Bukarester Gemeindeblatt - Beilage zum Nachbar, 1906 (Jahrgang 2, nr. 1-51)

1906-11-26 / nr. 46

Boţartştcr GemcindeMatt Beilage zum Kacttbar. Schriftleitung : Pfarrer E. HEIFT. Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei Strada Luterana 10. Jahrg. II. Sonntag 26. Nov./9. Dez 1906. No. 46. Zum Totensonntag. Bukarest. Es war in den Jahren nach den Befreiungs­kriegen im Anfänge des vorigen Jahrhunderts. Damals zuerst wurde der Totensonntag be­gangen als eine Gedächtnisfeier für die, die im Kampfe fürs Vaterland auf dem Felde der Ehren gefallen waren. Diese Feier wiederholte sich dann von Jahr zu Jahr. Sie gestaltete sich zu einer Erinnerung an die, die im Kampfe des Lebens gefallen waren, um ihrer mit freu­diger Dankbarkeit zu gedenken in dem Glau­ben, dass sie alle in Gott ruhen. In dieser Gestalt verbreitete sie sich in den meisten evan­gelischen Landeskirchen und erwarb sich überall Heimatrecht. Was sollte auch gegen eine gottes­dienstliche Feier in diesem Sinne vom evan­gelischen Standpunkte aus einzuwenden sein ? Der hat recht, der einmal also sich aussprach: Unserer Toten in christlicher Liebe zu geden­ken, nicht nur draussen aui dem Kirchhofe, sondern auch in der Kirche; nicht nur da und dort in einem Trauerhause; wo der Tod ein Opier gefordert, sondern auch in versammelter Gemeinde als eine Familie, in der wir allesamt Brüder und Schwestern sind, und in der alle Glieder mitleiden sollen, wenn ein Glied leidet, das, denke ich, kann keine Sünde sein gegen den Geist der evangelischen Kirche. In unserer Gemeinde gestaltet sich das Toten­fest zu einem ernsten Rückblicke. Mehr als hundert sind es, die in der Spanne Zeit vom letzten Totenfest bis zu diesem aus unserer Mitte geschieden sind. Und es geschah nicht immer bloss in der Weise eines ruhigen, sanf­ten Einschlafens, nachdem das Tagewerk voll­bracht, und das Menschendasein, lebenssatt und lebensmüde, nach unserm Denken reif zur Ernte war. Daneben stellte sich — wie oft! — das gewaltsame Zerbrechen der Leibeshütte unter grossen Schmerzen oder das jähe, plötzliche, erschütternde Dahingerafftwerden aus blühen­dem, vielversprechendem Leben und ach! das rätselhafte Sterben der zarten, unmündigen Ju­gend, wenn das Leben, kaum geschenkt, schon wieder genommen ward, und die Knospe, ehe sie sich zur Blüte entfaltete, dahinwelkte. Ja, wir haben es auch in unserm Kreise schmerz­lich zu erfahren bekommen, was der Dichter sagt: Eins geht hier, das andre dort in die ewige Heimat fort, ungefragt, ob die und der uns hier nicht noch nützlich wär. j Und darüber stehen viele Herzen in Trauer.

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