Bukarester Gemeindeblatt, 1922 (Jahrgang 14, nr. 1-53)

1922-01-15 / nr. 3

io No. 3 Bukarester Gemeindeblatt ammenschluss mit der ungarischen-lutherischen Kirche für beide Teile nur nützlich sein kann. Aber eben deshalb glaubt er seine warnende Stimme gegen Ausführungen, wie sie Raffay in der „Elche“ gibt, erheben zu müssen. Die „Eiche“, die für soziale und internationale Arbeits­gemeinschaft wirken will, ist eines der Organe des Welt­bundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen. Es ist sehr zu bedauern, dass Raffays Artikel gerade in diese«» Blatte er­schienen ist Wir sind durchaus nicht der Meinung, dass die Eiche etwa die Pflicht hätte, um ihres Programmes willen die wirklichen Verhältnisse schönfärberisch darzustellen. Sie mag ruhig an den Pranger stellen, was an den Pranger ge­hört. Wir möchten auch nicht den Eindruck erwecken, als ob die Verhältnisse der religiösen und nationale» Minoritäten in Qjfossrumänien in jeder Hinsicht idea! zu nennen wären- Die Besten unter den Rumänen wissen es selbst, dass da noch manches zu wünschen übrig bleibt. Wir denken dabei nicht nur an Fehlgriffe untergeordneter Organe, sonder ■ auch an Missstände wesentlicher Art. Welch furchtbare materielle Schädigungen sind z. B. unserer Kirche durch die Agrarre­form zugefügt worden ! Und wie viel Beunruhigung haben die Immer wieder auftaochenden Pläne btr. Verstaatlichung der konfessionellen Schulanstalten verursacht! Es bleibt Pflicht der Minoritäten, gegen derartige Uebergrilfe mit al­len gesetzlichen Mitteln anzukämpfe» u«d überall da, wo es möglich 1st, ihre Stimme dagegen z% erheben. Sehr dankenswert ist es da, dass gerade die dem Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen dienenden Blätter für die Rechte der Minderheiten so nachdrücklich ein­­treten. Sie tun es aas dem Bewusstsein heraus, das* der Weltfriede zu einem grossen Teile eben von der richtigen Behandlung der Minoritätenfrage abhängt. Durch Uebertreibungen und Entstellungen jedoch, wie sie be­dauerlicherweise Herrn Bischof Raffay unterlaufen sind, wird »lebt nur die Versöhnungsarbeit des Freundschaftsbundes er­schwert, sondern es wird dadurch auch den Minderheiten ein herzlich schlechter Dienst getan. Denn wie soll man ihren Klagen Gehör schenken, wenn man den Eindruck gewinnt, dass sie nicht den Tatsachen entsprechen’ Oberster Grund­satz mass auch hier absolute Wahrhaftigkeit sein. Wer ge­gen dies Prinzip verstösst, und wäre es auch aus edelsten Motiven, der schädigt schliesslich nur seine eigene Sache. R. H. Aus dem Bukarester Gemeindelcben. Die zweite Reihe der Feier» anlässlich des Weih­nachtsfestes nach altem Stil wurde durch eine sehr gut ge­lungene Veranstaltung der Mädchenelementarschule eröff­net, die am Mittwoch dem 4. Januar 1922 Nachmittags 4 Uhr i* der Turnhalle stattfand. Die Chöre bewiesen wiederum durch Reinheit der Stimmen und Genauigkeit und Sorgfalt der Ausführung, in wie guten Händen der Gesangunterrtcht *H der Schule ist; das Weihnachtsspiel „Frau Holle*, mit Lust und Liebe vorbereitet und von Kindern dargestellt, fand bei Kindern offene Augen und Ohren und gläubige Stimmung. Die eigentliche Schulweihnachtsfeier, mit der der Un­terricht vor den Ferien seinen Abschluss fand, wurde am 5, Januar nach den ersten zwei Schulstunden um 9 drei­viertel Uhr Vorm, in der Kirche begangen. Man hatte um des unzureichenden Raumes willen von den nicht evange­lischen Kindern nur eine beschränkte Anzahl zulassen kön­nten und leider manches Kinderherz kränken müssen; denn zum Weihnachtsfest möchten, gerade dis Kleinsten alle kommen, den leuchtenden Baum verstehen sie, auch wenn die Worte und der Sinn der aufgesagten Gedichte und der Ansprache des Geistlichen an ihnen zum grossen Teil doch vorüberklingt. Gedichte und Chöre wurden gut zum Vor­­trag gebracht, das Geigensolo, von der Orgel zart beglei­tet, kam ebenfalls gut heraus. Pfarrer Petri stellte den Kindern vor, wie sie, von Weihnacht zu Weihnacht des Jesus­kindes Herabkunft mit freudigerSchnsacht erharrend,allmäh­lich in die Hat des freundlichen Heilan ies unseres Glau­bens hineinwachsen, und entliess sie mit dem Wunsch auf ein fröhliches Fest; dann schloss, aus vollen Kinderherzen erklingend, die alte Weise des Liedes „O du fröhliche, o da selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ die Feier. Am gleichen Tage, Vormittags 11 Uhr fand die Weihnachtsfeier Im Hötschasyi Str. Numa Pompiliu statt. Der Vorstand des Bukarester Deutschen Unterstützurgs­­vereines hatte auch tn diesem Jahre beträchtliche Mittel zur Verfügung gestellt, um seineri Schutzbefohlenen eine reicht Weihnachtsfreude zu bereiten. Auch der Frauenverein der Evang. Gemeinde zu Bukarest hatte sich eingestellt. Wie in den früheren Jahren, so haben seine Mitglieder auch diesmal wieder Wäsche und Kleidungsstücke angefertigt — eine Mühewaltung, die gerade in der Gegenwart, wo der Bedürftige so schwer sieh kleiden kann, doppelt hoch an­zurechnen ist. Am Nachmittag 3 Uhr wurde sodann die Besehe­­rengsfeier der Evang. Armenpflege durch einen Gottes­dienst in der Kirche (die Predigt hielt Herr Prof. Gross) eröffnet. Gegen 100 Arme hatten sich dazu eingefunden. Es ist kein leichtes Stück Arbeit, ihnen allen das Notwendig­ste za beschaffen■ Dank der grossen Gebefreudigkeit der Gemeindemitglieder und dem unermüdlichen Eifer der Vertrauensmänner der Armenpflege, besonders auch ihres Vizepräsidenten Herrn J. Schückerle, nicht zuletzt auch dank der rührigen Tätigkeit des Lrauenvereins war es mög­lich, den geäusserten Wünschen der Armen in weitgehen­dem Masse Rechnung zu tragen. Es muss wirklich aner­kennend hervorgehoben werden, in welch schöner Weise sich die Mildherzigkeit vieler Glaubensgenossen auch in diesem Jahre kund tat Allein an Barmitteln sind insgesamt gegen 50,000 Lei aufgebracht worden. Der Wert der ge­spendeten Naturalien erreicht mindestens die gleiche Summe. Zu dem schönen Erfolg trug auch dH Sammlung unter den Schülern unserer Anstalten wesentlich bei: eine Klasse brachte auf die erste Aufforderung 930 lei zusammen. Als der Professor das anerkennend hervorhob u. darauf hinwies, dass es fast 1000 lei seien, da ging ein Flüstern durch die Klasse: Der Tausender könne leicht erreicht werden, die Mitschüler brauchten bloss auf das Frühstücksbrötchen zu verzichten. Gesagt, getan ! Und mit frohem Hurrah wurde dann von den jungen Wohltätern der volle Tausender be­­grüsst. Wer bei der Bescherung die abgehärmten Gestalten gesehen, die mit dankerfüllten Herzen ihre Gaben in Emp­fang nahmen, wird gerne zugeben, diss, wenn irgendwo, so gerade hier die bewiesene Opferwilligkeit wohl am Platze war. Eine frohe Feier gab es auch im Armenheim Strada Popa Petre 16, Der strahlende Weihnachtsbaum, die schön geordneten Gäben darunter (Geld, K eider, Wäsche, Natu­ralien), die Weihnachtslieder und die herzandringenden Worte des Geistlichen, die bewegte Danksagung eines al­ten Mütterchens m Namen alter Beschenktem ten Teilnehmern ist es unvergesslich; sie haben von hier f rohe Stimmung in ihr eigenes Heim und ihre häusliche Weihnachtsfeier mit­getragen. Ueber die Weihnachtsfeiern im Waisenhaus und in der Knaben-Elementarschule wird uns geschrieben: Die Weihnachtsfeier der WaisenHinder. Am Freitag Nachmittag 3 Uhr hatten sich im Saale der Kleinkind ersehnte Mitglieder des Vorstandes, Freunde und Gönner der Anstalt sowie Angehörige der Waisenkin­der eingefanden, um in herkömmlicher Weise unter dem strahlenden Christbaum Weihnachten zn feiern. Eine reiche

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