ausgeschenzt. Als der Morgen kam, wurde im Hause gefrühstüdt, man servierte um 5 Uhr ein frisches Kalbsgulyash. Graf Badeni war bis spät nachts im Hause. Die Galerien, die zu Beginn der Abendfigung dicht gefüllt waren, wiesen auch gegen Mitternacht noch wenig Süden auf und wo um halb 3 Uhr konnte man die Zahl der Unermüdlichen, welche Neugier, Teilnahme und Beruf auf ihre Bufdauerplage gebannt gehalten, auf nahezu 200 Schäßen, darunter auch einige Damen, von welchen zwei besonders aus­­dauernde die Galerie erst mit der allgemeinen Räumung um 10 Uhr morgens verließen. « Dr.Lecher,Sekretär der Brünner Handelskammer und Abgeordneter der Stadt Bünn,sprach von dreiviertel 9 Uhr abends bis dreiviertel 6 Uhr morgens,12 Stunden.Seine Rede ist eine der größten Redeleistungen,welche indes­ Geschichte des Parlamentarismus zu verzeichnen sind.Als die größte derartige Rede wird die des englischen Unterhausministers Burse im Jahre 1788 verzeichnet.Derselbe sprach durch volle vier Sitzungen,freilich mit Unterbrechungen.Die längste Sitzung des englischen Parlaments hat 77 Stunden gedauert.Der Ranm unseres Blattes gestattet nicht,die Debatte in ihren Einzelheiten zu verfolgen,wir müssen uns begnügen auszugsweise über den Verlauf der Sigungen zu berichten. Ueber das Ausgleichsprovisorium sprechend, erwähnte Dr. Leer auch das Buch des Grafen Iulius Andrasfy (Sohn), aus in welchem hervorgehe, daß Ungarn ohne Desterreich ein ebensolcher Kleinstaat wäre, wie etwa Serbien oder Rumänien. Ungarn hätte ohne Desterreich nie Gelegenheit, begeisterte Toaste auf die ungarische Nation zu hören. (Beifall links.) Graf Andrasfy appelliere auch am die Desterreicher, treu beim österreichisch-unga­­rischen Staatsrechte zu stehen. Der Mann, der den ersten Stein gegen dieses Staatsrecht erhoben hat, sei vor wenigen Tagen Ministerpräsident Baron Banffy get­efen. Die Deutschen in Oesterreich hätten durch viele Jahrhunderte einem gro­staatlichen Verbande angehört und diesem auch die Herrscher gegeben. Die Deutschen hätten doch das österreichisch-ungarische Staatsrecht nichts gewonnen, würden aber im Falle des Bruches dieses Staatsrechtes gewiß irgendwo anders jenen Anschluß finden, den sie zu ihrer wirtschaftlichen Ent­­wickklung benötigen. Der Wil hier (Nedner m weist die Regierungsvorlage über das Ausgleichsprovisorium vor) sei ein Beweis, daß die Ungarn von ihrem einfachen probaten und rohen System, und auszuwügen, nicht abzugehen gesonnen sind. In dem Momente, wo die Ungarn auf dem Presburger Lands­tage gerufen haben: „Moriamur pro rege nostro“, hatten sie die Getreide­­zöNe und Ochsenimporte nach Oesterreich im Auge. Sie haben es stets ver­­standen, si ihren hingebenden Patriotismus auf Heller und Pfennig bezahlen zu lassen. Redner sei gewiß nicht für einen wirtschaftlichen Krieg mit Ungarn, h­­aber da zum mindesten einen gerechten und billigen Ausgleich vel­­angen. Dr. Leber erörterte in Fortlegung seiner Rede auch die Bankfrage. Es sei eine Schmach vor ganz Europa, wenn das erste Institut, welches allen Kaufleuten durch die strengste Befolgung der Grundlage der kauf­­männischen Ehrlichkeit voranleuchten sollte, durch seinen ersten Beamten der­­artige Grundfäße schwarz auf weiß proklamiert. In den Ausgleichsvorlagen werden immer nur einzelne Artikel des Bankprivilegiums herausgenommen und geändert. Dadurch wird der Zusammenhang vor der Bevölkerung ver­­schleiert. Das ist das System der haute finance, die einfachsten Dinge un­­verständlich zu machen, und selten findet si ein so untalentierter haute financier wie Herr von Mecenfeffy, der es ausspricht: Wir wollen euer Silber gegen unser teueres Gold nehmen. Wir werden darüber wachen, ob dieses Haus besteht oder nicht, ob hier oder im Ausschuffe oder in der Bevölkerung, daß dieser Raub an dem Na­­tionalvermögen unseres Baterlandes nicht begangen werde. (Lebhafter, langan­­haltender Beifall und Händellatschen Links.) Der Vizepräsident Dr. Pramar giebt das Glodenzeichen. (Erneuerter, langandauernder Beifall und Händellau­chen Links.) Vizepräsident: Der Herr Redner Hat einen etwas zu starken Ausbruch gebracht; ich möchte ihm bitten, Dies nicht zu tun. (Widerspruch links.) Abgeordneten Dr. Leber, Herr P Vizepräsident, ich werde seinen Ausdruch mehr gebrauchen, der Ihnen stark vorkommt. Vielleicht sind Ihre Nerven dur die lange Sigung schon angegriffen. Ich hoffe aber, daß meine Kollegen und das gesamte Haus e3 nicht al stark finden werden, wenn man e3 so nennt, wie es ist. (Beifall link3.) IH bin ein einfacher Volksvertreter, ich bin sein Würdenträger und sein Geschäftsträger, der Hin= und hergeht, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich die Sachen so nenne, wie sie sind. (Erneuerter, lebhafter Beifall Links) Wird durch die Brokfamierung derartiger Ab­fichten der Oesterreichisch-ungarischen Bank die von dem Gouverneur, den Vizegouverneuren und den Generalräten eidlich oder durch Gelöbnis über­­nommene Verpflichtung, die Interessen des allgemeinen Kredites nach Kräften zu fördern, eingehalten . Inzwischen war es halb 5 Uhr morgens geworden. Nun begann die Reihe der Stürme, deren Kraft sich steigerte, je mehr der Morgen heranrücte und das Bedürfnis, die Anstrengungen dieser ungeheuerlichen Eagung zu beenden, empfindlicher wurde. Nun traten au) die Sozialdemokraten ins Treffen. Ihe Abgeordneter Daszyn S3Er forderte unter stürmischen, gegen den Bor­­figenden Dr. Szamar gerichteten Begleiteufen, daß der mit den Stenographen, den Arbeitern und Dienern des Hauses getriebenen Menschenschinderei ein Ende gemacht und wenigstens eine halbstündige Pause geschaffen werde. Die Weigerung des Borfigenden giebt Anlaß zu ohrenbetäubenden Lärmauftritten, alles ruft durcheinander, aber das Stimmengetöte, aus dem man nur ab und zu einen Ruf deutlich vernimmt, wird noch übertönt durch das Geflapper der Pultwedel, melche von einem B­ugend Abgeordneter der Linken gehandhabt werden. Erst 10 Minuten vor 6 Uhr kann Abgeordneter Leber, der während dieser Zeit en­­weder geschwiegen oder nur zu den Nächststehenden gesprochen hatte, sich wieder allgemein vernehmlich machen, was mit einer neuerlichen Beifallfalve aufgenommen wird. Die Aufmerksamkeit dauert nur 10 Minuten. Die Parteien der Rechten sind mittlerweile wieder im Hause erschienen und die höhnische Art und Weise, die insbesondere die Tschechen und Polen, ziemlich erholt, geschlossen in den Saal treten, fordert .die Opposition zu neuen Stürmen heraus. Neuerliche heftige Rufe nach „Schluß der Situng“ einhallten und selbst eine zehnminuten lange Unterbrechung der Sibung kann die Aufregung nicht beschwichtigen. Die Abgeordneten der Linken greifen wieder zu den Spultdebeln, das Getöse derselben wird so betäubend, der Wort­ mechsel zwischen einzelnen Gruppen der Gegner so heftig, daß die Minister, die mittlerweile auch erschienen sind, ganz ratlos auf und abgehen. Dieser Sturm dauert über 20 Minuten, kaum hat er sich halbwegs gelegt, beginnt Abgeordneten Becher seine Rede von neuem, um nach je 10 oder 20 Minuten abermals vor neuen Auftritten pausieren zu müssen. So wird­ in Sturm und Rede Morgen und dreiviertel 9 Uhr. Als Dr. Leder, der nun volle zwölf Stunden gesprochen hatte, die Schluß­­worte seiner Rede spricht, trat volle Ruhe im Hause ein. Er fließt seine Rede mit folgenden Worten: „So bitte, meine legten Worte ruhig und gelassen anzuhören, obwohl ich, Gott sei Dank, sagen muß, daß ich mit meiner Stimme und meinem sonstigen Befinden recht wohl beisammen bin. (Beifall und Händel lau­hen ins.) Meine Partei ist eine Freundin des Ausgleiches mit Ungarn, sie ist aber seine Freundin eines Mußgleiches, welcher ungerecht und unbillig ist, und der Bevölkerung ungerechtfertigte Lasten aufbürdet. Wenn ed und ges Singen sollte — wozu ja leider vorderhand nicht viel Aussicht ist — den Herzenswunsch des deutschen Volkes zu erfüllen und den Grafen Badenz dorthin zu senden, woher er gekommen ist (lebhafter, andauernder, wiederholt sich er­­neuernder Beifall und Händelsatrigen links), dann sind wir auch befreit von allen Abmachungen seiner Regierung und seiner Ressortminister, welche mit Ungarn getroffen worden sind. E 8 ist ja die Methode des Ministerpräsidenten, die er, seit er nach West-Oesterreich gekommen ist, bei jeder großen Frage angewendet hat, immer erst alles einmal schlecht zu machen und dann, wenn er sich blamiert hat, er noch einmal schlecht zu machen. (Lebhafter Beifall Links.) Hier sind Heilige, wichtige Lebensinteressen der Monarchie auf dem Spiele, und e3 wäre sehr bedauerlich, wenn man diesen Experimental. Physizer noch weiter experimentieren ließe mit dem Wohle unseres Vaterlandes. (Beifall links.) Wenn auch dieses Provisorium beimilligt wird, so sind mir heute in einem Jahre gerade so weit wie jegt (Sehr richtig! Linke), da es dem Grafen Badeni nicht gelingen wird, den Ungarn eine bessere Duote abs­zuringen, nachdem ja die Ungarn nur darauf ausgehen, diesen Ausgleich von Jahr zu Jahr etappenweise — um mich eines modernen Ausdruces zu­ bes­cienen — bewilligt zu haben. (Beifall Tint3.) Unsere Situation Ungarn gegenüber kann sich nur den energischen Widerstand dieses Parlaments gegen­­über diesem Miniatur-Ausgleich nur verbessern. Wir wünschen nichts anderes, als die restitutio in integrum, das heißt, daß alle Abmachungen, welche diese unfähige Regierung mit Ungarn getroffen hat, ungiftig werden, Uns aber, meine Herzen von der Majorität, werden Sie wie früher so auch feßt auf dem Plage finden, und seien Sie überzeugt, daß die Deutschen in Oester­reich sich weder ergeben noch sterben.* Ein Sturm des Beifalls brach, als Dr. Lecher geschloffen, los, und es mnwährte längere Zeit, bis die Ruhe wieder eintrat. Von seinen P­arteigenossen wurde Dr. Lecher ein Lorbeerklang überreicht, den man im seine Wohnung brachte. Vom Abgeordneten Dr. Kindermann, welcher Arzt ist, wurde Dr. Lecher nach Beendigung seiner Rede untersuc­ht. Dr. Kindermann instatierte hundert Pulsschläge in der Minute, fand aber sonst das Befinden Lechers normal. Ein Antrag Dr. Funtes, welcher nach Dr. Leder das Wort ergriff, * auf Schluß der Sikung wurde mit zwei, fast eine Stunde dauernden Ab­­stimmungen abgelehnt. Auf den Antrag des Abgeordneten Pfersche, die Sigung gegen den abnorm physischen und geistigen Zustand des Hauses, für geheim zu erklären, wurden die Galerien geräumt, und die öffentliche Sigung um dreiviertel 11 Uhr vormittags unterbrochen. Die geheime Sigung dauerte bis 6 Uhr abends. Ein großer Teil dieser Sigung wurde ausgefült mit der Diskussion über die Frage, ob eine geheime Sigung abzuhalten sei, mit den namentlichen Abstimmungen über den Schluß der Debatte und über die Frage der Ab­­haltung einer geheimen Sigung, die nach Räumung der Galerien zu ent­scheiden ist. Die meiste Zeit aber nahmen die Diskussionen und die nament­­lichen Abstimmungen über die Tegtierung des Protokolls der geheimen Sigung in Anspruch. Um 6 Uhr wird wieder die Öffentliche Sigung aufgenommen. Z­wischen dem Vizepräsidenten Abrahamovicz und dem Abgeordneten Dr. Krona­­wetter kam es zu einem heftigen Auftritt, da von ersterem das Dr. Krona­­wetter vom Vizepräsidenten Dr. Kramar erteilte Wort verweigert wurde. Die Präsidententribüne wurde förmlich blofiert, dem Vizepräsidenten Abrahamovicz Benilleson. Der eigene Weg. Bon Hand Richter. (11. Sortjegung.) IV. Mit einer jähen Bewegung war Dengern emporgefahren, so daß die De­­korationen auf seinem Brad leife Eirrend zusammenschlugen. „Ein so entschiedenes Nein, gnädige Frau, ein un­widerrufliches, wie Sie selbst jagen ?” sprühte er in hellem Zorn hervor. „Darf ich mich nach Ihren mir ganz und gar unerfindlichen Gründen erkundigen ?" „Das Fragen steht Ihnen ebenso frei, als mir das Wntiworten, Herr d. Dengern,” erwiderte die Geheimrätin, ganz, große Dame, mit kühler Schärfe, indem auch sie si erhob, als wolle sie ihrerseits das Ende der Unterredung andeuten. Er sah, daß er zu weit gegangen war, und senkte begütigend ein. „Berzeihen Sie, bitte, meine wohl begreifliche Aufwallung. Ich bin ge­­wiß weit davon entfernt, meine zahlreichen Mängel und Schwächen zu leugnen, begreife auch sehr wohl, daß eine Mutter das Glück ihres Kindes in vorsorg­­lichster Weise zu filtern sucht. Nichtsdestoweniger muß mir die so ü­beraug schroffe Ablehnung meiner Werbung fast als eine direkte Beleidigung erscheinen. Wie ich auch in meinem Leben geirrt und gefehlt haben mag, niemand darf mir das Prädikat eines durchaus ehrenhaften Kavaliers verweigern und meine heiße Liebe zu Hedwig wird das ihre thun, den unsteten Wandervogel in einen seßhaften, ruhigen Bürger umzuwandeln. Daran können Sie nicht zweifeln, und somit bleiben nur noch ganz per­­sönliche Gründe übrig, welche kennen zu lernen, ich als mein Recht betrachte, das ich nicht aus meiner, sondern aus Hedwigs Liebe herleite. Seit sie mir ihr Herz offenbart, bin ich nicht minder als Sie selbst für ihr Lebensgladk verantwortlich, und dieses findet sie nur in Verbindung mit mir. Weshalb, gnädige Frau, widerlegen Sie in diesem Glüd zweier für einander geschaffenen Menschen ?* „Die Thatsache dieses Lebteren bezweifle ich eben,” antwortete die Ge­­heimrätin, sie wieder niederlasfend. „Auch in den bescheidenen reisen, in denen ich gelebt, erwirbt man Menschenk­enntnis, und ich stehe nicht an, offen zu behaupten, daß Sie und meine Pflegetochter nicht im mindesten für ein­­ander geschaffen sind — um Ihre eigene Redewendung zu gebrauchen. Sie ein in der großen Welt gereifter Mann, Hedwig ein in abgeschiedener stiller Einsamkeit kaum zur Jungfrau erblühtes Kind.” „Unsere Liebe wird diese Unterschiede zu überbrüden tifen ,“ fiel Dengern ein. „Ein Kind, wiederhole ich,“ fuhr die alte Dame unbeirrt fort, „das­s weder das Leben kennt noch die Liebe. Seien Sie ehrlich, Herr von Dengern, geben Sie zu, jeder andere nicht ganz unbedeutende Mann würde auf Hedwig genau den nämlichen Eindruck gemacht Haben, wie Sie. Als Kind greift sie nach dem Fremdartigen, Hält sie eine für mich ganz bedeutungslose Schwär­­merei, wie wir sie ja schließlich alle in unseren jungen Jahren empfunden, überwunden und endlich belächelt Haben, wit eine das ganze Leben ausfüllende ernste Leidenschaft.“ „Hedwig’s Charakter ist keineswegs zu solchen Mäpchenthorheiten an­­gelegt,“ widersprach der Kammerherr. „Was sie fühlt, ist wahr und ehrlich empfunden.” „Das bestreite ich ja keineswegs. Jeder Badfish träumt davon, seinem Zanzstunden-P­rimaner einst an den Altar zu folgen. Eine Liebe, die nicht an ihre ewige Dauer glaubt, ist ein Unding. Wie viele Schwüre ewiger Liebe haben Sie schon gemwechselt, Herr von Dengern? — Sie willen ed, man liebt nit einen Mann für das ganze Leben, den man kaum vier Wochen kennt.” „Ich Hoffe, die Zeit wird Sie eines Besseren belehren, di­e Frau.“ „Ich nicht,“ gab die Geheimrätin troden zurück. Auf Dengern’s Stirn stieg eine dunkle Röte empor. Nach der ihm bisher gewordenen Behandlung hatte er auf einen sichern Sieg gerechnet, und nun erfuhr er eine geradezu verlegende A­mweisung. Bech „Ule Ihre falten Bernunftgeände — ich fann sie nicht anders bes zeichnen, obwohl wirklich ernsthafte Niederlegung daran den geringsten Anteil zu haben scheinen — werden uns nicht beirren, unser heißes Gefühl nicht niederdämpfen !” rief er heftig. „Richt ewig steht Hedwig unter Ihrer Botmäßigkeit und mütterlien Gewalt — ad, ich vergaß,“ unterbrach er sich mit einem boshaften Lächeln: „Hedwig ist ja nicht Ihre Tochter. Nun, so giebt er einen Vormund.“ „Heren Techem !“ „Und über ihm ein V­ormundschaftsgericht.“ „Drohungen, Herr von Dengern?" Die Geheimrätin zog die starren Brauen zusammen. „Sie zwingen mich dazu, gnädige Frau. Um der Laune einer sonst hochverehrten Dame willen verzichtet sein Mann auf sein Lebensgradk, Hedwig selbst Hat sich mir zu eigen gegeben, und ich werde mir ihren Bei mit alen Mitteln sichern. Daß mein Name und meine Ehre tadellos, daß ihre Gründe gegen Hedwig’s bestimmte Versicherung ihrer ernsten Neigung nicht stichhaltig sind, müssen Sie selbst ehrlicher Weise eingestehen. Es bleibt mir also nur die Annahme einer mir bisher unbekannten durchaus persönlichen Antipathie übrig.“ „Und wenn sie bestände ?* „So hätte sie sicherlich weit weniger Berechtigung, als Hebi­igd gegen­­teiliges Gefühl, so hätten Sie bisher gegen mich eine Unaufrichtigkeit bewiesen, die ich bei einer Dame kaum herausfegen kann, und würde ich mich genötigt sehen, auch meinerseits die sonst übliche Bedingung ehrlicher Waffen fallen zu lassen.“ „Bitter Planen Sie eine Entführung? Ich verweise Sie dabei auf das Reichsstrafgeseßbuch !" Dengern laute an seinem schwarzen Schnurrbart. Ein böser Blick brach aus seinen tiefliegenden Augen. Es schien, als sammle er Kraft zu einem legten entscheidenden Vorstoß, (Bortlegung folgt.) gnä­

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