Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1899. April (Jahrgang 26, nr. 7689-7713)

1899-04-01 / nr. 7689

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W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. ei 1899 »Politische Briefe. XV. Budapest, 29. März. Die stille Woche! Die Tage vor der Begehung des Osterfestes­­ gelten als Züge der stillen Betrachtung, der Einkehr des Geist­s zur Selbst­­betrachtung und Selbstprüfung, zur Durchforschung des inneren und äußern Lebens im Hinblick auf dessen moraliigen Wert und auf die Pflichterfüllung, die ein jeder von­ und nach seiner Stellung zu leisten hat. Die Selbst­­aufopferung des Welterlösers ist für jeden Christen die rechte Mahnung, für Wahrheit und für Recht, für GSittlichkeit, Geistesfreiheit und Nächstenliebe mit Wort und That einzustehen und die höheren Güter der Menschheit nicht in der Jagd nach irdischen Schäden und im bloßen materiellen Genußleben zu versäumen oder gar zu verleugnen und zu verschmähen. „Sursum corda!“ „Aufwärts die Herzen!“ lautet der Ruf, der von Golgatha die Welt durch­­fliegt und nun bald zwei Jahrtausende Hindurch die Geister und Gemüter auf den Urquell alles Schönen, Wahren und Guten Hinmweist. Die äußerlige Ruhe ist in dieser „stilen Woche” au in die Räume unseres­ Reichstages eingezogen. Die „Bandesväter“ sind nach der Heimat geeilt, um im Schoße ihrer Familie und Angehörigen die heiß ersehnte längere Pause nach den so aufregenden, jüngst abgelaufenen Parlamentsstüm­en ge­­nießen zu künnen. Wahrlich! Eine derartige Periode hat unser Parlamenta­­rismus kaum noch aufzumessen und doch kennt die Geschichte de ungarischen Reichstages gar manche sturmvolle Zeiten. E war ein Kampf, der mit elemen­­tarer Leidenschaft geführt wurde und das seltene Beispiel gab, daß eine numerisch wenig bedeutende, aber moralisch und geistig höher stehende Oppo­­sition im Stande war, eine in langjähriger Herrschaft befindliche, von erfahrenen Parteiführern geleitete und der Bahd nach überaus starre Mearjorität „in der Blüte ihrer Sünden” völlig­ zu Boden zu werfen, so daß sie die Kapitulations­­bedingungen der siegreichen Minorität annehmen mußte. Vom Standpunkte der parlamentarischen Orthodoxie war dieser Triumph der Minderheit unstreitig einem Umsturz, einer Revolution, vergleichbar und die Unglücepropheten haben vielleicht nicht ganz so unrecht, wenn sie aus dieser Umkehrung der normalen Verhältnisse für den weiteren B­erlauf unseres Parlamentarismus nur schlimme Folgen vorauskünden. Allein, es bleibt da vor allem die Thatsache unleugbar, daß dieser Kampf nur das unab­weisliche, richtende Ergebnis der langjährigen Mißzustände war, wie diese unter dem Verwalten eines verderblichen Regierungssystems sich entwickelt und festgefeßt hatten. Der Umsturz dieses Systems war eine That der Befreiung, und um dieses Erfolges willen mag den Sieger auch so manche Ausschweifung, jo mancher Gewaltstreik, so manche leidenschaftliche Uebertreibung weniger strenge angerechnet werden. Hält das neu begonnene System und seine Vertreter dasjenige, was der Chef der neuen Regierung in feierlicher Weise vor dem Lande gejagt hat, dann wird die Beurteilung des am sich Höchst bedauerlichen Obstruktionskampfes noch milder ausfallen, Ungarn darf dann in Wahrheit ein glühverheißendes Auferstehungsfest feiern. Eitle Täuschung wäre es aber, die Früchte dieser Minderung in der Richtung des politischen Lebens, sowie in der Führung der Staatsgeschäfte sofort zu erwarten. Was in Jahrzehnten verdorben und korrumpiert worden, das kann in Wochen und Monaten nicht wieder gut gemacht werden. Die unzähligen Versäumnisse, Unterlefsungen, Mißbränche, Rechtskränzungen und Mißhandlungen, denen das Land und ein großer Teil seiner Bevölkerung unter der Herrschaft eines egoistischen, machtlüsternen und natio­­nalistisch exlusiven P­artei-Regimes ausgejeßt waren, haben so tiefe Wunden geschlagen, welche unter sorgfältiger Behandlung nur nach längerer Zeit verharrchen können, um eine Gesundung des gesamten Staats­ und Bolfslebens zu ermöglichen. Dazu reicht aber auch der beste Wille und die volle Kraft der Regierung und der Gejeßgebung nicht aus; dazu ist die Mitwirkung, die ehrliche, hin­­gebende Mitarbeit aller Faktoren im Staate und in der Gesell­­schaft von­nöten. Das­­Verberbliche der maßlosen Zentralisierungs- und Unifizierungstendenzen in unserer öffentlichen Verwaltung zeigt sich in der wachsenden Abnahme des Selbstbewußtseins, des Selbst­­ständigkeitsgefühls, des Strebens nach Selbstverwaltung in der Gemeinde, in Komitat, in Kirche und Schule, in der Erfüllung unserer gesellschaftlien Pflichten überhaupt. Parallel mit diesem Niedergange geht die zu­­nehmende Neigung, alles vom Staate zu erwarten, allein vom Staate zu fordern, sich ganz und willig den staatlichen Machtfak­oren zur Verfügung zu stellen, um von ihnen auch dort Hilfe und Unterfrügung zu hoffen, wo im gesunden Volfsleben die verantwortliche Selbsthilfe allein am Blote ist. Ungarn wurde ehedem als Heimstätte der bürgerlichen Freiheit und Selbstverwaltung gepriesen, und wir Mecht. Heutzutage hat die Staats­ omnipotenz und damit die Versümmerung und Einschränkung der Frei­­heiten und der Autonomie der Bürger die Oberhand gewonnen. Diese Ent­­wickklung bedeutet unseres Erachtens für das Land eine große Gefahr. Bei der in Aussicht gestellten Reform unserer politischen Verwaltung wird es sich zeigen, ob der früher vorherrschende Sinn der Bürger Ungarns für Freiheit und Selbstverwaltung überhaupt noch vorhanden ist, oder ob der „Heldensinn“, die willenlose Fügung in die allherrschende Staatsgewalt und damit die Er­­tötung aller wahren bürgerlichen Selbständigkeit bereits die volle Geltung er­­rungen hat. E 3 giebt viele, die da meinen, daß die Kraft des Staatswesens in der „frammen Einheit“, in der unterschiedslosen Gleichmacherei, im mechaniscen Schablonentum und im bureaufrat­schen, zentralistischen Ministerialismus be­­ruhe. Wie falsch! Das Kasernentum ist das Gegenteil eines frei pulsierenden, kraftvol fortschreitenden und produzierenden Bürgertums. Das Leben freier Menschen duldet für die Dauer keine niederbeugende, kraftlähmende Bevor­­mundung. Nicht die Einerleiheit, sondern die organische Mannigfaltigkeit und eigenartige Entwickklung entspricht der Natur des Einzelnen wie ganzer Völker. Wer diese Individualisierung zu behindern, zu beeinträchtigen, nieder­­zuhalten versucht, der vergeht sich gegen das Naturgeheg und solche Vergehen rächen sich früher oder später doch mit aller Gewißheit. Wie die Bäume des Waldes verschieden an der Art und Beschaffenheit, jeder für fi das besondere Dasein führt, alle insgesamt aber den mächtigen Fort bilden, so Hat im Staate jedes darin lebende Vort seine gottgegebene Existenzberechtigung und das Recht, sich in seiner Eigenart zu erhalten und zu entwickeln. Die Ge­­samtheit dieser verschiedenartigen Volksindividuen gestaltet dann den Gemein­­bund des Staates, dessen Säulen umso festere Grundlage haben, je freier und friedlicher die an Sprache, Sitte, Religion und Brauch unterschiedenen Bürger im gemeinsamen Vaterlande wohnen und so ihres Lebens erfreuen künnen. Welch böse Tage Hat unserem Lande die Unduldsamkeit und die Ver­folgungssucht gegen Anderssprachige und Andersgläubige gebracht! Wie viel Blut und Thränen, wie viel Sommer und Elend haften nicht an dieser Ver­­leugnung und Berb­ung des Naturgefeges mensl­cher Gleichberechtigung ! Noch stehen wir unter der vollen Einwirkung eines Regiments, das im der Unterdrückung und Verfolgung der nichtmagyarischen Bevölkerung des Landes, in der Entnationalisierung und Amalgamierung vieses überwiegenden Teiles der Staatsbürger seine wesentliche, seine Hauptsächlichste Aufgabe erblidte. Die Schmeichler de Baron Banffy wissen ihrem Heren und Meister kein höheres Lob zu spenden, als daß sie von ihm rühmen, er­ei der „magyarischeste” Ministerpräsident Ungarns gewesen, und er selber bekannte si „mit Stolz“ als magyarischen Ehhaupinisten. Liegt diese schaudervolle Zeit aber wirklich Hinter und? Darf man hoffen und erwarten, daß in Wahrheit und Wirklichkeit eine Periode des Gesebes, des Rechtes und der Gerechtigkeit für die staatsgetreuen Bürger ohne Unterschied der Nationalität und des Glaubens eingetreten sei? Wer besigt den Mut, diese Frage entschieden zu bejahen, wer, sie zu verneinen? Warten wir ab, die nichtmagyarischen Bürger sind an das Dulden und Warten ohnehin gewöhnt und begrüßen schon das geringste Anzeichen mit hoffender Wende. So ist beispielsweise schon die Thatsache, daß gegenwärtig in Buda­­pest eine deutsche Schauspielgesellsschaft drei (!) Vorstellungen geben kann, ohne neuerdings gröblichen Angriffen und Mißhandlungen ausgejegt zu sein, ein Symptom heffen, daß die Brutalität und die Schamlose Rechtsver­­legung nicht mehr ungestört walten darf. An Drohungen und Beilegungen hat es allerdings an diesmal nicht gefehlt; allein diese büblichen Anschläge kamen nicht zur Durchführung. Wir sind jede bescheiden geworden und freuen uns shon darüber, daß vergewaltigende Rohheiten gegen unsere Nationalität in diesem Falle nicht verübt worden sind. Was in jedem gebildeten Lande als selbstverständlich betrachtet und geübt wird, das gilt und bereits als ein leises Anzeichen zum Bessein. Wie weit sind wir aber noch von der wahren, wertthätigen Gottes- und Nackhstenliebe entfernt! Nichtsdesto­­weniger rufen wir angesichts der Erinnerung an das hehre Opfer des Gottes- und Menschensohnes allen zu: „Maete animi!“ „Sursum corda!* Nur den Mut und das Selbstvertrauen nicht verloren! echt frohe Ostertage ! zz politische Mebersicht. Hermannstadt, 31. März. Unter den Mitgliedern der Majorität des serbischen fichem Kongresses besreft die Absicht, nach den Osterfeiertagen dem Minister­­präsidenten Szell im Wege einer Deputation ein Memorandum zu überreichen, in welchem nach Anführung verschiedener Gravamina um die baldige Einbe­­rufung des erwähnten Kongresses gebeten wird. Nach den Beischlüssen der im vorigen Monat in Agram gehaltenen Konferenz der Kongreßdeputierten würde die Majorität auf ihrem Standpunkte beharren, daß nämlich­ nur dem Kongreh das Recht der Bestimmung der Tagesordnung zustehe und dieser nicht verhalten werden könne, das einheitliche organische Kirchenstatut vor allem anderen in Beratung zu ziehen. Die Chancen für die Einberufung des Kirchenkongresses erscheinen überdies durch die mittlerweile erfolgte Ab­­weisung zahlreicher Majestätsgesuche radikaler Kirchengemeinden nicht gebessert, wobei auch­ in Berücksichtigung kommt, daß die Mandate des jenigen Kongresses im Frühjahr 1900 ablaufen. Der deutschradistale Bolfstag, der am Samstag in Wien abgehalten worden, wird von der österreichischen Regierungspresse mit großem Mißbehagen besprochen. Zenilleten. Efifer Holm. Roman aus der nordischen Heide. Von B. Riedel-Ehren. (41. Fortlegung.) Wieder war Esther gezwungen, die Wahrheit der Entgegnung Ame Jens anzuerkennen, wie er in ihrer Brust den t­idersprechenden Gefühlen tobte, sobald sie mit ihm sprach ! Sie hatten unterdessen den Weg erreicht, der dem Strande nahe nach Birkendorf führte; der Nebel war aus den höhern Luftfeichten gewichen, so daß man den Mond in trübem stumpfgelben Lichte am Himmel sah. Ueber dem Meere lag nach wie vor ein trüber Dunst, und von den marsergefüllten Torfgräben und vieredigen Löchern ging ein blasses Blinten aus. Scattenhaft ragten zwischen ihnen einzelne nadte Weidenstämme hervor, und weiter unten sah man die schwarzen Umrisse der Matten aus den Fischerbarfen sich erheben. „Ein ernstes Nahtbild“, sagte Esther unter diesem Eindruck, „Dod wie eine gespensliche Vision durch die Seele zieht, und ein Bild für Karins Einsel! Auch ich Habe solche Landschaften gern, es liegt so viel in ihnen. Solide Dämmerstunden der Natur sind wie das dunkle Sehnen einer einsamen Seele nach dem hellen Glück.“ „Sie Haben dem Gedanken, der mir auf den Lippen schwebte, Ausdruck gegeben“, erwiderte Ume Jens. In Esther wählte eine Trage. Endlich hielt sie es nicht mehr aus und bemerkte äußerlich gleichmütig: „Würden Sie all dann so vollständig bei Ihrer künstlich erworbenen Hafji­hen Ruhe beharren, wenn Sie zufällig noch jenem Wesen begegneten, das, um Ihre Worte zu gebrauchen, vielleicht am Nordpol oder in Afrika ge­boren, zu Ihnen gehört?“ Joh überrascht von dieser Frage, merk­te Uwe Jens eine vorschnelle Antwort geben, besann sich jedoch noch rechtzeitig. „Ich weiß nicht, ob selbst dieses Ereignis Heute noch im Stande wäre, jene Sturmflut des Entzüdens zu erwecken, wie ed einst der Fall gewesen wäre.“ Esther war mit der Antwort unzufrieden, und er ebenfalls, weil sie gegen sein besseres Willen gegeben war, doch geschah er, weil er Esther ge­­genüber nach einem System handeln mußte, wußte er doch genau, daß jedes seine Gefühle verratende Wort ihn weiter von ihr entfernen würde. Und zugleich sollte sie die auf physischen Ursachen begründete Welterlegenheit des Mannesgeistes erkennen lernen. Denn einzig nur dem starrgeistigen, über­­legenen Mann m würde ihre unabhängige, stolze und selbstbewußte Weihnatur sich unterordnen. Sie verfolgte einen Jorweg, auf Ummegen mußte er sie deshalb zu erreichen suchen, mochte auch sein Mannesgefühl sich gegen die Maske sträuben. Mit grenzenloser Nachsicht und Geduld wollte er um Esther Holm werben. Bei ihnen erschien bald das Dorf, stumm und finster. Das Meer lag ruhig, wie im Bann des Nebel, so daß seine Wellenpulte kaum vernehmbar gegen die Böschung schlugen. Eftger blieb stehen. „Biß hierher, Herr Karlsen — dort muß ich einbiegen zu Wilfe Frohn. Gute Nacht!” „Gute Nacht Fräulein Holm! Morgen in aller Frühe reise ich nach Berlin, um Vetter Kurt meine Meinung zu sagen. Vielleicht sehe ich bei der Gelegenheit auch Rose Holm — darf ich einen Gruß von Ihnen be­­reilen ?* „Rein!“ erwiderte Esther gereizt. „Das ist wider Ihre Meberzeugung gesprocen, Sie verleugnen damit ihr eigenes Herz. Nie sah ich eine Frau, die so gradherzig ist wie Sie! Und wer so viel aufopfernde, Hingebende Liebe fremden Kindern beiweist, be­­sigt sie ohne Zweifel in noch höherm Maße für die Schwester :" „Es giebt Dinge, wo nicht mehr schwächliche Verzeifung, sondern ge­­rechte Strenge besser am Plage ist.“ „Mag sein — aber die Strenge darf doch auch das Gewand der Liebe tragen. Nur so wirkt sie, dringt beihämend ob des eigenen Umnmwertes dem Strenden in die Seele und bringt ihn zur Erkenntnis.” Zum dritten Male an diesem Abend stand Esther gedemütigt vor Ame Send. Rannte er sie denn besser, als sie sich selbst? Sie spürte in der That seinen Gral gegen die verblendete Rose — ihr „Nein” war lediglich dem Troß gegen ihn entsprungen. „Grüßen Sie denn meine Schwester, bemerkte sie nach kurzem Sinnen mit finsterer Stirn, „und ich gedächte ihrer mit verzeihender Liebe.“ Ume Send zog die Hand, die sie ihm zum Mittschied reichte, dankend an seine Lippen und ging gleich darauf im die feierliche, menschenlose Nacht hinaus — hoffnungsvol und Heißer noch durchglüht von der Naturge­walt einer Liebe, die das Leben und den Tod besiegt. Either sah ihm nach, bis das Dunkel ihn versch winden ließ; das Blut war ihm in die Wangen gestiegen und die Augen birgten Zunfen. Heute ging er als Sieger von dannen, das erste, aber auch das seste Mal! Er war ihr überlegen gewesen in der Reife des Urteils, in seinen Anschauungen ü­ber Welt und Menschen, und was mehr noch, er, der randere Mann, Hatte si groß und zart im seiner mitleidsvollen Menschenliebe gezeigt — sie konnte von ihm lernen, und das empörte Esther. Sie ging zu der Kleinen Wilde hinein, die ihr erfreut entgegemlachte, Tiebkofte das Kind und sprach tröstend zu der besorgten Mutter von der fortschreitenden Befreiung der Kleinen. Das Hätte ihr Empfinden, und als sie das Häuschen verließ, waren die hoch­­gehenden Wogen der Gefühle einer mohlthuenden Ruhe gewichen. Gedanken« bewegt schlug sie die Richtung nach Sigurdshof wieder ein. Was maolte sie denn eigentlich, wozu das heimliche Nagen über etwas, worüber sie sich selbst nicht ganz im Karen war? Ume Sens Hatte gesagt, er würde Genia nicht aufgegeben haben, mithin war das, was sie in seinem Antlig zu lesen geglaubt, doch nur täuschende Einbildung gewesen: er Hatte für sie weiter nichts als die Neigung der Freundschaft. — Und das war gut, so wollte sie er, redete Esther sich ein. Sie brachte es sogar zu einem erkünstelten Glücksgefühl, den Freund zu besigen; das war Vorkommenheit! Treue Hingebung auf beiden Seiten, festes­­ Zusammenhalten in der Not, Uebereinstimmung des Geschmahs und der Neigungen, nicht ein unlauterer Gedanken, der die harmonische Reinheit der Verhältnisse bedrohte — war das nicht die Verwirklichung des Ideals ihrer stolzen Mädchenträume gewesen ? EN

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