Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-07-31 / 61. szám

Siebzehnte rIahrgang. —-SM-—— 1844. Pesth und Ofen, Mittwoch, 31. Juli 61. DER SPIEGEL für M um ft, ElegKNz sssl> MV de. Redakteur: SttM. Rofenthal. Verleger: Ff. Wiesens Wittwe und S. Rofenthal. D i e T a u b jl u m m e. (Kortsrzung.) amilla hatte genug geweint, so daß ihr auch ein Augenblik Freude er­laubt sein konnte. Zum ersten Male seit dem Tode ihrer Mutter erhob »fie sich, stellte sich vor den Spiegel, nahm eines der Kleider, die ihr der Oheim gebracht, betrachtete eS vergnügt, gab dem Alten die Hand und nikte mit dem Kopfe: Ja! Bei diesem Zeichen sprang der gute Gi­­raud mit seinen diken Schuhen leicht wie ein Kind umher. Endlich war die Stunde gekommen, wo er seinen Plan ausführen konnte: er trium­­phirte. Camilla wollte fich Puzen, mit ihm ausgehen, die Oper besu- - | chen, unter den Leuten erscheinen — er wußte sich nicht zu halten bei diesem fröhlichen Gedanken und umarmte seine Nichte ein auf's andere Mal, während er nach der Kammerfrau, den Dienern und HauSleuten schrie. Camilla war, als sie fich geschmükt, so schön, daß fie eS selbst zu begreifen schien und bei ihrem eigenen Anblik lächelte. „Die Kutsche ist unten," sprach der Onkel Giraud und machte zum Verständniß mit dem Arme eine Bewegung, wie ein Kutscher, der auf seine Pferde peitscht, und mit dem Munde das Rol­len eines Wagen nach. Eamilla lächelte von Neuem, nahm daS Trauerkleid, das fie abge­legt, faltete eS sorgfältig zusammen, küßte eS, legte eS in den Schrank und fuhr ab. Hielt Onkel Giraud nicht viel auf feine Person, so war es anders mit dem, was er that. Es kümmerte ihn nicht, ob seine Kleider ihm am Leibe schlotterten, ob die Schuhe nicht blank gewichst waren, oder die Perrüke ihm zu tief in die Stirn rükte. Dagegen, wenn er sich damit abgab, Andere zu beschenken, so wählte er das Theuerste und Beste. So hatte er auch an diesem Abende für sich und Camillen eine der schönsten Logen im Vordergründe gemiethet, damit seine Nichte von aller Welt gesehen werden könnte. Beim ersten Anblik, den Camilla auf die Bühne und den Saal warf, wurde sie geblendet; dies konnte nicht auSblei-­­ben: ein kaum sechszehnjähriges Mädchen, auf dem Lande erwachsen und plözlich inmitten eineS solchen LuruS der Kunst und des Vergnügens versezt, mußte nothwendig zu träumen glauben. ES wurde ein Ballet aufgeführt, und Camilla folgte neugierig den Stellungen, dem Mienenspiel und den Bewegungen der Tänzer; sie begriff, daß eS eine Pantomime vorstellte, und da ste selbst sich so gut darauf verstand, so suchte sie sich den Sinn zu erklären. Alle Augenblike wendete fie sich mit fragenden Bliken an ihren Oheim , um ihn zu Rath zu zie­hen, allein er verstand fast nicht mehr als ste. Sie sah Schäfer in seidenen Strümpfen, die ihren Schäferinen $ hímen boten, Liebesgötter, die an Fäden in der Luft schwebten, und Göt­ter, aus Wolken sizend. Die Dekorationen, die Lichter, der Glanz überhaupt, der Schmuk der Frauen, die Stikereien, die Federn — all dieser Pomp eines für ste unbekannten Schau­spiels versezte sie mehr und mehr ins angenehmste Erstaunen. Ihrerseits wurde sie bald nicht minder Gegenstand einer fast allgemeinen Neugierde; ihr Anzug war einfach, doch vom besten Ton; in einer großen Loge allein in Gesellschaft eines ManneS, der so wenig nach der Mode auSsah, wie unser Onkel Giraud, dabei schön wie ein Stern—und blühend wie eine Rose — mit großen schwarzen Augen und einer so unschuldigen Miene — mußte sie nothwendig alle Blike auf sich lenken. Die Männer machten einander aufmerksam auf sie, die Frauen beob-

Next