Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1928. September (Jahrgang 55, nr. 16552-16573)
1928-09-15 / nr. 16564
Allgemeine Volkszeitung für das Deutschtum in Rumänien Nr. 16564 Scheiftleitung: Bermannstadt, Königin Mariastr. Ar. 23, Verwaltung: Nr. 25 — Semiprecher: Bezugspreis für einen Monat: Hermannstadt: Schiftleitung Ar. 11; Verwaltung Tire. 431 ohne Zufteilung Lei 90'—: mit Zufteilung L 100 °—; mit Postversendung: Inland: L 100’ — : Yaseland: L 135 — Ep üme L&e— in Hermannstadt, Sonnabend den 15. September 1928 _ 55. Jahrgang Und wieder ein Fiasko. Schweiger Brief. Genf, 8.. September. (6.) Die 51. Ratstagung ist heut geschlossen Winden. Am 10. erfolgen die Neuwahlen für die ausscheidenden Ratsmitglieder Holland, China und Kolumbien, werauf die 52. Ratstagung Sofort beginnt. Der Rat hat so heute nach Eis 8 Uhr abends getagt, um wenigstens einige Hauptpunkte seines Programms zu erledigen. Namentlich das Litauisdh-Poolnische Bry- Hlem war brennend, denn mit dem Ausscheiden SHollands bemläßt der Berichterstatter dieses Prioblems, Außenminister van Deelaerts, den Nat. Der einzige aufrechte Mann scheidet hiemit aus, Ueber seinen voraussichtlichen Nachfolger,.. ven spanischen Borschafter in Paris Duinones, wird noch zu sprechen sein, wenn die Wahl von Montag Spanien den IVENOIBEREIRSis im Rate gerchhafft haben wird. Die Lage des Litauisch- polle Konfliktes kann in folgender Weise charakterisiert werden: Die Bar, Bandlungen sind ergebnislos geblieben. "Man verhandelt allio zwischen den Regierungen von Romno und Warschau weiter. Anfang 1929 ist der Zusammentritt der Hauptkonferenz zu erwarten. Wenn auch sie erfolglos bleibt, behält ich der Völkerbundsrat weitere Schritte vor. Sie sollen in der Entsendung einer Kommission den Sachverständigen des Völkerbundes in Verkehrsfragen an Ort und Stelle besuchen, was namentlich dann erfolgen müßte, um Dritte sich als Geschädigte anmelden würden. MWoldemaras Hat die „Kommission an Det und Stelle“ angenommen, die Einmischung dritter, Sefbhädiater aber gelehnt. Die Malzregel ist auch sehr bedenklich; man mag zu ihr gegriffen haben, um die Zustimmung Polens ur neuerlichen Vertagung Der Stage zu erzielen. Mit Don der Eeergie des litauischen Ministerpräsidenten zu erhoffen, daß er in der Ablehnung der „Dritten“ ebenso fest bleiben werde wie sonst; mit der Einführung dieser „Dritten“ wäre ein gefährlicher VWräredenzfall für die Brasfiten des Berferbundess geschaffen, der minder energischen Regierung gleichfalls pergewaltigter Völker Teihhtner- Derblich Werden: Fünfte. Solche „Dritte“ kann man leicht überall hervorzaubern, Sapientitat. Woldemaras Hat im übrigen bei der Verhandlung des Wilmaprodlens und einer litauiischen Mindrheitsbeichtmerde aus dem Wilnagebiet slundenlange Anklagereden gegen Polen gehalten, bei den Außenminister Salesti sich mit giftigen Mienen und dänischen Worten aus der Rolle des Angeklagten nicht be> freien konnte. Der Völkerbundrat blieb teilnahmslos; bei einer dieler Verhandlungen trieb er die Imdoleng 19 meit, das Sechs Ratsmiglieder gleichzeitig auf ihren Siten einschliefen — am längsten der Kubianer Bethiancourt, der mehr als eine Stunde idilumimierte. Die gläubigen Anhänger des gegenwärtigen Völkerbundes hätten dieser Szene, wobei es sich um schwerste Leiden einer Minderheit, ja um Krieg handelte, beitmahnen sollten! Die Scharfe Kritik der dautischen Presse hatte wenigstens den Erfolg, daß bei der folgenden Verhandlung die äußerliche Aufmerksamkeit der Ratsmitglieder noch etwas größer war, MWoldemanns, der bereits morgen die Bölfer- Bundtagung verläßt, empfing heute einige Preisübertreter. Darunter auch mich, er schilderte eingehend die polnischen Eroberungsbestrebungen, zu denen Das Sortiem der Korridore gehört, die erweitert werden oder zugrunde gehen müssen.. Zwei davon umfassen .Ost- Preußen. Beilfudsfis miclungener Marsch nach Kiew 1920 gehörte zu diesem etappenweisen Guglierungssystem. Dennoch konstatiert Woldemaras ein Nachjtalien der Diolnischen Offensive; er glaubt, das Polen erkannt habe, es würde hielbst nach einer Bewegung Litauens, 300.000 Soldaten dauernd brauchen, ohne si den Bei zu siltern. Außerdem seien Deutschland und Rußland zu sehr interessiert. Rußland bleibe stärker als Polen und die Sotpiets vergäßen auch in traurigster Wirtschaftslage den Ausbau der Kriegsindustrie nicht. Polen frage, ich dagegen auf sein französisches Bündnissystem. Da Die polnische Offensive nachlaffe, trete Der Sakior „Seit“ ins Sreffen und der bei den Litauern günstig. Am Ende sieht Woldenaras eine Konferenz Litauens mit Rußland, Beuish- und Snien nensus. Allerdings eufl Diel, piel später. Wenn diese Yeilen veröffentlicht werden, befindet ich Pintile Bratianı bereits im Sande und auf der Fahrt nach seinem Landgut Mihatefti. Sein Urlaub geht war offiziell erst am 17. September zu Ende, er wird aber nolens volens noch in dessen Ablauf seine Tätigkeit wieder aufnehmen müssen. Am Strmmabend und Sonntag wird nimich in Mihaiefti ein politischer Kriegsrat der Regierung sattfinden, der gleichzeitig auch eine Gitung des obersten liberalen Viollzugsausschussessen wird, Mifer dem Ministerpräsidenten werden. daran teilnehmen: Duca,. Der DBizechef des Kabinetts und der Parzei, Urgetoianu, der sich immer mehr für die Rolle des verfioramen Constantinescu als politischer Regisseur zu eignen scheint, und der Unterstaatslegtstär Constantin Bratianu, von dem, bekannt ist, da er das besondere Vertrauen seines Onkels genießt und während dessen Abrnztenheit von ihm mit der Aufgabe des Atillen, aber wachsamen politischen Beoobachters betraut wurde. Als Außenseiter wird diesem Tiberialen Konventifers Yodialich noch der Justizminister Stelian Elpescu beigrmgen werden, dessen reinigende Tätigkeit in der Dambopiga-Affäre dem Regiemmaschet Mur ange, nehm sein Tann, vom Obrhaupt der Tiberalen Bartel FDoch mit gemischten Sti aufgenommen werden, muß. So wird denn auch Diese Frage sicherlich den Hauptgegenfand der Beratungen bilden und aus den Besschlüssen wird sich ergeben, 0b der Ministerpräsident scharf genuug sein jedenfalls ist das litauische Volt um seine Führer zu bewerben. Der ungarisch-romänische Optantenfitsitz wird von Dder.52. Ratstagung behandelt werden. Ungar bestehbt auf der Verhandlung vor dem Rate und Tehnnt‘ alle Ablenkungsmanöver ab. Wenn der Ratsporsig vom schwedischen Finnen Brofope auf D Briand übergeht, das Referat dem Holländer Beelaerts auf den Spanier Dumonce, ganz besonders aber wenn sic ‚Briand von Baul-Buncour vertreten lassen sollte, verschlechtet sie die Lage Ungarns. Doch scheint Sraf Appandi nicht viel, weniger zähe zu sein als Woldemaras. Bisher führt Gesandter Antoniade die Vertretung Roamäntens, da der Giftdelegierte Pietrescu-Somnen im Rate nach nicht eingriff. Die Verhandlungen der Völkerbund oder Sammlung waren bedeutungslos. Das größte Aufsehen machte die Rede des Reichsfanglers Müller Sie war weit fernnger und gehaltvoller als die bekannten Völkerbundreden Stresemanns, obawar auch sie schon unter dem Einfluß einiger bekannter Iocarnistischer und toninistischer Mitarbeiter Stresemanns Mand. Leider hat Müller eine prachtvolle Gelegenheit nurübergehen lassen, ls die Eröffnungszeremonien völlig erledigt waren umd Die Generaldebatte programmgemäh Hätte beginnen Sollen, meldete sich sein einziger Ne bner und Die 1. Leihäftseisung mußte ergebnislos geschloffen werten. Damals bitte Müller auftreten können; damals hätte er ‚viel, wirkungstoller, als erster Redner der Tagung und noch, unbeeinflußt von der Atmosphäre die deutschen Forderungen vorbringen können. Erict genug Redner, um frei sprechen zu können. Auch der österreichscche Bundeskanzler Seipel hat aesprochen. Ebenso wie Müller sprach auch er deutsch. Demerfensiwertes brachte er nicht. Er sprach als ein auf dem Boden der „Verträge“ stehender Staatsmann. Einigermaßen überraschend wirkte der holländische Außenminister Beelaverts, Da er sich zustimmend zur Stage der Errichtung einer Minderheitskommission des Belferbundes nach dem Muster der Mandatskommission aussprach. Er stellte fest, Daß die bisherigen Dreieriommaitees, nicht mehr Leiften könnien, als fizeGen leisteten, und Dad nicht sie die Schuld treffe. Reichstangler Maler und der Schweigsriischer Außenminister Motta begrüßte die Idee Dorlachs, die vorläufig zur Debatte gestellt ist, oie einen Antrag dazustellen. Der polnische Außenminister Zaressi mildersprach ziemlich Drohend, erklärte aber seine Zustimmung für den Fall, das die Minderheitsverträge allen Staaten auferlegt würden, Mai fann. Diese Ansicht Salestis Gegreifen. Für Me Abrüstung sprachen ich außer Müller Sydland, Norwegen, die Schtogig und Schweden aus. Die wird, über den Parteiführer Vinzila Bratianı den inneren Sieg davonzutragen. Als zweiter Punkt flieht auf dem Verhandlungsprogramm selbstverfündlich die wirtschaftliche ai: Lage im Allgemeinen und das Anleiheproßlen im Bam deren. Es kann, ohne ein Dementi befürchten zu müssen, mit Bestimmtheit behauptet werden, Daß auch nach Dieser Richtung Hin die schiwerwiegendsten Beischlüffe bevorstehen. Nicht ohne Grund hat das französische offizielle Organ in seiner gestrigen Abendnummer, scheinbar ganz zufällig und absichtslos, die Bemerkung gebracht, daß die Negierung, falls die Anleiheverhandlungen in sekter Stunde wider Erwarten doch scheitern wollten, sich selbstverständlich zurückziehen werde. Diesen Sat man man enttweder als einen Beiweis unbedingter Zuversicht auf das Gelingen oder aber als eine Huge Vorbereitung des politisch-trategischen Rüdeauges auslegen. Der „Bittoral“ entscheidet sich in seiner gestrigen Nummer für das Grftere. Der unparteiische Beobachter der politischen Lage aber Tann‘ im Dieser bisher ganz ungewohnten Sprache nur einen der jetigen ungeklärten Sage entsprechenden, geshhten Schachzug „für alle Sälte“ erbliden. Wenn auch PVBintila Bratianıı sicherlich nicht Das politische Genie seines Großvaters und Bruders befißt, so hat er doch während seiner langen Lehrzeit im Hofe Schule begriffen, daß im der Wolitif, mehr wie in Leben, das alte Sprichtwort befiertigt werden muß: „Den Fluge Mann baut por“, fmnzuftischen Vapallen Pol Ittsanech Mlb und HyWVeb grens und daleskki opponierten unter den MWMMWM münden Alle Redner feisertkwwuße widetlich den Kelloggpakt. Doch Dymur MWoldemaras die Rerequenz, indem er beantragte, Den Völkerbumdpatt dem Kelloggpatt angupassen. Ein Diabiofischer FARO für die Senfer Nutnieher! Das rüfungsabkommen — in Wirklichkeit ein erster Schritt zu einer neben englisch-franzöiishen Miltärallang — mich als nohes Ei behandelt. Ichwinkl es Dom seinen Autoren als Erleichterung für Die Abrüstung aufgemacht wird. Der Ratspräsident Prokope-Finnland wirkte jener bei seiner Eröffnungsrede der der Bundesversammlung 19- Bend gedenken, die feste der Italiener Schufoja, als die Rede Dem Rat zur Zensur vorlag, die Streichung des Betreffenden Sabes dar. Amerikia verharf in voller englisch-frangösische geheime Ab Opposition; er mach seine Beteiligung in der vorbereitenden Abrüstungskommission, die man fest im Winter 1928/29 einberufen möchte, von „Aufklärungen“ abhängig. Diese Opposition ist auch der Grund dafür, daß weder Briand, noch Surbendun-England oder Sciafoja bisher in der Wil ferbundversammlung gesprochen haben. Ebenso konnte Die 3. Kommission der Bundesversammpung, die sie mit Abrüstungsfragen befaßt, ihre Sitzngen noch nicht anfangen. Dagegen begang ein Börkebundsrat ein Diplomatischer Schritt. Softarica hat aus Bedingung für seine Wiederkehr in den DVBörkerbund, eine Aufklärung, über die Bedeutung der im Arzifer 21 des VBölkerbundpasses anerkannten Monroedoftin verlangt. Die Antiwort Des Rates Hang völlig unverständlieh. Dennoch erklärte er Softarica einverstanden und er beantragte bei seinem Kongreß die Bewilligung der Mittel für die Bezahlung des Bundesbeitrages. Daraus hofft die Regie auf die Wiederkehr des Ende 1926 ausgeschiedenen, „Sohnes“ schließen zu können. Was Amerika zur Lobigischen Aufkfrung Des Rates jagt, weiß man allerdings noch nicht. Seine Stimmung ist weichlich unfreundlich und das Bedeiger mehr al Softarica und mehrere andere südamerikanische Republiken zusammengenommen. Das Genfer Hauptthema spiert sich Dinger den Kulisfen ab. Die Regierung des Sograpdemofragen Müller hat in Ei Regierungserklärung die "Absicht ausgesprochen, Die vage der vorzeitigen und vollständigen Räur da Deutschland‘ die Bedingungen des WUtrifels 431 Desko der besetzen Gebiete in Genf aufzuwerfen, Diffages (Abrüstung und Reparationszahlung) erfüllt. So sagt er der Vorgant: „erfülle“ und nicht „erfüllt habe“. Außerdem beanspruch Deurfebrand Die Befreiung seines Gebietes, auf Grund der Locamoperpräge und des’ Bölferbundpartes — also aus juristischen, politischen und moralischen Motiven. Die französische Regierung stelle sich tot. Ministerberatung in Mihnetti. Eigener Sesephonbericht. Bukarest, 14. September, .«. |