Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)
1842-10-07 / nr. 79
1842. Dritter Nr. 79. Deutsches Sprichwort. Aus dem Tagebuche eines Journalisten. (Schluß.) Die schwächste Seite dieser Apologie der Magyarisirung — und diese bloß will ich hervorheben , scheint gerade in den historischen und politischen Thatsachen zu liegen , welche ihr eine unwiderstehliche Kraft geben sollen. Was Pohlen lange Zeit rühmlich gewesen , das soll nun nach seiner Auflösung Ungarn sein, — eine Vormauer , ein Bollwerk Europa's gegen Rußland, und damit es diese Bestimmung erfülle , muß es magyarisirt werden, — das ist die Summe der neuen Dockrin und ihrer Anhänger. Wie aber ? entgegnen wir ihnen, war Pohlen nicht ehemals, was es jeßt noch ist — ein flapvisces Land? waren seine Bewohner nicht von jeher durch die engste Verwandtschaft ihrer Sprache mit den Russen zu einem und demselben großen Volksstamme vereinigt ? Lasset uns die Geschichte befragen, meine Herren Apologeten der Magyarisirung : Sind jene natürlichen Sympathien, auf welche ihr jeßt ein so großes Gewicht leget , daß ihr sie auf eurem Boden im Interesse eures Mutterlandes und Europa s um jeden Preis auf das schnellste austilgen möchtet, jemals mächtig genug gewesen , die Eintracht unter zwei sprachverwandten Nachbarvolkern zu schaffen und zu erhalten ? Nach eurer Ansicht, “welche in jedem Slaven einen geheimen Zug nach Norden vermuthet , weil er die Sprache des Nordens redet und auch liebt, war das Königreich Pohlen eine — entschuldigt den hinkenden Ausdruck — linguistische Unmöglichkeit. Wie nach <emischen Geseßen verwandte Körper sich mengen und mischen, wie die Wandervögel, sobald die Zeit des Fortzuges kommt , sie instinetmäßig zusammen finden, und in großen Schaaren den Flug nach dem Süden beginnen, so mußten alle Bewohner des slavischen Nordens, weil sie Genossen derselben Sprache sind, seit Jahrhunderten schon einen einzigen Staat bilden. Stattdessen hat jener sich fast gleichzeitig in zwei selbständige politische Körper von verschiedener Verfassung und Kirche getrennt; stattdessen hat Pohlen während der Unterdrückung des russischen Nachbars durch die Mongolen sie auf Kosten des ohnmächtigen Bruders vergrößert, stattdessen — doch ihr kennt ja die Geschichte zu gut, als daß ihr es nicht wüßtet , wie viele Blätter derselben mit der Erzählung von blutigen Kämpfen Pohlens und Rußlands beschrieben sind. Slaventhum und Russenthum sind also nicht identische Dinge, und die verwandtschaftliche Begegnung verschiedener Zweige desselben Volksstammes in den Lauten einer gemeinsamen Muttersprache hat sie niemals daran gehindert , verschiedne Wege ihrer politischen, intellectuellen und religiösen Entwickelung zu gehen und sich über ihre Interessen dauernd zu entzweien. Selbst angenommen daher , alle die Verdächtigungen , welche der Ultramagyarismus dem „nordischen Riesen“ aufbürdet , wären wahr, und das ganze düstere Gemälde von russischer Willkür und Gefährdung der constitutionellen und der Glaubensfreiheit enthielte s einen einzigen Zug der Uebertreibung, so wird das die Sprache der Slawen in Ungarn dadurch , daß sie eine Schwester der rusesischen ist , nicht sofort ein Werkzeug , welches dem Triumphe des Despotismus und der Vernichtung der fortschreitenden Intelligenz dienet, *) und weit *) Ich bin überzeugt, daß es bei diesen Verhältnissen von unsern slavischen Brüdern ferne sein wird, TRANSSILVANIA. Beiblatt zum Siebenbürger Boten. Fragen kostet kein Geld, und wird Einem kein Zahn davon stumpf. Jahrgang