Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-06-10 / nr. 45

198 Während­dessen hatte der Künstler täglich lange Unterredungen mit dem Vicekönig. In einer der­­selben erklärte Horace Wernet dem Pascha das neu entde>te Daguerreotyp. Dieser war so von den Wundern desselben hingerissen, daß er mit eigener Hand sich davon zu überzeugen wünschte. Und nun saß der Pascha Morgens und Abends da, die Ein­­richtung und das Verfahren bei demselben studirend ! In kurzer Zeit war der greise Zögling so weit, daß er ohne Lehrer sich helfen konnte und wollte nun auch den Beweis seiner Kenntnisse liefern. — „Wenn es morgen schönes Wetter ist ,’­­­­­sagte er zum Maler — „so wollen wir die großen Hafenbauten in Augenschein nehmen, ich werde das wunderbare Instrument nachkommen lassen und das­­selbe selbst in Thätigkeit feßen.’ Am andern Tage brannte die Sonne Aegyptens heiß, der Künstler und der Vicekönig traten daher, von mehren Offizieren begleitet, den Weg an. In dem Moment, wo sie bei den für die Frauen be­­stimmten Bädern vorbeifamen, hielt Horace Vernet auf einmal sein Pferd an. Ein prächtiger Blumenstrauß fiel vorn auf den Sattel seines Rosses, und das ganze Gefolge wünschte ihm zu diesem unerwarteten Geschenke Glück. — „Das zweite Kapitel meines Romans,“­­­­dachte der Künstler — „meine unbekannte Schöne badet sich in diesem Hause!” Als er darauf bemerkte, daß man sein Bouquet genau untersuchte , begann er selbst es aufmerksam zu betrachten. Es waren seltene Blumen und ihre Anordnung war noch eigenthümlicher. Ein gehei­­mer Sinn lag ohne Zweifel in derselben verborgen, aber der Künstler konnte ihn seicht nicht enträthseln. — „Sie suchen den Sinn dieser lieblich duf­­tenden Gabe, mein Herr, — sprach ein junger Mameluckenoffizier aus dem Gefolge des Pascha's, der vortrefflich Französisch verstand, zu ihm — ‚wenn Sie mir dieselbe einen Augenblic erlauben wollen, so werde ich Ihnen sogleich die Erklärung davon geben.“ — ", Sehr gern,” antwortete der Maler, und gab das Bouquet dem Offizier. Dieser untersuchte es genau und athmete den Duft jeder einzelnen Blume ein. Dann gab er folgende Erklärung: : — „Das Schlagen meines Herzens sagt mir, daß ich Dich liebe, sagt Dir das Schlagen Deines Herzens, daß Du mich liebst ? Mein Leib ist so rein von jedem Makel, wie meine Seele frei von jeder andern Liebe, ist Deine Seele ebenso jedem Wankelmuthe fern ? Ich wünsche mir seufzend die Freiheit, um Deine Selavin zu werden: willst Du mein Herr sein und mir meine Freiheit erringen helfen ? Gehe nicht mehr des Morgens unter den Terrassen vorüber, sondern am Abend. Die weißen Rosen werden dann wieder auf Dich herabfallen, Geliebter meiner Seele, und der Duft derselben ist am Abend nicht minder angenehm als am Morgen. — Sollten wir uns je begegnen, so kannst Du mich an meiner rothen Schärpe erkennen.“ Nachdem der Offizier auf so seltsame Weise aus den Blumen gelesen hatte, gab er das Bou­­quet dem Künstler zurück ; Horace Vernet aber, obgleich nun vom Pascha selbst glücklich gepriesen, blieb dennoM nachdenkend und ein Lächeln schwebte auf seinen Lippen. “ = „I< danke Ihnen , mein Herr,“­­­ sagte er zu dem höflichen Dolmetscher — „und bitte Sie zugleich , Ihr Werk zu vollenden, indem Sie mir eine Antwort verfertigen , welche des Briefes wür­­dig ist.“ I x — „Das ist leicht geschehn,“ — antwortete der Offizier. Er ordnete nun die Blumen, ein wenig anders und brachte folgenden Sinn heraus :­­­ Ja , das Schlagen meines Herzens sagt mir, daß ich Dich liebe, mein Herz ist, frei von jedem Wankelmuth , wie das Deinige ! Aber Dein Sclave will ich sein, niege Dein Herz. Heute Abend erwarte ich eine Gabe von Dir unter den Terrassen , Geliebte meiner Seele! Alle meine Ge­­danken sind bei Dir, am Morgen sowohl wie am Abend. Wo wir uns auch begegnen werden , Du kannst mich immer an meinem blauen Mantel er­­kennen.“­­ — „Vortrefflich, mein Herr , vortrefflich !/' - rief der Maler und nahm das Bouquet wieder zu sich. „„Vortrefflich ! ““ — wiederholte das Ge­­folge, welches sich in diesem Augenblicke dem Ha­­fen näherte. Dort sprach man noch einige Zeit­ über das Abenteuer des Künstlers , dann schien dieser , ganz mit der Aufstellung des Daguerreotyp­s beschäftigt, selbst es zu vergessen. Vermittelst einiger Winke und Hülfeleistungen bestand der Vicekönig die Probe ehrenvoll. Stadt und Hafen, welchh die Sonne hellstrahlend be­­leuchtete , sah man auf den Metallplatten perspec- ; ;

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