Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1921. September (Jahrgang 48, nr. 14505-14526)

1921-09-01 / nr. 14505

A Ar. 14505 e \ Hermannftadt, Donnerstag 1 Ecrkheee 1921 > Gi gröhesee eu 48. Rabraang Das Burgenland. (9. 8.) Seit vorgestern befindet sich der von der Entente der Republik Oesterreich zuge­wiesene Teil des deut­­schen Westungarn nicht mehr umter ungarischer Oberho­­heit... Am 29. August haben die magyarischer Truppen und Aemter, gemäß den­ Weisungen der Ententeforma­t­­ion das Burgenland verlassen und sind, von österreichi­­schen Gendarmen und Beamten abgelöst worden. Berichte, die auf­­ ihre Richtigkeit hin zu prüfen, man nit in der Lage ist, willen von Widerstand zu­­ sprechen, den­ die Bevölkerung einiger Orte gegen die österreichischen Gen­­darmen erhoben haben soll. Bei der maßlosen Verhegung, die sich die magyarischen nationalen Kreise haben zuschul­­den kommen lassen, wäre das schließlich nicht verwundel­­ih. Stellte man doch den Beiwohnern des Burgenlandes die Desterreicher als Bolschewiken vom Schlage der Kun und Szamuely dar, wodurch man zumal den Bauern einen­­ heillosen Schrecen einjagte: Nun , sie werden wohl in kürzester Zeit eines Besseren belehrt werden. Mit der erfolgten Uebergabe des Burgenlandes ist ‚diese gan­ze Angelegenheit aber" noch lange nicht erledigt. Den Magyaren, die durch den Krieg, zu dem ihre Po­­litik sehr stark beigetragen und der auch zum Teil doch ihre Schuld ein so schredliches Ende genommen hat, die Hälfte ihres früheren Neid­es verloren Haben, ist es schier unerträglich, daß man ein neues und ziemlich wertvolles Stil Land an Desterreich fallen soll. Dies Gefühl ist zumal in Anbetracht beffen, das heute die strengste natio­­ara in den Daher ae ı_ bieles a­n der Repietoe Hak, der sich gegen Desterreich ner E3 ist ja befannt, daß Ungarn bald nach der Ban des Friedenvertrages an die Österreich­­» Re­­gierung mit Vorschlägen herantrat, die die Erhal­­tung des Burgenlandes um den Preis großer wirtschaft­­licher Begünstigungen bezi­eh­en, die Oesterreich eingeräumt werden­ sollten. Obwohl gerade die Aussicht auf wirt­schaftliche Unterstüsung den in größter Notlage sich be­­findenden Oesterreichern verlabend erscheinen mochte, ließ man ji in Wien auf solche Verhandlungen, nicht ein, sondern erklärte bloß seine Bereitwilligkeit, über Grenz­­berichtigungen zu verhandeln. Die ungarische Regierung sah in den hierauf beginnenden Verhandlungen eine Mög­­lichkeit, durch Schlauheit, Versprechungen und hauptsächlich durch vieles Reden den Partner herum zu fliegen.­ Die Bemühungen ihrer Vertreter blieben jedoch erfolglos, da Desterreich seine deutschen Brüder seines leiblichen Wohles wegen nicht verkaufte. Als die Magyaren schließlich merkten, daß Westerreich von dem ihm durch die Entente verschafften Rechte nicht zurückreten wolle, änderten sie ur­röglich ihren bis dahin gemäßigten­ Ton und gingen zu Drohungen und Bes­chimpfungen über. Für diese neue Tonart warein be­­zeichnender Weise Minister und Abgeordnete beispielgebend. So erfähnte sich selbst der Verräter Graf Andrasiy Oesterreichs Vorgehen die größte Treulosigkeit der Geschichte zu heißen. Der ganzen Hebe, die dan­­ weiter von den Horthyoffizieren zumal im Burgenlande, wo schon lange vorher die Verfechter des Deutschtums eingefordert worden mwaren, getrieben wurde, ist Far zu entnehmen, wie die heute in Ungarn maßgebenden Kreise nach so unglüc­­k­lichen Erfahrungen nichts gelernt und nichts vergessen haben. Ru­gdum von Feinden umgeben, twissen sie nichts an­deres zu tun, als den einzigen ihnen ungefährlichen Nach­­bar, den Leidensgenossen aus dem Kriege, sich ebenfalls zum Feinde zu machen. Droht doch die ungarische­­ Re­­gierung, von den Komitaten und politischen Körperschafter aufgefordert, sei auch mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, und Abgeordnete machen der Regierung For­­mwürfe, weil sie versäumt habe, einen bewaffneten Wider­­stand unter der Bevölkerung des Burgenlandes zu orga­­nisieren. Man ist aber au schon zu Taten geschritten und hat die Grenze gegen Oesterreich in der Weise ge­sperrt, daß sein ungarisches Getreide, sein Gemüse und Vieh sie mehr passieren kann. Und all dies läßt es als unvermeidlich erschein­en, daß es zwischen Desterreich und Ungarn in der nächssten Zeit ein sehr gespanntes V­er­­hältnis geben wird und Neibereien auf der Tagesord­­nung sein werden. Sind doc die Magyaren­ entschlossen, den Oesterreichern die Freude über den Resitz des Burgen­­landes mit allen Mitteln zu verderben. Diese wenig erfreuliche Aussicht scheint der Anlaß zu einem Schritte zu sein, den die österreichische Negierung auf Weisung des Ausk­hnfses­ für auswärtige Angelegen­­heiten als fette Antiport auf ungarische Vorschläge 1m»­ternommen hat. Danach ist den Magyaren zugestanden worden, daß nach erfolgter Beu­gnahme des Burgenlandes über die Grenzberichtigungen (Ungarn will u. a. die Stadt Debenburg unbedingt behalten) auf Grund einer Abstim­­mung erfolgen soll, aber nur unter der Bedingung, daß Ungarn die Uebergabe anstandslos durchführt und Ziv­­­ld­enfällen, die durch unverantwortliche Elemente herbei­­geführt werden könnten, vorbeugt.­ Dies’ ist rein Entgegen­­kommen, zu dem wahrlich nur Oesterreich fähig ist, das so machtlos ist, daß es sich vor Schwierigkeiten, die ihm bei der Besignahme und auch nachher bereitet erden önnten, "über die Mafen fürchtet. Ebenso fürchtet er den Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen durch Ungarn, der seiner öffentlichen Ernährung neue Hindernisse‘ Maden Weg stellen würde. Ob diese Beweggründe genügend ge­­wichtig sind, um gegebenen Falles das neuerliche Preis­­geben deutscher Stammesgenossen zu rechtfertigen, scheint uns sehr fraglich. Denn der Wille der Bevölkerung Fanır verfälscht fein dadurch­, daßs die Leute von der Magyarisie­­rungspolitik um ihr natürliches Urteil gebracht worden sind. Oesterreich hat aber nicht nur die Aufgabe, die gut deutsch gebliebenen wieder in si aufzunehmen, sondern auch die dem Deutschtum doch eine Hug berechnete Politik geistig geraubten Stammesgenossen dem Mutterwolfe wieder zuzuführen. Daß ed den Magyaren übrigens nicht darum zu tun ist, daß sie ihre magyarischen Stammesgenossen bei sie­ behalten,­­ geht sehr deutlich daraus hervor, daß sie einen Borjeglag Oesterreichs, deutsche Gemeinden ‚der Rieselburger rn nn überwiegend, mag in guiaub­en, undiveg ds a des ebzufteten N . ..«­.­­. 2 u­­­­nd bleibt mun abzukda 1, ol mit, seinem Entgegenkommen den angestreb­t reicht. Wir mechen es umso mehr bezweifeln,­­ der Be­­wohner des Burgenlandes, der mag, ich is­t oder dent, ion fest eine lebhafte Beiwegung einleitet, die, unter dem Schlagworte: „Das Burgenland bein­ Bu nländern”, weitestgehende Autonomie und durchwegs eigene Verwal­­tung fordert. Von österreichischen Beamten wollen Diese, Leute, die in allen Orten Anhänger für ihre Partei, die si Westungarischer Verband nennt, au; für die­ Zeit des Ueberganges nichts­ willen. Wenn man nun auch­ an­­nehmen darf, daß die deutsch gesinnten Kreise, die ja die große Mehrheit bilden, diesen magyarischen Bestrebungen ein starres Gegengewicht bieten werden, so ist Doch voraus­­zusehen, daß sich für die Desterreicher noch manche Schwie­­rigkeit auch im Burgenlande selbst ergeben wird. Wir hoffen jedoch, daß die maßgebenden Kreise der Deutschen Desterreichs sich dessen bewußt sind, daß sie die Erhaltung, und Förderung des Burgenlandes dem gesamten Deutsch­­tum gegenüber zu verantworten haben, und daher bestrebt sein werden, ihre wichtige Aufgabe allen Schwierigkeiten und Drohungen zum Trug zu erfüllen. Mögen die Ma­­gyaren auch noch so sehr mit dem Säbel rasseln, und nach, Vergeltung schreien, wohl oder übel werden sie sich schließlich in da Unvermeidliche ebenso finden müssen, wie sie sich schwereren a, gebeugt haben. x Die Mühlbacher Riemenfeilder. Buka­­rest, 30. August. Die Stavt Mühlbach Hat sich beim Unterstaatssekretariat für die NRMER Minderheiten wegen Romanisierung der Taufnamen auf den a ehe b­ihwert, dazselbe verfügte Ende ali, daß e8 5 unterbleiben habe. Die Hermannstädter Profektur hat jedoch neuerdings die Romanisierung ange­ordnet. Der Rat hat dem Minister Bopopici- Tasca =­ungen gemacht. Es ist zu erwarten, daß der ersten Berfügung Geltung verschafft wird. Italiens Außenpolitik. —1. Rom, 19 Augus. Kaum sind Bonomi und Toretta von ihrer historischen Bariser Reise nach Rom zurücgekührt, da jegen im der Breffe — und natürlich nicht minder in den politischen Eafees — die mehr oder minder erregten Diskussionen über die Bedeutung und Richtigkeit der italienischen Politik auf der Konferenz des Obersten Rates und über die wahren Gründe der­ Neuorientierung nach­ England Hin­­ein. Denn allgemein ist man mit der Haltung und den Erfolgen der­ italienischen Delegierten durchaus zufrieden. In einer sofort nach ihrer Ankunft einberufenen Pressekonferenz haben­­ die Minister persönlich mit aller Ausführlichkeit ihre Erleb­­nisse, Beobachtungen, sowie ihre eigene Initiative bei der Berweisung der oberschlesischen Problems an den Wölfer­­bund erläutert. Bonomii betonte dabei, in charakteristischen Säten, daß schon die ersten Unterredungen die Unüber­­brückarkeit des englisch-französischen Gegenjabes Flar Her­­vortreten ließen und deshalb habe er es sehr bald für seine Hauptaufgabe angesehen, einen offenen, für die euro­­päischen Frieden verhängnisvollen Bruch zwischen­­ den beiden Wetmächten zu verhindern. Der Vorschlag eines Appells an den Völkerbund wurde von Bonomi zuerst Lloyd George gemacht. Dieser scheint sofort darauf eingegangen zu sein, während­ Bravnd erst durch einen vertraulichen Hinweis auf den Ernst der Situation zu seiner offiziellen Er­stimmung betrogen werden konnte. Auf jeden Fall waren es die Italiener, die den neuen Ausweg gefunden, die Wölkerbundsidee einmal in den Vor­­dergrund geschoben und zugleich eben noch dem ‚Breitige Italiens genügt haben. Außerdem konnte der Finanze De Soleri auch mitteilen, daß er in Paris gegen den zähen französischen Widerstand doch eine Erhöhung des italienischen Anteils an den deutschen Reparationsleistun­­gen um mehrere Milliarden durchgeführt hat, wo natürlich innerpolitisch für die Stellung der Regierung sehr günstig ist. Einen Mißton in diejse allgemeine — natürlich nur relative —­ Zufriedenheit wi­­rde aber sofort deu­tich verschie­­dene, nach Italien gemeldete Kommentare der ausländischen und besonders auch­ der deutschen Presse gebracht. Man­ ist hier sehr empfindlich gegen die Behauptung, Italien habe gestern eine franzosenfreundliche Politik gemacht und mache heute franzosenfeindliche Politik. Man will es zumindesten auch nicht laut au­sgesprochen hören, daß der neue Augen ‚minister Dee Er m­in nz ak no —«’«" die aber B,gti mit ki re e tere dent Streben, ein neues europäisches Gleichgewicht zu f zusammenfalle. Gerade hiefür sei ja die Initiative Bat E­mis und Delta Torettas, den Wölferbund zum Schiedsrichter zu machen, ein mehr als äußerlicher Beweis. In Wirklichkeit wird­ die­ politische Haltung Italiens vielleicht in noch höherem Grade als die anderer Länder von wirtschaftlichen Sorgen und Zielen bestimmt. „Roh­­stoffe‘ — vor allem Kohlen — und offene Türen in Mittel- und Südosteuropa samt dem nahen Orient — sind die Angelpunkte, um die das Denken der italieni­­schen­ Staatsmänner und großen Geschäftsleute jeder Art in­­ gleicher Weise Freijen. Graf Sforza traute dem fran­­zösischen Geheimversprechen großer Kohlenlieferungen, d­enn Oberschlesien den Polen zugesproc­hen werde; die heutige Regierung dagegen fürchtet nach allen gemachten Erfah­­rungen, daß durch einen polnische schlesischen Industriebezirk die mit dem Bersailler Vertrag geschaffene Rohstoffmonopol­­stellung Frankreich besiegelt und rücsichtslos au, zum Schaden der italienischen Industrie ausgenüßt werde. Man fürchtet in jeder Hinsicht ein französisches Weberge­wicht in Europa und sucht nach neuen Kombinationen, die einen Ausgleich und Italien selbst zunächst die dringend ge­­brauchte Erholungsfrist schaffen. Denn im Grunde ist man hier nicht kleinmäntig, sondern zukunftsgläubig, auch nicht “ — wie manche deutschen Zeitungen leider ihre Leser glau­­ben machen sollen — antifranzösisch und deutschenfreundlich. Man will nur die Gefahr einer‘ durch den Ausgang des Weltkrieges, d. h. die praktische Ausschaltung der frühern drei Großmächte, Deutschland, Desterreich-Ungarn, Rußland, ungehinderten Hegemonie Frankreichs doch eine Fluge Diplomatie beschtwören. England hat aus ähnlichen Motiven heraus dasselbe Interesse, Frankreich nicht zu stark werden zu lassen, und darf zugleich als Weltmacht hor3 de concours eine geteilte wohlwollende Rückichtnahme Italien gegenüber zeigen. Das wird z. B. im Osten hervortreten, wenn die griechischen Siege nachhaltig­ sein und der griechische Ehrgeiz au­f die italienischen Handelsinteressen im­­ östlichen Mittelmeer bedrohen sollten. Aber wie gesagt, auch England gegenüber wird die kruge, italienische Politis in die freie Hand zu wahren bemüht sein. Gibt es auch jegt schon sogar twarnende Stimmen, die auf­ den latenten­ Gegenja­tiwischen Eng­­land und Amerika Hindeuten, bei dessen­ eventueller Aus­­tragung das­­ waffenstarfe. Frankreich” wohl auf die Seite de3 ‚Lekteren treten würde und dann Revanche für eine allzu “ ausgesprochen­e englis * Rolitif Italiens nehmen könnte. Man sieht, wie die Engel Macchiavellis sich, nach allen Seiten hin zu sichern suchen. Auch, Deutschland­ gegen­­über spielen weder Sympathien noch Antipathien bei­ ihnen eine große Rolle. Ausschlaggebend­ ist, ob Deutschland auf gemeinsame Interessen hinweisen kann und ob er die Macht hat, für solche erfolgreich FR­­­­ -­­He­ss.

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