Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-01-14 / nr. 4

» " 11 ließ einen Tag verstreichen , alsdann wurde es öf­­fentlich in der Stadt bekannt gemacht, daß Sena­­tor Beerlein verscwunden, und daß Niemand wisse, was aus ihm geworden sei. Jeßt behaupteten Ei­­nige, daß man Hut und Stoß eines Mannes am Ufer des Flusses gefunden hätte. Andere sagten aus, daß man während der Nacht den Schuß einer Feu­­erwaffe in einem benachbarten Gehölze gehört hätte, und man erzählte leise , daß der Körper des Selbst­­mörders­ ganz früh des Morgens durch eigens dazu heimlich bestellte Köhler nach der Stadt gebracht worden wäre. Noch seltsamere Gerüchte verbreite­­ten sich : man behauptete , daß Herr Beerlein durch eine Eskorte über die Grenze gebracht worden, um wegen eines in dem Nachbarlande eben entdeckten Verbrechens bestraft zu werden. Es ist leicht zu begreifen , was Katharine und ihre­ Familie gelitten haben mußten, als sie diese Bes­­ichte hörten. Die arme, unglückliche Frau glaubte so immer, daß ihr Mann täglich zurückkommen würde — aber sie täuschte sich. Ein Monat ver­­strich , ab­ dann 2 und 3 Monate und keine Spur vom Senator war entde>t worden. Anzeigen in den Blättern blieben fruchtlos ; ebenso sonstige Nachfor­­schungen, die man unermüdet anstellte. Der Mann war so vollkommen verschwunden , als ob er in die Erde versunken wäre. Niemand hatte ihn aus der Thüre gehen gesehen , Niemand hatte ihn auf der Straße bemerkt; ungeachtet sein Anzug, Gesicht und Aussehen genau beschrieben worden waren, war doch nirgends in einer der Nachbarstädte eine solche Person gesehen worden. Drei Jahre waren verstrichen, und man hatte aufgehört, vom verlornen Senator zu sprechen , als, gleichfalls in der Mitte des Sommers, eines Abends spät ein Mann an die Thüre von Beerlein's Hause flopfte. Er sah bleich und abgemattet aus. Man fragte nach seinem Begehren ; der Fremde war au­­genscheinlich über diese Frage erstaunt. ==; » Wer bist­­ Du ?« — fragte er den Bur­­schen, der die Thüre geöffnet hatte. — »Was willst Du in­ meinem Hause ?« == ;»In Ihrem Hause!« == rief Letzterer aus und maß den Frager vom Kopfe bis zu Füßen. — yDas Haus gehört Herrn Van Peters, dem Wein­­händler, und ich bin sein Kellner.« — »Ban Peters Ike — schrie der Fremde — »Was mußt Du für ein Laffe sein, sollten dummen Spaß zu machen , als ob ich nicht wüßte, wo der Weinhändler wohnt und wo mein eignes Haus ist !« Mit diesen Worten stieß er den Burschen hef­­tig bei Seite, und ging die wohlbekannte Treppe hinauf. Er ging längs des Korridors : hier sah er Geräthe und Gemälde, die ihm fremd waren. Er wollte eben die Thür des Wohnzimmers öffnen, als der Ausbruc lauten Gelächters, der Klang der Glä­­ser und Männerstimmen, die in lautem Streite be­­griffen waren, an sein Ohr schlugen. — »Ist es möglich ?« — sagte er zu sich selbst=­­„hat Katharina Gesellscaft und eine so lärmende wie diese ?« Er öffnete die Thür und war vor Screen erstarrt, als er eine Anzahl betrunkener Gesichter rund um eine Wirthstafel sah. Das Zimmer, welches ge­­wöhnlich so niedlich , so reinlich , so behaglich war, sah sch mäßig aus und war mit Tabaksdampf anges füllt. Das Getäfel war beschädigt und hier und dort von der Mauer losgegangen. “ Der Stuhl am Fenster , wo seine Großmutter zu figen pflegte, war durch einen schlafenden dicken Fleischklumpen bejegt. Aber die Abendsonne schien, so wie damals, als er zulegt da war, durch die Fenster , und ihre goldnen Strahlen bohrten sich wie foigige Pfeile in des zu­­rückgekührten Senator­s Gehirn. Er stand auf der Schwelle seines eigenen Zimmers; er suchte die theu­­ren Gegenstände , welche er nur eine Stunde zuvor, wie er wähnte , verlassen hatte, und wie war Alles so schreilich verändert, gleich wie in den wilden Ver­­wandlungen eines unruhigen Traums! Der arme Mann rieb sich die­s­­er schloß seine Augen, und öffnete sie wieder, um sich zu überzeugen, daß er sich nicht irre, und wankte, wie einer, der auf dem Punkte ist , ohnmächtig zu werden. Als nun die lärmenden Zecher ihn bemerkten, fingen sie an, laut über den bleichen Fremdling zu lachen, der noch in ein Wirthshaus kam , nachdem er schon etwas be­­trunken zu sein schien. Gütiger Himmel !« — rief plößlich der Wirth aus­=­ »es ist der verlorene Senator !!« Bei diesem Ausrufe wurden die Gäste von ei­­nem panischen Schrecken ergriffen, seßten ihre Glä­­ser nieder, und starrten nac der Thüre hin, als ob sie ein Gespenst gesehen hätten. Der Fremdling kam herbei und fegte sich an das Ende einer der Bänke. Die, welche dort saßen, rückten so weit von ihm weg , als sie nur konnten. Der Wirth allein hatte den Muth, auf ihn zuzugehen. — »Herr Senator,« — rief er aus — wo sind Sie gewesen ? Denn drei Jahre lang hat man Nach­­forschungen nach Ihnen, aber ohne Erfolg angestellt.« ra

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