Bohus, Buczkó, Lugossy 3. Glaskünstler aus Ungarn (Essener Glasgalerie, Rüttenscheid, 1983)

Bohus, Buczkó, Lugossy Auch die heutige Glaskunst hat zwei gut abgesonderte Zweige. Es gibt eine auf Einzelfertigung beruhen­de Gegenstandskultur, die ihren An­trieb größtenteils von der Farben- und Formenwelt der ungarischen Kunst der Jahrhundertwende, dem Jugend­stil, erhielt; und es gibt eine Objekt­kultur mit einem experimentierenden Geist, die sich an die Tendenzen der zeitgenössischen Skulptur knüpft. Sie ist also — ähnlich der Skulptur — auf der Suche nach dem Verhältnis zwi­schen Raum, Masse und Stoff. Der Stoff aber, der benützt wird, ist ein besonderes und zauberhaftes Mate­rial: das Glas. Es gibt keinen anderen Stoff in der Kunst, mit dessen Hilfe das Gewicht der Massen so auflös­bar, der Raum so ausdehnbar wäre. Im Glas wird das Licht verkörpert, und inzwischen wird es selbst im Licht aufgelöst. Deshalb erhält die Glasfigur ihre echte Form vom Licht, obwohl dessen Weg vom Künstler ge­leitet wird. Obzwar die sich jetzt vorstehen­den drei ungarischen Künstler ver­wandte Ideen in der Glasskulptur ver­treten, bestimmen sie dem Glas drei unterschiedliche Wege. Alle drei ge­brauchen laminiertes, verklebtes Glas, geschliffen, daraus formen sie ihre plastischen Arbeiten, worin sie gegebenenfalls auch andere Stoffe einbauen. Alle drei gehen von ele­mentaren geometrischen Formen aus, werden aber von unterschiedlichen Vorhaben und Gefühlen geleitet. In den Werken von Zoltán Bohus reißt uns der Raum mit. Der schwere, massive Glaskörper seiner Statuen wird ätherisch leicht im wechselvollen Spiel der Lichtstrahlen und Farben. Seine Gestalten könnten auch aus einfachen geometrischen Formen, mittels regelmäßiger Ausschnitte ent­stehen. Der Schnitt wird durch die Bewegung einer Geraden angegeben, aber die Oberfläche der so entstande­nen Raumgestaltung ist meistens bo­genförmig. Das Steigen der Bogen wird in den aufeinandergeklebten Glasschichten durch maternatische, arithmetische Formeln bestimmt. Die zwischen den Schichten liegenden mikrometerdünnen metallbedämpften Oberflächen erhöhen die Reflexe. Schliff und Polieren machen die Blok­ké der Figuren vollkommen homogen, und ihre innere Struktur erscheint als eine raffinierte Ornamentik der Vertie­fung von Räumen und Farben. Ele­gant und großzügig sind diese imagi­nären inneren Räume, sie sind lok­­kend und halten zur gleichen Zeit die Distanz, es sind Stücke einer ätheri­schen Welt, die sich irdischen Geset­zen unterwerfen. György Buczkó ist eine Persön­lichkeit der Extreme. Seine kühl ratio­nellen Werke betrachtend, fällt uns schwer zu glauben, daß er auch die dynamischesten Arbeiten der heuti­gen ungarischen Glaskunst herstellt. Strenge Rechnung und spontane Lei­denschaft finden gleichmäßig ihren Platz in seiner Kunst, in demselben Stoff, aber mit einer unterschiedlichen Technik ausgeführt. In seinen über Formen geschmolzenen Glasbildern nützt er die unendliche Formbarkeit des Materials, die sich aus dem Zufall ergebenden überraschenden Effekte aus. Die Technik des laminierten, ver­klebten Glases hingegen beschwört deren Gegensatz, die Regelmäßigkeit und die Berechenbarkeit, herauf. Als Grund wählt er drei Elemente der Geometrie: das Prisma, den Zylinder

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