Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1929. November (Jahrgang 56, nr. 16901-16926)

1929-11-01 / nr. 16901

,-«....-«..»z«,-«.»,.»««..»­­AR­ie W ‘h »- » .«--,- . .. tar" ’ ee " Wo » E Allgemeine Volkszeitung für das Deutschtun in? Romanzen Schriftleitung: Hermannstadt, Gonterusgasse Nr.11, Verwaltung: Königin Mariastr. Nr. 25. — Fernsprecher: Schriftleitung Nr. 11 und Nr. 130. Bezugspreis für einen Monat: Hermannstadt: ohne Zustellung L 90'—; mit Zustellung L Br mit­er: Inland: Lei 100 °—; Ausland: L 135 ° — ; Eingeben Bier 14­5—; Eniean L 6.- Mr. 16901 Hermannstadt, Freitag | den 1. November 1929 56. Lehrgang Averescu droht? Gonderbare Abenkerungen des Führers der Barlei der „Seserlichkeit“ Bukarest, 31. Oktober. Im Zusammenhang mit der averescanischen Kundgebung von Sonntag sind folgende Heußerungen des Generals Averescu be­­­kanntgeworden : „Unsere Kundgebung kann zu einer Normalisierung des politischen Lebens ohne jede Er­­schütterung führen, wenn Die aus ihr gezogenen Schlüffe beachtet werden. Wenn indes Diejenigen, die sehen müssen, nit sehen wollen, künnen die Folgen sehr schwer sein. fernerhin, wenn nicht verstanden wird, dag Die Negierung sich überlebt hat, und die Sn=­­zeressen Des Landes ihre je raschere Auflistung er= fordern, dann wird Die gewaltsame Entfers­nung notwendig sein. Denkt dem gegenüber Herr Iulius Manitu daran, der Gewalt Gewalt entgegenzu=­­stellen, dann sind Die Folgen leicht herauszugehen.‘ Die Lupta, die diese Weigerungen zitiert, zieht daraus den Schluß, daß General Moerescu mit dem Bürger­­krieg Drohe und schreibt, daß Diejse Drohung neben viel Heiterkeit auch einen peinligen Eindruck hinter­­lassen habe. „Die Politiker fragen sich, ob es möglich sei, daß der Chef einer Partei, Die Vertreter im Par­lament habe, der bei den allgemeinen Wahlen aber nur 2 Prozent der Stimmen zugefallen seien und Die an den Kriegwahlen nit teilnahm, um sich nit lächerlich zu machen, mit dem Bürgerkrieg drohen könne ? Wo bleibt da die Gejeslichkeit des Generale Averesen ? Die Nationalzaranisten, die durch ihre Versammlungen den Beweis erbracht hätten, daß sie, unterstüßt von der großen Mehrheit des Landes, zu jeder Massenaktion in der Lage gewesen seien, hätten seinen Bürgerkrieg gemacht, sondern ja im Rahmen des gejeglichen politischen Kampfes gehalten. Niemand kürne im Ernst glauben, daß General Aperescu fähig sei, seine Drohung zur Tat zu machen.” An anderer Stelle sagt die „LZupta”, daß Der Kongreß der nationalzaranistischen Organisationen der Komitate Zlfov und Tlasca eine Antwort nit nur auf die averescanische Kundgebung, sondern al auf die Drohungen des Generals geben werde. Der alte Kämpfer (9. BL) Us Mihai Popopici das Finanzmini­­sterium niederlegte und Innenminister Dr. Baida zu längerem Aufenthalt nach Klausenburg fuhr, da wurde für sein Lernbleiben von der Hauptstadt in Diesen deswegten Tagen natürlich eine Deutung gesucht Man fand sie einerseits Darin, daß er um seiner Mitver­­wandtsaft mit dem Negenten Sarakeanı willen nicht gleichfalls­ in die Erörterungen einbezogen werden wolle, die eben zum Nachtritt des Finanzministers ge­­führt hatten, andererseits in dem kürzlich verübten Revolveranschlag des bessarabischen Suden Gol­­denberg. Diese Tat eines fanatisch überreizten Süng­­lings hatte bewiesen, weld leidenschaftlich erregte Stimmung wegen der Vorfälle von Lupeni in den Reihen der Linken Sozialdemokratie bestand, und daß Innenminister VBaida, derjenige sei, den­n diese reife der Schuld an der Verzögerung der Untersuchung über Zypern reichern. So wurde der Klausenburger Aufent­­halt Dr. Alexander VBaidas dahin gedeutet, daß er fern von Madrid in N­uhe ein bisschen nachdenken wolle, bis ei die aufgeregten Stimmungen in Der Haupt­­stadt wieder legten. Aber in den Adern Dieses alten Kämbpen fließt das Blut so rasch, daß er einige Tage der Ruhe, auch wenn sie noch so verdient und begrüns­tet sind, scheinbar nicht verträgt. Am sechten Freitag hat­ er die Vertreter der Klausenburger Regierungs­­presse empfangen und hat ihnen Erklärungen abg­­eben, in denen er Hiebe und Paffe nach allen Seiten aus­teilt und so ziemlich allem den Krieg erklärt, was mit an politischen Leben irgendwie in Zusammenhang geht.­­Zunächst wendete sich S Innenminister Dr. Baida gegen die h­auptstädtischen Blätter, die im Zusam­mennt­­bang mit dem blutigen Tag von Lupeni tatsächlich eine maßlos aufreizende Kampagne eröffnet hatten. Er be­­schuldigte diese Wresse, und nannte mit Namen den Direktor des „Andeverus" Emil Speer, daß ihre Kampagne zu ihrer Freude das Attentat Goldenbergs veranlaßt habe und das nunmehr die Mithandlung Solomons auf der Bukarester Polizeipräfektur in gleicem Sinne ausgebeutet werde. Dann wendete er sich Dagegen, daß ihm die Verzögerung der Iinter­­suchung über Lupeni zur Last gelegt werde, und er­ Härte, Daß die Schwierigkeiten für die Beendigung der Untersuchung von anderen Ressorts als von dem seinigen bereitet worden seien. Er werde daher dem Ministerrate fernbleiben, in dem über Die Unter­­suchung von Lupeni entschieden werden solle, wenn dort aber Angriffe gegen seine Person vorgebracht werden würden, bleibe ihm die Tribüne offen. Sodann wendete sich Alexander Baida mit beigende­m Spott gegen die Averescaner, die demnächst unter ben­­galischer Beleuchtung die Heerschau über den Rest ihrer Truppen von Det Beresina her, wo ihnen Der Riegel­­stein auf den Kopf gefallen sei, abgehalten würden, und gegen die Liberalen, die nichts anderes seien, als Hilfs­­bildner und heimliche Bank­ers der Liberalen. Vaida schlof seine Erklärungen mit einer warmen Kund­­gebung der Ergebenheit für Iulius Maniu, der allein berufen sei, die Angelegenheiten der Partei, die eine Schöpfung seines Geistes sei, zu entscheiden. Es ist allemal erquidlich, Dr. Alexander Baida mit dem ganzen Netz der Ursprüngligkeit, die ihm eigen ist, reden zu hören. Das geht dann immer frei von der Leber weg, ob es es um Sozialisten oder Libe­­rale, Averescaner oder Minderheiten oder um­­ seine Ministerkollegen handelt. Auch diesmal ist es erfri­­schend zu sehen, mit welcher Unbefümmertheit Dr. Baida nach Linie und rechts und nach allen Seiten um sie schlägt. Ein oppositionelles Blatt hat den Ein­­druck seiner Erklärungen zutreffend im Bilde festge­­halten. Dort steht Baida als Athlet mit Diden Mustern, zu seinen Füßen liegen Inodout geschlagen Junian und Kaducanıu, im Hintergrund sieht man­ Mihaladhe mit wehenden Hemdihößen entfliehen und VBaida fragt: „Zit noch jemand, da?“ Er hat tatsächli­co ziemlich alle korrammiert, die auf dem politischen Lausboden ver­­sammelt sind. Aber heute steht er selbst nicht nur als Renommierfecter seiner Partei auf dem Plan, sondern als verantwortlicher Minister der heutigen Regierung und was er sagt, kann politische Folgen haben. Da man er seiner Regierung nur gleichgültig sein, daß er die ganze Front einer Presse, die bisher im All­­gemeinen der Regierung die Stange hielt, mitten zuVn­­­hen die Augen schlägt. Diese Presse hat der­­ Regie­­rung Maniu in vieler Hinsicht wertvolle Dienste ge­­leistet, denn ihre eigenen Parteiorgane reichen nicht weit. Sie hat allerdings im Fall Lupeni, im Falle des Saul Salomon und neuerdings im Falle des fata­­len Automobilunfalls eine heiße Agitation entfaltet, die nahe Gemeinsamk­eit mit der Erklärung aufwies, die bei der Regentenwahl der Sprecher der Sozialdemo­­kraten abgab. Man darf bei diesem und bei anderen Anläs­fen nicht vergessen, daß Sofor vom „Adeverul“ eben selbsit Sozialist is. Daß der Innenminister nun diese Presse angerannt hat, wird Die Beziehungen zwischen ihr und der Regierung nit dauernd stören; gemeinsame Feindschaft verbindet meist stärker als ge­mein­same Freundschaft. Ernster ist sein heftiger Aus­­fall gegen seine Ministerkollegen. Während Die Def­­fentlichkeit Ion seit lange annahm, daß Vaida dem Präfekten Rozvany zuliebe die Untersuchung über Lu­­peni nit vorwärtskommen lasse, Hat er ihn wieder­­holt angedeutet, daß Der Arbeitsminister Raducanı und der A­ustizminister Zum­an die Schuld an der Ver­­zögerung trügen. Wie er aber nun mit dem Finger auf sie gezeigt hat, und wie er droht, daß er vor die Oeffentlichkeit treten werde, wenn er im Minister­­rat persönli­chh angegriffen würde, das ist noch nie gewöhnlich weit gegangen. In jedem westlichen Lande würde ein solcher Ausfall gegen Ministerkollegen zu einem Kradh erster Ordnung in der Regierung führen. Inzwischen hat Madgearu das Finanzministerium übernommen und der Ministerrat hat über die Vor­­fälle in Lupeni einen Beschluß erbracht, der die Zu­­stimmung der Oeffentlichkeit findet. Schonungslos ist endlich einmal gegen alle Schuldigen von oben bis unten vorgegangen worden, und das ist gut. Die Gegen­­fäße in der Regierung sind still geworden und auch über VBaidas Kriegserklärung an Alle wird Gras mwachsen, bis die Zusammenlegung der Ministerien die­ persön­­lichen Nivalitäten wieder aufleben lassen wird. Denn jeder der heutigen Minister will natürlich, daß er selber bleibt und ein anderer geht. Aber die Erklärun­­gen Baidas Haben tief hineingeleuchtet in Die inneren Spannungen, deren Vorhandensein nunmehr von be­­rufenster Stelle bestätigt worden ist. Sie haben gezeigt, wie leidenschaftlich im gegebenen Zeitpunkt die Gegen­­züge zwischen Gruppen und Personen zur Austragung gelangen werden, während bon reis und linis Die Kräfte sich immer stärker zusammenballen, um zum geschlossenen Angriff auf die Regierung vorzugehen. AS Erponent der Regierungsgegner von reits tritt nun General Aderescu ganz offen hervor, der hinsichtli­cher Zahl seines politischen Anhangs be­­deutungslos ist, wer aber gefährlich und mächtig wird wie ein P­anzerturm, sobald er die Brachialgewalt des Staates in Händen hält. Gerade derjenige, der an Boltst­mlichkeit nichts aufs Spiel zu lesen hat, kann seine Ziele mit einer Rücksichtslosigkeit bis zum Aeufer­­sten verfolgen. Und alle­ Fäden­ dieser Feldzugspläne bon­reits durchen DIE Verbindung nach Balek­, wo am Meeresstrande ein Haus steht, in dem eine Königin und eine­rau nicht vergessen fand. Aber der Augen­­blick, wo eine Entscheidung­ fallen konnte, ist nicht nahe. noch. Friede und Kriegsmarine (8. ©.) Bazifismus ist eine fromme, leider nur im Deutschland endemische Gemütskrankheit. Wie viel könnten sonst gerade die Deutschen Bazifisten aus den eben beendeten anglos amerikanischen Verhandlungen und den noch andauernden frankos italienischen P­resses ftreitigfeiten lernen! Hopper und MacDonald haben einander scheinbar sehr gut verstanden. Troudem wird man erst dann den schönen Communiquees glauben künnen, wenn auch Die Admirale beider Parteien ji auf der näch­­sten reinischen Konferenz verständigen werden. Die leitenden Staatsmänner müssen es ihnen unzweideutig und ohne leicht erratbare Hintergedanken auftragen. Schon das, daß die englische Admiralität den Ameri­­kanern die Parität zuernannte, war ein politischer ft, der militär-technisch ganz und gar nit aus­­reicht. Denn diese Parität zur See ist völlig undefi­­nierbar. Auf Grund der­­ ganz verschiedenen geogra­­phischen, wirtschaftlichen, strategischen und operativen Lüge versteht jeder naturgemäß unter Parität zur See und zu Lande etwas ganz anderes. Schon vor acht Jahren hat man in Genf versucht, Bataillone in Eisenbahn­ilometer und Grenzlinienlängen umzurech­­nen. Seit vier Jahren weiß man, da England nur­ kleinere, dafür zahlreiche und nicht zu teiver be­waff­­nete SKriegekreuzer erlauben will, während Amerika eine gleiche Tonnenzahl in größere, weniger zahlreiche und dafür umso jgwerer bewaffnete Kriegskreuzer umt rennen möchte. Angesichts der Gesamtlage der briti­­schen Empire und der amerikanischen Union wäre bei solcher „Gleichstellung in Tonnenanzahl” Amerita im Vorteile. Darüber ist an dieser Stelle bereits gesproen worden. Das Problem it so lange unlösbar, als ein Krieg zwischen England und Amerika nicht voll und ganz ausgeiglossen tt. Das ist aber ein nur ganz ausnahmsweiser Zustand. Er bestand seit 1890, etwa bis zum großen Kriege zwishen Deutschland und Oesterreich-Ungarn und besteht seit etwa 60 Jahren zwischen Kanada und der Union.­­Zwischen England und Amerika gab es bereits 1812 einen Krieg; wäh­rend der P­ariser Konferenz 1856 und noch mehr im Jahre 1916 war die Lage zwischen den beiden angel­jährtigen Staaten sehr gespannt und im November 1918 mußte P­räsident Wilson den zweiten seiner be­­­rüchtigten 14 PBnk­te (Freiheit der Meere) zurückziehen. - # ei ­­i­ts I EL i

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