Der Nachbar, 1908 (Jahrgang 60, nr. 1-52)

1908-01-05 / nr. 1

Bum Bountag nad Deujahr. 1. Beth­ 4, 12. Jhr Lieben, Iaftet euch die Hitze, fr euch begegnet, nicht uefrembten. Re wenige Züge haben twir in den neubegonnenen­­­­ Jahre durchlebt, aber sie genügen, um uns zu­­ überzeugen, daß unser Weg gleicher Art sein wird, wie er von jeher gewesen ist in den vergangenen Jahren, ein Weg unter der segnenden und behütenden Barmherzigkeit unsers Gottes, aber auch ein Weg, auf dem uns mancherlei begegnet, was nicht leicht zu überwinden ist. Jeder Tag hat seine eigene Plage, und die Plage wird zuweilen zu einem recht ernsten Leiden, ja das Leiden kann auf die Seele brennen, daher redet der Apostel hier von einer Hige. Darüber möchte sich wohl jemand verwundern, daß die, welche Gottes Kinder sind, welche Gott als ihren Vater lieben, denen daher doch alles zum besten dienen soll, durch Drangsalshige hindurch müssen. Laßt euch das nicht befremden, als widerführe end­ etwas Geltsames, Unbe­­greifliches, so schreibt hier Betrus; Leiden gehört zum Christenleben. Das Evangelium ohne Leiden ist etwas für den Himmel; das Evangelium mit­ Leiden ist für die Erde; das Leiden ohne Evangelium ist für die Hölle. Deshalb gehört Leiden zum Christentum: es dient zur Erziehung, zur Bewährung. Das gilt von den verschiedensten Arten des Leidens: von drühender Armut, von quälender Krankheit, von peinigender Verachtung und Feindschaft — wer könnte alle Arten des Kreuzes aufzählen, das den Menschen auferlegt wird. Sie dienen zur Erziehung, wer nichts anderes kennen lernt als Erfolg und Glück, der verläßt sich auf seine eigene Kraft, der verirrt sich bald auf seine eigenen Wege, der kommt in V­ersuchung, seines Gottes zu vergessen. Daher verzäunt Gott oftmals unsere Straße mit Dornen, daß wir seinen verkehrten Pfad einschlagen künnen, er vers­taunt ihn so, daß nur ein schmaler Weg übrig bleibt, den wir nicht wandeln künnen, ohne daß die Dornen uns vers­iegen; das heißt, ohne Bild geredet: er verleidet uns die Welt mit ihrer Luft. Er nötigt uns, die Quelle aller Kraft und alles Trostes zu suchen; wir müssen uns überzeugen, wie wenig die Zerstreuungen und Vergnügungen, die von manchen empfohlen werden, der­ Verkehr mit Menschen, mit denen uns doch seine Gemeinschaft des Geistes vers­bindet, uns die Lasten unseres Lebens tragen Hilft, daß doch nur einer ist, der alle Mühseligen und Beladenen zu sich ruft, um sie zu ergruiden; wie viele Jünger Jesu müssen bekennen, daß sie ihren Herren und Heiland nie gefunden hätten, wenn sie ihn nicht gesucht hätten unter dem Drud ihres Kreuzes. Dann, wenn wir erfahren, wie wenig Heil es uns bringt, unser Herz Menschen auszuschütten, fühlen wir uns getrieben, unsre Zuflucht zum Gebet zu nehmen; und wenn unser Gebet ein Ruf aus der Not ist,­ ohne viel Worte, aber mit viel Inbrunft, dann werden wir der Er­­hörung gewiß — solch ein Gebet steigt Himmel an, er steiget ohne Ermüden bis Hilfe der beschieden, der allen helfen kann. Wie können wir dem­ rechte Nachfolger Christi werden, ohne­ zu leiden? It nicht der Herr den Leidensiweg hie­­rieden gegangen und hat, wie die Schrift sagt, Gehorsam gelernt an dem, das­ er litt? Er selbst also ist fortgeschritten durch sein Leiden im Gehorsam gegen den Willen seines Vaters, indem er die wahrhaft menschliche Scheu vor dem Leiden stets vollkommen überwand durch Ergebung; so gibt es auch für uns sein wirksameres Mittel der göttlichen Er­­ziehungsfuift als das Leiden. Si, BT:

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