Bukarester Gemeindeblatt, 1921 (Jahrgang 13, nr. 1-40)

1921-05-08 / nr. 7

26 No. 7 Bukarester Gemeindeblatt und das Volk wurde auf den kleinen Zug aufmerk­sam. Allein in Leipzig, das dem streng katholischen Herzog Georg von Sachsen gehörte, „hat man nit viel nach dem Luther gefragt, allein der Rat hat ihm den Wein geschenkt.“ Wärmer war die Aufnahme in Naumburg, wo ihn der Bürgermeister zu Tische lud. In Weimar oder Erfurt fand Luther das am 16. März vom Kaiser erlassene eben erwähnte Edikt angeschla­gen, das anordnete, dass alle Bücher Luthers an die Obrigkeit auszuliefern u. nicht mehr neu zu drucken seien, da sie im Widerspruch zu den Kirchenlehren ständen. Daraus sollte Luther ersehen, dass eine Ver­handlung mit ihm nicht stattfinden würde, so dass er nach der Hoffnung der päpstlichen Partei entweder gar nicht die Reise fortsetzen oder zum Widerruf seiner Lehre bereit sein würde, da er im Falle des Beharrens ganz bestimmt verurteilt werden würde. In der Tat fragte der kaiserliche Herold Luthern, ob er unter diesen Umständen noch geneigt sei, die Reise nach Worms zu vollenden. Luther selbst hat später erzählt, dass er da wohl erschrocken sei und gezit­tert habe. Aber er zögerte nicht. Aus Frankfurt schrieb er an Spalatin: „Ich vernehme, dass ein kaiserlicher Befehl ausgegangen ist, mich zu erschrecken; doch Christus lebt und wir werden in Worms einziehen trotz allen Pforten der Hölle und den bösen Geistern, die in der Luft herrschen.“ Petri (Fortsetzung folgt). Die Evang. Kirchen Grossrumäniens. A. Die evang. Landeskirche A, B. in Siebenbürgen*. Der 54. Artikel — welcher bezüglich der frommen Stiftungen der königlichen Majestät das Oberaufsichts­recht vorbehält — ist unter allen siebenbürgischen Gesetzen das einzige, welches eines Oberauf­sichtsrechtes der Krone auf kirchlichem Gebiete Er­wähnung tut. — Dies war die gesetzliche Rechtslage der vier rezipierten Religionen bis zum Jahre 1348. Die gewaltsamen Erschütterungen dieses Revolutions­jahres waren wohl von bedeutendem Einfluss auf die politische Stellung Siebenbürgens, in den Religionsan­gelegenheiten jedoch erlitt das frühere öffentliche Recht durch die neuen staatlichen Einrichtungen nicht die geringste Aenderung. Die alten Religionargesetze, Staats Verträge ^ und Friedensschlüsse blieben vollstän­dig in Kraft. — Im Jahre 1867 kam der sogenannte Ausgleich zwischen Oesterreich u. Ungarn zustande, wonach Ungarn sein eigenes verantwortliches Mini­sterium und seine eigene Vertretung und Verwaltung erhielt, ln dem Königseid bei der Krönung wurden die Freiheiten, Gesetze u. Gepflogenheiten der Kirche feierlich gewährleistet (2. Gesetzartikel aus 1867). Der 43. Gesetzartikel vom Jahre 1868, durch welchen die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn geregelt wurde, bestimmt in § 14, dass alle die Gesetze Siebenbürgens, welche die Freiheit der Religionsaus­übung und Selbstverwaltung für die gesetzlich inar­tikulierten Religionsgenossenschaften gewährleisten, nicht nur unberührt aufrechterhalten, * sondern gleich­zeitig auf die griechisch- und armenisch katholische, sowie auf die griechisch-orientalische Kirche ausge­dehnt werden. Zu erwähnen ist noch der 53. Gesetz­­artik vom Jahre 1868 als weiterer Ausbau des Reli­­gionargesetzes aus dem Jahre 1848 — der 20. Ge­setzartikel aus 1848 enthält unter anderm die Ver­pflichtung des Staates zur materiellen Unterstützung der Kirchen — mit wichtigen Bestimmungen betref­fend die Uebertritte. Den Abschluss bilden die neueren kirchenpolitischen Gesetze über die Zivilehe (31. Ge­setzartikel ex 1894), über die Religion der Kinder (32. Gesetzartikel ex 1894), über die staatliche Ma­trikelführung (33. Gesetzartikel ex 1894), über die Rezeption der jüdischen Religion (42. Gesetzartikel ex 1895) und über die Religionsfreiheit (43. Gesetzar­tikel ex 1895). ' Dies war die geschichtliche und gesetzliche Rechtslage der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbür­gen bis zum Ausbruch der Revolution im Herbst 1918 u. der Besetzung Siebenbürgens durch die Rumänen. Eine volle Gewähr für die weitere unverkürzte und unantastbare Aufrechterhaltung dieser a u t o n o m e n Rechtsstellung der ev. Landeskirche liegt in den Be­schlüssen der Rumänischen Nationalversammlung in Karlsburg (Alba-Julia) vom 1. Dezember 1918 (16. November 1918 alten Stils). Punkt III, 2 dieser Karls­burger Beschlüsse gewährleistet die „Gleichberechti­gung, die volle Autonomie uncf konfessionelle Freiheit für alle Konfessionen im Staate,“ — eine Bürgschaft, die um so wertvoller ist, als auch ein Königswort — gesprochen im königlichen Schloss in Bukarest am 30. Januar 1919 gelegentlich des Empfanges einer Abordnung des deutsch-sächsischen Nationalrates für Siebenbürgen, welche die am 8. Januar 1919 zu Me­­diasch beschlossene Anschlusserklärung des sächsi­schen Volkes an Grossrumänien dem König und der Zentralregierung in Bukarest überreichte — sich für die Aufrechterhaltung der Karlsburger Beschlüsse, für die Freiheit von Kirche und Schule, für die För­derung des ganzen Besitzstandes in Kultur u. Wirt­schaft in der huldvollen Aeusserung S. Majestät des Königs Ferdinand einsetzt. Mit königlichem Dekret vom 11. Dezember 1918 No. 3631 wird unter Zur­kenntnisnahme und Zugrundelegung der Karlsburger Beschlüsse die endgültige Vereinigung der angeschlos­senen Gebiete mit dem Königreich Rumänien verfügt und mit königlichem Dekret vom 11. Dezember 1918 No. 3632 werden die notwendigen Regierungsmass­nahmen getroffen. Es hatte also der König — als der damals einzige verfassungsmässige Faktor — die Karlsburger Beschlüsse ohne die geringste Einschrän­kung zur Kenntnis genommen u. dadurch sanktioniert. Damit erscheint die Gleichberechtigung u. Autonomie der evang. Landeskirche unverkürzt sichergestellt und gewährleistet, und es bedarf jetzt noch eines gesetz­geberischen Aktes, um diese bereits gegebenen Ga­rantien auch gesetzlich zu inartikulieren. Nicht uner­wähnt soll bleiben, dass der Rechtsschutz für unsere Kirche und Schule auch in dem Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye, und zwar im Abschnitt über die Rechte der Minderheiten aufgenommen wurde. Im Kapitel des Vertrages der alliierten Mächte mit Ru­mänien werden die diesbezüglichen Garantien in den

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