Bukarester Gemeindeblatt, 1922 (Jahrgang 14, nr. 1-53)

1922-06-11 / nr. 24

Jahrgang XIV, Sonntag den 11. Juni 1922 No. 24. Bukarester 1Gemeindeblatt. Schriftleitung R. Honigberger. Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 10. Dobrogeafahrt. (Fortsetzung.) Der Weg von Sarighiol weiter führt durch ein längst verlassenes und ausgetrocknetes Donautal über das vorwiegend vonTartaren bewohnte Caraotner nach Mamuslia, wo wir nach glücklich überstandenem kurzen Hagelwetter anlangten. Mamusliä zählt 33 deutsche Familien, die bis auf 2 baptistische durchwegs evangelisch sind. Ausserdem wohnen hier noch 7 rumänische Familien. Die Ge­meinde wurde 1893 begründet. Als Lehrer wirkt der altbewährte treue Herr Straub. Wir stiegen hier in dem stattlichen Gehöft des Herrn Brandenburger jun. ab, in dessen Hause auch die Besprechungen mit den Vertretern der Gemeinde stattfanden, die wieder durchaus harmonisch verliefen. Die Schule, in Mamuslia wurde 1914 durch den Staat gebaut. Sie enthält ausser der Lehrerwohnung nur ein Klassen­zimmer, in welchem die 37 deutschen und 8 rumäni­schen Schulkinder aus Mamuslia und ausserdem 15 rumänische Schulkinder aus dem benachbarten Tscher­­keskiöj von dem einen rumänischen Lehrer und Herrn Lehrer Straub unterrichtet werden. Die tartarischen Kinder in Tscherkeskiöj haben einen eigenen tartari­schen Lehrer; ein eigenes Schulgebäude besitzen die deutschen Kolonisten nicht, doch tragen sie sich mit der Absicht, das Bethaus der Baptisten zu übernehmen, da die Zahl der Baptisten hier sehr zurückgegangen ist (eigentlich nur eine Familie). Auch hier erfolgte die Wahl der Vertreter in den Dobrogeaer Kreisaus­­schuss wie überall einstimmig, und auch diese Ge­meinde wünscht bei Neueinteilung der Kirchenbezirke ebenso wie die bereits erwähnte Gemeinde Serighiol und wie die Gemeinden Sofular, Alacap, Ebikiöi nnd Fachri den Anschluss an Cobadin. Nachmittag 5 Uhr Abfahrt von Mamuslia. Es hat in der ganzen Gegend reichlich geregnet, was von den Bewohnern überall freudig begrüsst wurde. Die Feuchtigkeit der Wege erschwerte unserm Kraft­wagen allerdings das Vorwärtskommen an Steilen Stellen. Einige Male mussten wir aussteigen und dem ■Gefährt durch Stossen und Ziehen vorwärts helfen. So ging’s dann. Endlich hatten, wir bei Baeramdede, einem gleichfalls vorwiegend tartarischen Dorfe, die Landstrasse erreicht, und nun ging’s in besşerer Fahrt, nachdem wir noch eine zerbrochene Brücke mühsam ausgeflickt und für das Auto passierbar gemacht hatten, weiter nach Cobadin. Man hatte uns hier irrtümlicher Weise schon am Morgen erwartet. Nun war es 9 Uhr Abends. Wir mussten uns daher zunächst am freundlichen Empfange der führenden Männer (Leyer, Klett, Karl Wilhelm) genügen lassen, um dann nach wohliger Nachtruhe um 7 Uhr morgens . unsere Versammlung abzuhalten. Hatte die stattliche Gemeinde (Cobadin) schon am Abend — sie lag im hellen Mondscheine vor uns, ein Bild voll anziehender Dorfpoesie — einen recht freundlichen Eindruck gemacht, so erhöhte sich dieser am nächsten Morgen noch um ein beträchtliches, Die grossen, behäbigen Gehöfte mit ihren säubern Häusern legen sofort Zeugnis ab von der Wohl­habenheit der meisten Bewohner. Die Gemeinde war in den Kriegsjahren schwer heimgesucht, die Ein­wohner waren ausgeraubt, manche Häuser zerstört worden. Aber die Leute haben nicht auf die ver­­heissenen Entschädigungen gewartet, sondern unver­drossen sich wieder an den Wiederaufbau gemacht, und sich ihren alten Wohlstand durch Fleiss, und Ausdauer wieder errungen, sodass die Kriegsfolgen in den meisten Fällen als überwunden gelten können. Die Zahl der hier wohnenden Deutschen beträgt 437 (96 Familien). Die Schule wurde 1899 von der po­litischen Gemeinde erbaut. Sie umfasst 2 Klassen­zimmer und eine Rektoratskanzlei. Der Unterricht wird von 3 rumänischen und einem türkischén Lehrer, die vom Staat besoldet sind, erteilt; ausserdem wirkt an ihr ein von den deutschen Kolonisten besoldeter deutscher Lehrer. Ein rumänischer Kindergarten ist auch vorhanden. Im ganzen besuchen 109 deutsche, 30 rumänische und 22 tartarische, bzw. türkische Kinder die Schule. Der Wunsch nach einer eigenen deutschen Schule mit deutscher Unterrichtssprache ist gross. Nötigenfalls könnte diese in dem hübschen, geräumigen Bethaus der Gemeinde, in welchem sich ausser dem Betsaal auch ein Schulzimmer befindet, untergebracht werden. In der Besprechung wurde der einstimmige Be­schluss gefasst, die Mittel für die Besoldung eines eigenen Pfarrers durch Umlagen aufzubringen. Ein eigenes, recht änsprechendes Pfarrhaus ist vorhanden; auch stehen noch die Grundmauern eines seinerzeit begonnenen Konfirmandenheimes, das aber in Folge der Kriegsereignisse nicht fertig gestellt werden konnte. Die Gemeinde wird den Bau so bald als möglich ausführen ; auch wurde zugesagt, die nötigen Wiederherstellung'sarbeiten am Pfarrhaus baldigst in Angriff zu nehmen und für eine entsprechende Möb­lierung zu sorgen. Auch die Frage des völkischen Zusammenschlusses wurde freudig gutgeheissen. Zur Mittagsstunde bestiegen wir abermals unseren Kraftwagen, der uns nun über die vorwiegend tür­kischen Dörfer Bülbül, Maerfadlar (im letzteren

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