Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1899. August (Jahrgang 26, nr. 7789-7815)

1899-08-05 / nr. 7793

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Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauf»­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukey, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile foftet beim einmaligen Einladen 7 fr., das zweite mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. 1899 Hermannstadt, Samstag 5. August Der Bureaukratenftaat. —n. Seitdem die Folteraffaire von Mocda mit ihren Greueln das Entgegen der gesamten öffentlichen Meinung in- und außerhalb unseres Bater­­landes erregt und im naivsten Optimisten den Glauben an die gepriesene Humanität unserer „Lebtzeit” einigermaßen erschüttert hat, kommen mit er­­schredender Häufigkeit aus verschiedenen Gegenden des Landes Nachrichten über Vorfälle, die im Wesen mit denen aus dem Komorner Komitat verwandt sind. Zum Süd kommt Gi8 noch feiner an Scheußlichkeit jenen in die Nähe; au mag die hochsommerlich erregte Reporterphantasie an manchen Schauer­­erzählungen einen ungebührlich großen Anteil haben, wie das bekanntlich bei dem Bericht über die angeblich von einem sächsischen Notar verübte Mißhandlung seines Schreibers der Fall gewesen ist. Immerhin genügt an die bisher bekannt gewordene Zahl von derartigen Fällen, um den Schluß nahezulegen, daß eine noch viel größere Anzahl derselben vieleicht nur noch der Aufhelung har­t. Denkt man an die vagen Gerüchte, die einem schon in früherer Zeit gelegentlich über grobe Mithandlungen von Arretierten und Eskortierten durch Gendarmen oder selbst auf einer höheren Rangstufe stehende Organe der öffentlichen Sicherheit zu Ohren gekommen sind, so drängt sich die Vermutung auf, als ob es eben eine ziemlich weit verbreitete Aufchauung sei. Wrreftanten oder solche, die es zu werden im Begriffe sind, dürften als geeignetes Material zur Befriedigung roher Grausamteitegelüste verwendet werden. Wir wollen uns nicht von derartigen Erscheinungen die Gesichtspunkte zu unserer Betrachtung geben lassen. Wohl aber glauben wir den Sach auf­­stellen zu­­ können, daß die vorkommenden Mißhandlungen, ob sie nun einfach aus brutaler Freude an den Schmerzen Wehrloser oder aus Rache für ver­­ursachte Unbequemlichkeiten oder gar aus einem scheußlich entarteten inquisitorischen Trieb entspringen, da nur nichts anderes sind, als besonders fraß auftretende extreme Spezialfälle eines in unserm Vaterland allgemein herrschenden Uebel­­standes. Wir meinen damit die überaus große Selbstherrlichkeit und Willkür, die in der Hypertrophisch entwicklten Beamtenhierarchie Ungarns so ziemlich auf allen, besonders aber auf den untern, mit den niedrigern Voltsigilten in steter Berührung stehenden Stufen zu finden ist. Die Beamten sind — mit zahlreichen Ausnahmen, zu denen wir mit Genugshuung die Sacsen unter ihnen zählen können — bei uns zu Lande zweifellos viel zu große Herren, sind es in einem Maße, welches zu ihrer Stellung und Bedeutung im Staatsleben in seinem richtigen Verhältnis steht. € 3 ist einleuchtend, daß nach unten Hin dieses Bedürfnis, den Heren zu spielen, zunimmt. Man könnte nach Analogie eines physikalischen Gefeges sagen: je größer die auf dem einzelnen lastende „Säule“ von Vorgeseßten ist, um so größer ist der Druck, den er nach unten hin ausübt, „Nach oben ducken, nach unten drucken” lautet die vollstümliche Einkleidung derselben Wahrheit. Ebenso einleuchtend ist es, daß die erwähnte Selbstherrlichkeit und Willkür immer unliebsamere, abstoßendere, inhum­anere Formen annimmt, auf einer je tieferen Stufe des Ranges und zugleich der Bildung ihr Träger fleht. Ein Erklärungsversuch für eine solche unerfreuliche Erscheinung wird jedenfalls verschiedene Gründe und Auge rafsen müssen. Zum Teil mag das Herrentum bei der Mehrzahl der Beamten eine im Blute ihrer Rasse liegende Eigenschaft sein; zum Teil trägt die scheue Unterwürfigkeit, welche die weiteren Schichten der Bevölk­erung zufolge ihres tiefen Bildungsniveaus und ihrer Unbeholfenheit dem Beamten entgegenbringen, das ihrige dazu bei, um im legteren das Bewußtsein seiner Gottähnlichkeit und Uebermaß zu steigern; zum Teil liegt es an dem Mangel an ausreichender Kontrolle der untern Organe, der, wie wir zu zeigen versuchen werden, auch seine guten Gründe hat; eine ganz allgemeine Ursache liegt jedenfall in der unz­weifelhaften That­­race, daß Ungarn leider noch lange nicht über ein derart nicht nur technisch geschultes, sondern auch vom strengsten, kategorischesten Pflichtgefühl durch­­drungenes Beamtenkorps verfügt, wie wir e8 3. 8. in Preußen finden, welches nach dieser Richtung Hin eine schon mehr als anderthalbhundertjährige Tra­­dition besißt. Die solchen Antworten ist freilich noch nicht viel erklärt und es würden sie daraus nur noch weitere Fragen ergeben. Ohne da wir ung einbilden, diese auch nur einigermaßen erschöpfend beantworten zu können, möchten wir doch auf zwei Punkte Hinweisen, die zum mindesten viel erklären. Der eine ist die enorme und sich immer mehr steigernde Zahl der Beamten­posten in Ungarn und der andere der dadurch mitveranlaßte übe­r­­große Zudrang zu Stellen und Vemtern. Die Behauptung, daß das Beamtenheer in unserem Staate in stetigem Unmwachsen ist und bereits eine außerordentlich hohe Präsenzziffer erreicht hat, dürfte wohl nicht bestritten werden. Die Bureaufratisierung Ungarns schreitet mit großen Schritten fort, weil die Zentralisierung in allen Eiweigen der Staatsverwaltung fortschreitet. Die Zentralisierung ihrerseits ist ein Ausfluß der Parteiherrschaft, wie sie das parlamentarische Verfassungg­­system mit sich bringt. Ver einigen Jahren ist dies in einem vortrefflichen Auflag der „Preußischen Jahrbücher” überzeugend nachgewiesen worden. Siebe Partei, die am Ruder ist, sucht ihre Position dadurch zu befestigen, daß sie eine mit maschinenmäßiger Genauigkeit und Willenlosigkeit arbeitende Ver­­waltung schafft, die vom Mittelpunkt aus durch den Parteichef mit leichtem Fingerbruch regiert wird und ihrerseits jeden anderen Willen im Lande nieder­­hält. Für unser Vaterland Ungarn mit seinem von Koloman Tika etablierten „liberalen“ Barteiregiment ist die Richtigkeit dieser Anschauung von größter Evidenz. Chbenso Kar ist es, daß eine weitgehende Zentralisierung ohne eine Unmasse von Beamten nicht durchgeführt werden kan, Se mehr das Self­­gouvernement eingeschränkt ist, je weniger Angelegenheiten von einer Behörde im eigenen Wirkungskreis behandelt und auch endgültig erledigt werden können, um jo mehr muß von unten her appelliert und referiert, von oben kontrolliert und revidiert werden, und um den Ozean von Akten, die daraus entstehen, zu bewältigen, bedarf es einer großen Menge von Menschenkräften. Aber je mehr Menschen, desto mehr Fehler und Mifbräuche, desto sch­werer die Kontrolle derselben. Un ber regteren muß er notwendig fehlen und fehlt es auch wirklich. Wer­ kann es dem im Altenwoft fast erfü­denden Beamten verdenken, wenn er sich an das schöne Bureaukratensprücgelein hält: „Was nit in den Aiten ist, das ist nicht in der Welt“ und demgemäß nach den­­jenigen Handlungen seiner Untergebenen zu fragen unterläßt, über welche diese selbst sein Protofol aufnehmen ? Eine straffere Anspannung der gentralistischen Zügel wird nach Seiten der Kontrolle schwerlich Erfolge haben. Wohl aber können wir uns eine Besseiung nach bieser Richtung Hin­denken, wenn infolge einer auf Dezentrali­­sation und Stärkung der Selbstverwaltung gehenden Auffassung eine Min­­derung der hohen Zahl von Beamtenstellen einträte. E 3 giebt also, wie gesagt, zahllose Aemter und Wemtlein in unserem Staat, und die naturgemäße Folge ist es, daß die Nachfrage nach ihnen sehr groß ist und ein wahrer Strom von Menschen sich nach ihnen hindrängt. Die bedenkliche Erscheinung, die man zum Beispiel in Frankreich schon seit Jahrzehnten wahrnimmt, tritt auch bei uns immer mehr hervor. Wir meinen die Vetterjagd. 3 ist in der That eine bedenkliche Erscheinung, wenn der Familienvater, wie das immer häufiger vorkommt, sein ganzes Streben darauf richtet, den Sohn womöglich auf einem Beamtenposten unterzubringen. Die Aussicht, daß derselbe, ohne sich sonderliche Vorbildung erwerben und ohne ü­bergroße Anforderungen an seine Fähigkeiten stellen zu müssen, irgend» wie als subalterner Staatsangestellter sein Leben notdürftig fristen kann, unterbindet im Vater wie im Sohn das edle Streben, aus eigener Kraft etwas zu merden, auf eigene Füße sich zu stellen und sich selbst eine breite Existenzbasis zu schaffen. Der Niedergang der französischen Industrie und damit des Rolfswohlstandes ist ganz sicher dadurch mitbedingt, daß zu viele gute Kräfte in Staatsanstellungen versümmern. Soll es in Ungarn auch so werden, beziehungsweise wie für das große volfswirtschaftliche deal, das in der nächsten Zukunft jedem einsichtigen Staatsbürger vor Augen schmebzen muß, die Schaffung einer selbständigen Industrie, wie fol­g8 erreicht werden, wenn ed an Kräften dazu auf allen Stufen fehlt, weil deren Befiger es ver­­ziehen, den bequemeren Weg zur Staatefrippe zu suchen ? Aus solchen Elementen ohne Selbständigkeits- und Unabhängigkeits­­drang, ohne den Wunsch, für das eigene Geschich selbst verantwortlich zu sein, besteht die große Masse unserer kleinern Beamten. Es ist begreiflich, daß ihnen meist zweierlei Eigenschaften abgehen, ohne welche eine gute Beamten­­haft nicht denkbar ist: Bildung und Liebe zu ihrem Beruf. Hätten sie Bildung, so hätten sie ein höheres Streben, als auf den paar untersten Stufen des Beamtentums ihr Leben zuzubringen. Liebe künnen sie zu einem Beruf nicht haben, der eigentlich kein Beruf ist, sondern nur ein, obendrein in der Regel Höchst dürftiges Brot. Bei solchen Leuten ist nun — so miber­ spruchsvoll­er­dingt — der rechte Boden, auf dem sich die eingangs er­­mahnten Fehler der Willtür und Selbstherrlichkeit nach unten hin, d. h. dem Bolfe gegenüber, üppig entmwickeln. Je weniger das Amt innere Befriedigung und äußeres Auskommen gewährt, desto größer ist die Neigung, sich schadlos zu halten, indem man anderen Leuten, die die Windigkeit ihrer Beamten­­herrlichkeit nicht zu duchbilden vermögen, in mehr oder weniger Humaner Weise zu imponieren sucht. Je geringer die Selbständigkeit und Unabhängigkeit nach oben, desto lebhafter der Wunsch, die wir schon eingangs gesagt haben, nach unten den Machthaber zu spielen. Unser Staat wird mehr und mehr ein Buchaufratenstaat mit all den großen Mängeln und Gebrechen eines solchen. Wir nichtmagyarischen Staats­­bürger haben die aus mehlbekannten speziellen Gründen schon seit sehr lange gefühlt. Sehr sceint es, als käme man auch in den Breisen der führenden Nation mehr und mehr zu dieser höchst unangenehmen Erkenntnis. Wenn an einem Leibe irgendwo ein gefährliches Gesirmwür aufbricht — die Mocdaer Angelegenheit ist wohl als solches anzusehen­­, so erkennt man, daß die Blutmischung des betreffenden Organismus nicht ganz gesund ist, während man bisher kleinere Uebel aus gleicher Ursache kaum bemerkt, gesch­weige beachtet hatte. Vielleicht ergiebt sich in unserem Fall aus der richtigen Diagnose auch die richtige Methode der Heilung. Die Entwickklung der Industrie in Ungarn, Trob des steigenden Wurmwandes für Emwede der Industrieförderung entwicelt ei, wie ein Wiener­ Blatt, nachzuweisen sucht, die Gründungsthätigkeit in Ungarn seineswegs regelmäßig und fortschreitend; «8 scheint fast eher eine rücläufige Bewegung bemerkbar zu sein; es entstanden nämlich in Ungarn: Die Ziffern pro 1898 scheinen zwar auf den ersten Bli eine neuer­­liche Steigerung der Gründungsthätigkeit in Ungarn zu bedeuten, was aber keineswegs der Fall ist.­ Die Neugründungen in Ungarn, die mit den obigen Ziffern ausgewiesen werden, enthalten nämlich auch die Umwandlungen be­­stehender Betriebe in Aktiengesellschaften, die im legten Jahre wohl die größere Hälfte der Neugründungen in Ungarn umfaßte, auf Bergbau-Unternehmen entfielen allein 8.580.000 fl. Kapital, da bleibt also für faktische Neu­­errichtungen von industriellen Etablissements nicht viel, und es ist aus den Biffern sofort ersichtlich, daß die Gründungsthätigkeit seit 1895, einem egeptionellen Jahr, von Jahr zu Jahr in Ungarn zurückgegangen ist. Dieses Ergebnis ist umso bemerkenswerter, als der Kredit, den die ungarische Re Industrie­ mit einem Unternehmungen Gesamtkapital von 1893 52 17,931.800 fl, 1894 47 17,066.000 „ 1895 67 28,879.000 “ 1896 31 11,025.904 „ 1897 3­8,356.900 „ 1898 42 15,218.980 „ Feuilleton. Baronin Fift. Roman von Mary Mich. (43. Fortlegung.) Nun war es nichts mit dem Schreifen, solange der Franke Junge mit zerschmettertem Schädel im Hause lag. Er konnte gerettet werden, meinte der Doktor — das Fürchterlichste blieb Fift also m wenigstens erspart. Aber schredlich genug war es troßdem noch! Fifi erblaßte noch in der Raderinnerung an die Szene, die sie durchlebt. Wie die Leute mit einem Schredensruf herbeistürzten, wie sie den Wagen umringten, sich an das mild um si schlagende Pferd hängten und dazwischen laut schrieen und fragten, so daß feiner den andern verstand. Sie glaubte, alle diese Leute seien wahnsinnig geworden, bis man den Heinen, blutüberströmten Heinrich in den Wagen hob. Glücklicherweise kam Herr Hilbert dazu. Und jegt lag der arme Junge drüben in Lorenz’ Zimmer, wo sie hatte ein Bett aufschlagen lassen, troß des Einspruchs der Frau Holbach), die es gar nicht darüber beruhigen konnte, was wohl der Herr Bendler dazu sagen­­ würde, wenn er heimsäme, Der kam ja nicht heim, der Herr Bendler! Deshalb kam nun auch alles an die Hausfrau. Bis jegt war alles seinen ruhigen Gang gegangen; die Köchin hatte noch ihre Wochengeld, Hannchen besorgte wie sonst ihre Geschäfte, Herr Wegner verfahle moch immer lautlos den Laden. Der Herr des Hauses wurde wo nicht vermißt, und Fifi lebte diese Tage dahin mie immer, fi um nichts tümmernd ald um ihre persönlichen Bedürfnisse. Set, wo der Heinerle da lag, — und Fifi hatte darauf bestanden, daß er in ihrem Hause bleibe — ganz still, mit einem großen Loch im Kopf, änderte sich das gänzlich. An wen sollten sie sich wenden, wenn nicht an die Braun, da auch die Baronin von dem Schred wie gelähmt in ihr Bett gebracht werden mußte. Da am zuerst der Doktor, und bei allem, was gebraucht wurde, wandte er si an sie und teilte ihr alle Berhaltungsmaßregeln mit, als wäre es selbst ü­­­berständlich, daß sie Aufsicht über die Pflege führte. Es gab so viel Hin und herzugehen und zu thun, daß Fifi den weißen Llanellischlafrad mit der langen Schleppe, den sie übergeworfen hatte, schleunigst wieder auszog und mit einem einfachen Hauskleid vertauschte. Und an den ganzen Nachmittag wurde seine Ruhe, Trepp auf, Trepp ab Tiefen Leute, nach der Apothese, oder um Eis zu holen oder um auch Er­­fundigungen einzuziehen. Gleich nach dem Unglücksfall kam auch Frau Hilbert, 309 fi aber bald wieder zurück, als sie sah, wie energisch Fift die Sache selbst in die Hand nahm. Sie schidte nur durch Fräulein Betty einen Eig­­beutel herüber, für den Fift so Herzlich dankte, daß sie Bettys empörtes Herz mit einem Schlage gewann. Heinerles Mutter war natürlich sofort benachrichtigt worden und kam vor Entgegen angestürmt. Sie wollte da8 Heinerle glei mitnehmen und s bien die Absicht zu haben, ihn in einen Hipfel ihres Shawls zu paden, wovon sie der Doktor nur schwer abhalten konnte. Sie stand die erste Beit mit zusammengefriffenen Lippen am Bett ihres Jüngsten und vermied es, Fift anzusehen; es wären seine freundlichen Blide gewesen, das mußte sie vorher. Allmählich aber, als sie hörte, daß seine wirkliche Gefahr vorhanden war, als sie sah, wie liebevol und energisch sich die junge Dame um ihr Heinerle bemühte, wie erschredt und traurig sie aussah, schmolz ihr Herz. Sie nahm den fechdedigen Shaw­ und die schwarze Storhaube ab und legte einen langen Strichtrumpf in Bereitschaft, als Zeichen, daß sie nun wieder sie selbst war und alle stürmischen Gefühle aus ihrem Rusen ver­­bannt habe. Am Abend, als sie mit Fifi allein im Zimmer saß und diese sich folgend über den Heinen Sranken beugte, nidte sie ihr wohlnwollend zu. „Sie sind gar net so Schlimm!“ meinte sie treuherzig. „Was doch die Leut alleweil reda !” „Was reden sie denn?“ fragte Fifi errötend: „Ah was, ’3 ilch ja Geihwäh! 3 seh’s doch jebt, daß ’3 net wahr ich. Sie thätet mit Teim a Wort veda, der net vom Adel wär’. So a Unsinn !* Daran, daß sie selbst e3 gewesen, die dieses Gerücht nach Heinerles kind­­lichen Schilderungen verbreitet, hatte Fran Holbach total vergessen. „So a Unsinn!“ fuhr sie fort, als Fifi nichts erwiderte: „Wo doch der Herr Bendler selber a Bürgerlicher isch! Aber das ich au a tüchtiger Mal Mit nig hat er a’g’fanga, und wie hat er sich rauf g’arbeit­! Bis zu so einer vornehmen Frau und zu Pferd und Wagen! Hol’3 der Rudud !” Frau Holbadh meinte mit diesem Auseuf natürlich das Pferd, das ihren Heinerle abge­worfen hatte. Lift betrachtete den schlafenden Heinerle noch immer aufmerksam, ohne zu antworten. Wu Frau Holbadh schwieg einige Minuten, da sie an ihrem Strumpf bei dem Britischen Punkt der Ferse angelangt war und Marchen ab­­zählen mußte. Aber das Gespräch nicht fortzufegen und stumm dazufiten, als könnte sie das „Maul net aufmachn”, wäre ihr unartig vorgekommen. So be­­gann sie wieder: „3a, ja, der Herr Bendler! A Prachmensch! Fett giebt er dem Heinerle wöchentlich zwei Groscha, damit er net firicht im G'sschäft. Und a Eh’mann muß das jeil Rei andre afchaua und menn’s d’ Venus selber wär’! So ein fann ma fuha. Aber er Hat früher all nie Liebschafta g’Habt, ma Hat nie was g’hört, obwohl j’n alle gerne g’wollt hätt'n. U mal hat ma schon g'­­meint, die Zangfchte vom Hotel Bavaria Br sagt ihn; aber es war an nig !“ „Hat er sich um sie beworben ?” fragte Fift und empfand einen leisen Stich im Herzen, als Frau Holbach harmlos antwortete: „Sa, i glaub’, a Zeitlang! Es isch ja a schönes Mädle, aber an die Gnädige kann sie net ran weichn !* Die Nachtwache beim Heinerle übernahm seldverständlich Frau Holbady. Trogdem aber schlief auch Fifi nigt. Mitten in der Nacht kam sie in das Krankenzimmer und feste fi in den Lehnstuhl am Schreibtisch, wo sonst ihr Gatte so oft gefessen. — Die kleine Lampe,mit einem dunkelgrünen Schirm verhängt,breitete ein dämmerhaftes,träumerisches Licht über die nächste Umgebung,während der Kranke fast im Dunkel lag.Frau Holbach hatte sich,da Heinerle in einen fieberhaften Schlaf gefallen war, auf den Divan gelegt und mar ein wenig eingenicht. Wie ein Schatten glitt Zifi herein, und nun saß sie da und schaute sich in dem mohlbelannten Zimmer um, als fühe sie es zum ersten Male. Sein Zimmer! Da stand noch der Aschbecher auf dem Schreibtisch mit einer Bigarrenfolge daneben. Noch vor wenigen Tagen hatte er daraus geraucht. Sie nahm sie in die Hand. Weichselholz ! Einen Wagenblick brüdte sie die Soige leicht zwischen ihre Lippen, ehe sie sie wieder auf ihren Blau legte und

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