Bukarester Gemeindeblatt, 1912 (Jahrgang 8, nr. 1-52)

1912-10-14 / nr. 42

170. · BukkikesterGemeiudebiatt No. 42. Erhöhung, im Innern ein Schränkchen enthaltend und wohl den Dienst eines Nähtisches erfüllend. An der Mitte steht der große viereckige Tisch, um den sich Luthers Fa­milie versammelte und die Dielen sind zum Teil noch Die­selben, auf denen des Reformators Fuß wandelte. „An diesem Raum hat unser Luther mit den Seinen manches Sahr in Freud und Leid verlebt, hier hat er im Kreise der Lieben sich immer wieder neue Sträfte geholt zu den­ großen Kämpfen, die ihm oblagen, hier hat er den ganzen Reichtum, die ganze Tiefe seines Föstlichen Innern ent­­faltet, hier ist er mit den Kindern ein Kind gewesen, hier hat er sie mit den Freunden bei fröhlichem Diahle erquickt undh des Tages fast und Hite, von hier aus hat er auch liebe Tote herausgetragen und manche Träne gemeint, aber an manche Träne getrocnet, der Mann mit dem warmen, echt deutschen Herzen.” Am 13. Juni 1525 hatte Luther, der ehemalige Mönch, so mit Katharina von Bora, der ehemaligen Nonne, ver­­mählt. Er war 42 und sie 26 Jahre alt. Seltsam san ihm zuerst der Ehestand vor. „Am ersten Jahr der Ehe,” sagt er, „hat einer seltsame Gedanken. Wenn er über gilde fitt, so gedenkt er: vorhin warst du allein, nun aber bist du jelbander." Wir haben eine Fülle von Zeug­­nissen aus Luthers Worten, in denen er sein Glück und seine Freude über seine Ehe und seine Gattin ausspricht. Noch 1542, als er sein Testament verfaßte, hat er seine F­rau dafür gedankt, daß „sie ihn als ein fromm, treu, ehelich Gemahl, allezeit lieb wert und schön gehalten habe.” Aus dieser Ehe sind sechs Kinder hervorgegangen, von denen zwei im zarten Alter starben. « Zu den Mitbewohnern des Lutherschen Hauses zählte ,,MuhmeLene«,eine Tante väterlicherseits von Luthers Frau.Dann hatte er noch zwei elternlose Nichten,Töchter einer in Mansfeld verheiratet gewesenen Schwester,bei sich aufgenommen,zu denen späterhin n­och eine Großnichte kam.Lange Jahre war ein gewisser Wolfgang Sieberger Luthers Hausgenosse,eingritm­ütiger,aber schm­acher und und vergeßlicher Mensch,der außerdem durch Lähmung des rechten Armes körperlich sehr unbeholfen war.Dazu­ kamen noch ganze Scharen von Hilfsbedürftigen,die oft monatelang Gäste seines Hau­ses waren,so z.B.die Her­­zogin von Münsterberg,die mit zw­ei andern Nonnen aus dem Kloster entflohen war.Daher konnte ein Freund Luthers einmal sagen:»Im Hause des D.Luther wohne eine wunderbar gemischte Schar aus jungen Leuten,Stu­­denten,jungen Mädchen,Witwen,alten Frauen und Knaben bestehend,weshalb große Unruhe in dem Hause sei,derentwegen viele Luther bedauerten.«Selbst als im Jahr 1527 in Wittenberg die Pest wütete,nathuther Kranke in sein Haus auf,um ihnen ordentliche Pflege zu Teil werden zu lassen. Daß bei einem solchen großen Haushalt auf Frau Käthe eine schwere Last ruhte,ist wohl verständlich.Da nun Luthers Gehalt nicht besonders groß war,er auch von den Buchhändlern­ kein Honorar für seine Bücher nahm­, so galt es,neue Hilfsquellen zu erschließen,um das Haus versorgen zu können.Frau Käthe war eine fleißige,uner­­müdliche Frau;die ehemaligen Mönchszellen ihres­ Hauses vermietete sie an Studenten,um die Einnahmen zu­ steigern. Dazu hielt sie Geflügel und Schweine, und auf ihren Rat erwarb Luther einen vor der Stadt gelegenen Garten, in welchem sich ein irchteich befand. Im Jahr 1540 endlich taufte Luther ein kleines, aber stark vernachlässigtes Gut Zulsdorf bei Leipzig; dort konnte Frau Käthe nach Herzens= luft Schalten und malten. So zieht ein reiches, glückliches, arbeitvolles Familien= leben an uns im Geiste vorüber, wenn wir in der Luther­­stube stehen. Die an dieses Zimmer anstoßenden Räume sind reichhaltig mit Erinnerungen an jene große Zeit aus­­gestattet. Gemälde und Porträts, die alte Kanzel aus der Wittenberger Stadtkirche, alte Bücher und Handschriften von Luther und Melanchthon u. a. sind hier aufbewahrt. Wenn wir nun auf der Collegienstraße weiter in die Stadt hineingehen, so sehen wir nach wenigen Schritten das Wohnhaus Philipp Melanchthons, im­nnern das Studierzimmer des großen Freundes Luthers in seiner ur­­sprünglichen Gestalt bergend. Doch uns zieht es nach der Schlagkirche, an deren Tür einst Luther die bedeutsamen Hammerschläge tat, und in deren Frieden er nebst Me­­lanchthon und seinen beiden sächsischen Landesherren, Friedrich dem Weisen und Johann Friedrich, ruht. Wir überschreiten den Markt, vor dessen altertümlichen Rathaus die aus Erz gegossenen Standbilder Luthers und Melanchthons stehen und gehen an der alten Apotheke vorbei, in der Yufas G­ranad) wohnte, dem wir viele Bilder Luthers verdanken. Die Schloßfische ist im Jahr 1892 nach einem gründlichen Umbau in Gegenwart des deutschen Kaisers neu eingeweiht worden. Mannigfalte Schiesale hat sie seit ihrer Erbauung im Jahr 1499 durchmachen müssen, so daß aus Luthers Zeit nur noch die Grundmauern erhalten sind. Am schlimmsten hat sie bei einem Bombardement 1760 während des siebenjährigen Krieges gelitten; damals brannte auch die alte Holztür ab, an die Luther die 95 Thesen angeschlagen. An ihre Stelle die Friedrich Wilhelm IV. 1858 eine Bronzetür anbringen, auf der sich der lateinische Teil der Thesen befindet. Unter der Kanzel befindet sie das Grab Luthers, nicht weit davon liegt Melanchthon. Einfache Steine ragen ein wenig über dem Nußboden hervor und tragen die diesbez­züglichen Inschriften. Man erzählt, daß einst Kaiser Karl V., nachdem er bei Mühlberg 1547 die Protestanten bei­siegt und Wittenberg erobert habe, an dem Grab Luthers von dem ihn begleitenden Herzog Alba aufgefordert worden sei, Luthers Gebeine auszugraben, zu verbrennen und die Arche in die Elbe zu streuen. Der Kaiser aber habe dies An­­sinnen mit den Worten zurückge­wiesen: „Ich führe nicht mit den Toten Krieg, sondern mit den Kebenden.” Obwohl dies auf einer Sage beruht, hatte sich doch das Gerücht verbreitet, daß sich weder Luthers noch Melanchthons Ge­beine in den Gräbern befänden. Bei dem letzten Umbau der Schloßkirche wollte man sich darüber Gemeißheit ver­­schaffen und begann Nachgrabungen anzustellen, war auch Thon bis zu Melanchthons Sarg vorgedrungen. Da verbot Kaiser Wilhelm I. alles weitere Nachforschen, weil er die Grabesruhe der Reformatoren nicht gestört wissen wollte. Aber kurz vor Abschluß des Umbaues unternahmen zwei dabei beschäftigte Männer es, noch tiefer zu graben und stießen schließlich auf den morsch gewordenen Sarg Luthers, dessen Gebeine sie darin „regelrecht gelegt” und in noch ziemlich gutem Bestande fanden. ·

Next