Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1899. Mai (Jahrgang 26, nr. 7714-7737)

1899-05-02 / nr. 7714

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Was die Einzelheiten der im Programm der deutschen Partei auf dem Gebiete des Schulwesens­ vorgesehenen Reformen betrifft, so ist zunäcst im Auge zu behalten, daß es sich dabei keineswegs um rein totale, sondern viel« mehr um prinzipielle Angelegenheiten, um die Grundlagen der deutschen Aus­­landsschulen im allgemeinen handelt. Bei der ungeheueren Kluft, die gerade in diesen Punkten zwischen den Auffassungen der beiden ftreitenden Parteien in Bukarest gähnt, ist wohl die Wahrscheinlichkeit, wenn nicht gar die Mög­­lichkeit einer Verständigung vollständig ausgeschlossen. Die endgiltige Spaltung wird kaum zu vermeiden sein und und die N­eliyädeutschen werden ihr dar­ gelegtes Projekt einer interkonfessionellen deutschen Nationalschule zur Aus­­führung bringen. Der glückliche oder unglückliche Ausgang desselben wird nur ohne maßgebenden Einfluß auf Dußende von Anstalten bleiben, die unter ähnlichen Lebensbedingungen stehen. Um so mehr muß es als geboten erscheinen, jeden Fehlgriff und Abwieg von vornherein zu vermeiden. Soweit sich nun aus der Bukarester Denkschrift ersehen läßt, erblich die deutsche Partei die wesentlichen V­orbedingungen ihrer gedeihlichen Wirksamkeit, abgesehen von der selbstverständlichen „Berücsichtigung der gerechten Ansprüche der Andersgläubigen deutschen Stammes,” in der Einführung einer fachlichen Oberaufsicht und der Anlehnung an eine Oberschulbehörde des Deutschen Reiches, sowie in der Sicherung der Schulverwaltung und des Lehrkörpers gegen wechselnde Partei­­trömungen und andere aus der Gemeinde kommende ungerechtfertigte Beein­­flussungen. Bon prinzipielle Bedeutung sind die beiden ersten Forderungen. „Die deutsche Partei geht von dem Grundtag aus, daß die Verwaltung des entwickelten Schulwesens der evangelischen Gemeinde seit langem die Leistungsfähigkeit des aus Wahlen hervorgehenden Laienvorstandes übersteigt. Die Spannung zwischen des, was dieser Vorstand leisten kann, und dem, was er zu leisten hätte, ist eine derartige, daß nichts besser die Ungeeignetheit dieses Vorstandes beweist, al die Bereitwilligkeit, mit welcher seine Mitglieder die doch die Wahl auf sie fallenden Pflichten übernehmen, ohne daß ihnen auch nur einen Augenblick der Gedanke käme, wie wenig sie für die Erfüllung derartigen Pflichten vorbereitet und vorgebildet sind. &8 beziehen sie diese Bemerkungen nicht nur auf den jenigen, sondern an auf die früheren Dor­­ftände. Guter Wille vermag zwar viel, er vermag aber noch lange nicht, im praktischen Leben stehende Laien, selbst akademisch gebildete, zu erfahrenen Schulfachmännern zu machen, geeignet, nicht nur Lehrpläne zu beurteilen, sondern sogar solche zu entwerfen und zwar unter so schwierigen Verhältnissen, wie es die einer deutschen Schule im Auslande sind, melde von aller­­verschiedensten Ansprücen zu genügen hat.“ Die gleichen Schwierigkeiten bestehen seit Jahrzehnten an anderen Orten des Auslandes und das Bedürfnis nach einer innigeren Anlehnung an eine heimatliche Zentrale ist oft genug betont worden. Nachdem die Denkschrift den Nachweis geliefert Hat, daß angesichts ihres nichtdeutschen Charakters weder ungarische noch österreichische Instanzen in Betracht kommen können, und „eine eigene Schulbehörde des Reiches bis jegt nicht er­ftiert“, kommt sie zu dem Ergebnis, daß eben nur der Anschluß an einen Einzelstaat übrig bleibt. „Und da weist und alles auf Preußen hin, die Varmacht des Deutschen Reiches, dessen Bevölkerung zu zwei Drittel evangelisch ist, und dessen Herrscher seit langem Schuß- und Schirmherr der evangelischen Deutsen im Auslande gewesen, dessen Kultusbehörden schon heute die in der rumänischen Diaspora lebenden Deutschen mit Geistlichen und Schulen versehen.” — Die Frage, unter welchen Formen der Anschluß zu vollziehen sei, läßt die Denkschrift vorläufig ganz offen. Nach unserer Auffassung wäre es besser gewesen, wenn ihre Urheber diese Methode noch weiter ausgedehnt und sich auch bezüglich der deutschen Zentralbehörde auf die Anerkennung des Prinzipes beschränkt hätten ohne den oben angeführten Hinweis auf die preußische Stil­verwaltung. Wir glauben,niemand Unrecht zu thun,wenn wir diese Partie der­­ Denkschrift im Vergleich zu dem gesamten übrige anhalt als weniger ge­­lungen bezeichnen.Die Verfasser scheinen dabei einigermaßen unter dem Banne jener sehr verbreiteten Auffassung gestanden zu haben,daß Preußen auch auf dem Gebiete der Schule die Vormacht im Neid­e sei.Ein Blick in die Schulgeschichte Deutschlands lehrt daß das nie der Fall war und auch heute noch nicht ist.Im Gegenteil,fast sämtliche mittel-und süddeutschen Staaten erfreuen sich weit günstigere­­ Schulverhältnisse,und die Haltung des außerpreußischen Deutschlands bei Gelegenheit des Zedlitz’schen Schulgesetzs Entwurfes hat klar bewiesen,daß man von der Vormacht keine Förderung erwartet,sondern vielmehr Rückfälle befürchtet.Das preußische Schulwesen verdankt den guten Ruf,dessen es noch auswärtig genießt,in erster Linie der Thätigkeit hervorragender Schulmänner,wie Diesterweg,Paulsen,Rein u.a. und den Leistungen größerer Stadtgemeinden,wie Berlin,Frankfurt a.M., Wiesbaden u.a.,nicht aber der Vortrefflichkeit seiner Schulverwaltung. Darum erscheint uns jede andere deutsche Schulbehörde zur Uebernahme des Protektorates über unsere Auslandsschulen geeigneter als das preußische Kultusministerium.Dazu kommt,daß man auch heute noch in weiten Kreisen der nichtpreußischen Bevölkerung eine tief eingewurzelte Abneigung gegen all diejenigen Elemente preußischen Wesens empfindet,die man unter dem Begriff »Pickelhaube«zusammenfaßt­­Mit dieser Erscheinung, gleichviel, ob sie berechtigt oder unberechtigt ist, sollte man gerade im Auslande rechnen Es würde den deutschen Auslandss­­chulen gewiß nicht zum Vorteil gereichen,wenn sie einen ausgesprochen preußischen Charakter annehmen würden,selbst wenn man eine Garantie dafür hätte, daß all die erhofften regenzreichen Wirkungen einer solchen Unterordnung­­ auch eintreten würden,was wir durchaus bezweifelm Nicht von Reglements, Lehrplänen, Berechtigungen und sonstigem bureaufrat­schen Beirieb­ hängt die gedeihliche Entwickelung der deutschen Schulen im Auslande ab,sondern von der Versorgung mit nur erstklassigem Lehrermaterial Gelingt lehrerhsovers lieren alle übrigen Frngen ihre Schwierigkeiten,gelingt sie nicht,so ist alle Aufsicht,alles Regieren werd­en.Diesem Zwecke aber kann nicht die Behörde irgendeines Einzelstaates,sondern nur eine Reichsinstanz entsprechen,schon mit Rücksicht auf die größere Auswahl welche die ganze Lehrerschaft des Reiches im Vergleich zu der eines Einzelstaates bietet. In diesem Sinne ver­­­­fährt seit Jahren die Kolonialabteilung des auswärtigen Amtes,undes ist kein Grund einzusehen warum man in Bukarest preußischer sein sollte als in Berlin.In diesem Sinne schreibt auch die KölmZtg.«..,Um System in die Sache zu bringen,wird sich die Errichtung einer Art von oberen Schulbehörde nicht antgehen lasse.Heute ressortieren die deutschen Schulen vom auswärtigen Amte und das wird auch in Zukunft so zu bleiben haben,nur wäre zu münschen, daß ss die betreffende Stelle mit einigen fachkundigen Beratern­­ umgiebt,die diese Stellung sehr wohl im Nebenamt ausfüllen könnte.Nennung­­werte Kosten würden daraus nicht entsteher da die Herren ja nur ab und zu zu beratenden Konferenzenberner zu werden brauchten,es ist aber außer Zweifel daß das auf solche Weise unterstützte auswärtige Amt eine viel ernstere Grundlage für seine Entschließungen erlangen könnte,als es jetzt besitzt,wo es nur auf die Berichte seiner auswärtigen Vertreter angewiesen ist,die naturgemäß nur ihren eigenen Bezirk im Augehalten-Wir meinen keineUgWßeU Bechtmch dem Muster des Koloniale oder Auswanderungsi­­otes,sondern etwa drei Herren aus dem Schulfach,die gewissermaßen die ständigen Sachverständigen sein sollen und die man später möglichst aus der Zahl derjenigen Lehrer zu entnehmen hätte,die früher selbst im Auglande gewirkt haben.So wie hierdurch eine Zentralstelle in Berlin zu schaffen wäre, so müßten auch genaue Normen für die Schulvertretung an Ort und Stelle aufgestellt werden,und durch die erteilte Unterstützung würde der Staat das­­ ihm übrigens heute schon überall gern gewährte­s Recht erwerben, im dieser­­ Kommission dur s eine örtlichen Vertreter den Vorfig zu führen und deren­­ Zusammenlegung zu regeln.“ Es wäre jedenfalls lebhaft zu bedauern, wenn man an maßgebender Stelle den allzu preußischen Aspirationen der Denkschrift in dieser Frage eine zu weitgehende Beachtung zuteil werden und deshalb in der Errichtung­­ einer Reichs­chulzentrale irgend melchen längeren oder kürzeren Aufschub ein­­­­treten ließe. Daß wir die sonstigen Bestrebungen der deutschen Partei, insbesondere­­ die Beseitigung der, vom nationalen Standpunkte aus betrachtet, geradezu­­ unmürdigen Bevorzugung nichtdeutscher Protestanten vor nichtprotestantischen | Deutschen solwie die emndgiltige Krönung des Gemeindeschulwesens dur all- | nur billigen, sondern wo und wann immer möglich, nach Kräften unsere mähliche Errichtung einer Oberrealschule mit der Einjährigenprüfung nicht fragen werden, versteht sich nach unseren bisherigen Ausführungen von selbst. Sparkassenreform. Aus der Flut der „Reformprojekte“ über die gelegliche Maßregelung der ungarischen Sparkassen heben wir einen Entwurf hervor, der in einer am 29. April 1. 3. in der Direktion der Bent als hypothesenbant ungarischer Sparkassen abgehaltenen Konferenz einiger Spar­­kassendirektoren festgestellt wurde. Die Zentralhypothesenbant ungarischer Spar­­­­kassen steht unter der obersten Leitung des Grafen Stefan Tipa. Den­­ Beratungen der Konferenz lag ein vom Bankth­estor Pojch ausgearbeiteter Entwurf zu Grunde, der mit einigen Abänderungen angenommen wurde. Dem­­gemäß wäre ad Minimum des Aktienkapitals eines Ein­­‚ Ingeinititute ® der Betrag von 100.000 fl. festzustellen. Für die bereits r­egistierenden Institute wird ein voll eingezahltes Minimalkapital von 50.000 fl.­­ gefordert. Im Falle das vorhandene Kapital geringer sein solte, ist dasselbe­­ durch den Reservefond auf diese Summe zu ergänzen. Die Anlage de­s Reservefondes ist obligatorisch. Insolange die Reserve die Höhe des­­ Atiensspitales nicht erreicht hat, ist derselben alljährlich ebenso viel zuzu­­­­führen, ob­ wie als Superdividende bezahlt wird. Der Reservefond ist nie zur­­ Zahlung von Dividenden zu verwenden. Bezüglich­ des Verhältnisses zwischen Einlagen und Ak­ien, sowie Reservekapital wäre auszusprechen, daß wenn die Einlagen das Zwölffache des Institutskapitales übersteigen, der Mehr­­beitrag dieser Einlagen nur in pupillarfigeren Wertpapieren plaziert werden darf. Der Reestompte ist bilanzmäßig aufzumessen und darf nicht das­­ Doppelte des Institutskapitales übersteigen. Die vom Sparkassainstitut­­­easomptierten Wechsel müssen mindestens zwei Unterschriften gut akkreditierter­­ Personen tragen. L­ombardiert dürfen nur an der Börse kotierte Werte werden. Den Effektenbestand können nur faktionsfähige Papiere bilden. Borjgaffe auf Weren können nur bis 75 Prozent des Preises­ bet­eiligt werden. Für den Uebergang ist ein Termin von fünf Jahren vom Tage bed SJnlebentretens des zu schaffenden Geietes zu bestimmen, „208 von Rom.” Sechsundsiebzig deutsch-evangelisce Pfarrer und Presbyterien in Oesterreich haben gegenüber den Verdächtigungen und Ber­­leumdungen, welche „die evangelische Kirche als glaubenslos, unösterreichisch und illopal brandmarken* möchten, folgende Kundgebung veröffentlicht: „is. Wir bekennen auf Grund der Heiligen Schrift, in Uebereinstimmung mit dem Bekenntnisse der Apostel und der Reformatoren und unserer Väter, wie auf Grund unserer eigenen Erfahrung, unseren Glauben an Gott, den Schöpfer und Erhalter der Welt, den Vater unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, des alleinigen Hauptes der Kirche, außer welchem sein Heil ist und außer welchem sein Name den Menschen gegeben ist, darin sie können selig werden. s Und weil unsere teuere evangelische Kirche,geleitet durch den heiligen­­ Geist,solchen Glauben wieder an den Tag gebracht hat und ihn hegt und pflegt zum Segen für uns und unsere Kinder,für unser Volk und unser Vaterland,darum bekennen wir uns zu ihr in inniger Dankbarkeit. 2.Als deutsche evangelische Christen bekennen wir uns offen und in Temer unserem Volke in seinen jetzigen schweren Kämpfen und schmerzlichen ,Erfahrungen,Wir stehen ein für unseres teueren deutschen Volkeö Rechh für deutsche Sitte und deutsche Sprache,für unsere deutsche !­­ i Ä ' ! l ANHANG Estherzocnt Roman aus der nordischen heidm Von B.Riedel-Ahrenö. (61. Fortlegung.) Voi kurzem ist sie einige Tage in Berlin ge­wesen, und zwar zur Gründung des neuen Frauenvereins­, der gegenwärtig erst jechs Mitglieder zählt. Sie hat­ eine zündende Rede gehalten, es ist viel gesprochen, auch manches beschlossen worden. Fräulein Jenny Schumann wird ein begeistertes Buch über die Pflichten der Frau auf dem Gebiete der öffentlichen Humani­­tät herausgeben, drei andere haben die Erziehung verwahrloster Kinder in Angriff genommen. Esther hat gelobt, überall auf dem weiten Felde ihres Wirkens, so gut ed geht, auch die Saat der moralischen Pflichten, der Liebe und Ehrfurcht vor dem Höchssten, für Gott und die Natur in die jungen Seelen zu säen. Höchst befriedigt hat man sich getrennt und die nächte Zus­­ammenkunft nach drei Monaten festgelebt. Und alle haben bereitwillig gelobt, ledig zu bleiben, ihre Kraft und Thätigkeit ausschließlich dem Wohl der leidenden Mitmenschen zu widmen. — To dieser scheinbaren äußerlichen Zufriedenheit ist mit Esther doch eine sichtliche Veränderung vorgegangen, die weder Karin noch dem Vater ver­­borgen blieb, doch Thomas Holm sowohl wie die Schweiter vermeiden «3, daran zu rühren. Esther muß man gehen lassen, sie wird das, was sie werden sol und kann, einzig nur aus sich selbst heraus. Sie ist noch ernster geworden, noch unnahbarer, auf ihrer weißen Stirn liegt ein düsteres Grübeln. Wortkarg ist sie geworden. Die frühere heitere Ruhe ist ver­­schwunden. „Was nur in Esther vorgehen mag“, denkt Karin unablässig, „das muß Ungeheures sein. “ „Sie kämpft den Nierentampf des Weibes mit der Liebe”, dachte ihr Beater. „Mit Ame Zend Karlsen ist sie an den Rechten gekommen, es ist geschaffen, ihre auf Irrtum erbauten Trugschlüsse zu zerstören, diese trogig, dahin.“ — — Die Nachricht von Genias Tod Hatte ale auf Sigurdshof erschüttert, am tiefsten aber Thomas Holm, der seinen Poesien, zu denen ihn Genia be­­geisterte, einen Scheibegruß hinzufügt. Man weiß, daß sie in ihrem „ge­­liebten Meer” Trost und Erlösung gefunden, von ihrer Hand hinterlassene Briefe an Ume Jens und Frau Wolters, die Wirtin des Strandhotels, wurden von dieser gefunden. — — „Ich habe eins gelernt”, sagte Thomas Holm zu Esther, als man ihnen die Trauerfunde gebracht, „es ist, daß alle wahrhaft großen und reinen Seelen wie Frem­dlinge über diese Erde gehen und das Märtyrertum tragen. Auch Genia war es auferlegt, aber sie ging darunter zu Grunde.“ Und Esther meinte: „Wir Frauen sind eben dazu bestimmt, das Leid der Welt auf unsern Schultern zu tragen, und weil es so ist, wurde und auch die moralische Kraft dazu gegeben, man sol sich dessen nur bewußt werden. Die arme Genia war eben noch nicht stark genug, die Schwäche der Liebe zu überwinden, die sie hinabriß in den Tod." — „Und ich Bin der Ansicht“, entgegnete Thomas Holm, „daß Genias Liebe so starr war, um den Tod zu überwinden. Sie wollte einem Leben ohne Liebe entrinnen, weil er für sie sein eben mehr bedeutete.” — — — „Wie seltsam“, dachte Esther, „der Vater Hält Genia, die von der Liebe in den Tod Getriebene, für stärker und weiblicher als mich, die ich den Titanenkampf des Weibes mit dem Manne sümpfe, um alse Siegerin hervor­­zugeben. Selbst dann, wenn ich in diesem Kampf auf Tod und Leben unter­ginge!" — — Ende Mai, der Schluß des Wonnemonats; doch immer noch streicht über die Heide der falte Wind des Nordmeeres. Der Frühling ist vor ihm in den Kieferwald geflüchtet, hier grünt und blüht es, und an tiefliegenden gef­üßten Stellen streben sogar Himmelsschlüsfel und Anemonen ihre duftigen Köpfchen in die Welt. — „Hätte Stefano diese Pracht noch gesehen”, meinte Esther, „würde ihm doch wohl auch eine Ahnung der Poesie und des Raubers eines nordischen Frühlings aufgegangen sein,“­­­­ aufbäumende Seele zu beugen, und ich hoffe, er gelangt endlich da noch Sie selbt, die oft das Gehölz durchschreitet, beachtet er um diese Zeit nur wenig, sie will er nicht mehr sehen; für den Frühling schwärmen ist solch unweichliches Ergehen, er bringt Träumerei und munderliches Sehnen — nur die einfältigen Berliebten thun das, die im Nee des Naufches Ge­­fangenen. Auch heute geht sie wieder sinnend durch den Wald. Der Himmel Hat si vasch bewölkt, durch die Tannenfronen zieht stommweise ein gewaltiges Raus­chen, der beginnende Sturm entfaltet die Riesenfittiche zu mächtigem Blug über Land und Meer. — — Am Wege blühen blaue Glockenblumen, die ihr freundlich zuzunnden scheinen, — ein Vogel singt — von einem verloren stehenden Linden­­ie regnen rötliche Knospenhülen auf sie nieder — überall im Walde oefie. —­as Esther weitergeht, ersteht vor ihrem Geist ein schönes Bild, das sie schon oft geschaut: Nofe und Stefano nach der Trauung in der erleuchteten­­ Kirche. Die junge Schwester, stumm an der Brust des Geliebten ruhend, sieht zu ihm empor, in den glühverklärten Zügen einen Ausdruch so über­ Liebe sie auf einem Menschenantlig zu malen weiß, und Stefano weltver­­gehen nichts empfindend als die glühende und zugleich demütige Hingabe des Mannes an das Weib seiner Wahl. Esther erschauerte, er übermannte sie plöblich ein Gefühl der eigenen Kleinheit und Unzulänglichkeit, als ob all ihr Kämpfen und Ringen nichts wäre als verschwendete Kraft, als ein Scheingefecht gegen die erhaben lächelnde Göttin der ewigen, alles im Weltall besiegenden Liebe, — — Esther steht zögernd fill — es ist ihm so seltsam zu Mute — vers­­öhnungsvoll und vol leifer Sehnsucht nach einem geahnten geheimnisvollen Süd. Warum beleidigte sie Ume Jens bis auf das Blut, was Hatte er ihm anderes zugefügt als sie zu Lieben ? War das feine Schule? Nun hatte der Wahn ihn auf immer vom ihr entfernt, sie hatte gesiegt. Ei Esther Holm war nicht länger im ftande, sich dieses unnatürlichen Sieges zu freuen. — Sie sah nach ihrer Uhr — nicht weit von act | irdisch­seliger Hingebung, so vor zuverfu­licher Hoffnung, wie nur die reinste. ei

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